Was geht ab in Friedrichshain? September 2012
Kiez-Informationen
Thor Steinar . Rechte Übergriffe . Neonazi-Aktionen . Alltagsrassismus . Homophobie . Rechtspopulisten . Und Antifaschistischer Widerstand in Berlin-Friedrichshain

Achtung Neonazis im Kiez!
Der Bezirk Friedrichshain liegt bei Vorfällen und Angriffen mit rechten Hintergründen seit Jahren auf den vorderen Plätzen. Woran liegt das? Liegt es daran, dass hier mehr Leute darauf achten und ihre Beobachtungen nach Angriffen mitteilen oder gibt es tatsächlich eine rechte Konjunktur im Kiez? Wenn ja, von wem geht diese aus und wie äußert sie sich? Was ist davon eher eine unangenehme Wahrnehmung und nicht mit Fakten zu belegen? Was passiert eigentlich in den Kneipen und auf den Straßen Friedrichshains? Mit diesem Faltblatt wollen wir eine Bestandsaufnahme vornehmen und einige Probleme im Bezirk beleuchten.

Lasst uns über Alltagsrassismus reden - anstatt Neonazikneipen zu definieren
>>> Friedrichshain hat zur Zeit glücklicherweise kein größeres Problem mit der organisierten Neonaziszene. Vielmehr sind es AlltagsrassistInnen und rechte SprücheklopferInnen, die sich in den Kneipen sowie auf öffentlichen Plätzen rumtreiben und für ein unangenehmes Klima sorgen.
Kakadu, Brutz und Brakel, Jessner Eck,... - wenn wir das Internet um Hinweise auf Neonazikneipen in Friedrichshain durchsuchen, finden wir unzählige Treffer. Es sind aufmerksame Menschen, die ihre Beobachtungen schildern: Mal sind es rassistische oder homophobe Pöbeleien, mal wird ein Lied einer mehr oder weniger rechten Band abgespielt oder die Gäste mit ihren Glatzen suggerieren dem/der BeobachterIn eine rechte Gesinnung. Schnell formuliert sich am Ende eines solchen Beitrags die Vermutung, dass es sich bei der Kneipe gegenüber um eine Neonazikneipe handelt.
Die Einstufung als Neonazikneipe erfolgt wenn, entweder die BetreiberInnen Mitglieder der Neonaziszene bzw. fester Bestandteil des subkulturellen neonazistischen Milieus sind oder die Einnahmen bzw. Infrastruktur des Ladens der Neonaziszene zu Gute kommen. Zur Abgrenzung dazu handelt es sich allerdings um eine Bewirtschaftung durch rechte oder rechtsoffene Personen, wenn nationalistische und rassistische Äußerungen von der Bewirtschaftung getätigt oder geduldet werden. Eindeutige Aussagen zur Gesinnung der Betreiber lassen sich nicht einmal treffen, wenn Neonazis häufig einen Laden frequentieren, um einfach zu konsumieren. Wie die langjährige Erfahrung zeigt, ist es auch vielen Gastronomen egal, wer bei ihnen speist und trinkt, so lange die Klientel im Übrigen ruhig bleibt.
Vielen mag diese Differenzierung zwischen tatsächlicher Neonazikneipe und rechter Bewirtschaftung bzw. rechtem Publikum kleinkariert erscheinen, andererseits werden die wirklichen Probleme im Kiez vernebelt, wenn alles übereilt mit der Zuschreibung „Neonazi“ versehen wird. Neonazis werden in der breiten Gesellschaft überwiegend abgelehnt, weil ihr offener Bezug zur nationalsozialistischen Ideologie und ihre Einbindung in entsprechende Organisationen noch als gesellschaftliches Tabu gilt. Vielfach werden Neonazis lediglich aus dem Grund abgelehnt, weil ihnen ein hohes Gewaltpotential unterstellt wird. Sofern jemand Versatzstücke eines solchen Weltbildes hat und offen rassistische Positionen vertritt, versteht er sich deshalb nicht automatisch als Neonazi. Wenn einem Rechten also vorgeworfen wird, er sei ein Neonazi, reagiert er mit Unverständnis. In seinem Selbstbild hat er nämlich wenig mit dem – in seiner Vorstellung gewaltbereiten – Neonazi zu tun. Um effektiv beispielsweise rassistisch motivierte Übergriffe sichtbar machen zu können, hilft es wenig, diese den „Neonazis“ zuzuschreiben. Denn der größte Teil der Personen, von denen rassistisch motivierte Übergriffe begangen werden, versteht sich nicht als Neonazi und nehmen sich deshalb auch nicht als Adressat der Kritik wahr.
Der inflationäre Gebrauch des „Neonazi“-Vorwurfs bringt zudem das Problem mit sich, dass relevante Hinweise neben Übertreibungen und Fehleinschätzungen untergehen oder schlicht nicht mehr ernst genommen werden. Auch bilden sich schnell Mythen, die sich im Kiez – auch wenn sie sich als falsch herausstellen – rasch verbreiten und Leute unnötig an den Pranger stellen. Zum anderen gefährdet vorschnelles Zuschreiben und Handeln letztlich die Akzeptanz von kritischen Positionen und antifaschistischen Aktionen im Alltag, weil standardmäßig die Schutzbehauptung kommt: „Ihr seid sowieso gegen alles und jeden“. Richtig ist, weiterhin jeden Hinweis ernst zu nehmen und zu prüfen, doch wünschen wir uns mehr Bewusstsein dafür, welche Folgen falsche Einschätzungen haben können.
Es gibt kein Patentrezept, wie unangenehme Situationen gelöst werden können. Erfolgsversprechend erscheint uns ein reflektiertes und respektvolles Klima im Kiez. Ein buntes Straßenbild, Akzeptanz unterschiedlichster Lebensentwürfe, offene Kommunikation und bewusstes Handeln können helfen, linke und antifaschistische Positionen zu festigen. Dies schließt jedoch auch spontane antifaschistische Interventionen nicht aus.
Um rechten Umtrieben im Kiez begegnen zu können, sind wir auch weiterhin auf eure Hinweise und Beobachtungen angewiesen. Gerade wenn es dabei um Subkulturen wie z.B. Black Metal geht, brauchen wir euren Input! <<<

