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30.11.2016 Avira Berlin
Erste Silvio-Meier-Preisverleihung

Der Silvio-Meier-Preis für Engagement gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung geht 2016 an die Aktionskünstlerin Ute Donner und die Aktivistin Irmela Mensah-Schramm.
Die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg Monika Herrmann und der Bezirksstadtrat und Juryvorsitzende Knut Mildner-Spindler haben den diesjährig erstmals ausgelobten Silvio-Meier-Preis im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg an die beiden Preisträgerinnen im Jugend[widerstands]museum verliehen.
Der Silvio-Meier-Preis ehrt Einzelpersonen, Gruppen, Initiativen oder Projekte, die sich im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg aktiv gegen soziale Bevormundung, Entmündigung, Diskriminierung, soziale und kulturelle Ausgrenzung einsetzen oder eingesetzt haben. Der Preis trägt den Namen von Silvio Meier, eines leidenschaftlichen Kämpfers für Toleranz, Freiheit und politische Emanzipation, der sein couragiertes Auftreten gegen rechte Gewalt mit dem Leben bezahlen musste.
Die Preisjury, bestehend aus Vertreter*innen des Bezirksamts und der BVV von Friedrichshain-Kreuzberg sowie Vertreter*innen der Zivilgesellschaft, entschied sich einstimmig für die Vergabe des Silvio-Meier-Preises 2016 an die Aktionskünstlerin Ute Donner und die Aktivistin Irmela Mensah-Schramm:
Die Friedrichshainer Künstlerin Ute Donner widmet ihre Aktionen und Arbeiten den Themen Ausgrenzung und Rassismus. Sie hat sich etwa in besonderer Weise mit dem mehrmaligen Verschwinden der Gedenktafel für Silvio Meier im U-Bahnbereich Samariterstraße auseinandergesetzt.
Die Aktivistin Irmela Mensah-Schramm stellt sich seit 30 Jahren entschlossen gegen rechte Parolen im öffentlichen Raum, indem sie rassistische und antisemitische Aufkleber bzw. Graffitis dokumentiert und deren Hass-Botschaften beseitigt. Sie entfernte bislang mehr als 100.000 Hass-Sprüche und tausende Aufkleber.
Mit den beiden Auszeichnungen verleiht die Jury den Silvio-Meier-Preis an zwei Frauen, denen ein großes Herz und außergewöhnliches Engagement gemeinsam ist. Beide Preisträgerinnen setzen sich aus Sicht der Jury in antirassistischer Tradition von Silvio Meier in herausragender Weise gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung ein.

Hintergrund:
Am 21. November 1992 wurde im U-Bahnhof Samariterstraße in Friedrichshain der damals 27-jährige Silvio Meier von jugendlichen Neonazis erstochen. Die Polizei sprach damals von einem Streit zwischen Jugendgruppen. Ein politischer Hintergrund wurde geleugnet. Silvio Meier wurde so nicht nur zu einem Opfer rechter Gewalt, sondern darüber hinaus zu einem Symbol für den Kampf gegen Rechts, gegen Ignoranz, Leugnung und fehlende Anerkennung der Gefahr rechter Gewalt durch den Staat und seine Repräsentant*innen.
Mit der Verleihung des Silvio-Meier-Preises bezieht der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg klare Position gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung, will zu aktivem, gewaltfreien Eintreten für Freiheit, politische und kulturelle Emanzipation unabhängig von Herkunft, Religion, sozialer Stellung oder sexueller Identität ermutigen und entsprechendes Handeln unterstützen und ehren.

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28.11.2016 Neues Deutschland
Rauchzeichen aus dem Szenekiez
Traditionelle Demonstration der radikalen Linken erinnert an erstochenen Silvio Meier

»Entschlossen, radikal, offensiv …Antifa«, unter diesem Motto zogen etwa 1000 Demonstranten – Hausbesetzer, antifaschistische Gruppen und kurdische Organisationen – am frühen Samstagabend von Friedrichshain in Richtung Schlesisches Tor in Kreuzberg. Die Teilnehmer gedachten wie jedes Jahr dem am 21. November 1992 im U-Bahnhof Samariterstraße von Neonazis ermordeten linken Aktivisten Silvio Meier. In diesem Jahr begann der Protest später als üblich, die Organisatoren warteten mit dem Start bis kurz nach 18 Uhr, damit die Teilnehmer der Gegendemonstration gegen den rechten Bärgida-Aufmarsch in Mitte noch dazu stoßen konnten.
In seinem Aufruf hatte das Bündnis um die Gruppe »Radikale Linke Berlin« eindringlich vor dem Rechtsruck in Deutschland gewarnt und eine Parallele zur Zeit Anfang der 1990er Jahre gezogen, als Silvio Meier ermordet worden war. Wieder würden sich Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und rechtsextreme Angriffe häufen, auch in der »Wohlfühlstadt« Berlin. Verwiesen wurde auf das Wahlergebnis der AfD bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und den Bezirksverordnetenversammlungen sowie auf einen rassistischen Angriff im August vergangenen Jahres in der Ringbahn. Zwei Männer aus der rechten Szene hatten dort eine Familie attackiert. Der als Haupttäter geltende Christoph Sch. war im April 2016 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt worden. Der Fall hatte für besondere Empörung gesorgt, weil es hieß, Sch. habe auf die Kinder uriniert, was ihm aber nicht nachgewiesen werden konnte.
Bei der Silvio-Meier-Demo dominierten schließlich andere Themen. Kurdische Gruppen, die zuvor in der Revaler Straße für die Aufhebung des Verbotes der Arbeiterpartei PKK in Deutschland auf die Straße gegangen, waren, schlossen sich mit Fahnen und Transparenten in einem eigenen Block dem antifaschistischen Zug an. Einige Demonstranten gedachten mit einem Banner dem am Freitag verstorbenen langjährigen kubanischen Staats- und Parteichef Fidel Castro.
Mit Sprechchören wandten sich andere gezielt gegen die Polizei. Auch auf einem Hausdach Ecke Rigaer und Silvio-Meier-Straße prangte in großen Lettern das polizeifeindliche Buchstabenkürzel »ACAB«, eine Abkürzung für »All Cops are Bastards«, auf Deutsch »Alle Polizisten sind Bastarde«.
Wütend waren die Demonstranten vor allem wegen der Festnahme einer Aktivistin mit dem Spitznamen »Thunfisch« in Münster vor wenigen Tagen sowie einer Reihe von Hausdurchsuchungen gegen Linke in Berlin im Oktober. Alle Betroffenen werden verdächtigt, sich an Ausschreitungen bei einer Demonstration gegen den Polizeieinsatz in einem linken Hausprojekt in der Rigaer Straße 94 im Sommer beteiligt zu haben.
Als der Aufzug die Rigaer Straße mit den zahlreichen ehemals besetzten Häusern durchquerte, entzündeten Sympathisanten auf Hausdächern Bengalische Fackeln und Feuerwerksbatterien. »Unser Kampf ist erst zu Ende, wenn die herrschenden Verhältnisse am Ende sind«, verkündete ein Sprecher kämpferisch.
Als die Veranstalter die Silvio-Meier-Demo in der Grünberger Straße überraschend für beendet erklärten, verhüllten bunte Nebeltöpfe die Szenerie. Als sich der Rauch verzogen hatte, wollten zahlreiche Teilnehmer auf einer anderen als der abgesprochenen Route weiter durch den Kiez ziehen. Sie kamen jedoch nicht weit. Es gab mehrere Festnahmen. Kurz nach 20 Uhr forderte die Polizei über Lautsprecher die letzten Verbliebenen auf, den Kreuzungsbereich zur Simon-Dach-Straße frei zu machen. Die nachfolgenden Fahrzeuge der Stadtreinigung entsorgten noch die Hinterlassenschaften, die Scherben vereinzelt geworfener Flaschen und Überreste von Feuerwerkskörpern.
Die Erinnerung an den getöteten Silvio Meier, der sich ebenfalls in der Hausbesetzerszene engagiert hatte, stand bereits am Montag bei einer Mahnwache im U-Bahnhof Samariterstraße im Vordergrund. Bis zu 100 Menschen hatten sich am Tatort versammelt, um Blumen und Kerzen an der dortigen Gedenktafel niederzulegen. Lisa Rotdorn vom Vorbereitungskreis kritisierte den Polizeieinsatz bei der Gedenkveranstaltung, bei der die Polizei in diesem Jahr zum ersten Mal auf eine Anmeldung bestanden hatte.
Am Donnerstag verlieh das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg den neu geschaffenen Silvio-Meier-Preis gegen Rechtsextremismus an die Aktionskünstlerin Ute Donner sowie Irmela Mensah-Schramm, die seit Jahrzehnten in ihrer Freizeit Aufkleber und Schmierereien von Neonazis entfernt (»nd« berichtete). Rigoros übermalt sie Nazi-Symbole, Hetze gegen Flüchtlinge und Juden.

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27.11.2016 TAZ
Die Szene zeigt Präsenz
Nach dem Ausflug nach Marzahn fand die Gedenk-Demo wieder in Friedrichshain statt. Sie war bunt, laut und weitgehend ungestört.

Über der Silvio-Meier-Straße zerplatzen Feuerwerksraketen, auf den Dächern zünden Autonome unter dem Jubel der DemonstrantInnen Bengalos. „Entschlossen. Radikal. Offensiv“ – unter diesem Motto startet die diesjährige Demo zum Gedenken an Silvio Meier mit mehreren tausend DemonstrantInnen am U-Bahnhof Samariterstraße, wo der linke Hausbesetzer vor 24 Jahren von Neonazis erstochen wurde.
„Hoch die internationale Solidarität“, skandieren die Demo-TeilnehmerInnen, und: „Solidarität heißt Widerstand“. Ada sitzt auf den Schultern ihres Vaters und beobachtet mit glänzenden Augen die Bengalos. Die Fünfjährige ist eine der jüngsten DemonstrantInnen. Worum es bei dem Protest geht, weiß sie nicht, aber Demos findet sie gut. Etwas neidisch schaut sie einem kleinen Jungen hinterher, der, ebenfalls auf den Schultern seines Vaters sitzend, eine Fahne schwenkt. „Nächstes Jahr will ich auch eine Fahne“, sagt sie zu ihrem Vater.
Es sei an der Zeit, dass die antifaschistische Bewegung wieder in die Offensive komme, heißt es im Demo-Aufruf. „Ihr seid viele heute Abend“, schallt es vom Lauti-Wagen. „Es liegt einzig an uns, die Nazis im Auge zu behalten“, ruft der Sprecher den Demo-TeilnehmerInnen in Erinnerung.
Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, Angriffe auf politisch Andersdenkende, Nazi-Parolen: 24 Jahre nach dem Tod von Silvio Meier werde Rassismus immer salonfähiger. „Besetzt Häuser, geht in die Kieze, legt den Nazis das Handwerk“, fordert er die Menge auf.
Sebastian, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will, war auch vergangenes Jahr dabei. „Dass es so eine linke Tradition gibt, ist wichtig“, sagt er. Wie sinnvoll Demonstrationen durch einen alternativen Stadtteil wie Friedrichshain seien, um rassistische Strukturen zu bekämpfen, sei die Frage. Sebastian ist überzeugt: „Wir müssen auch auf anderen Ebenen gegen die Rassisten mobilisieren.“ Charlotte, die neben ihm läuft, wirft ein: „Präsenz zeigen ist wichtig. Jetzt erst recht.“
Nachdem die Silvio Meier-Demo im vergangenen Jahr erstmals durch Marzahn gezogen ist, haben die Veranstalter dieses Jahr wieder zur traditionellen Demoroute durch Friedrichshain aufgerufen. Dazwischen liegen die heißen Wochen der rechtswidrigen Teilräumung der Rigaer Straße 94 und wochenlange Straßensperrungen im vergangenen Frühsommer.
Die traditionelle Gedenkdemo wieder nach Friedrichshain zu verlegen, kann vor diesem Hintergrund auch als klares Signal der linken Szene an den Senat verstanden werden: Die Rigaer Straße bleibt widerständig. Die Polizei hält sich an diesem Abend zurück.
An der Fassade eines Hauses in der Rigaer Straße hängt ein Banner mit den Worten „Wenn Henkel die Mitte ist, kann ich nur linksextrem sein“. Auf dem Dach der Rigaer Straße 94 zünden Linke Bengalos. Die Bewohner der Straße beobachten den Protestzug von ihren Fenstern aus.
Gegen acht Uhr lösen die Veranstalter die Demo am Boxhagener Platz unerwartet auf. Einige DemonstrantInnen ziehen spontan weiter die Grünberger Straße entlang. Sie werden von der Polizei zurückgedrängt, weil sie von der ursprünglichen Demoroute abweichen. Nach etwa einer Stunde zerstreuen sich die Demo-TeilnehmerInnen. Der Protestzug verlief nach Polizeiangaben weitgehend friedlich.

