5.-7.08.
Frankfurter Allee - Biermeile NR.9 - Ohne Uns!
Gegen das deutsche Reinheitsgebot! Rassistische Alltagswelten
erkennen und bekämpfen.. Gegen Alltagsrassismus und Sexismus! Organisiert
antifaschistische Selbsthilfe
Nun schon zum neunten Mal findet vom 5.
bis 7. August das „Internationale Bierfestival“ auf der Frankfurter
Allee mit tausenden Gästen und unheimlich vielen Biersorten aus aller
Welt statt. Mit erhöhtem Alkholkonsum, braut sich, wie auch bei anderen
„Volksfesten“ dieser Art eine frauen- und fremdenfeindliche
Stimmung zusammen, die von allen BesucherInnen zumindest toleriert wird.
Dass es nicht weit her ist mit dem „Internationalismus“, zeigt
die rassistische Normalität, derer MigrantInnen hier in den letzten
Jahren immer wieder ausgesetzt waren. Neben obligatorischen Pöbeleien
von Betrunkenen auf der Biermeile ziehen Menschen, die augenscheinlich
nicht dem Normalbild entsprechen, das doch erhebliche Aggressionspotential
von Neonazis und Rassisten auf sich. Werden Personen wegen ihres Aussehens
als ‚nicht –deutsch‘ eingestuft, haben sie mit diskriminierenden
Pöbeleien und Übergriffen zu rechnen. Selbst die dümmsten
Stereotypen werden auf der Biermeile wieder ausgepackt, wenn die alkoholisierten
Gehirne mal das rauslassen, was sie ohnehin oft denken und nur aus Anstandsgründen
nicht sagen dürfen.
Auch mit der festen Etablierung dieses Massen-Saufgelages im Bezirks-Terminkalender
bleibt die Verantwortung einer kritischen Auseinandersetzung mit rechten
Denk- und Verhaltensweisen des Publikums bei linken Grüppchen, wie
uns. Den Rassismus-Vorwurf weit von sich weisend argumentiert die Präsenta
AG seit Jahren damit, dass es zwar zu rassistischen und sexistischen Übergriffen
durch Neonazis und durch augenscheinlich nicht-rechtes „einfach
nur betrunkenes“ Publikum kommt, sich aber keine Struktur feststellen
lässt. Es handele sich vielmehr um Einzeltaten. Ein gutes Beispiel
dafür ist das Statement auf der Internetseite der Präsenta AG
von 2002 zu einer Massenschlägerei der Polizei mit etwa hundert Neonazis.
Diese hatten sich am Stand der Neubrandenburgischen Imkerei Schwaßmann
mit dem bezeichnenden Namen „Odinstrunk“ 1 gesammelt und vermeintliche
Linke angriffen: „Von der Schlägerei zwischen einer Gruppe
Rechtsradikaler und der Polizei am Sonnabendabend zeugt nur noch eine
Bierbank, von der eine ganze Ecke abgebrochen ist.“.
Ab 2003 suchten sich Neonazis dann ihre Opfer meist nach dem Biermeilenbesuch
in der Rigaerstraße oder wahlweise auf dem Weg zum Bahnhof Warschauerstraße.
Im Jahr 2004 entschieden sich einige linke Organisationen auf die Problematik
durch eine Alternativkundgebung unter dem Motto: „Gegen Alltagsrassismus,
Saufgelage und Chauvinismus - Unser Spaß sieht anders aus!“
aufmerksam zu machen. Knapp zweihundert alternative Jugendliche, auf die
alle üblichen rechten Klischees zutreffen, versuchten die aggressiven
Pöbeleien mit besserer Musik, und Redebeiträgen diesmal zu umgehen
und den Nachmittag am Frankfurter Tor zu verbringen. Das Ziel, sich nicht
durch eine Mehrheit rechtsgerichteter Betrunkener vertreiben zu lassen,
konnte erreicht werden, die Öffentlichkeit, ob nun Tagespresse, Präsenta
AG oder BesucherInnen der Biermeile kamen nicht umhin die Thematik wahrzunehmen.
Soweit so gut, doch dabei darf es nicht bleiben.
Neonaziproblem in Friedrichshain
Auf der Biermeile tritt jedes Jahr unverhohlen zu Tage,
was sonst nur von potentiellen Opfergruppen im Bezirk wahrgenommen wird.
Neonazis treten auf der Biermeile in geballter Form, gemeinschaftlich
und unübersehbar auf. Auf Friedrichshains Straßen allerdings
kann sonst, wer nicht Projektionsfläche rechter Ressentiments ist
und fest die Augen zukneift, gut ‚durchkommen‘ und nichts
von den Nazisprühereien, den NPD- und Kameradschaftsaufklebern, dem
‚Heil’ - Gebrüll, den zusammenrottenden Gruppen, kurzfristigen
Jagden und leisen Übergriffen mitbekommen.
Auch der Berliner Innensenat stellt in der Beantwortung
einer kleinen Anfrage 2004 fest: „Rechtsextremisten agieren in Friedrichshain
vielmehr subkulturell und jugendtypisch, d. h. sie besuchen Kneipen oder
Clubs, die auch von anderen Jugendlichen frequentiert werden.“.
Die bestimmt unvollständige unabhängige Chronik rechter gewalttätiger
Übergriffe in Friedrichshain zählt im angefangenen Jahr 2005
bisher 15 Angriffe von Neonazis im öffentlichen Raum – ‚Heil’-Gegröle
und Propagandatätigkeiten nicht eingerechnet. Und 2004 als der Innensenat
noch behaupten wollte: „Vereinzelt in Friedrichshain wohnende aktionsorientierte
Rechtsextremisten entwickeln ihre Aktivitäten nicht in ihrem Wohnbezirk,
sondern außerhalb.“, zählten AntifaschistInnen 19 bekannt
gewordene tätliche Übergriffe, mit z.T. erheblichen Verletzungen.