Silvio Meier Gedenken
Am 21. November 2012 wird die Gabelsbergerstraße umbenannt und fortan den Namen Silvio-Meier-Straße tragen.
>>> Die Straßenumbenennung ist Teil des Gedenkens an den DDR-Oppositionellen, Antifaschisten und Hausbesetzer Silvio, der 1992 am U-Bhf. Samariterstraße von Neonazis erstochen wurde. Seit seiner Ermordung wurden viele Anstrengungen unternommen, um an seine Person, sein Wirken und den Mord zu erinnern. Schon am Tag nach seinem Tod formierte sich vom U-Bahnhof ausgehend eine spontane Demonstrationen von Angehörigen und FreundInnen. Bis heute setzt sich diese Form des Gedenkens in der Silvio-Meier-Demonstration mit jährlich mehreren tausend TeilnehmerInnen fort. Ein weiterer Baustein des Erinnerns ist eine Gedenktafel im U-Bhf. Samariterstraße, die von Silvios FreundInnen angebracht und etliche Male gestohlen und beschädigt wurde. Mit der Straßenumbenennung soll zum 20. Todestag ein dauerhaftes Zeichen der Erinnerung gesetzt werden.<<<

Thor Steinar darf bis 2015 in Friedrichshain bleiben!
Seit Februar 2009 hat die rechte Kleidermarke Thor Steinar einen Laden in der Petersburgerstraße 94 nahe dem Frankfurter Tor.
>>> Obwohl der Laden selten KundInnen hat, verteidigt sich der Betreiber hartnäckig gegen Räumungsklagen des Hauseigentümers. Ein letzter Versuch, den Laden loszuwerden, scheiterte im September 2011 mit einem Vergleich. Demnach darf der Laden noch bis 2015 bleiben. Ein Schlag ins Gesicht für alle, die sich schon am Tag der Eröffnung dort einfanden und lautstark protestierten.Kleidung und Stil von Thor Steinar haben für die rechte Szene identitätsstiftende Funktion. Oft werden Symbole und Codes verwendet, die sich erst durch Hintergrundwissen deuten lassen. Das trendige Design gibt den Thor Steinar-KonsumentInnen die Möglichkeit, sich unauffälliger zu bewegen, ohne sofort als Neonazi stigmatisiert zu werden. Auf den Motiven finden sich Bezüge auf den Zweiten Weltkrieg, die mythologisch geprägten Namen von SS-Eliteverbänden, Kolonialismus, nationalsozialistische Ideologie, zu nordischer Mythologie und zur norwegischen Sprache. Der Einstieg eines stillen Teilhabers aus Dubai 2008 hat an der politischen Ausrichtung des Labels nichts geändert.
Trotz des breiten Protests, den Thor Steinar bundesweit erfährt, gibt es immer wieder Leute, die die Marke unbedarft tragen, ohne zu wissen, was eigentlich dahinter steht. Nur durch andauernde Öffentlichkeitsarbeit kann dem entgegengekommen werden.
Thor Steinar eröffnete den Friedrichshainer Store neben einem Projektehaus, in dem Menschen verschiedener Herkunft ein und aus gehen. Außerdem war an dieser Stelle in den 30er Jahren das SS-Sturmlokal Keglerheim. Hier wurden KommunistInnen und SozialistInnen verprügelt und zu Tode gefoltert. Die Standortwahl des Ladens in direkter Nachbarschaft zu linken Hausprojekten zeigt, dass es Thor Steinar vor allem um Provokation geht. Der Laden ist schon lange ein Verlustgeschäft und wir als AnwohnerInnen sollten weiterhin dafür sorgen, dass es so bleibt. Naziläden dichtmachen! <<<