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26.11.2016 Tagesspiegel
Friedlicher Umzug und ein Preis gegen Rechts
Rund 750 Menschen kamen zur Silvio-Meier-Demo durch Friedrichshain und Kreuzberg. Am Donnerstag wurde bereits der Silvio-Meier-Preis verliehen.

Entschlossen, Radikal, Offensiv: Antifa“. Unter diesem Motto zog am Samstag bis zum frühen Abend die traditionelle und in früheren Jahren teils krawallträchtige Silvio-Meier-Demo durch Friedrichshain und Kreuzberg. Der am U-Bahnhof Samariterstraße begonnene Umzug erinnert an den gleichnamigen 1992 von Neonazis erstochenen linken Aktivisten. Rund 500 Teilnehmer waren angemeldet, bis etwa 20 Uhr schwoll die Menge auf rund 750 Menschen an.
Zu Beginn fand in der Nähe noch eine Demo gegen das Verbot der kurdischen PKK statt, von deren knapp 100 Teilnehmern sich einige später der Silvio-Meier-Demo anschlossen. Deren Route führte zum Schlesischen Tor – unter anderem vorbei an der nach Silvio Meier benannten Straße und der in der linken Szene symbolträchtigen Rigaer Straße. Einige Böller wurden gezündet, ansonsten verlief der Umzug laut Polizei weitgehend friedlich.

Ein "großes Herz und außergewöhnliches Engagement" wurden gewürdigt
Bereits am Donnerstag hat der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg erstmals einen Silvio-Meier-Preis gegen Rechtsextremismus verliehen. Ihn erhielten die Friedrichshainer Aktionskünstlerin Ute Donner und die Aktivistin Irmela Mensah-Schramm, die seit Jahrzehnten Hass-Aufkleber und -Schmierereien beseitigt – und sich dafür kürzlich wegen Sachbeschädigung vor Gericht verantworten musste. Den beiden „sehr unterschiedlichen Frauen sei ein „großes Herz und außergewöhnliches Engagement gemeinsam“, heißt es in der Laudatio.

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21.06.2016 Tagesspiegel
Bei Streit in der Rigaer Straße: Mann zeigt den Hitlergruß
Zwei Männer gerieten Montagabend in der Rigaer Straße in Streit. Einer der Männer zeigte den "Deutschen Gruß" und beleidigte den anderen mit Naziparolen.

Bei einem Streit in der Rigaer Straße soll ein 26-Jähriger einen fünf Jahre älteren Mann wegen seiner Herkunft beleidigt, Naziparolen gebrüllt und den sogenannten "Hitlergruß" gezeigt haben.
Worum es bei der Auseinandersetzung eigentlich ging, ist laut Polizei noch unklar. Beteiligt waren der 26-jährige Tatverdächtige und ein 31-Jähriger Deutscher afghanischer Herkunft. Gegen 19.25 Uhr eskalierte ihre Auseinandersetzung so weit, dass die Polizei eingreifen musste.
Der 26-Jährige soll seinem Gegenüber erst den ausgestreckten rechten Arm gezeigt und anschließend "Heil Hitler!" und "Sieg heil!" gebrüllt haben. Auch als die Polizei schon da war, beleidigte er seinen Widersacher weiter mit fremdenfeindlichen Sprüchen.
Der Mann wurde vorläufig festgenommen. Laut Polizei ist er bislang nicht mit rechtsextremistischen Taten in Erscheinung getreten, aber bereits wegen anderer Delikte aufgefallen. Er muss sich wegen Beleidigung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen verantworten. Der Polizeiliche Staatsschutz ermittelt.

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24.05.2016 RBB
Tatverdächtiger ist wieder frei

Der 34-jährige Tatverdächtige, der einen Afrikaner am Sonntagmorgen angegriffen haben soll, ist nach Angaben der Polizei aus der Haft entlassen worden. Es bestehe kein dringender Tatverdacht wegen etwaiger versuchter Tötung, erklärte Martin Steltner, Sprecher der Staatsanwaltschaft, am Dienstag.

Verfahren wegen Zeigen des Hitlergrußes
Dem Tatverdächtigen wird vorgeworfen, bei einem rassistischen Übergriff am Sonntagmorgen einen 20-Jährigen aus Guinea gegen das Geländer der Warschauer Brücke in Berlin-Friedrichshain gedrückt zu haben. Dabei habe der aggressive und betrunkene Mann auch den Hitlergruß gezeigt und "Sieg Heil" gerufen, teilte die Polizei am Montag mit. Passanten griffen in das Geschehen ein und alarmierten die Polizei. Die Beamten stellten einen Atemalkoholwert von 1,43 Promille fest. Das Opfer blieb unverletzt. Gegen den mutmaßlichen Täter läuft nun ein Strafverfahren wegen Beleidigung und Zeigen des Hitlergrußes.

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12.09.2015 Morgenpost
Randale an der Rigaer Straße - 44 Festnahmen
In Friedrichshain ist es zu Randalen zwischen Rechten und Linken gekommen. Die Polizei nahm vor allem rechte Randalierer fest.

Nach gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken in Friedrichshain hat die Berliner Polizei 44 Menschen festgenommen. 41 von ihnen ordneten die Ermittler dem rechtem Spektrum zu. Ein Großteil der Festgenommenen sei der Polizei bekannt durch rechtsgerichtete Aktivitäten, sagte eine Sprecherin am Samstag.
Ein große Gruppe Rechtsradikaler zog nach Polizeiangaben geschlossen gegen 7.30 Uhr vom Frankfurter Tor durch die Rigaer Straße. Dort stießen sie auf Unterstützer der linken Szene. Die Rigaer Straße ist seit längerem bekannt für die Übergriffe Linksautonomer auf Polizisten.
Nach Angaben einer Polizeisprecherin gingen die Beteiligten mit Flaschen und Holzlatten aufeinander los. Einsatzkräfte von zwei Hundertschaften der Polizei mussten eingreifen.
Eine Person musste ambulant in einem Krankenhaus behandelt werden.
Die Festgenommenen wurden zur Gefangenensammelstelle (Gesa) am Tempelhofer Damm zu transportiert und dort erkennungsdienstlich behandelt. Die Ermittlungen laufen. Auch der Polizeiliche Staatsschutz wurde eingeschaltet. Ermittelt wird unter anderem wegen des Verdachts des schweren Landfriedensbruch.

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30.08.2015 Tagesspiegel
18-Jähriger greift unvermittelt homosexuelles Paar an
Zwei Männer saßen zusammen auf einer Parkbank in der Revaler Straße vor dem RAW-Gelände. Plötzlich wurde das Paar von einem 18-Jährigen attackiert.

Opfer eines mutmaßlich homophoben Übergriffs wurden Sonntag früh zwei 26 und 27 Jahre alte Männer in Friedrichshain. Das Paar saß gegen 6.45 Uhr auf einer Parkbank in der Revaler Straße, als ein 18-Jähriger, der sich augenscheinlich durch die beiden gestört fühlte, unvermittelt mit einer Flasche auf den Älteren einschlug.
Das Opfer erlitt hierbei leichte Verletzungen im Gesicht und im Brustbereich. Anschließend floh der Angreifer auf das angrenzende RAW-Gelände. Polizeibeamte suchten daraufhin das Gelände ab und nahmen den mutmaßlichen Schläger in der Nähe vorläufig fest. Sie brachten ihn zur Blutentnahme, von wo aus er nach Ende der polizeilichen Maßnahmen entlassen wurde. Der Polizeiliche Staatsschutz übernahm die Ermittlungen.
Nach diversen Gewalttaten steht das RAW-Gelände seit Wochen im Mittelpunkt des Interesses. Am Montag, 31. August, will die Senatsbauverwaltung beginnen, hellere Straßenlampen in der Revaler Straße aufzustellen.

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06.08.2015 TAZ
Odin-Trunk gibt‘s nicht mehr
Das Bierfestival war lange ein Wohlfühlort für Neonazis. Das hat sich geändert – dank einer intensiven Beratung und eines engagierten Veranstalters.

Eine Nazi-Massenschlägerei am Stand „Germanenzug“. Ungestörte Stelldicheins bekannter NPD-Kader. Große Gruppen, die in „White Pride“-Shirts über das Gelände ziehen. Und nicht zuletzt ein deutlich erhöhtes Aufkommen rassistischer Übergriffe in der Umgebung: Das Internationale Bierfestival, meist Biermeile genannt, hatte lange ein braunes Problem.
Seit gut fünf Jahren aber wendet sich das Blatt: Nachdem anfangs – die Biermeile gibt es seit 1996 –, einige Antifagruppen noch allein auf weiter Flur standen mit ihrer Kritik an der Neonazi-Schlagseite des Festivals, ließ sich der Veranstalter ab 2010 von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) helfen. Seitdem ist viel passiert: Es gibt eine Hausordnung, die rassistische Äußerungen und rechtsextreme Symbole verbietet, der Sicherheitsdienst ist eigens geschult, es gibt antirassistische Bühnen und einen Stand des Kreuzberger Unternehmens Quartiermeister“, dessen Erlöse an das Netzwerk „Berlin gegen Nazis“ geht.
„Die Entwicklungen auf der Biermeile sind aus unserer Sicht wirklich ein Paradebeispiel dafür, wie es gut laufen kann“, sagt Michael Trube von der MBR. „Die Zusammenarbeit klappt hervorragend, es hat sich einiges verändert“, sagt Lothar Grasnick, dessen Firma Präsenta das feuchtfröhliche Spektakel veranstaltet. Auch aus dem Berliner Register, in dem rechtsextreme Übergriffe gemeldet werden, lässt sich ein deutlicher Rückgang der Vorfälle rund um die Bierfete ablesen: Seit 2013 wurde kein Übergriff mehr gemeldet.