Trotz deutlicher Nazipräsenz im Bezirk wird das Problem von einem
Großteil der AnwohnerInnen und dem Innensenat dennoch geleugnet.
Dass der Prozess der Verfestigung nazistischer Strukturen teils schleichend
ist, trägt sein übriges dazu bei eine Auseinandersetzung mit
Rassismus und Autoritarismus zu verweigern. So lässt sich im Bezirk
Friedrichshain vereinzelt beobachten, dass Gruppen von Jugendlichen, die
zunächst ‚nur’ durch rassistische Pöbeleien und
rechtes Gegröle auf sich aufmerksam machten, nun dazu übergegangen
sind ihr rechtes Gedankengut mit Sprühereien und Übermalen antifaschistischer
Symbolik zu vertreten. Verstärkt sprühten diese Rechten Hakenkreuze
sowie das Kürzel „KSF“. Es zeigten sich Tendenzen, dass
Teilnehmer dieser ‚KSF’ immer mehr mit der rechten Szene vernetzt
sind. So wurden Teilnehmer der KSF bereits bei Aufmärschen und im
Umfeld der im März 2005 verbotenen Kameradschaften BASO und KS-Tor
beobachtet. Die schleichende Etablierung solcher Gruppen und die Vernetzung
mit anderen lokalen Neonazigruppen wird erst als Problem wahrgenommen,
wenn ihre Dominanz auf der Straße unerträglich geworden ist.
Eine Lichtenberger Gruppe, die es schon länger gibt und die sich
größtenteils aus dem Rechtsrockspektrum rekrutiert, tritt unter
dem Namen ‚Kameradschaft Spreewacht’ auf. Am 25. Juni 2005
griffen etwa 20 vermummte Mitglieder dieser Kameradschaft in einer S-Bahn
am Ostkreuz zunächst zwei Schwarze und dann eine Gruppe von Jugendlichen
an, die sie daran hindern wollten. Solche Vorfälle gibt es ständig,
am helllichten Tage, für die Opfer völlig unerwartet. Für
anwesendes bürgerliches Publikum sind solche Angriffe im Zeitpunkt
des Geschehens häufig nicht interpretierbar. Allgemein werden eher
öffentlich auftretende rechte Parteien als nazistische Bedrohung
wahrgenommen, die in Friedrichshain aber eine eher untergeordnete Rolle
spielen.
Ein von Claus Schade geleiteter Ortsverband der NPD existiert zwar offiziell
in Friedrichshain, doch sind Aktivitäten im Bezirk nicht wahrnehmbar.
Aktionen der NPD im Bezirk gab es also in jüngster Vergangenheit
nicht. Ebenso verhält es sich mit Strukturen der REPs. Offiziell
ist Kreisvorsitzender im Bezirk Friedrichshain Karsten Kosgalwies. Die
Republikaner haben im Bezirk keine Relevanz wie auch bei der Vernetzung
der rechten Szene zur Zeit.
Wer von Alltagsrassismus
schweigen will, sollte auch nicht von Rechtsradikalismus reden.
Neben einer strikten Leugnung durch BürgerInnen ist für
ein Erstarken der rechten Szene auch die amtierende Politik verantwortlich.
Das repressive Vorgehen von staatlichen Institutionen erfasst lediglich
die Auswirkungen extrem rechter Ideologien. In einem öffentlichen
Diskurs tragen politische Inhalte wie den zur Zeit viel diskutierten Anti-Islamismus
und der damit von Politikern herbeisinnierten Gefahren für die deutsche
Sicherheit zu einem rassistischen Grundkonsens bei, auf deren Basis die
extreme Rechte mit ihrer Politik schnell Fuß fassen kann.
Eine Untersuchung der Universität Leipzig im Juni 2005 zufolge stimmen
38 Prozent der Bevölkerung der Aussage zu: „Die Bundesrepublik
ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maße
überfremdet“. Jeder vierte bejahte den Satz: „Was Deutschland
jetzt braucht, ist eine einzige, starke Partei, die die Volksgemeinschaft
insgesamt verkörpert.“. Diese herbeigesehnte homogene Volksgemeinschaft
zeigt, dass in Deutschland keinerlei Bedarf an der Integration von nicht-deutschen
Menschen besteht. Die angestrengte Diskussion von konservativen Parteien
zu sogenannten Parallelgesellschaften, welche MigrantInnen in Deutschland
aufbauen anstelle sich zu integrieren, ist also bloße Heuchelei.
In seiner Langzeitstudie „Deutsche Zustände“ kommt der
Konfliktforscher Wilhelm Heitmeyer Anfang 2005 zu dem Schluss, 60 Prozent
der Deutschen seien fremdenfeindlich; 2002 waren es 55 Prozent. Der Anstieg
ist laut Heitmeyer besonders ausgeprägt bei Personen, die sich selbst
der politischen Mitte zuordnen. Wer versucht schon ernsthaft sich in eine
Gesellschaft zu integrieren, in der Mensch mit nicht-deutscher Herkunft
immer ‚fremd’ bleibt, egal wie stark die Anpassung an die
deutsche Norm auch ist.
Konsequenter Antifaschismus muss also neben der extremen Rechten auch
eine Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Rassismus zum Gegenstand
haben. Nur eine Politik, die sich auch mit rassistischen, antisemitischen
und autoritären Einstellungen der Gesellschaft auseinandersetzt,
ist auf lange Sicht erfolgreich gegen die extreme Rechte.