Organisierte Neonazis im Kiez
Anders als in Treptow/Köpenick, Lichtenberg oder Neukölln agieren in Friedrichshain keine in Gruppen oder sog. Kameradschaften organisierten Neonazis. Zumindest nicht offen - denn es ist nicht ausgeschlossen, dass Neonazis den Bezirk als attraktive Wohnlage nutzen und in anderen Bezirken politisch aktiv sind. Mit dem Wegzug vieler Lichtenberger Neonazis nach Schöneweide hat sich der Aktionsradius der Friedrichshainer offensichtlich auch in den Süden verlagert.
>>> In Friedrichshain existiert auch kein NPD-Kreisverband, obgleich die Partei zur Berlin-Wahl 2011 im Bezirk angetreten ist und 1% der Stimmen bekam (etwa 1000 WählerInnen). Wahlplakate und Aufkleber der Partei finden sich vor allem im westlichen Teil Friedrichshains, am Ostbahnhof und dem Strausberger Platz. Der letzte Auftritt der NPD mit einer Kundgebung am 17. Juni 2012 direkt am Strausberger Platz mit rund 30 AnhängerInnen war eine seltene Ausnahme und hat nichts mit der Neonaziszene im Bezirk zu tun.
Die Neonazis, die in Friedrichshain wohnen, orientieren sich an denen in Lichtenberg und Schöneweide und nutzen deren Infrastruktur um zu agieren. Wenn es berlinweite Neonaziaktivitäten gibt, wird auch an vereinzelten Stellen hier im Kiez plakatiert (z.B. zu Todestagen vom SA-Führer Horst Wessel oder Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess), werden Flyer verteilt (z.B. am RingCenter) oder Denkmäler beschmiert (z.B. im Volkspark oder die Tafel für den ermordeten Antifa Silvio Meier im U-Bhf. Samariterstraße). Bis 2010 wurde des Öfteren auch das Wahlkreisbüro der Linken und das Büro der Naturfreundejugend (beide mittlerweile verzogen) Ziel von Anschlägen durch Pflastersteine und Farbe. Diese Aktionen standen im Zusammenhang mit der „Aktion gegen linke Läden“, die vom Nationalen Widerstand Berlin (nw-berlin) initiiert wurde und in mehreren Nächten Einrichtungen in unterschiedlichen Kiezen traf.
Gezielte Angriffe auf Linke gehören in Friedrichshain nicht mehr zur Tagesordnung. Vereinzelt werden Wohnhäuser vermeintlicher Antifas mit Farbe besprüht; aber bandenartige Überfälle, wie 2008 gegen das Sama-Cafe oder Mutproben vor Hausprojekten finden nur noch sehr selten statt. Einerseits, weil sich der Kiez damals mit Fahrwachen wehrte, und andererseits die bekannten Neonazis öffentlich bekannt gemacht wurden.
Die faktische Entwarnung vor Neonazistrukturen in Friedrichshain bedeutet nicht, dass es hier keine Neonazis mehr gibt. Weiterhin ist es wichtig, aufmerksam zu beobachten, wer sich im Kiez bewegt. Das akute Problem in Friedrichshain war und bleibt die rechtsoffene Kneipenkultur und der Stammtischrassismus derer, die zwar nicht stramm organisiert sind, aber aus tiefer Überzeugung spontan beleidigen und angreifen. <<<