Eine Erfolgsstory also, obwohl es am Anfang nicht danach aussah: 2006 traute sich die Friedrichshainer Initiative gegen rechts zum ersten Mal, einen eigenen Stand auf der Biermeile zu betreiben – und musste wüste Beschimpfungen und Bedrohungen in Kauf nehmen. Die Neonazis fühlten sich damals sicher auf dem Festival. Besonders bestimmte Stände, etwa von Biermarken
2010 begann dann die MBR auf Vermittlung des grün geführten Bezirksamts mit der Beratung. „Am Anfang mussten wir da durchaus dicke Bretter bohren“, sagt Trube. Zuerst sei es darum gegangen, den Veranstalter überhaupt zu sensibilisieren, eine „gemeinsame Problembeschreibung“ zu schaffen. Grasnick, Typ zupackender Unternehmer mit Berliner Schnauze, sagt selbst: „Ich wusste am Anfang nicht, was wir da für eine Dimension haben.“ Zu vermitteln, dass die Biermeile für Menschen, die aufgrund ihres Äußeren oder ihrer Einstellung den Hass von Neonazis auf sich ziehen, eine No-go-Area darstellte, war deswegen ein erstes Ziel der Beratung.

Rechtsextreme Codes und Symbole erkennen
Gemeinsam wurde dann eine Hausordnung erstellt, die dem Sicherheitsdienst die Möglichkeit gibt, Besucher, die sich rassistisch äußern oder Symbole mit Bezug zur rechtsextremen Szene tragen, vom Festival zu werfen. Jedes Jahr wird das Sicherheitspersonal erneut von der MBR geschult, um rechtsextreme Codes und Symbole erkennen zu können.
Das Internationale Bierfestival findet vom 7. bis 9. August zum 19. Mal in Berlin statt. Auf einer 2,2 Kilometer langen Strecke zwischen Frankfurter Tor und Strausberger Platz werden sich rund 340 Brauereien aus 87 Ländern präsentieren – sie schenken 2.400 verschiedene Biere aus. Außerdem gibt es ein Musik- und Unterhaltungsprogramm auf 20 verschiedenen Bühnen. Die Veranstalter rechnen mit rund 800.000 Gästen.
„Das Sicherheitspersonal hat sich die Umsetzung der Hausordnung mittlerweile zu ihrem eigenen Anliegen gemacht“, sagt Trube. Und Grasnick berichtet, durchaus auch einen Teil des Sicherheitspersonals ausgetauscht zu haben – „wenn Sie da erst mal tiefer reinsteigen, merken Sie erst, was alles nötig ist“, sagt er.
Auch von den Bierbrauereien, die mit Namen wie „Odin-Trunk“ und bestimmten Schriftarten Rechtsextreme anziehen, ob nun gewollt oder nicht, verabschiedete sich Grasnick. „Da mussten wir am Anfang schon noch Lehrgeld zahlen und haben Minusgeschäfte gemacht, weil wir die Unternehmen so kurzfristig ausgeladen haben“, sagt Grasnick. Es sei ihm nie nur darum gegangen, dass die Nazis für sein Bierfestival, das ja ein internationales sein will, ein Geschäftsrisiko waren, sondern er habe sich auch abseits geschäftlicher Interessen aus persönlicher Überzeugung für eine Lösung eingesetzt.
Die Situation hat sich nun bereits deutlich verbessert: „Wir sehen schon noch vereinzelte Nazis auf der Biermeile – aber die sind dann privat da und geben sich auch nicht als Nazis zu erkennen“, sagt Trube. Mit den Kameraden am Bierstand stehen und rechte Parolen rufen – das ist nicht mehr.mit germanischem Namen oder altdeutschem Schriftzug, wurden zu alljährlichen Treffpunkten.

Leserbrief dazu:
Sorry, aber die Biermeile bleibt ein Problem. Die Kritik von antifaschistischer Seite war doch nie allein, dass dort Neonazis Schaulaufen oder -schlagen. Die politische Kritik darauf zu fokusieren, seit 2004 wohlgemerkt, hatte strategische Gründe um der konkreten Bedrohung der umliegenden Hausprojekte zu begegnen. Aber es bleibt dabei: Bei solchen Massenbesäufnissen kommt es, zumindest wenn sie auf ein mehr oder weniger homogenes Zielpublikum ausgerichtet sind (eine Antira-Bühne gab es genau einen Tag im Jahr 2009), in dieser Gesellschaft schon aus strukturellen Gründen zu rassistischen und frauenfeindlichen Entgleisungen. Rechte Positionen sind keinesfalls eine gesellschaftliche Randerscheinung, sondern werden gerade auch aus der Mitte der Gesellschaft heraus vertreten - gerade wenn die Zunge gelockert ist. Das MBR leistet mit der Secruity sicherlich gute Arbeit, aber es geht hier um über zwei Kilometer und hunderttausende Besucher. Meine Empfehlung: Samstag Abend, 21 Uhr, Bayerisches Zelt.

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31.07.2014 Jungle World
Nichts gelernt?

Im Berlin wurde das Restaurant eines Ägypters mit rechtsextremen Parolen beschmiert und verwüstet. Nun ermittelt die Polizei gegen den Restaurantbesitzer. Viele erinnert das an die polizeilichen ­Ermittlungen zu den Morden des NSU, bei denen die Opfer zu Tätern gemacht wurden.
Mit bewegter Stimme dankte Hussein Badiny in einer kurzen Ansprache für die große Solidarität der Nachbarn. Die hatten ein Fest organisiert, nachdem das Restaurant des in Ägypten geborenen deutschen Staatsbürgers Ende Mai im Berliner Stadtteil Friedrichshain mit rechten Parolen beschmiert und verwüstet worden war. Spendengelder wollte Badiny nicht annehmen, denn es gebe Menschen, die noch schlechter dran seien, erklärte er. In einem Restaurant, das er an einem anderen Platz neu einrichten wolle, solle es deshalb für einkommensschwache Menschen ein Drei-Gänge-Menü für fünf Euro geben.
Doch wenn man den Namen Hussein Badiny in Suchmaschinen eingibt, findet man Websites, auf denen er als »mohammedanischer Täuscher« verunglimpft wird.
Bereits wenige Tage nach dem Solidaritätsfest warf die Berliner Polizei ihm vor, den rechten Angriff vorgetäuscht zu haben. Seine Wohnung wurde durchsucht und seine Computer wurden beschlagnahmt. »Die Polizei untersuchte den Tatort an jenem Tag. Danach passierte erstmal nichts. Man ermittle in alle Richtungen, hieß es. Jetzt steht fest: Ermittelt wird vor allem gegen Hussein Badiny«, schrieb die Berliner Zeitung. Sie nannte auch Beispiele für die nachlässigen Ermittlungen: »Warum zum Beispiel untersuchte die Polizei erst am Dienstag, zwei Wochen nach der Tat, das aufgebrochene Türschloss des Restaurants? Und warum steht im Polizeiprotokoll, dass er alleine im Restaurant war, als er die Zerstörung entdeckte, obwohl sein Koch ebenfalls da war?« Er habe das Gefühl, die Polizei arbeite nicht sauber, sagte Badiny der Berliner Zeitung. »Sie verschwendet ihre Zeit mit mir, statt die Täter zu finden. Die nehmen das nicht ernst.«
Die Berliner Grünen-Politikerin Canan Bayram, die sich seit Jahren gegen Rassismus und Neo­nazis engagiert, übt heftige Kritik an der Stilisierung eines Opfers rechter Gewalt zum Täter. »Menschen haben einen Anspruch auf eine ordentliche polizeiliche Dienstleistung. Dazu gehört, dass sie nicht ohne triftigen Grund selbst in den Fokus der Ermittlungen geraten, wenn sie Opfer geworden sind«, sagt Bayram. »Badiny droht, durch staatliches Handeln ein weiteres Mal Opfer zu werden«, warnt die Politikerin. Nicht nur sie fühlt sich beim Fall Badiny an die Opfer des NSU erinnert, die wie Kriminelle behandelt worden waren und deren Umfeld zum Gegenstand staatlicher Ausforschung geworden war. Auch Nico Roth von der Antifa Friedrichshain fühlt sich angesichts des Vorgehens gegen Badiny an den Umgang mit den NSU-Opfern erinnert. Die Polizei habe sich zu schnell auf Badiny festgelegt. Auch die Spurensicherung sei dem Vernehmen nach nicht gründlich genug gewesen, sagt Roth im Gespräch mit der Jungle World. Sowohl er als auch Bayram monieren, dass die Ermittlungsbehörden gegen Badiny mit einem Argumentationsmuster arbeiten, das auch bei den NSU-Morden Anwendung fand. Die Aktion gegen das Restaurant sei nicht typisch für die rechte Szene, begründet die Polizei den Verdacht gegen Badiny. »Richtig ist, dass ein nächt­licher Einbruch in eine Pizzeria und die profes­sionelle Zerstörung szeneuntypisch ist«, erklärt Roth. Typisch für die rechte Szene seien Über­fälle, bei denen alles zerstört werde, was im Weg stehe. »Doch der Umkehrschluss passt nur dann, wenn man Neonazis als im Affekt handelnde Unprofessionelle einordnet«, entgegnet Roth.
Nicht erst der NSU habe gezeigt, dass Neonazis, vor allem in Verbindung mit Rockern, die es in Berlin nachweislich gibt, durchaus professionell agieren und in der Lage sind, Wohnhäuser und Autos anzuzünden. Roth weist auf eine Serie von Anschlägen gegen linke Aktivisten und Haus­projekte hin, die bis heute nicht polizeilich aufgeklärt wurden. Der Umgang mit Badiny sorgt auch unter Migranten für Verunsicherung. Sie müssen feststellen, dass jenseits aller Sonntagsreden nach der Selbstenttarnung des NSU Opfer rechter Gewalt ohne Beweise von den Ermittlungsbehörden zu Tätern und danach von Rechten erneut zur Zielscheibe ihres Hasses gemacht werden.

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29.05.2014 BZ Berlin
Nazi-Parolen geschmiert, Restaurant verwüstet
Das Restaurant in Friedrichshain wurde völlig verwüstet. Gastwirt ist erschüttert über diesen Hass.

Aufgeschlitzte Sitze. Zerstörtes Mobiliar. Überall Feuerlöscher-Schaum. Dazu rechte Parolen an die Wände geschmiert. Als Hussein B. (43) am Dienstag, gegen 11.30 Uhr, in sein Restaurant kam, brach er in Tränen aus. Im August 2013 erfüllte sich der gebürtige Ägypter seinen Traum. In der Koppenstraße in Friedrichshain eröffnete er das Restaurant „Costallino“. Pizza, Steaks, Lieferservice, dafür nahm B. zwei Kredite auf.
Jetzt sagt er erschüttert: „Ich hoffe, dass das nicht das Ende ist.“ Die Täter kommen offenbar aus der Neonazi-Szene. Sie müssen zwischen Sonntagabend und der Nacht zu Dienstag in sein Lokal eingebrochen sein und es verwüstet haben. Sie schmierten „Ausländer raus“, „SS“, die Zahl 88 als Symbol für „Heil Hitler“ (weil H der achte Buchstabe des Alphabets ist) und Hakenkreuze an die Wände.
Der Gastronom mit dem deutschen Pass entdeckte den Schaden erst am Dienstagvormittag, weil am Montag Ruhetag ist und er in Reinickendorf wohnt. Außerdem griffen die Täter in die Kasse. Ein Polizeisprecher: „Es wurde eine kleine Menge Bargeld entwendet.“
Nachbarin und Stammgast Rosemarie S. (72) ist entsetzt: „Vandalismus ist man in Berlin ja gewöhnt. Aber ich schäme mich für so eine rassistische Geschichte.“ Nach dem Übergriff jetzt erinnerte sich der Wirt an einen Vorfall im Oktober. Da hatte er Ärger mit zwei Männern aus der rechten Szene: „Sie bestellten etwas zu trinken und stellten mir dann Fragen. Wie lange ich in Deutschland bleiben will, ob ich nicht schneller in die Heimat will.“
Noch am Dienstag erstattete der Wirt Anzeige bei der Berliner Polizei, der Staatsschutz ermittelt in dem Fall. Im Jahr 2013 registrierte die Polizei 1361 politisch rechts motivierte Straftaten. In 83 Fällen handelte es sich um Gewaltdelikte.