Auf praktischer Seite sieht es selbst bei Übergriffen durch Neonazis
häufig so aus, dass die politische Dimension der Übergriffe
außer Acht gelassen wird und damit die Angriffe relativiert werden.
Der Tagesspiegel und die Frankfurter Rundschau dokumentierten im Oktober
2001 die Zahl der Todesopfer rechter Gewalt seit 1990 und nannten 97 Opfer,
während die Bundesregierung weiterhin (bis heute) nur 38 Tötungsdelikte
als politisch motiviert anerkannte. Die systematische Bagatellisierung
und Ignorierung rechter Gewalttaten lässt sich an den immer wieder
aufkommenden Debatten erkennen, wenn mal etwas nicht zu Verharmlosendes
geschehen ist – Rechtsradikalismus wird als ein Betriebsunfall im
Funktionieren des demokratischen Rechtsstaates gedeutet ohne Bezug zum
Rassismus der Gesellschaft. So werden die Rechtsradikalen langfristig
ignoriert und kurzfristig medial aufgebauscht.
Ein Beispiel für diese Art von Relativierung ereignete sich am Rande
der Biermeile 2003. Ein bereits mehrfach verurteilter Anhänger der
extremen Rechten, Sebastian Dahl, schlug während eines Besuchs der
Biermeile einen Vietnamesen grundlos mit einer Glasflasche zu Boden und
beschimpfte das Opfer mit „Scheiß Japse“. Das Opfer
betonte auch beim Prozess wiederholt, dass es ihm unbegreiflich sei, warum
Dahl das getan habe. Das Gericht schaffte es trotz dieser Tatsachen tatsächlich
keinen rassistischen Grund zu erkennen2. Vielmehr hielt das Gericht dem
Angeklagten noch seine Reifeverzögerungen, seine angebliche Alkholsucht
und seine familiären Hintergründe zu gute. Ebenso floss in die
Bewertung ein, dass nach Ansicht des Gerichts das Opfer schließlich
„nur“ eine Kopfplatzwunde davon getragen habe. Ein abschließendes
Urteil lässt bis heute auf sich warten.3
Rassismus bekämpfen!?
Wir wollen niemandem auf der Biermeile den Spaß verderben.
Vielmehr fordern wir, dass solcherart Festivitäten für alle
Menschen besuchbar werden, ohne Opfer von rechten Ressentiments, Pöbeleien
und Übergriffen zu werden. Wenn es Neonazis in der Gesellschaft gibt,
dann bedeutet das, dass ein Reservoir an Legitimation für Rassismus
in der Gesellschaft existiert: Schließlich fühlen sich dessen
Vertreter moralisch im Recht. Tatsächlich ist Rassismus ein strukturelles
Problem - eingelassen in den Arbeitsmarkt, das Staatsbürgerrecht,
die Bildungsinstitutionen, die Verteilung von kulturellen Ressourcen,
die Wissensbestände der Menschen und das Alltagsleben. Eine konsequente
Politik gegen rechts sollte nicht nur bei der extremen Rechten ansetzen,
sondern rassistische, antisemitische und revisionistische Einstellungen
in der Gesellschaft thematisieren.
Benötigt wird ein kontinuierlicher Reformprozess, der alle gesellschaftlichen
Bereiche einschließt - und selbst der wird Rassismus nicht schon
morgen zum Verschwinden bringen. Jedenfalls werden weder hundert Neonazis
auf der Biermeile noch eine Demonstration der Rechten am 8. Mai am Brandenburger
Tor die parlamentarische Demokratie ernsthaft in Gefahr bringen. Gefährlich
ist die fortgesetzte Selbstverständlichkeit von Diskriminierung und
die Tatsache, dass es noch nicht einmal ansatzweise eine Diskussion über
alltäglichen Rassismus gibt. Antifaschismus, der von der Öffentlichkeit
eher als Kampfbegriff einer angeblich linksextremen Bedrohung empfunden
wird, ist bei den derzeitigen gesellschaftlichen Zuständen eine Notwendigkeit.
1 Odin: Germanischer Kriegsgott – dient der völkisch geprägten
extremen Rechten als identitätsstiftend
2 obwohl bekannt war dass er sich im Umkreis der nunmehr verbotenen Kameradschaft
Berliner-Alternative-Südost aufhielt
3 In einem anderen Verfahren wegen versuchtem Mord wurde Dahl im Mai 2005
zu sechs Jahren Haft verurteilt
Antifa Gruppen aus Friedrichshain und Umgebung
Alternative zur Biermeile
5. bis 7. August im X-Beliebig (Liebigstr. 34) >
Fr. 19-23 Uhr | Sa. 16-23 Uhr | So. 14-18 Uhr Mit Vokü // Veranstaltungen
// Filmen // Kicker // Party
> Fr. 19-23 Uhr > 20 Uhr Veranstaltung "Neonazis in Friedrichshain"
+ Anarchozynischen Kolumnisten lesen zum Thema.
> Sa. 16-23 Uhr > 20 Uhr Verantaltung "Sexismus im Alltag"
+ Videoschnippsel zu Alltagsrassismus
> So. 14-18 Uhr > Autonomer Kaffeeklatsch
+ filmische Highlights
>>> Plakat
Auswertung
Unser Chronikeintrag für die
drei Tage Anfang August 2005 sagen eigentlich alles was mensch
über die Biermeile wissen sollte. "Internationales Bierfestival"
auf der Frankfurter Alle: Freitag Abend besuchen etwa 50 rechte BFC Hooligans
und Neonazis die Biermeile, rauben einen Laden aus, grölen "Ausländer
raus", jagen Linke im Umfeld der Biermeile und überfallen einen
Stand der Biermarke "Roter-Oktober", wobei etliche Menschen
durch geworfene Bierbänke, Tische, Steine und Flaschen verletzt werden.