Rechtspopulisten gegen Friedrichshain-Kreuzberg
Misserfolge pflastern ihren Weg - „Pro-Deutschland“ ist trotzdem gefährlich!

>>> Spektakulär waren die Auftritte der rechtspopulistischen Partei Pro-Deutschland am 19. August 2012 in Friedrichshain-Kreuzberg nicht: Gerade einmal 30 AnhängerInnen konnte die Partei mobilisieren um vor dem Kreuzberger Rathaus, an der Köpi, auf der Warschauer Brücke und zuletzt in der Liebigstraße gegen „Linken Terror“ zu demonstrieren. Auch ihre Kundgebung am 17. Juni 2012 am Strausberger Platz war mit 12 Leuten und 400 GegendemonstrantInnen ein klarer Flop. Damit setzte sich die Kette der Misserfolge fort: Bei der Berlin-Wahl 2011 erzielte die Partei in Friedrichshain-Kreuzberg 0,5% der Stimmen, was noch unter dem Ergebnis der NPD lag.
Pro-Deutschland hat sich in Berlin 2010 in Schöneberg gegründet, um 2011 zur Berlin-Wahl anzutreten. Die selbsternannte „Bürgerbewegung“ aus NRW will an Wahlerfolge anderer rechtspopulistischer Parteien in z.B. den Niederlanden oder der Schweiz anknüpfen und hetzt zumeist gegen Muslime und gegen „die da oben“. Anzubieten haben sie preußische Tugenden und einen Law-and-Order-Autoritarismus mit scharfem Nationalismus, der sie nicht großartig von der NPD unterscheidet. Pro Deutschland distanziert sich zwar offiziell von anderen rechten Parteien, hat aber ehemalige NPD-, REP- und DVU-Mitglieder in ihren Reihen. Laut eigenen Angaben hat die Partei bundesweit 300 Mitglieder.
Die Berliner Kreisverbände der Partei gründeten sich in allen Bezirken in der ersten Jahreshälfte 2011. In Marzahn wurde ein kleines Büro eingerichtet, um den Wahlkampf zu koordinieren und um Versammlungen abhalten zu können.
In Friedrichshain-Kreuzberg wurde ihnen die Nutzung öffentlicher Räume im Wahlkampf erst durch das Bezirksamt untersagt und dann durch Massen-Blockaden am 30. Juni 2011 erfolgreich verweigert. Obwohl sie mit einer Kundgebung am Frankfurter Tor etwas Aufmerksamkeit (und handfesten Widerstand) abbekamen, half ihnen das nicht bei der Wahl. Aus Trotz fährt Pro-Deutschland seitdem eine nahezu persönliche Vendetta gegen den Bezirk, den Bürgermeister, die BewohnerInnen und linken Hausprojekte. Im Februar wurden beispielsweise Flyer („Jetzt aufräumen mit den Häuserkämpfern!“) in Friedrichshain gesteckt. Denn es geht der Partei nicht um unseren Bezirk, sondern um den symbolischen Kampf, den sie gegen Friedrichshain-Kreuzberg führt und der ihr Sympathien aus anderen Landesteilen einbringen soll. Bisher bleibt dieser Rückhalt allerdings aus.
Durch die andauernden Proteste gelang es die „Pro-Bewegung“ auch in Berlin als das darzustellen, was sie ist: eine bürgerlich argumentierende, streng rechte Partei, die ein Sprachrohr für rassistische Tabubrüche in der Öffentlichkeit ist. Nun gilt es, den Protest weiter aufrechtzuerhalten und Pro-Deutschland auch außerhalb des Wahlkampfs kritisch zu beobachten. Es muss verhindert werden, dass sie in bestimmten Sparten den Diskurs dominieren und mit ihren anti-muslimischen Ressentiments breiteren Zuspruch erringen.<<<