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1.11.2013 Morgenpost
Haftbefehl gegen "Rudolf Heß" nach Angriffen auf Passanten

Er soll Passanten geschlagen, getreten und mit Schraubendreher und Pfefferspray angegriffen haben – nun muss der Verdächtige in Haft. Das teilte die Berliner Polizei am Freitag mit.
Zunächst war angenommen worden, der 44-Jährige könnte geistig verwirrt sein – das habe sich in den Untersuchungen allerdings nicht bestätigt, hieß es. Grund dafür war, dass der Mann bei seiner Festnahme gesagt hatte, er heiße "Rudolf Heß" und habe "im Namen des Führers" gehandelt. Die Beamten hatten ihn deswegen in eine Klinik eingeliefert. Die Ärzte konnten jedoch keine geistige Beeinträchtigung feststellen.
Der Mann hatte am Dienstag an der Tram-Haltestelle Holteistraße in Friedrichshain drei Frauen und einen Mann völlig grundlos angegriffen und verletzt. Die Polizei sucht noch eine bislang unbekannte Fahrradfahrerin, die ebenfalls von dem Mann attackiert worden sein soll. Hinweise nimmt jede Polizeidienststelle entgegen.

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1.11.2013 Kurier
Biermeile: Das Revier der Nazi-Flaschen
Nazi-Treff auf der Karl-Marx-Allee

Unzählige Biersorten aus aller Welt, hübsche Hostessen und fetzige Livemusik: Die Berliner Biermeile könnte eigentlich ein schönes Volksfest sein. Doch jetzt schlagen mehrere Initiativen gegen Rechts Alarm: Die Biermeile verkommt zum Nazi-Treff!

„Weiße Wölfe“, „White Aryan Rebels“ oder „Heimatschutz Ostdeutschland“ – immer öfter fallen Besucher der Festmeile mit rechtsradikalen T-Shirts und Aufnähern auf. Laut einer Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der SPD-Abgeordneten Dr. Susanne Kitschun konnte zwar „kein sichtbares Tragen von verfassungsfeindlichen, rechtsextremistischen Symbolen durch die Polizei Berlin festgestellt werden“.
Was aber nur daran liegt, dass die oben genannten T-Shirts hier nicht registriert werden, da sie nicht verboten sind. Zudem kommt es nach Informationen der „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR)“ immer wieder zu „rassistischen Pöbeleien und Angriffen gegen Migranten und Linke“. In der Polizeistatistik tauchen solche Übergriffe dann nur als einfache oder schwere Körperverletzung auf.
Dennoch räumt die Senatsinnenverwaltung ein, dass „die Biermeile von Personen der rechten Szene frequentiert“ wird. Grund: Die „Nähe zum Bezirk Lichtenberg, einem Wohn- und Aktionsschwerpunkt aktionsorientierter Rechtsextremisten“. Deshalb werde man auch bei der nächsten Biermeile (1.-3. August 2014) mit der „Initiative gegen Rechts Friedrichshain“ zusammenarbeiten.

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26.04.2013 ND
Eine gute Adresse
Berlin benennt nach jahrelangem Tauziehen Straße nach Silvio Meier

Der Kampf um die Straße ist diesmal gewonnen: In Berlin wird heute Abend eine Straße nach dem 1992 von Neonazis ermordeten Antifaschisten und Hausbesetzer Silvio Meier umbenannt. Die Straße liegt in unmittelbarer Nähe zum Tatort im Stadtteil Friedrichshain. Jahrelang bemühten sich Initiativen und antifaschistische Gruppen um ein würdiges Erinnern an den damals 27-Jährigen. An Gedenkdemonstrationen nahmen regelmäßig Tausende Menschen teil.

In der »Mitte der Gesellschaft« indes kam das Gedenken an Silvio Meier lange nicht an. Bis zuletzt suchte ein Unternehmer, per Klage die Straßenumbenennung nach einem »Straftäter« zu verhindern. Er verlor.

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26.04.2013 TAZ
Das Leben toter Helden

Die Gabelsberger Straße wird umbenannt: Nach Silvio Meier, 1992 von Neonazis ermordet. Warum das wichtig ist, schreibt Dirk Moldt, ein Freund Meiers – der die Idee lange ablehnte.von Dirk Moldt

Am Freitag wird die Gabelsberger Straße in Friedrichshain nach Silvio Meier benannt, der 1992 von jugendlichen Neonazis umgebracht wurde. Es ist das zweite Mal in Deutschland, dass eine Straße den Namen eines Vertreters der jüngeren ostdeutschen Widerstandsbewegung gegen die SED-Diktatur erhält. Als Freund des Ermordeten sehe ich die Umbenennung mit gemischten Gefühlen.
Die erste Straße wurde 1996 im thüringischen Jena nach Matthias Domaschk benannt. Er starb 1981 im Alter von 23 Jahren unter bis heute nicht vollständig geklärten Umständen in MfS-Untersuchungshaft. Domaschk hatte sich in der Jenaer Friedensbewegung engagiert. Seine Freunde schildern ihn als offen, interessiert und humorvoll. Zu DDR-Bürgern, die sich im Alltag eingerichtet hatten, hatte er ein kritisches Verhältnis. Er war ein lockerer Typ, immer unterwegs, aber auch zuverlässig und besonnen. Genau wie Silvio Meier.
Am Freitag wird die Gabelsberger Straße in Friedrichshain nach Silvio Meier benannt, der 1992 von jugendlichen Neonazis umgebracht wurde. Es ist das zweite Mal in Deutschland, dass eine Straße den Namen eines Vertreters der jüngeren ostdeutschen Widerstandsbewegung gegen die SED-Diktatur erhält. Als Freund des Ermordeten sehe ich die Umbenennung mit gemischten Gefühlen.
Die erste Straße wurde 1996 im thüringischen Jena nach Matthias Domaschk benannt. Er starb 1981 im Alter von 23 Jahren unter bis heute nicht vollständig geklärten Umständen in MfS-Untersuchungshaft. Domaschk hatte sich in der Jenaer Friedensbewegung engagiert. Seine Freunde schildern ihn als offen, interessiert und humorvoll. Zu DDR-Bürgern, die sich im Alltag eingerichtet hatten, hatte er ein kritisches Verhältnis. Er war ein lockerer Typ, immer unterwegs, aber auch zuverlässig und besonnen. Genau wie Silvio Meier.
Als sich die Gruppe Aktives Gedenken vor Jahren mit der Idee einer Straßenumbenennung an uns wandte, gab es bei einigen Freunden Silvio Meiers großes Unbehagen. Genauso, wie Matthias Domaschk darüber lachen würde, dass eine Straße nach ihm benannt würde, würde uns Silvio Meier einen Vogel zeigen. „Wenn ihr Helden braucht“, sagten wir, „dann werdet gefälligst selbst welche. Silvio Meier kann sich nicht mehr wehren.“
Wie schnell die politische Vereinnahmung des Mordes vor sich ging, erlebten wir schon bei der großen Demonstration im Dezember 1992, als eine Vertreterin irgendeiner Splittergruppe wie ein Mantra durch den Lautsprecher sang: „Die Arbeiterklasse wird Genossen Silvio Meier rächen!“ Da waren sie wieder, die Dogmatiker, gegen die wir uns immer gewehrt hatten. Das war sehr bitter.

Sie ließen nicht locker
Doch die Leute aus der Initiative ließen nicht locker, und das war sehr wichtig. Gezwungen, mich noch einmal mit dem Leben meines Freundes zu befassen, wurde ich mir über die Ursachen meines Unbehagens klar: Die extrem gegensätzliche Heldenrezeption liegt in erster Linie daran, dass Silvio Meier von Nazi-Nachwuchs umgebracht wurde und nicht im Gewahrsam der Staatssicherheit starb wie Domaschk. Wie beide gelebt haben, wofür sie sich einsetzten, scheint für manche zweitrangig zu sein.
Mit den Jahren hat der Name Silvio Meier ein Eigenleben entwickelt. Nichtssagende Biografien kursieren im Internet. Texte machen die Runde, die Bruchstücke der Erklärungen enthalten, die wir in jenen Tagen verfassten, als wir gezwungen waren, den Mord öffentlich als faschistisch motiviert darzustellen. Die Polizei sprach damals nämlich zuerst von einem Streit zwischen Jugendgruppen.
Die Oberflächlichkeit, mit der Silvios Leben von jugendlichen Antifas rezipiert wurde und wird, scheint der Jugend, der Unerfahrenheit, aber auch der Ideologie geschuldet. Aber spätestens als mir eine gestandene Journalistin eines bürgerlichen Blattes unumwunden eingestand, für Silvio Meiers biografische Notiz den Unsinn aus Wikipedia abgeschrieben zu haben, stand für mich fest: Die interessieren sich gar nicht für ihn. Das Label Silvio Meier hat kaum noch etwas mit meinem ermordeten Freund zu tun. Ich weiß, dass es auch Freunden von Matthias Domaschk ein wenig so geht, wenn sie verklärende Worte hören oder lesen, wie unerschrocken standhaft dieser im Kampf für die Demokratie gestorben sei.
Nicht nur das Leben der toten Helden, auch unser eigenes wird inzwischen verklärt. Es beginnt mit dem Begriff „Bürgerbewegung“. Wir kritisierten ja das Stillhalten der DDR-Bürger heftig. Das Wort „Bürger“ galt uns als Schimpfwort, als Synonym für „Spießbürger“. Heute ist es anders. Viele Protagonisten der Widerstandsszene, einst antibürgerlich im besten Sinne, haarige und wilde Rebellen, die laute Musik hörten, fühlen sich inzwischen von dieser Bezeichnung geehrt. Sie klingt besser als „Aussteiger“, „Totalverweigerer“ oder „Dissident“, und ein wenig scheint auch eine Wiedergutmachung für ihr jahrelanges Agieren in den extrem unsicheren DDR-Verhältnissen mitzuschwingen, immer mit einem Fuß im Knast.
Einige ihrer Wortführer schämen sich inzwischen ihrer vormaligen sozialistischen Flausen und meinen, schon immer richtig bürgerliche Demokraten gewesen zu ein. Kritik erntet, wer sie auf diesen Irrtum hinweist. In antistalinistischen Aufarbeitungsgruppen kam es sogar zur Verdrängung solcher unbequemen Kritiker. Man ist versucht zu sagen: zu Säuberungen. Verdrängt wurden dabei auch einstige Weggefährten, die ihren sozialistische Vorstellungen treu geblieben sind, oder solche, denen es unterstellt wird. Eine sehr traurige Geschichte, menschlich enttäuschend, aber soziologisch hochspannend.
Seit sich die SED-Nachfolgepartei, in der antidemokratisches Denken teilweise fortexistiert, in Linkspartei umbenannt hat, ist der Feind bei vielen Aufarbeitern klar positioniert: Er steht links. Dabei ist diese Klammer falsch, denn sie fasst Personen wie Stalin, Pol Pot, Erich Mühsam und Rudi Dutschke bis hin zum versoffensten Kotti-Punk unter ein Label zusammen, dem sich Begriffe wie Emanzipation, Teilhabe, Information und Chancengleichheit genauso zuordnen lassen wie ihre Gegenteile.
Ein großer Teil der Aufarbeiter ist auf diesen Trick reingefallen und hält alles, was aus dieser Richtung kommt, für antidemokratisch oder zumindest suspekt. Weil die Linkspartei die Antifa unterstützt – eher politisch als finanziell –, erscheinen deren Vorbilder vielen Aufarbeitern als dubios, selbst wenn sie wie im Fall von Silvio Meier aus ihren eigenen Reihen kommen. Ein anderes Beispiel: Ehemalige Weggefährten des Jenaer Pfarrers Lothar König, der dieser Tage in Dresden vor Gericht steht, weil er dort auf einer Anti-Nazi-Demo zu strafbaren Handlungen aufgerufen haben soll, trauen sich nicht, sich mit ihm zu solidarisieren. Nicht, weil sie ihn für schuldig halten, sondern weil ihnen die ganze Sache zu sehr nach linker Szene aussieht.
Es ist schwierig, jüngeren Antifa, die allem misstrauen, was nicht auf ihrer politischen Linie liegt, Erfahrungen zu vermitteln, die sich von ihren Vorstellungen und Geschichtsbildern zum Teil bedeutend unterscheiden. Ebenso schwer ist es, bei ihnen ein kritisches Verhältnis zur DDR zu entwickeln, ja sie überhaupt dazu zu bringen, sich mit der DDR-Geschichte zu befassen. Schon darauf hinzuweisen, dass für uns der Begriff „Genosse“ eine Beleidigung ist und deswegen nicht auf Silvio Meier passt, verstört sie. Aber genau das ist notwendig. Es grenzt an ein Wunder, dass die Leute von Aktives Gedenken diese Öffnung gewollt und ausgehalten haben, denn wir waren mitunter sehr zickig: „Antifa bedeutet gar nichts, solange ihr kein Wofür habt!“
Das Wissen über Vorstellungen und Ziele der Widerstandsbewegungen gegen das SED-Regime ist bei vielen jämmerlich. Aber woher soll es kommen, wenn die Protagonisten dieser Widerstandsbewegungen sich selbst nicht einzugestehen wagen, dass sie sich einst in einem Milieu bewegten, welches dem politischen System der Bundesrepublik äußerst kritisch gegenüberstand? Auch Wolf Biermann war einst Kommunist.
„Wir brauchen Gründungsmythen für 1990!“, hört man. Nein, sage ich, wir brauchen Tatsachen. Wir müssen die Brüche erklären, auch unsere eigenen. Ich wünschte mir, dass mit dem Gedenken an meinen Freund alte und neue ideologische Schranken überwunden werden. Solange wir Vorbilder nur einseitig darstellen, erscheinen diese unglaubwürdig und wir auch.