Die Polizei nahm neun Personen fest. Die Präsenta AG sagte dazu "Die
Störer sind hier durchgezogen, und das war's". Außerdem
war wieder eine deutliche rechte Hegemonie auf dem Fest erkennbar. Offen
wurde neonazistische Symbilik auf der Kleidung gezeigt (z.B. das verbotene
Logo der Marke "Thor Steinar", Aufdrucke mit „Olympiastadt
36 –Berlin“, „White Aryan“, "Chaoz88"
oder „Race War“. Aber auch bekannte Neonazis wie Björn
Wild, René Bethage und Der Nazirocker Arnulf Priem zeigten sich.
>>> Bericht auf Indy http://de.indymedia.org/2005/08/124489.shtml
>>> 08.08.2005
Berliner Zeitung Rassistische Randale auf der Biermeile
----------------------------------------------------------------------------------------------
Veranstaltung zur Biermeile und zu Neonazis
in Friedrichshain
1. Biermeile
„Stellen Sie sich die Love Parade vor, aber ohne
Musik und Wagen, und alle sind total blau und aggressiv. Nein, nein, stellen
Sie sich ein Fußballstadion vor, aber es spielt niemand Fußball,
überall stehen komplett besoffene Männer herum und pissen auf
den Rasen. Nein, das ist es auch nicht. Stellen Sie sich das Oktoberfest
vor, aber ohne Fest. Oder das Pogrom von Rostock, aber ohne Pogrom. Chaostage,
aber mit Spießbürgern. Karneval, aber ohne Kostüme und
Witzchen. Ach, es geht nicht. Sie müssen mir einfach glauben: Es
war die Hölle.“ So leitete 2002 die Jungle World einen Artikel
über die Biermeile ein.
Ob nun „internationales Bierfestival“, „der längste
Tresen der Welt“, „Biergarten der Superlative" oder „größter
Biergarten der Welt“, wir halten es mit den Worten der Zitty aus
der aktuellen Ausgabe „dumpfer Quatsch, der immer Anfang August
unsere schöne Stalin-Allee verschandelt“
Wenn über eine halbe Million Menschen zusammen kommen, dann muss
es sich um ein ganz besonderes Volksfest handeln. Oder eben eines, das
besonders viele Leute anspricht. So dachten sich vermutlich vor neun Jahren
die Erfinder der Berliner Biermeile und fügten zusammen, was des
Deutschen Leitkultur begehrt: Fässerweise Bier und ein paar Bratwürste.
Eine Mischung aus Nazis, Ballermann und Hertha-Fankurve. Wer noch kein
Antideutscher war, der kann es hier lernen. Ursprünglich vom Bezirksamt
initiiert um Geschäfte zu beleben übernahm irgendwann die Präsenta
AG.
Die Biermeile schimpft sich „internationales Bierfestival“
aber unter den angepriesenen 20 Regionen sind 12 deutschsprachige und
gerade mal ein nicht-europäischer Teil. Träger der Veranstaltung
ist der Bundesverband mittelständischer Privatbrauereien e.V., was
dazu beiträgt, dass die Biermeile eine reine Massenwerbeveranstaltung
ist. Dieses Jahr ist das Motto „Biere aus Thüringen“
und nicht aus Vietnam, USA oder Russland.
2. Unsere Kritik an dem
Saufgelage
Die Biermeile ist zugeschnitten auf ein bestimmtes Publikum das meist
männlich, deutsch und gern betrunken ist. Hier können ungestraft
Männlichkeitsrituale zelebriert werden. Diese Feierlaune schwenkt
durch die Testosteron geladene Stimmung schnell in Aggressivität
gegenüber vermeintlich Schwächere um. Äußerungen,
die sonst gesellschaftlich geahndet werden, stellen auf der B. keine Tabus
mehr dar. Ob nun rassistische Sprüche, aggressive sexistische Anmachen
– auf der Biermeile darf gesagt werden was sonst aus Schicklichkeitsgründen
vermieden wird. Durch diese vermeintlich tolerante Stimmung fühlen
sich natürlich auch Neonazis und Hooligans angezogen, die auf der
B. dann offen ihre menschenfeindliche Ideologie äußern können.
Alles unter dem Deckmantel des ausgelassenen Feierns und Spaßhabens.
Diese Stimmung macht es Menschen, die alltäglich von Rassismus und
Sexismus betroffen sind schon seit Jahren nahezu unmöglich die Biermeile
zu betreten.
Unsere Kritik ist dem Publikum der Biermeile schwer vermittelbar, weil
die Wahrnehmbarkeit von Alltagsrassismus und Sexismus schlichtweg nicht
vorhanden ist. Aber bei Neonazis, treten diese Prinzipen offen zu tage
und können besser kritisiert werden. In unserer Chronik der rechten
Übergriffe stehen daher, unvollständiger Weise, nur Übergriffe
von Neonazis, da gesellschaftlicher Rassismus und Sexismus nicht durch
Einzelbeispiele belegbar ist, sondern gesamtgesellschaftlich alle Lebensbereiche
durchfließt.