Jährliches Ärgernis: Biermeile
Der „längste Tresen der Welt“ war auch 2012 kein „internationales Festival“ sondern ein Ort, wo sich Neonazis und AlltagsrassistInnen wohlfühlen konnten. Obwohl die Anzahl bekanntgewordener Übergriffe und die Sichtungen von offen auftretenden Neonazis auch dieses Jahr wieder gesunken ist, kann keine Entwarnung gegeben werden.
>>> Seit 1996 findet das wohl größte Volksfest Friedrichshains, immer Anfang August zwischen Frankfurter Tor und Strausberger Platz statt. Während bis etwa 2008 viele organisierte Neonazis die Biermeile im sonst hart umkämpften Friedrichshain als festen Termin im Kalender stehen hatten, ist diese Kontinuität durch langwierige Arbeit antifaschistischer Initiativen mittlerweile gebrochen.
Früher kam es auf und um die Biermeile immer wieder zu größeren Ansammlungen von Neonazis, die auf dem Fest Übergriffe begangen, oder sich durch den Kiez bewegten, um Streit mit Linken zu suchen. Vom Großteil der anderen FestivalbesucherInnen, AusstellerInnen und vom Veranstalter Präsenta AG wurde das lange toleriert, was wiederum zu Protesten der AnwohnerInnen führte. Seit 2003 regte sich Gegenwehr in Form von Kundgebungen, provokativen Flyeraktionen, Alternativprogramm in der Nähe oder als offensiver Selbstschutz der linken Hausprojekte. 2006 stieg die Initiative gegen Rechts mit einem Stand auf der Biermeile in diesen Protest mit ein und suchte den direkten Kontakt zu den BesucherInnen auf dem Festival selbst. Dieser Stand gehört mittlerweile zum festen Repertoire, wenngleich er aus Sicherheitsgründen nur einen Tag und nur bis zum Nachmittag durchgeführt wird.
Durch die erschreckenden Reaktionen auf den Stand durch das „ganz normale“ Publikum wurden dem Veranstalter mehrere Zugeständnisse abgetrotzt. Lange drohte die Untersagung des Festivals durch das Bezirksamt, wenn sich nichts an dem rassistischen Klima ändern würde. Eine Festivalordnung soll seit 2011 verhindern, dass offensichtliche Neonazis ungestört bleiben. Sie können des Festes verwiesen werden wenn sie rechte Symbole zeigen. Doch auch die mehr oder weniger hilfreichen Bemühungen des Veranstalters konnten bisher nicht dafür sorgen, dass dieses „internationale Bierfest“ mehr ist als ein unangenehmes deutsches Saufgelage. <<<