Die Umbenennung
Am Freitag um 18 Uhr werden die Schilder ausgetauscht: Dann wird die 200 Meter lange Gabelsberger Straße zwischen Frankfurter Allee und Rigaer Straße in Friedrichshain nach dem DDR-Oppositionellen und Hausbesetzer Silvio Meier umbenannt. Meier wurde 1992 von einem Neonazi im U-Bahnhof Samariter Straße erstochen, nachdem er diesen auf einen rechten Aufnäher angesprochen hatte.
Eine Initiative hatte seit Jahren eine Straße für Meier gefordert. Im April 2012 wählte eine Bürgerwerkstatt die Gabelsberger Straße wegen ihrer Nähe zum Tatort. Dem folgte das Bezirksparlament. Der Beschluss, Straßen vorerst nur nach Frauen zu benennen, wurde aufgrund des Bürgervotums ausgesetzt. Nachdem im März ein Ladenbetreiber eine Klage gegen die Umbenennung zurückzog, erfolgt nun der Schildertausch. (taz)

Dirk Moldt, 49, ist Historiker und Soziologe. Er war ein Freund Silvio Meiers und engagierte sich in der Offenen Jugendarbeit in der DDR

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11.03.2013 Mut gegen Nazis
"Demos schaffen die notwendige Öffentlichkeit"
Das Nordostberliner Bündnis „Kein Kiez für Neonazis“ und die „Initiative gegen Rechts Friedrichshain“ veranstalteten am 9. März 2013 einen Berliner Aktionstag gegen die rechten Bekleidungsmarken „Thor Steinar“ und „Label 23“ und deren Verkauf. Den Tag über beteiligten sich rund 300 Menschen an den Kundgebungen und Demonstrationen. Über Motivationen, Hintergründe zum Aktionstag und die Situation in den Berliner Bezirken sprachen wir mit der Initiative „Kein Kiez für Neonazis“.

Was versteckt sich hinter „Kein Kiez für Nazis“? Wie setzt sich die Initiative zusammen? Seit wann gibt es euch, was war der Anlass? Wer kann bei euch mitmachen?
Die Initiative „Kein Kiez für Nazis“ gibt es so gesehen seit 2008. Damals kam es zu einer ganzen Reihe an Angriffen und Bedrohungen gegen jüngere AntifaschistInnen im Pankower Stadtteil Niederschönhausen. Unter der Losung „Kein Kiez für Nazis“ wurde ein Bündnis ins Leben gerufen, um dem etwas entgegen zu setzen. Mit rund 1000 Leuten demonstrierten wir damals im November 2008 in Niederschönhausen. Die Nazis der NPD und der „Vereinten Nationalisten Nordost“, die damals für die Bedrohungen verantwortlich waren, gerieten ganz schön unter Druck. Ihre Stammkneipen haben im Zuge längerfristiger Arbeit einbüßen müssen.
2010, als es in Weißensee, Wedding und anderen Bezirken zu Aktionen der „Freien Nationalisten Berlin Mitte“ kam, haben wir das Label wieder reanimiert. Seit dem ist „Kein Kiez für Nazis“ eine Vernetzungs- und Aktionsplattform im Großraum Nordostberlin. Wir sind in unserer Zusammenarbeit mit Leuten aus dem Kiez, Parteien usw. sehr offen. Wogegen wir uns allerdings wehren, ist die Gleichsetzung zwischen rechts und links.

Warum die Fokussierung auf die Bekleidungsgeschäfte?
Das ergab sich durch die Eröffnung des „Thor Steinar“-Ladens „Tönsberg“ im Oktober 2011. Zudem mussten wir im November 2012 feststellen, dass die Bekleidungsmarke „Label 23“ in Weißensee im „7 Guns“ verkauft wird. Das ist ein ganz normales Modegeschäft. So kam unser Engagement zustanden.

Mit welchen Aktionen habt ihr auf euer Anliegen aufmerksam gemacht?
Nach der Eröffnung des „Tönsberg“ gründet sich das Bündnis „Weißensee gegen Rechts“, mit dem wir im Jahr 2012 einige Aktionen gegen „Thor Steinar“ veranstaltet haben. Es gab zum Beispiel eine Licht- Graffiti -Aktion am 4. Mai 2012 oder ein ganztätiges Open Air am 9. Juni in unmittelbarer Nähe des Ladens. Seit September 2012 stehen auf dem Antonplatz auch Kleidercontainern, wo Leute ihre „Thor Steinar“-Kleidung einwerfen können. Ist aber eher eine symbolische Sache.

Denkt ihr, dass bspw. Demonstrationen vor den Geschäften wirklich was bringen?
Wenn ihr uns fragt, gibt es in Berlin mittlerweile zu viele Demos, einfach weil die individuellen Möglichkeiten dafür mehr vorhanden sind. Die wenigsten dieser Aktionen bewirken praktisch etwas gegen diese Läden, schaffen aber die notwendige Öffentlichkeit.
Wir denken, dass der Druck auf den Vermieter wichtig ist. Denn Klaus Rosenthal, der Inhaber des Hauses, in dem sich der Laden befindet, zeigt keine Bereitschaft zum Dialog. Er hatte im April 2012 zwar der Wochenzeitung „Der Freitag“ und der Beratungsstelle „Moskito“ zugesagt sich mit uns ins Benehmen zu setzen. Bis jetzt ist allerdings nichts passiert. Dass er sich überhaupt dazu äußerte, lag wohl auch daran, dass wir ihn im März 2012, in dem Dorf in dem er wohnt, mit einer Kundgebung einen Besuch abstatteten. Öffentlichkeit für das Nichtverhalten von Verantwortlichen zu schaffen ist etwas, wo wir sagen würden, dass das Sinn macht.

Gab es schon Erfolge?
Im Zusammenhang mit „Label 23“ gab es jetzt in Berlin einen ersten Erfolg. Nach Kontaktaufnahme mit dem Ladeninhaber des „7 Guns“ wurde die Marke „Label 23“ ab dem 1. März 2013 aus dem Sortiment genommen. Die „Initiative gegen Rechts Friedrichshain“ hatte sich ebenfalls an Doorbreaker gewandt, jedoch ohne Reaktion. Von der Kette wird die Marke seit der Wintersaison 2012 in ihren Geschäften in Friedrichshain und Hohenschönhausen verkauft.
Das wir in Weißensee auf die Marke aufmerksam wurden lag vor allem an einem Artikel im Antifaschistischen Infoblatt Nr.96, der über die Marke berichtete. Bis dahin wurde „Label 23“ zwei Jahre problemlos in Weißensee verkauft. Für uns zeigt das, dass Publizieren ein wichtiger Stützpfeiler unserer Arbeit ist. Wenn „Mut gegen rechte Gewalt“ zum Beispiel auch dazu publiziert, dann wäre das auch bundesweit eine Sache mit Einfluss. Denn die Klamotten kannst du, so wie wir das im Netz nachgelesen haben, im ganzen Osten kaufen. In ganz normalen Geschäften.

Warum setzt ihr euch ausgerechnet für die Schließung von Läden ein? Mit den Läden verschwinden ja nicht die Nazis. Was glaubt ihr, ändert eine Ladenschließung im Bezirk? Stichwort: Nachhaltigkeit
Im konkreten Fall von Weißensee würde sich ändern, dass weniger „Thor Steinar“ im Straßenbild zu sehen ist. Online bestellen können Nazis sicher immer noch. Aber die Zugänglichkeit zu der Marke für das lokale rechte Klientel wurde durch die Ladeneröffnung enorm erleichtert. „Thor Steinar“ transportiert rechte Ideologie ins Straßenbild und schafft dadurch Akzeptanz für diese Inhalte. Die Nazis verschwinden nicht, das stimmt, aber eine Schließung hätte eine Symbolwirkung für alle.

Die Zeit wo wir nicht gegen Naziumtreibe aktiv sind, veranstalten wir im Kiez Kulturangebote und Bildungsveranstaltungen, um ein Gegengewicht zu schaffen. Wir sind da ganz gut vernetzt.
Was sich wirklich ändern muss, ist der Alltagsrassismus der deutschen Mehrheitsbevölkerung. Von 2006 bis 2008 waren Leute von uns auch gegen die rassistischen Anti-Moschee-Proteste im Berliner Stadtteil Heinersdorf aktiv. Da hat sich sehr gut gezeigt, dass rassistische BürgerInnen auch ohne die Nazis genug rechtes Potential in sich tragen. Die NSU-Mordserie wäre doch ein guter Anlass gewesen, um mal über Rassismus nachzudenken, vor allem über den eigenen.

Warum macht ihr am 9.März Demos in diesen Bezirken? Gab es einen speziellen Anlass für dieses Datum? Wer ist alles beteiligt?
Die Nordostberliner Bezirke Weißensee und Hohenschönhausen haben mit denselben Klamottenmarken ein Problem wie der Friedrichshain. Der Reiz einen solchen Aktionstag zu veranstalten, lag vor allem darin die lokalen Kämpfe zum selben Thema endlich mal mit einander zu vernetzen. Auch wenn wir etwas Demonstrationsmüde sind, so hebt der Aktionstag die oft mühselige Arbeit im eigenen Stadtteil auf eine neue Stufe. Das war schon lange überfällig. Bei der Wahl des Datums hatten wir uns am Eröffnungsdatum des „Thor Steinar“-Ladens in Friedrichshain orientiert. Der Eröffnete Anfang März 2009.