3. Geschichte zur Biermeile
Bis 2004 sammelten sich Neonazis jahrelang bei „Odins Trunk“,
dem Stand einer neubrandenburgischen Brauerei, die neben Met, T-Shirts
und auch Devotionalien für den germanischen Nordmann, Wikinger, Kelten
oder Heiden, wie sich manche Neonazis bezeichnen verkauft. Die Biermeile
entwickelte sich zur beliebten Freizeitbeschäftigung für organisierte
Neonaziszene und ihre Kader.
2001: Knapp 50 Nazis rufen "Lasst uns den Rassenkrieg beginnen"
und jagen nach Beendigung des Festes vermeintliche Linke die Karl-Marx-Allee
entlang.
2002: Massenschlägerei zwischen hundert Neonazis und zwei Hundertschaften
der Polizei. Andere Standbetreiber beschweren sich, weil die Polizei so
spät eingegriffen hat, als die Neonazis angefangen haben sich zu
prügeln. Biermeile verspricht den Stand nicht mehr einzuladen.
2003: Odins Trunk ist natürlich trotzdem auf der B. mit durchschnittlich
hundert Neonazis. Abends zieht eine Gruppe von ca.15 Neonazis grölend
durch die Rigaerstr. und durch den Friedrichshainer Südkiez, um dort
vermeintliche Linke zu jagen.
2004: Gruppe Schönerfriedrichshain machte eine Kundgebung unter dem
Motto "Gegen Alltagsrassismus, Saufgelage und Chauvinismus - unser
Spaß sieht anders aus!" am Frankfurter Tor an der sich 200
Leute beteiligen. Festivalbesucher provozierten pöbelten, schrieen
vor Wut. Am Rande der Biermeile wurden Flugblätter der Kampagne "Freßt
keine Döner (FKD)" verteilt. Neonazis machten wieder am Abend
mobil im Kiez.
Was wir diesmal wollen:
Unsere Kritik ist im letzten Jahr durch die Kundgebung nur schwer rübergekommen
und wurde nicht angenommen. Daher haben wir uns dies Jahr entschlossen
nur inhaltlich zu arbeiten und im XBeliebig einen offenen Raum für
Diskussionen zu alltäglichem Sexismus und Rassismus zu bieten. Für
das Biermeilen Publikum sind wir durch massenhaft Flyer und Postwurfsendungen
an AnwohnerInnen wahrnehmbar und solche Artikel wie z.B. in der Zitty.
Neonazis in Friedrichshain
Anders als in den Randbezirken Berlins hat
Friedrichshain das Problem, dass Neonazis bzw. ihre Aktionen von den AnwohnerInnen
nicht wahrgenommen werden, da es nicht ins Bild des Bezirks passt. Wenn
in Friedrichshain eine Meute Neonazis grölend umherzieht, wird das
ehr als Betriebsunfall im Bezirk gesehen und nicht als eine sich immer
mehr ausbreitende Szene.
Vorab: In Friedrichshain finden Neonazis
Orte an denen sie sich ungestört aufhalten können, Räume
in denen sie Veranstaltungen abhalten, Wohngegenden wo sie als Nachbarn
toleriert werden und eine junge Kneipenszene in der sie sich wohlfühlen.
Im folgenden beschreiben wir was sich hier so alles rechtes tummelt.
1. Freie Kameradschaften
in Berlin
Organisierte Neonazis in Berlin werden meistens der Kameradschaft Tor
(benannt nach dem Frankfurter Tor), der Berliner Alternative Südost
und den Autonomen Nationalisten zugerechnet. Dieser Personenzusammenhang
erweiterte sich in den letzten Jahren zunehmend, wobei die Grenzen zwischen
den einzelnen Gruppen und Bezirken verschwinden und sich nunmehr größere
Aktionszusammenhänge herausbilden. Neonazis scheuen Organisierung
und Strategie und setzen eher auf Freundschaften und lose Kontakte zu
Hooligans und anderen, die in ihrem persönlichen Umfeld sind. Den
Ton geben nur sehr wenige Kader an, welche die Politik der losen Zusammenhänge
steuern. Neonazis, die in Berlin Aktionen starten, kommen aus allen Bezirken
und agieren dementsprechend. Seit neuestem sind sie sogar in Potsdam aktiv
und vernetzen sich mit dortigen Zusammenhängen.
Die große Anziehungskraft dieser Gruppierungen ist in ihren Aktionsformen
zu suchen. Statt biederer Parteiarbeit, ideologischen Schulungen oder
endlosen Strategiediskussionen wird an ohnehin vorhandene Versatzteile
rechter Ideologie bei Jugendlichen zurückgegriffen.
Die sog. „Freien Kräfte“ in Berlin definieren sich vor
allem durch ihre Feindschaft zur Antifa – was wir auch an ihren
ambivalentem Politikinhalten sehen können. Linke Veranstaltungen
werden gestört, Spuckis geklebt, vermeintliche Antifas verprügelt,
aber auch eigene identitätsstiftende Events veranstaltet.
Sie mobilisieren gegen den Krieg, aber für die Bundeswehr, gegen
Sozialabbau, zumindest für Deutsche, gegen Umweltverschmutzung, gegen
Kapitalismus und Globalisierung, für die Volksgemeinschaft und Nation.
Sie sind meist Anhänger irgendwelcher Subkulturen, gehen zu Hardcorekonzerten,
fahren BMX, randalieren in Fußballstadien und sind z. T. akzeptierte
Mitglieder der Gesellschaft.
Berliner Neonazis sind Trendsetter: sie haben Palitücher auf Nazidemos
etabliert, den rechten Blackbloc forciert und kopierten bis ins letzte
Detail den Antifa-Habitus. Das brachte ihnen eine hohe mediale Aufmerksamkeit
aber auch viel Schelte aus eigenen Reihen.