Angriff im Gedränge: Tatort öffentlicher Nahverkehr
Schaut mensch sich die Chronik rechter Übergriffe an, so fällt auf, dass sich ein Großteil der dokumentierten Vorfälle an Verkehrsknotenpunkten abspielten.
>>> Auch in Friedrichshain sind verbale und non-verbale Übergriffe mit rassistischem Inhalt an der Tagesordnung. Diese reichen von Anpöbeleien gegen junge Frauen mit Kopftuch oder Menschen mit dunkler Haut, bis hin zu feindlichen Blicken oder Anspucken von „Nicht-Deutschen“ und Linken.
Im Januar 2012 griffen zwei Thor-Steinar-tragende Männer am Ostkreuz eine Frau aufgrund ihrer Haut an und verletzten sie so stark, dass sie im Krankenhaus behandelt werden musste. Im Juli dann ein ähnlicher Vorfall: Am Samstagvormittag gegen 13.15 Uhr wurde eine 24-jährige Frau aus Gambia am S-Bhf. Frankfurter Allee von zwei Männern rassistisch beleidigt und mit eine Flasche in den Bauch geschlagen.
Warum passieren solche Dinge immer wieder im öffentlichen Nahverkehr? In „Flaschenhals-Situationen“ können sich Personengruppen kaum ausweichen. Außerdem können AngreiferInnen schnell flüchten oder in der Menschenmasse untergehen. Dies begünstigt ein Klima für spontane Übergriffe, die dann keiner gesehen haben will. Gerade die Bahnhöfe Frankfurter Allee, Ostkreuz und Warschauer Straße sind die Tatorte Nummer eins und führen die Statistik rechter Übergriffe in Friedrichshain an.
Wer sich auf Bahnhöfen oder in Bahnen auf das Personal, die Notrufsäulen oder die Kameras verlässt, kann böse Überraschungen erleben. Denn meist sind es gerade nicht die Securities, die durch selbstloses Eingreifen auffallen, sondern vielmehr andere Reisende, die spontan helfen. Als 2006 und 2008 Menschen von Rechten auf das Gleisbett des U-Bhf. Samariterstraße bzw. des S-Bhf. Frankfurter Allee gestoßen wurden, verhinderten andere PassantInnen Schlimmeres. Denn die Verkehrsunternehmen sorgen sich mehr darum, dass z.B. am Geländer Warschauerstraße keine Fahrräder mehr angeschlossen werden, als dass sie ihr Personal für das Problem sensibilisieren. Deshalb bleibt im Zweifelsfall nur die Eigeninitiative! Immer wieder zeigt sich, dass ein wenig Zivilcourage die rechten SchlägerInnen verunsichern kann. Rassistische Übergriffe im öffentlichen Nahverkehr verhindern! Hinsehen, Bemerkbar machen, Eingreifen, Helfen! <<<

Nach Neonazi-Bordsteinkick: „Jeton“-Disco muss schließen
Die Großraumdisko „Jeton“ auf der Frankfurter Allee gibt es nicht mehr. Mittlerweile haben türkische Betreiber den Club „Triplex“ in dem Haus aufgemacht. Wie kam es zu dem Betreiberwechsel und der Schließung dieses rechten Anlaufpunktes?
>>> Im Juli 2009 wurde ein 22-jähriger am S-Bhf. Frankfurter Allee von vier Neonazis brutal zusammengeschlagen. Mit dem Gesicht nach unten wurde auf seinen Kopf getreten. Er erlitt Hirnblutungen, einen Jochbeinbruch und Prellungen. Die vier Neonazis im Alter zwischen 20 und 26 Jahren wurden festgenommen und nach einem halben Jahr wegen versuchtem Totschlag zu z.T. mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Alle Täter kamen nicht aus Friedrichshain und waren vorher in der rechten Szene aktiv.
Sie hatten vor dem Angriff in der Großraumdisko Jeton gefeiert. Der Betreiber Ronny Berkhan streitete seine Verantwortung ab. Erst Handyfotos belegten, dass die Täter vorher ungestört im Jeton den Hitlergruß zeigen konnten. Über weitere Internetfotos konnte außerdem nachgewiesen werden, dass sich im Jeton regelmäßig stadtbekannte Neonazis trafen und das Publikum ungeniert eindeutige Neonaziklamotten trug. Die Gäste des Jeton waren bis dahin in regelmäßigen Abständen durch Übergriffe auf „Nicht-Deutsche“ und Linke aufgefallen. Bis zum „Bordstein-Kick“ 2009 hatten sich dafür aber nicht viele Menschen interessiert; Briefe an den Hausbesitzer wurden nicht beantwortet und größere Proteste blieben aus. Nach dem brutalen Angriff dauerte es nicht lange bis das Jeton sein Stammpublikum verlor und dicht machen musste. Dass es erst zu einem Mordversuch kommen musste, damit sich das Publikum von so einem rechten Diskoschuppen distanziert, ist traurig.<<<