Was war los am 9.März?
An den Aktionen in Hohenschönhausen und der Demonstration Friedrichshain nahmen rund 300 Leute teil. Auf der Demo wurden auch Kneipen mit rechtem Klientel thematisiert, die in Prenzlauer Berg Nord ansässig sind. Die Demo zog auch an der Wohnung des Berliner NPD-Manns Richard Miosga vorbei, dessen Wirken in einem Redebitrag thematisiert wurde. Wie zu erwarten nahmen an der Demonstration in Friedrichshain die meisten Menschen teil. Es nahmen viele Menschen aus Verbänden und Parteien teil (Die.Linke, Grüne, Piraten) aber auch Antifa-Gruppen und Nachbarschaftsvereine.

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09.03.2013 Neues Deutschland
Berlin reif für Gedenkort?
Dietmar Lange: Der Berliner Historiker untersuchte die blutigen Ereignisse 1919

nd: Anfang März 1919 endete ein Generalstreik in Berlin in einem Blutbad. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung sowie ein historischer Spaziergang zu den Schauplätzen erinnern in diesem Jahr daran. Was forderten die Streikenden damals?
Lange: Sie wollten die uneingelösten Forderungen des 1. Reichsrätekongresses von 1918 durchsetzen. Dazu gehörten die Sozialisierung der Schlüsselindustrien, eine Heeresreform und die Verankerung der Räte in der Verfassung.

Wurde nur in Berlin gestreikt?
Die Streikbewegung blieb nicht auf Berlin beschränkt, war aber regional zersplittert. Grund waren die nur lose Koordination zwischen den Streikzentren im Ruhrgebiet, Mitteldeutschland und Berlin und der gezielte Einsatz militärischer Kräfte. Im Ruhrgebiet setzte der Streik nach dem Einmarsch von Freikorpsverbänden zu früh ein und war bereits zusammengebrochen, als er in Berlin begann.

Wieso kam es mit Streikbeginn zu den Unruhen, obwohl sich die Streikleitung von allen Aufstandskonzepten distanzierte?
Viele Indizien deuten auf eine gezielte Provokation der Militärs zu Beginn der Ausschreitungen und vor allem bei der Eskalation der Kämpfe mit den Soldatenwehren hin. Es wurden Falschmeldungen über getötete Polizisten verbreitet. Das so erzeugte Klima ermöglichte die Ausrufung des Belagerungszustandes über Berlin, die Ausschaltung der in der Novemberrevolution geschaffenen Soldatenwehren und das Blutbad unter den Revolutionären.

Wie viele Menschen starben?
Die genaue Zahl ist nie ermittelt worden. Der verantwortliche SPD-Minister Gustav Noske sprach von 1200 Toten in Berlin. Die meisten sind nicht in den Kämpfen gestorben, sondern wurden nach der Verhaftung standrechtlich erschossen oder kamen bei der Bombardierung von Arbeiterquartieren durch schwere Artillerie und Fliegerbomben um.

Sind Orte der Massaker bekannt?
An der damaligen Zahlstelle der Volksmarinedivision in der Französischen Straße 32 wurden 30 revolutionäre Soldaten erschossen, die ihren Sold abholen wollten. Elf Aufständische wurden an der Mauer des Lichtenberger Friedhofs hingerichtet. Überall in Berlin verhängten Standgerichte in Schnellverfahren Todesurteile.

Wäre es nicht an der Zeit für einen Gedenkdort?
Ich würde mich freuen, wenn die Diskussion um einen solchen Ort beginnen würde. An der Karl-Marx-Allee erinnern 40 Gedenkstelen an historische Ereignisse von der 1848er Revolution bis zur Gegenwart. Obwohl bei der Zerschlagung des Generalstreiks im März 1919 die Gegend um die Karl-Marx-Alle eine große Rolle spielte, fehlt bisher jeder Hinweis auf die Märzkämpfe.

2013 gibt es deutliches Interesse an dem Thema. Was ist geplant?
Am 14. März stelle ich in der Luxemburg-Stiftung das Buch vor, in dem ich mich mit den März-Ereignissen beschäftige. Am 17. März gibt es um 15 Uhr einen historischen Spaziergang zu den Schauplätzen vom März 1919.

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09.03.2013 Tagesspiegel
Friedrichshain bekommt Silvio-Meier-Straße

Die Gabelsbergerstraße wird nach langen Diskussionen nun doch nach dem ermordeten Antifaschisten Silvio Meier benannt. Im Gerichtsverfahren hat ein Ladeninhaber, der gegen die Umbenennung prozessierte, seine Klage zurückgezogen. Er hätte keine Chance gehabt.
Am Ende gab es noch nicht einmal ein offizielles Gerichtsurteil. Der Ladeninhaber aus der Friedrichshainer Gabelsbergerstraße, der gegen die Umbenennung der Straße vor das Verwaltungsgericht gezogen war, hat seine Klage zurückgezogen. Das Gericht wies den Geschäftsmann bereits vor Prozessbeginn darauf hin, dass er das Verfahren wahrscheinlich verlieren werde. Der Kläger hatte die Namensänderung zu Ehren des linken Aktivisten Silvio Meier, der am 21. November 1992 von Neonazis im nahe gelegenen U-Bahnhof Samariterstraße erstochen worden war, als geschäftsschädigend bezeichnet. Um den Prozess gewinnen zu können, hätte er dem Bezirksamt Willkür nachweisen müssen.
Diese Schwelle sei nicht überschritten worden, befand das Gericht.
Stadtrat Hans Panhoff (Grüne) begrüßt die Entscheidung, ist allerdings wenig überrascht. „Es kann nicht einfach jeder eine Straßenumbenennung verhindern, nur, weil es ihm nicht passt“, sagte er. Der Kläger hatte die Klageschrift stellvertretend für einen anonymen Gegner der Umbenennung eingereicht, der selbst kein Widerspruchsrecht hat, weil er, wie berichtet, nicht im Bezirk wohnt.
Auf weniger Begeisterung stößt die dagegen bei Kurt Wansner, dem Kreisvorsitzenden der CDU Friedrichshain-Kreuzberg. „Ich halte es für eine komplett falsche Entscheidung“, sagt der Politiker, der 2006 das Bürgerbegehren gegen die Rudi-Dutschke-Straße in Kreuzberg unterstützt hatte. Eine Ehrung Meiers lehnt er ab: „Der Herr war ja auch nicht gerade zimperlich mit seinen Umgangsformen.“
Damiano Valgolio von der „Initiative für ein Aktives Gedenken“ findet diese Argumente veraltet. „Es geht nicht darum, alle Ansichten zu teilen, die Silvio Meier hatte“, sagt der Rechtsanwalt und Bezirkspolitiker der Linken. Vielmehr müsse man die Opfer rechter Gewalt sichtbar machen. Die Umbenennung soll in einigen Wochen mit einem Festakt in Anwesenheit der Witwe Silvio Meiers begangen werden. Ein Termin steht noch nicht fest.

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09.03.2013 TAZ
Meier kommt aufs Schild

Nach Rückzug der Klage eines Anwohners steht der Umbenennung der "Silvio-Meier-Straße" nichts mehr im Weg. Aber hätte das dem ermordeten Hausbesetzer gefallen?
Jetzt ist er historisiert, eine „Person der Zeitgeschichte“, demnächst ziert sein Name ein Straßenschild: Silvio Meier. Der Ost-Punk und Hausbesetzer, 1992 von Neonazis am U-Bahnhof Samariter Straße in Friedrichshain erstochen. Schon im November, zu Meiers 20. Todestag, wollte Friedrichshain-Kreuzberg die kleine Gabelsberger Straße nahe des U-Bahnhofs umbenennen. Nur kam ein Ladenbetreiber mit einer Klage dazwischen.
Die Klage zog der Mann am Freitag vorm Verwaltungsgericht zurück, nachdem ihm der Richter die Erfolglosigkeit seines Unterfangens vorgehalten hatte. Schon im April sollen nun die Meier-Schilder angebracht werden. Das ist in der Tat historisch: Erstmalig wird in Berlin auf diese Art ein Hausbesetzer geadelt (der Kochstraßen-Kaperer Rudi Dutschke war auf anderem Terrain tätig).
Dass eine Straßenehrung, dieser Akt förmlichster Bürgerlichkeit, dem Anti-Spießer Silvio Meier gefallen hätte, davon ist freilich nicht auszugehen. „Dieses System“, den ganzen Kapitalismus, hatte Meier einmal in einem Interview gesagt, das habe er nie gewollt. Freunde Meiers sträuben sich bis heute, den Häuserkämpfer zu „maskottisieren“. Seit Freitag ist klar: Es war vergebens.
Gewiss, die künftige Meier-Straße ist ein Symbol, ein gutgemeintes, das antifaschistischen Einsatz honorieren soll. Das stärkere Symbol aber steht in der Schreiner Straße 47. Noch kurz vor seinem Tod äußerte sich Meier skeptisch, ob sein Haus, ob besetzte Häuser überhaupt zu halten sind. Die Schreiner 47 gibt es heute noch, als linkes Projekt, selbstverwaltet mit einer Genossenschaft.

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Antifa Infoblatt Nr. 98 (1/2013)
Thor Steinar: Konfliktpotential als gerichtsbekannte Tatsache