Auch der Staatsschutz beschäftigte sich intensiver mit den Berliner
Kameradschaften und so wurden im März die BASO und die KS-Tor nach
Vereinsrecht durch Innensenator Körting verboten. Doch die Aktivitäten
dieses Personenkreises gingen unverändert weiter – unter anderem
Lable. Vereinte Nationalisten Nordost, Kameradschaft Nordost, Nationale
Aktivisten Prenzlauerberg, Märkischer Heimatschutz Sektion Berlin
oder AGL - der Personenkreis bleibt der gleiche. Seit neuestem treten
„freie Kräfte“ auch als Wahlkämpfer für die
NPD auf. Am 26. Juli verteilten beispielsweise 15 Neonazis NPD Flugblätter
am S-Bhf. Storkower Str. Der gleiche Personenkreis verteilte schon am
21. Juli in Treptow und störte am 28. Juli eine PDS Wahlkampfveranstaltung.
Alles unter dem Lable NPD bzw. JN. Dazu passt auch die Anmerkung auf der
Webseite der Jungen Nationaldemokraten Berlin, dass sie sich im April
2005 neu gegründet haben – scheinbar rekrutiert aus Mitgliedern
der verbotenen Kameradschaften.
2. Organisationen in
Friedrichshain
Wie schon erwähnt ist dieser Personenkreis natürlich auch in
Friedrichshain aktiv, obgleich die Kameradschaft Tor sich trotz ihres
Namens eher in Lichtenberg verortet, da es sich für Neonazis dort
ungestört leben und agieren lässt. Aus diesem Grund sammeln
sich Berliner Neonazis am liebsten am Bahnhof Lichtenberg und fahren von
da aus zu überregionalen Aufmärschen. Deshalb sollte auch dort
die letzt jährige Silvio-Meier-Demo unter dem Motto „Keine
Homezone für Nazis“ stattfinden, die von der Polizei verboten
wurde. Stattdessen durften die Neonazis durch ihren Kiez laufen.
Wie sehen nun die Aktionen in Friedrichshain
aus:
Gedenken an Horst Wessel
Eine wichtige Funktion hat das Gedenken an den SA-Führer Horst Wessel,
der auf dem Friedrichshainer Friedhof Prenzlauer Alle Ecke Mollstr. begraben
liegt. Dieser war am Ende der Weimarer Republik eine der zentralen Figuren
der Nationalsozialisten im Kampf um den "roten" Friedrichshain
und wurde am 14. Januar 1930 vom Rotfrontkämpfer Albecht Höhler
mit den Worten "Du weißt ja wofür" angeschossen.
Ein paar Wochen später starb er dann im Krankenhaus Friedrichshain
an einer Blutvergiftung und wird seitdem von Nazis als Märtyrer verehrt.
Seit Anfang der neunziger Jahre versuchen Neonazis aus dem Spektrum der
freien Kameradschaften immer wieder ihrem Helden öffentlich zu gedenken.
Bisher konnte das regelmäßig von Antifas verhindert werden.
Die KS-Tor fühlt sich in dieser Tradition und macht alljährlich
mit anderen Kameradschaften Wesselaktionswochen im ganzen Bundesgebiet,
die sich auf Plakate kleben und Transpis an Autobahnbrücken aufhängen
erschöpfen. Nur in Friedrichshain selber können sie aufgrund
der Polizei- und Antifapräsenz um den Friedhof herum keine Aktionen
starten. Stattdessen veranstalteten sie letztes Jahr eine kleine Kundgebug
am Krankenhaus Friedrichshain und dieses Jahr nur noch gemeinsames Plakatieren
an der Weberwiese.
Biermeile
Wie vorhin schon erwähnt, treffen sich auf der Biermeile Berliner
Neonazis und starten in den Abendstunden Aktionen auf Linke im Kiez.
Demos in letzter Zeit
Allen wahrscheinlich in Erinnerung geblieben, ist der Aufmarsch Freier
Kameradschaften und der NPD am 1. Mai 2004, der erst am Ostbahnhof starten
sollte. Letztendlich startete und endete der Aufmarsch in Lichtenberg,
nachdem tausende Leute die Frankfurter Allee besetzt hielten. Die Kameradschaftsszene
aus Berlin trat geschlossen als BlackBloc auf und griff gezielt aus der
Demo heraus Leute an.
Am 30. August 2004 wollten etwa 50 Neonazis aus dem Spektrum der BASO,
KS Tor und Märkischer Heimatschutz an der Montagsdemo in Berlin teilnehmen,
was ihnen von der Polizei untersagt wurde. Stattdessen führten sie
eine eine Spontandemo unter massiven Polizeischutz von der Jannowitzbrücke
aus in Richtung Friedrichshain über den Strausberger Platz und zurück
zur Jannowitzbrücke.
Am 25. September 2004 sollte im Wedding eine NPD-Demo unter dem Motto:
"Berlin bleibt Deutsch!" stattfinden, die allerdings verboten
wurde. Neonazis aus dem Spektrum der Kameradschaft Tor wurden an ihrem
Schleusungspunkt Bhf. Storkowerstraße mit einem Polizei-Großaufgebot
kontrolliert. Der Ort wurde in Vergangenheit öfters als Schleusungspunkt
genutzt, da mensch einen guten Überblick hat.
Für den 3. September 2005 haben „freie Kräfte“ zum
Antikriegstag eine Demonstration vom Bhf. Landsberger Allee nach Mitte
angemeldet. Die Plakate und Flyer dazu lassen nichts rechtes erkennen.