Homophobie in Friedrichshain
Auch hier kommt es häufig zu Pöbeleien und Angriffen gegen Schwule, Lesben und Transgender.
>>> Am 10. März 2012 morgens um halb fünf, wurden zwei Frauen von zwei Männern am U-Bhf. Samariterstraße homophob beleidigt und nach kurzer Diskussion angegriffen. Eine Frau ging zu Boden und wurde gegen den Kopf getreten. Die Angreifer verzogen sich in Richtung Rigaer Straße, nachdem PassantInnen auf die Situation aufmerksam geworden waren. Leider ist dies kein Einzelfall und auch kein neues Phänomen.
Die Übergriffszahlen sind in den letzten Jahren zwar nicht gestiegen, aber leider auch nicht gesunken. Zudem kam es in den letzten Jahren zu besonders gewalttätigen Angriffen, beispielsweise in den Sommermonaten 2010, als es im Volkspark Friedrichshain zu einer Serie von homophoben Übergriffen kam. Als homosexuell wahrgenommen Menschen wurden aus einer Gruppe heraus geschlagen und beschimpft. Obwohl der Park immer gut besucht war, blieb Hilfe aus.
Die Übergriffe gehen nicht ausschließlich von Neonazis aus, sondern vielmehr vom normalen Sauf- und Partypublikum. Denn Abweichungen von der konstruierten heterosexuellen Normalität, vom klassischen Frau-Mann Beziehungsmodell sind für viele schwer zu akzeptieren. Homosexualität wird leider häufig immer noch als unnormal angesehen. <<<

Stopp! Was tun bei Angriffen?
>>> Hinterher sind wir immer schlauer. Deshalb lohnt es sich vorher zu überlegen was zu tun ist, wenn ihr selbst von rechter Gewalt betroffen seid oder Übergriffe beobachtet.
Oberstes Gebot ist Ruhe bewahren, eure Sicherheit und die der Betroffenen gewährleisten. Das gelingt meist indem breite Aufmerksamkeit für das Geschehen hergestellt wird. Oft wissen andere PassantInnen nicht was los ist oder wie sie helfen können. Direktes Ansprechen kann helfen die Unsicherheit zu nehmen und gemeinsam agieren zu können.
Wichtig ist den AngreiferInnen klarzumachen, dass ihr es nicht einfach geschehen lasst; dass sie beobachtet und womöglich wiedererkannt werden.
Solidarisiert euch mit den Betroffenen und greift nach eigenem Ermessen ein. Hauptsache ist, dass ihr nicht wegschaut und euch erst später darüber ärgert. <<<
Meldet euch danach bei der Opferberatung Reachout (Oranienstr. 159, Kreuzberg), beim Register Friedrichshain (kontakt@register-friedrichshain.de) und der Antifa (antifa-fh@riseup.net)!

Chronik rechter Vorfälle 2012
27.08.2012: Vor dem RAW-Gelände pöbelte ein junger Mann in HipHop-Klamotten gegen MigrantInnen, ließ alle möglichen rechtspopulistische Klischees, Verschwörungstheorien und plumpen Nationalismus hören. Nach Handgreiflichkeiten mit PassantInnen zog er ab.
28.06.2012 Fußball-EM: Vier Deutschland-Fans zeigten vor dem ehemaligen Hausprojekt Liebig-14 den Hitlergruß. Auf dem U-Bhf. Frankfurter Tor wiederholten sie das Schauspiel.
22.06.2012 Fußball-EM: Während der Halbzeit wird ein junger Mann von Gästen der Kneipe Peter‘s Bier-Bar in der Rigaer Straße gewürgt und zu Boden gebracht. Er hatte darum gebeten, dass weniger Böller auf seine Kinder geworfen werden, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf dem Spielplatz waren. Von den Angreifern kam: „Wenn Fußball ist, haben Frauen und Kinder draußen nichts verloren“.
20.04.2012: In der Nacht zu Samstag zerstörten drei junge Männer in ThorSteinar-Look Scheiben mehrerer Wohnhäuser in der Kochanstraße.
20.02.2012: Eine multikulturelle Schulklasse wurde in der S-Bahn am Ostbahnhof rassistisch beleidigt. Niemand wollte sich solidarisieren. Der Fahrer ist angeblich nicht zuständig.
04.01.2012: Eine Gruppe von Jugendlichen wurde von drei älteren Männern am Bahnhof Frankfurter Allee rassistisch beleidigt und mit Steinen beworfen.
18.12.011: Ein lesbisches Paar wurde in seinem Wohnhaus in der Scharnweberstraße homophob bedroht. Auf ihrer Fußmatte wurde eine Nachricht hinterlassen, in der Homosexuellen mit dem Verbrennungstod im KZ gedroht wird.
Auszug von antifa-fh.de.vu/chronik