Die juristischen Auseinandersetzungen um die Ladengeschäfte des in der rechten Szene beliebten Modelabels »Thor Steinar« haben Präzedenzcharakter. In Berlin wurde im Oktober 2012 der Räumungsklage gegen einen »Thor Steinar«-Laden im Stadtteil Friedrichs von der Zivilkammer des Landgerichts stattgegeben, weil der Laden sich von »Tromso« (norwegische Stadt) in »Thor Steinar« umbenannt hatte. Die »Verwendung skandinavischen Orts- und Vornamen« war dem Mieter, der Skytec Outlet GmbH (Sitz in Mittenwalde), in einem gerichtlichen Vergleich mit dem Friedrichshainer Vermieter vor dem Berliner Kammergericht (12 U 5/11) im September 2011 untersagt worden.
Vorangegangen war eine erste Räumungsklage im Dezember 2010 wegen »arglistiger Täuschung«. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs vom August 2010 (XII ZR 192/08 und XII ZR 123/09) obliegt dem Mieter vor Abschluss des Mietvertrages eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Vermieter darüber, dass die von ihm zum Verkauf angebotene Kleidung mit der extrem rechten Szene in Verbindung gebracht wird. Dabei ist es unerheblich ob die Marke tatsächlich Teil der Szene ist oder einfach nur dahingehend Konfliktpotential birgt. Verletzt der Mieter diese Aufklärungspflicht, kann der Vermieter den Mietvertrag anfechten.
Im Falle des Friedrichshainer Ladens war die »arglistige Täuschung« strittig, weil der Verkauf von »Thor Steinar« explizit im Mietvertrag genannt wurde. Das Landgericht gab der Räumungsklage damals aber dennoch statt (32 0 680/09), weil der Umfang des Konflikts um »Thor Steinar« dem Vermieter nicht bewusst war. Vor dem Kammergericht es dann zum obenstehenden Vergleich der u.a.beinhaltete, dass der 2009 eröffnete Laden bis Januar 2015 in Friedrichshain bleiben dürfe. Der Vermieter brachte damals außerdem vor, dass sich sogar der norwegische Botschafter wegen der Verwendung Staatswappen und Städtenamen bei der Bundesregierung beschwert hätte und es dem Vermieter nicht zumutbar sei, neben andauernden Beschädigungen am Haus durch Dritte, auch noch in diplomatische Verwicklungen gezogen zu werden. Der Rechtsanwalt von Skytec, Roman Petereins (KönigsWusterhausen bei Berlin) bot in der Güteverhandlung 2011 eine Umbenennung in »Braunau« (Geburtsstadt von Adolf Hitler) an. Der Vermieter entgegnete damals, dass er sich gegen alle Namen wehren werde, die geeignet sind, die Öffentlichkeit zu provozieren. Das Landgericht sieht nun in der Verwendung des Namens »Thor Steinar« oder auch in der Verkürzung »Steinar« als großes Ladenschild eine solche Provokation, die durch den Vergleich von 2011 vermieden werden sollte. Dabei ist es unerheblich, dass »Thor Steinar« eine eingetragene Marke ist - sie provoziert öffentliche Reaktionen, die »angesichts der Erfahrung mit dem Nationalsozialismus in der deutschen Geschichte couragierte und heftige Gegenwehr« hervorrufe. Obwohl Skytec dafür nicht die Verantwortung trage, ist es dennoch Tatsache und müsse auch in der Rechtsprechung berücksichtigt werden.
Der Bruch der Vereinbarung durch Skytec in Sachen Namenswahl ist nicht nur Auslegungssache, sondern auch im Sinne der allgemeinen Rücksichtsnahmepflichten der Vertragspartner (§§ 241 II, 242 BGB) geboten. Anstatt einen neutralen Namen zu montieren, soll er zahlreiche Sachbeschädigungen am Gebäude provoziert haben - die auch 2012 durch die »Konfliktbeladene Situation« von Dritten verübt wurden.
Skytec hat gegen die Entscheidung des Landgerichts Berufung eingelegt. Denn nach der Demontage des, Schildes »Thor Steinar« im Dezember 2012 kam es trotzdem zu Farbattacken - der Name allein könne also nicht ursächlich für die Beschädigungen sein. Nun muss wieder das Kammergericht ran: Für Herbst 2013 wird mit einer Verhandlung gerechnet. Derweil geht der Protest gegen den Friedrichshainer Laden ins fünfte Jahr. Egal wie es ausgeht, kann konstatiert werden, dass die Hartnäckigkeit antifaschistischer Proteste als gerichtsbekannte Tatsachen interessante juristische Möglichkeiten eröffnet. Die Brandenburger Marke Thor Steinar wird von den Firmen Mediatex, Skytec Outlets und Protex hergestellt und vertrieben und hat laut Mitteilung des »Blick Nach Rechts« einen Jahresumsatz von knapp 8,2 Mio Euro (2010), der u.a. durch 12 Ladengeschäfte erwirtschaftet wird. Der Wechsel der Geschäftsführer der Stammfirma Mediatex 2008 (Mohammed M. Aweida aus Dubai) und 2010 (Marco Wäspe aus der Schweiz) sowie die Wechsel der Gesellschafter 2009 (Zarooni, Dubai) und 2010 (Fashion Brands Trading-AG, Schweiz) haben wenig an der Ausrichtung der Merke geändert. Die Markenrechte liegen übrigens immer noch beim »Thor Steinar«-Gründer Axel Kopelke, der schon 2007 in die Schweiz ausgewandert sein soll.

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4.12.2012 Mut gegen rechte Gewalt
„Ein Stück Politik zurück ins Straßenbild“

Die Initiative „Aktives Gedenken“  setzt sich in Berlin- Friedrichshain seit Jahren für ein würdiges Erinnern an den 1992 von Neonazis ermordeten Silvio Meier ein. MUT sprach mit der Gruppe über ihr Engagement und ihre Beweggründe.

Was versteckt sich hinter „Aktives Gedenken“? Wie setzt sich die Initiative zusammen?
Die Initiative für ein aktives Gedenken entstand aus dem Wunsch, eine Straße in Berlin-Friedrichshain nach Silvio Meier zu benennen. Anlässlich des Todestages von Silvio findet jedes Jahr am 21. November eine Mahnwache an der Gedenktafel im U-Bahnhof Samariterstraße statt. Die alljährliche Silvio-Meier-Gedenkdemonstration, die immer aktuelle Probleme mit Neonazismus und Rassismus thematisiert, hat sich mit mehreren tausend Teilnehmern  zur größten regelmäßig stattfindenden antifaschistischen Demonstration in Berlin entwickelt. Auch diese Aktionen werden von unserer Initiative unterstützt.
Unsere Initiative besteht aus engagierten Antifaschisten  mit verschiedenen Hintergründen. Auch Vertretern  aus Vereinen, Parteien, linken Gruppen und Einzelpersonen  aus Friedrichshain leisten ihren Beitrag in der Initiative.

Wann und warum habt ihr euch gegründet? Was ist eure private Motivation?
Wir haben uns im Herbst 2010 im Rahmen bzw. nach einer Podiumsdiskussion gegründet, die im Kontext der 18. Silvio-Meier-Gedenkdemonstration stattfand. Unser Ziel bzw. unser Hauptforderung ist es, eine Straße nach Silvio Meier zu benennen. Wir wollten damit ein Stück Politik zurück ins Straßenbild bringen. Im Zuge dieses Wunsches wurde ein weiteres Anliegen von uns nie aus den Augen verloren: eine intensive Auseinandersetzung mit der Person und Geschichte Silvio Meiers.
Die Forderung nach einer Straße für Silvio Meier stand bereits viele Jahre im Raum, wurde im Kontext der Demonstrationen und Mahnwachen immer wieder geäußert – aber von offizieller Seite, also dem Bezirk, gab es keine Reaktion. Die meisten von uns hatten sich schon längere Zeit bei den Gedenkaktionen engagiert und wollten mit der Gründung der Initiative der Forderung Nachdruck verleihen.

Was steckt hinter dem Namen?
„Aktives Gedenken“ spiegelt unseren Anspruch an das Gedenken wieder: Es soll „lebendig“ sein, also von Unten – aus der Bewegung heraus – getragen werden. Dadurch zeichnet sich das Gedenken an Silvio Meier übrigens von Anfang an aus. Außerdem wollen wir mit unserer Arbeit einen Bezug zum Alltag der Menschen herstellen.

Mit welchen Aktionen habt ihr auf euer Anliegen aufmerksam gemacht?
Wir haben einen offenen Brief geschrieben und damit Gewerbetreibende, Einzelpersonen und Initiativen angesprochen, ob sie unser Anliegen unterstützen. Die Rückendeckung, die wir dadurch bekommen haben, war groß.
Weiterhin haben wir mehrere Infotische im Bezirk durchgeführt, um die Bewohner  aus dem Kiez anzusprechen. Danach bzw. während dessen erfolgten diverse Gespräche mit potenziellen Partnern  (BVG, Bezirksamt,  Politikern,  Journalisten, Kiezinitiativen, etc.).
"Nebenbei" haben wir die politischen Vertreter  in den zugehörigen Bezirksausschüssen begleitet, nachdem es ein Zugeständnis verschiedener Parteien der Bezirksverordnetenversammlung für ein würdiges Gedenken an Silvio Meier gab. Wir haben sozusagen Druck durch Öffentlichkeit aufgebaut und dies auch auf unserer Homepage dokumentiert.

Wie sind die Reaktionen? Bekommt ihr Unterstützung aus der Politik oder Bevölkerung?
Im Kiez ist das Gedenken an Silvio Meier seit vielen Jahren fest verankert, entsprechend wird auch die Forderung nach einer Straßenumbenennung breit unterstützt. Beispielsweise wurden wir bei unseren Infoständen sehr häufig von Bürgerinnen und Bürgern gefragt, wie sie sich beteiligen können. Neben Einzelpersonen wird »Aktives Gedenken« von vielen Friedrichshainer Initiativen, Gewerbetreibenden und Antifagruppen unterstützt.

Warum setzt ihr euch ausgerechnet für eine Straßenumbenennung ein? Findet ihr die anderen Gedenkformen nicht ausreichend?
Wie schon erwähnt, unterstützen wir die jährliche stattfindende Gedenkdemonstration an Silvio Meier und beteiligen uns auch aktiv an der Mahnwache zu seinem Todestag. Die verschiedenen Gedenkformen stehen für uns nicht gegeneinander, sondern ergänzen sich vielmehr. Mit der Forderung nach einer Straßenumbenennung wollen wir einen öffentlichen Ort durchsetzen, der die jüngste Geschichte des Bezirks sichtbar macht. Wir wollen erreichen, dass sich über den Todestag hinaus mit der Person Silvio Meier, mit linker - auch oppositioneller - Jugendkultur in der DDR, Neofaschismus in den 1990er Jahren, Antifaschismus und auch Hausbesetzungen beschäftigt wird. Wir finden die Zeit für eine „offizielle“ Würdigung Silvio Meiers durch den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ist reif.

Was glaubt ihr ändert die Straßenumbenennung im Bezirk?
Wir denken, dass durch die Umbenennung ein weiterer Gegenpol zu einer voranschreitenden Entpolitisierung des Straßenbildes im Bezirk erzeugt wird. Es geht um eine Auseinandersetzung mit dem Mord an Silvio abseits vom Todestag. Und es geht uns darum, dass als „Randgruppenphänomen“ behandelte Themen wie Antifaschismus eine Wertschätzung auf parlamentarischer Ebene erhalten. Denn Gewalt von Neonazis im Stadtteil Friedrichshain-Kreuzberg ist leider nicht Geschichte, sondern immer noch aktuell.

Wie stehen die Angehörigen zu der Idee einer Umbenennung?
Seit Bestehen der Initiative stehen wir im Kontakt mit den Angehörigen und Freunden von Silvio. Er starb, weil er sich politisch gegen Neonazis engagierte. Dieses Engagement wurde von der Politik damals nicht ernst genommen, die Gefahr durch faschistisches Gedankengut wurde nach der Tat verharmlost oder sogar totgeschwiegen. Die Ermordung eines vermeidlich „Linken“ durch rechte Jugendliche wurde von einigen Politikern so hingestellt, als sei Silvio Opfer einer Art „Bandenkrieg“ geworden und gar selbst an seinem Tod schuld. Die Straßenumbenennung empfinden die meisten Freunde und Angehörigen als anerkennenswertes Zeichen des Umdenkens seitens der Berzirksverordnetenversammlung und unterstützen uns hier in unserer Forderung.
Sie und wir finden, dass eine tiefer gehende Auseinandersetzung, mit dem Thema rechter Gewalt und Rassismus stattfinden muss, als "nur" eine Straße umzubenennen.
Natürlich fällt es ihnen schwer Silvio Meier, den Freund, Lebensgefährten oder Vater an einem Ort zu „verewigen“, akzeptieren aber die geschichtliche Komponente seiner Person.

Was sagt ihr zu den Vorwürfen, dass Silvio Meier als Symbolfigur missbraucht wird?
Wir können die Kritik Silvio als Symbolfigur oder noch schlimmer als Märtyrer darzustellen nicht nachvollziehen. Für uns steht Silvio für all diejenigen, die gerade Anfang der 90ziger Jahre von Neonazis ermordet wurden. Hier sei nur daran zu erinnern, dass die Pogrome vom Rostock -Lichtenhagen gerade vorbei waren und am selben Wochenende die Morde in Mölln stattfanden. Verweisen möchten wir in diesem Zusammenhang auch auf das Interview mit Ekkehard Spiegel, einem Freund von Silvio, der sich zu dieser Frage ziemlich klar äußert. Es ist auf unserer Homepage nachzulesen.