Wer sich allerdings die Mühe macht und mal die Internetseite besucht
wird sofort auf das Portal der Freier Widerstand weitergeleitet.
Angriffe die organisierten
Eindruck machen
Immer wieder kommt es in Friedrichshain zu Übergriffen und Schlägereien
zwischen Neonazis und Antifas. Wer nachlesen will, wie viel passiert kann
in unsere Chronik schauen. Das jetzt alles aufzuzählen wäre
müßig. Einige Beispiele:
Am 10. Juli 2005 wurde ein Punk auf dem
S-Bhf. Ostkreuz von sechs schwarz gekleideten Neonazis zunächst angepöbelt
und dann mit Faustschlägen traktiert. Danach kam noch die Drohung
"Beim nächsten Mal bist du tot!". Die Neonazis kannten
den Punk offensichtlich. Einer der Täter, konnte von der Polizei
gestellt werden.
Zur Walpurgisnacht dieses Jahr sammelten sich Linke unter massivem Polizeiaufgebot
auf dem Boxhagener Platz während an der Ecker Kreutziger Str., also
direkt neben Polizei und 300 Linke, etwa 20 Neonazis eine junge Frau angriffen
und ihr ins Gesicht schlugen. Später am Abend kam es von der gleichen
Personengruppe in der Grünbergerstr., auch nicht weit weg vom Geschehen,
zu "Deutschland den Deutschen - Bullen Raus!" Rufen.
Kameradschaft Spreewacht
Eine weitere auch zeitweise in Friedrichshain aktive Gruppierung nennt
sich Kameradschaft Spreewacht und hat in Lichtenberg einen eigen Laden.
Die KSW ist eher ein subkultureller Zusammenhang, der Untergrundkonzerte
organisiert und sich punktuell an Aktionen der etwas jüngeren Kameradschaften
beteiligt. Bei ihnen liegt auch der Verknüpfungspunkt zur Hatecore-,
Rocker- und Tättooviererszene. Die Personen sind teilweise identisch
mit der rechten Band Legion-of-Thor. Nach dem Verbot von Blood&Honour
dem rechtsextremen Musiknetzwerk liegt es an Gruppen wie der KSW musikalische
Events für die extreme Rechte zu organisieren.
Am 25. Juni griffen 20 Neonazis (mit Kameradschaft Spreewacht T-Shirts)
am Ostkreuz in der S-Bahn zunächst zwei Schwarze an und dann eine
Gruppe Jugendlicher, die sich einmischten. Danach flüchteten die
Angreifer nach Friedrichshain.
Propagandaaktionen
Den Anfang machten am 30. Januar 2004, dem Tag der Machtübergabe
an Hitler, Mitglieder der Kameradschaft Tor. Sie hängten in Friedrichshain
ein Transparent mit der Aufschrift "Hitler was '33 right" an
einen Bauwagen.
Spuckies, Plakate, Schmierereinen.
Diese Aktionen sind meist nicht einem Personenkreis zuzuordnen, da es
natürlich auch genügend rechte Jugendliche gibt, die nirgends
organisiert sind.
Vor allem im Süd-Friedrichshain tauchen vermehrt Hakenkreuzschmierereien
auf. Außerdem übermalen Neonazis nachts ausschließlich
linke Parolen mit weißer Farbe.
Ein polnisches Denkmal im Volkspark Friedrichshain, dass an den gemeinsamen
Kampf polnischer Soldaten und deutscher Widerstandskämpfer erinnert
wurde gleich zweimal am 05. Mai und am 5. Juni mit Hakenkreuzen beschmiert.
3. Sympathisanten
Am Boxhagener und am Wismarplatz sammelten sich schon ewig rechte
Jugendliche, die vor allem durch rassistische Pöbeleien auffielen.
Diese Jugendlichen sind nun dazu übergegangen sich durch Hakenkreuzsprühereien
+ das Kürzel KSF zu verewigen. Einige von ihnen wurden auch schon
auf Nazidemos gesehen und zeigen Tendenzen sich mit anderen Neonnazigrüppchen
zu vernetzen. Die Aktionen dieser Jugendlichen werden vermutlich nicht
so friedlich bleiben.
Um auf diese schleichende Verfestigung von rechten Strukturen hinzuweisen
hat die Antifa Infernal letztes Wochenende eine Kundgebung am Boxhagener
Platz abgehalten. Eigentlich sollte eine linke Kundgebung auf dem Boxi
kein Problem bereiten, doch vor allem die Trödelmarktbetreiber beschwerten
sich lautstark über die Kundgebung. Klar, denn einige Jugendliche
der KSF arbeiten regelmäßig für den Trödelmarkt.
Drei Neonazis aus dem Spektrum der KS-Tor, fuhren mit dem Auto vorbei
und wurden von der Polizei gestoppt.
Fussball
Eine weitere Gruppe, die wir zu den Unorganisierten, aber deshalb nicht
weniger gefährlichen, zählen sind rechte Fußballfans,
die auch öfters durch Aktionen in Friedrichshain von sich reden machen.
Nach einem Spiel zwischen Lok Leipzig und BFC-Dynamo am 23. Juli in Hohenschönhausen
verlagerten einige von den Hooligans die 3. Halbzeit nicht zufällig
an den Bhf. Frankfurter Allee und griffen dort zehn Linke an, bis die
Polizei dazwischen ging.
Am 28. April sind zwölf Neonazis auf dem Weg durch Friedrichshain
zum Union-Spiel. Zwei von ihnen greifen einen Jugendlichen am Wismarplatz
mit Pfefferspray unvermittelt an.