Eine eigene Chronik
Oft geraten Angriffe in Vergessenheit, oder werden in der Öffentlichkeit gar nicht erst bekannt. Zum einen weil sie von den Behörden als unpolitisch gedeutet oder verheimlicht werden, zum anderen weil die Betroffenen keine Anzeige erstatten oder weil die Vorfälle gar nicht strafrechtlich fassbar sind. Die offizielle Polizeistatistik zu rechten Straftaten bildet also nur einen kleinen Teil von dem ab, was auf der Straße tatsächlich passiert, außerdem wird sie immer erst viel später veröffentlicht, was Reaktionen auf bestimmte Ereignisse unmöglich macht. Deshalb bauen wir seit Jahren eine eigene, unabhängige Chronik rechter Angriffe, Propaganda und Aktionen auf. Dafür sind wir auf Informationen von euch angewiesen! Was, wann, wo? Meldet euch beim Friedrichshainer Register (kontakt@register-friedrichshain.de) oder bei der Antifa (antifa-fh [at] riseup.net).

Chroniken rechter Aktionen und Übergriffe
Friedrichshain: register-friedrichshain.de und antifa-fh.de.vu/chronik
Berlinweit: reachoutberlin.de

Selbst aktiv werden!
Geholfen wäre schon viel, wenn wir alle aufmerksamer registrieren würden, was um uns herum passiert und unser Wissen zu rechten Aktionen, Treffpunkten, Firmen und Läden teilen. Anlaufstellen für Hinweise sind die Initiative gegen Rechts und die Antifa Friedrichshain.
Aber Informationen allein reichen nicht. Viel zu oft bekommen wir E-Mails, in denen wir auf bestimmte Läden aufmerksam gemacht werden, ohne dass sich die SchreiberInnen selber überlegen, was zu tun wäre, um es den Rechten möglichst ungemütlich zu machen. Auch wenn es im Kiez Gruppen gibt, kann die Verantwortung nicht auf diese übertragen werden. Denn egal wie groß sie auch sind, wird es ihnen nicht gelingen immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, um Übergriffe und Propagandaaktionen zu verhindern oder beispielsweise um rechte Treffpunkte rund um die Uhr zu beobachten. Deshalb rufen wir dazu auf, allein, in losen Gruppen und Zusammenhängen aktiv zu werden und sich mit uns zum Informationsaustausch zu vernetzen.
Ini gegen Rechts. Die Initiative gegen Rechts Friedrichshain hat sich 2006 nach einer Welle rechter Übergriffe gegründet. Sie trifft sich einmal im Monat, vernetzt alle möglichen Gruppen, Parteien und Einzelpersonen im Kiez und arbeitet v.a. zum Thor-Steinar-Laden und zu Rassismus auf dem jährlichen Volksfest „Biermeile“. Die Ini hat auch das Register zur Erfassung von rechten Vorkommnissen ins Leben gerufen (gefördert 2009/10).
www.initiative-gegen-rechts.de
Antifa Friedrichshain. Gegründet, um einen Neonaziaufmarsch am 1. Mai 2004 durch Friedrichshain zu verhindern, hat die Gruppe in den letzten Jahren ihren Horizont auf soziale und antirassistische Kämpfe ausgeweitet. Da es in Friedrichshain viele Menschen gibt, die sich als Antifas verstehen, ist der Anspruch als Bezirksantifagruppe, vor allem Informationen bereit zu stellen.

Regelmäßige Termine
Jeden Donnerstag: 18-19 Uhr Bürozeit Register Friedrichshain im Mieterladen, Kreutzigerstr. 23
Jeden 1. Dienstag im Monat: 19 Uhr Treffen der Initiative gegen Rechts im Mieterladen, Kreutzigerstr. 23
Jeden 3. Donnerstag im Monat: 19 Uhr Offenes Antifa Cafe im Vetomat, Scharnweberstr. 35

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