Letztes Jahr Ende August treffen sich zehn Hertha-Fans, um unter "Wir
bauen eine U-Bahn von St. Pauli nach Auschwitz" - Gegröle vom
Ostkreuz in Richtung Wühlischstr. zu ziehen. Auf dem Weg wird ein
Linker von ihnen bedroht. Die Polizei nimmt Anzeigen wegen Volksverhetzung
und Beleidigung auf.
Fazit
Festzuhalten ist also, dass rechtes Potential ob nun am Boxi oder sonst
wo irgendwann auch Aktivitäten entfaltet, und sich alle fragen woher
das plötzlich kommt. Das einzige Mittel dagegen ist eine konsequente
linke Jugendkultur, die ihren Anspruch auch ernsthaft verfolgt.
4. NPD/ REP – Friedrichshainer Parteienlandschaft
Der Kreisverband der rechtskonservativen Republikaner in Friedrichshain
wird von einem Karsten Kosgalwies geleitet. Der REP Landesverband Berlin
entfaltet generell wenig Aktivitäten. Dementsprechend wenig Relevanz
haben auch die Friedrichshainer REPs, die durch einige wenige Plakate
auf der Petersburger Str. in Erscheinung getreten sind.
Bei der NPD wird es schon interessanter, macht sie doch gerade jetzt vor
der Bundestagswahl wieder richtig mobil. Ihr Spitzenkandidat aus Berlin
ist der unscheinbare Claus Schade. Seit 2001 ist Claus Schade aus Lichtenberg,
Kreisvorsitzender der NPD-Lichtenberg/ Hohenschönhausen/ Friedrichshain
und Kreuzberg. Gleichzeitig ist er seit April 2004 Landesvorsitzender
von Berlin und löste damit Georg Magnus, ebenfalls aus Lichtenberg,
ab. Dieser Magnus löste 2003 Albrecht Reither, ebenfalls Lichtenberger,
als Landesvorsitzenden ab, da dieser wegen dem ganzen Stress mit Antifas
plötzlich zurückgetreten war. Das alle drei aus Lichtenberg
kommen mag Zufall sein, dass aber die NPD zur Europawahl 2004 in einem
Wahllokal in Lichteberg 10,6 Prozent erreichte nicht.
Zurück zu Claus Schade und seinem Kreisverband. Aktivitäten
in Bezirk sind eigentlich nicht wahrnehmbar, wenn wir mal von dem einen
Infostand im Jahr 2004 am Ringcenter absehen. Schade behauptet auf seiner
privaten Homepage öfters Kameradschaftsabende zu veranstalten –
wir vermuten aber eher in Lichtenberg. Ansonsten ist Schade Anmelder für
NPD Demos in Berlin. So z.B. am 9. Juli zu Lehrmittelfreiheit in Marzahn
und demnächst am 31. August gegen den SPD-Parteitag im Estrell Hotel.
Ansonsten wohnte bis Ende letzten Jahres der NPD-Vorsitzende von Treptow-Köpenick,
Ex-Bosnien-Söldner und Kameradschaft Nordland Spinner, Eckhart Bräuniger
in der Büschingstr. in Friedrichshain. Dessen Aktivitäten sind
aber ein anderes Thema und haben nichts mit dem Bezirk zu tun.
5. Neonazis in Friedrichshainer
Lokalitäten
In Friedrichshain gibt es eine lebendige, große Kneipenszene. Auch
Neonazis und ihr Hooligananhang frequentieren einige Kneipen, und schaffen
sich so Räume um sich ungestört treffen zu können. Im September
2004 hat der PiRat zu rechten Angriffen aus Kneipen heraus eine Demo unter
dem Motto „Organisiert die antifaschistische Selbsthilfe“
gemacht, was den Bezirk diesbezüglich etwas wachgerüttelt hat.
Was ist seit dem passiert.
Die Happy-Station am Petersburger Platz war immer irgendwie komisch. Einmal
im Monat traf sich dort der Trabi-Club-Berlin, dessen Vorsitzende zufällig
Albrecht Reither der Landesvorsitzende der NPD war.
Nachdem die Gruppe Schönerfriedrichshain an Christi-Himmelfahrt 2004
eine Kundgebung vor der Kneipe unter dem Motto: "Angsträume
beseitigen! Rassisten und Sexisten die Hegemonie nehmen!" veranstaltete,
hatte die Kneipe am 6. November ihr Comming Out. Das Jahrestreffen der
verbotenen militanten Neonazigruppe Hammerskins wurde in der Happy Station
von 200 Polizisten aufgelöst. Etwa hundert Gäste, darunter namhafte
Kader der bundesweiten Naziszene, Vandalen, Rocker, Mitglieder freier
Kameradschaften seien einfach, ohne Voranmeldung in seine Kneipe gekommen,
so der Wirt Frank Heindel. Seit Mai 2004 ist die Happy Station geschlossen
und wird neu vermietet.
Einen Monat später am 10. Dezember sammelten sich etwa 50 Hooligans
und Neonazis zu einer Weihnachtsparty in der Cocktailbar Morrison (Proskauerstr./Frankfurter
Allee), alles angebliche Angestellte einer Abrissfirma aus Friedrichshain.
Einige aufgebrachte Bürger reagierten etwas hitzig und warfen eine
Scheibe der Bar ein. Daraufhin stürmten die rechten Partygäste
in Prügellaune wie auf Befehl auf die Straße, um vermeintliche
Linke zu jagen. Dabei beschädigten sie einige Autos und wurden z.T.
von der alarmierten Polizei kontrolliert.
Weiterhin erwähnenswert wären noch andere Vorfälle,
was den Rahmen hier aber sprengen würde.
<<< Aktionen
|