Was kommt nach der Straßenumbenennung?
Hauptziel unserer Initiative war und ist die Benennung einer Straße nach Silvio Meier bis zu seinem 20. Todestag. Dafür haben wir uns seit November 2010 eingesetzt. Nach langem Hin und Her sowie dem klaren Votum einer Bürgerveranstaltung im Frühling 2012 hat auch der Bezirk dieses Anliegen vorangetrieben. Künftig soll nun die „Gabelsbergerstraße“  nach Silvio Meier benannt werden. Durch eine Klage von Gewerbetreibenden ist die Umbenennung nun leider aufgeschoben.
Wir bedauern dies sehr und werden uns weiterhin für eine schnelle Umsetzung stark machen. Was nach der Straßenumbenennung kommt, können wir noch nicht genau sagen. Aber Ihr werdet weiterhin von uns hören.

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26.11.2012 taz
Bloß kein stilles Gedenken
Mit einem Protestmarsch erinnern Tausende Menschen an Silvio Meier, der vor 20 Jahren von Neonazis ermordet wurde.

Es kracht, als eine Leuchtrakete explodiert und die Fassaden der Häuser rot erstrahlen lässt. Christiane Schidek, eine Frau Mitte 40, jubelt inmitten von schwarzgekleideten DemonstrantInnen. „Da haben wir gewohnt“, ruft sie und zeigt auf das Haus, von dessen Balkon die Raketen gestartet werden. Ein Banner mit der Aufschrift „Gedenken an Silvio“ hängt daran. Schideks Stimme ist kaum zu hören zwischen den Sprechchören der Vermummten: „Hier wurde unser Sohn Felix geboren. Hier haben wir Aktivitäten geplant und gefeiert“, sagt die Frau mit den krausen Locken um das schmale, braungebrannte Gesicht und lacht. „Das Freudenfeuer überwältigt mich.“
Schidek ist die ehemalige Lebensgefährtin von Silvio Meier, der vor 20 Jahren am U-Bahnhof Samariterstraße wenige hundert Meter weiter von Neonazis niedergestochen wurde. Mit einer jährlichen Kundgebung erinnert die linke Szene an den Aktivisten und Hausbesetzer. Rund 2.500 TeilnehmerInnen sind nach Angaben eines Polizeisprechers gekommen, laut Veranstalter gar bis zu 5.000, um von Friedrichshain nach Lichtenberg zu rechten Treffpunkten und wieder zurück zu ziehen. Es geht darum, vor Ort Präsenz zu zeigen.
Dieses Jahr haben die DemonstrantInnen den Neonazi-Treff in der Lückstraße ins Visier genommen. Die Schaufenster und das Schild des früheren Gardinengeschäfts sind mit schwarzer Farbe getüncht – schon Monate zuvor hatten Antifas den Laden „dekoriert“, wie sie es nennen. Davor stehen vier Polizeiwagen. „Sind die Bullen jetzt da, um die Nazis zu schützen, oder was?“, fragt ein Vermummter neben Schidek. Er schleudert eine Bierflasche auf die Fassade, es klirrt. Ein paar Böller explodieren vor dem Schaufenster, ansonsten bleibt es ruhig. „Nazis raus!“, skandieren die DemonstrantInnen und ziehen weiter.
In der Weitlingstraße verfinstert sich Schideks Miene, der Protestzug führt vorbei an schmucklosen Wohnhäusern und Imbissbuden. In den 1990ern wohnten dort mehrere Neonazis der mittlerweile verbotenen Kameradschaft NS-Tor, in der Kneipe „Kiste“ oder im „Piccolo“ tranken sie ihr Bier. Schidek hakt sich bei den DemonstrantInnen unter und stimmt in den Chor ein: „Silvio Meier, das war Mord, Widerstand an jedem Ort!“
Zum 20. Todestag werden im Internet Silvio-Shirts und Taschen verkauft, die Gabelsbergerstraße in Friedrichshain soll nach ihm benannt werden. Für viele seiner alten WegbegleiterInnen geht dieser Hype um die Person Meier zu weit. „Silvio war in erster Linie Mensch, wie du und ich“, sagt auch Schidek und überlegt kurz. „Ich weiß nicht, ob ihm dieser Aufruhr um seine Person gefallen hätte.“ Doch die Demonstration findet sie unterstützenswert.
Am Anfang hatten die Bekannten Meiers eher damit zu kämpfen, dass die Tat verharmlost worden sei, erinnert sich Schidek. FreundInnen aus der Oppositionellen- und der Hausbesetzerszene hätten daraufhin in der Öffentlichkeit Druck gemacht. Heute stehe der Mord an Silvio symbolisch für Opfer rechter Gewalt.
„Verfassungsschutz und NSU, Nazis morden, der Staat schaut zu“, skandieren einige. Auch zwei Frauen Mitte 70 laufen mit. „Die Methoden entsprechen uns zwar nicht immer“, sagt eine und deutet auf eine leere Bierflasche auf der Straße. „Aber das Ziel verbindet: Wir wollen den Antifaschismus stärken.“
Am Ende der Demo am Bahnhof Lichtenberg nehmen Polizisten ein Dutzend DemonstrantInnen fest, die sich zuvor vermummt haben. Ansonsten bleibt es weitgehend friedlich. Ein Zusammentreffen mit etwa 30 Rechtsextremen, die vor der Lückstraße demonstrierten, wird verhindert. Christiane Schidek strahlt über das ganze Gesicht und sagt: „Wenn ich mir die Leute hier ansehe und die Ziele, für die sie kämpfen, kann ich sagen: Diese Demo ist ganz im Sinne Silvios.“

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24.11.2012 taz
Mit dem Gedenken umgehen
Vor 20 Jahren wurde der Hausbesetzer Silvio Meier von einem Neonazis umgebracht. Wie wird an ihn erinnert?

Freitagmorgen im U-Bahnhof Samariterstraße. Vor 20 Jahren und zwei Tagen wurde hier Silvio Meier von einem Neonazi erstochen. Vor der Gedenktafel ein Mann mit einer Kerze in der Hand, er fragt mich nach Feuer. Ich gebe es ihm, er zündet die Kerze an, grüßt damit in Richtung Tafel und stellt sie zu den anderen Lichtern und Blumen. „Danke, Bruder“, sagt er zu mir.
Hier vor der Tafel stand am Mittwoch eine Silvio-Meier-Mahnwache, hier startet die Silvio-Meier-Demo, und bald soll es um die Ecke eine Silvio-Meier-Straße geben. Gegen Letzteres klagt ein Anlieger, aber egal: Vergesst Gedenktafel, Mahnwache, Demo und Straße. Was wirklich bleibt vom 20. Jahrestag des tödlichen Nazi-Angriffs, ist eine Broschüre mit dem Titel „Und die, die sterben, die werden weiterleben …“. Die Autonome Antifa hat sie gerade herausgegeben.
Darin sprechen drei enge Freunde und Silvio Meiers damalige Lebensgefährtin offen darüber, wie schwer sie sich manchmal mit all dem Gedenken tun: „Da wird einfach jemand zum Helden gemacht, weil man selbst nicht so richtig weiß, was man machen soll“, sagt einer. Und zu den Autoren: „Ihr seid die Ersten, die herkommen und fragen: Was war das für ein Typ?“
Dann erzählen sie, was für ein Typ Silvio Meier war: Wie er sich bei der „Kirche von unten“ engagierte und 1987 Element Of Crime für ein Konzert in der Zionskirche in den Osten holte. Wie Nazis das Konzert angriffen. Wie sie zusammen gegen eine Mülldeponie kämpften. Wie alle, die so etwas taten, die Punks wurden, Häuser besetzten oder schwul waren, den Hass der Mehrheitsgesellschaft zu spüren bekamen – vor 1989 und danach. Wie sich nach dem Mauerfall etwas entwickelte, was sie alle nicht wollten. Und schließlich: wie schwer es für Meiers Sohn ist, mit dem Gedenken an seinen Vater umzugehen.
Als Maskottchen, als aufrechten Antifaschisten hätten viele Linke Silvio Meier zu vereinnahmen versucht. Gerade er aber, sagt einer der Freunde, zeige doch eines: „Wer nur Antifa ist, der ist gar nichts, der versteht nichts von der Welt.“

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24.11.2012 Junge Welt
»Als unorganisierte Militante erreichen wir zu wenig«

Vor 20 Jahren wurde in Berlin Silvio Meier von Neonazis erstochen. Sein Freund erinnert an die Punkzeiten in der DDR, die Friedrichshainer Hausbesetzerszene, den Kampf gegen rechts und den Mord im U-Bahnhof Samariterstraße. Ein Gespräch mit Ekkehard Spieg
Interview: Tanja Lorenz und Lars Laumeyer

Ekkehard Spiegel ist ein Freund des am 21. November 1992 getöteten Silvio ­Meier. Er war bei dem Angriff von Neonazis selbst schwer verletzt worden.

jw: In welchen Bereichen warst du Anfang der 1990er Jahre und gegebenenfalls bereits davor in der DDR politisch aktiv?
Ich komme aus einer Kleinstadt in Thüringen, Saalfeld. Zum Zeitpunkt des Mauerfalls war ich 18 Jahre alt und hatte gerade angefangen zu arbeiten. Ich war zu DDR-Zeiten Punk und im Umfeld der »Offenen Arbeit« (OA) unterwegs. Die OA war ein Ansatz kirchlicher Jugendarbeit in der DDR und bot oftmals Raum für nonkonforme oder gar oppositionelle Gruppen. Ich war ja auch noch sehr jung und würde eigentlich nicht sagen, daß ich zu einer politischen Opposition in der DDR gehört habe. Das war eher so ein kulturelles Ding. Eben Punk.
Bereits vor dem Mauerfall tauchten dann – so etwa ab 1986 – die ersten Nazis auf. Und es gab auch schon bald die ersten Auseinandersetzungen. Etwa zur selben Zeit habe ich angefangen, mich für Politik zu interessieren. Ich habe angefangen zu lesen. Zuerst Lenin und Luxemburg, und später auch Marx oder Malatesta und Proudhon. Verstanden habe ich aber nicht viel. Ich habe nur versucht, es gegen die verordnete Lesart zu wenden. Man könnte sagen, daß ich versucht habe, die DDR von links zu kritisieren. An dem Umsturz 1989 habe ich mit abnehmender Begeisterung, aber aktiv teilgenommen. Mit dem Ergebnis war ich allerdings gar nicht einverstanden. Nicht nur, daß mir der nationalistische Taumel um die Vereinigung zuwider war. Ich hatte vor allem das Gefühl, daß die großen demokratischen Freiheiten, die wir uns in dieser Phase erkämpft haben, einfach so dem demokratischen Formalismus der BRD geopfert wurden. Und dann ging es halt los mit den Nazis. Und da stellte sich dann konkret die Frage, was tun? Ich habe mich gemeinsam mit meinen Freundinnen und Freunden dagegen gewehrt und entsprechend gehandelt. Eines Nachts hatte ich Besuch von etwa 20 Nazis. Im Krankenhaus bin ich wieder aufgewacht. Danach bin ich aus Saalfeld weg und nach Berlin.

jw: Hast du in diesem Zusammenhang auch Silvio Meier kennengelernt?
Ja, dort habe ich Silvio kennengelernt. Das war ja im Kern eine feste Clique, die sich von Umweltbibliothek und Zionskirchzeiten her kannte. Die Leute in dem Haus waren damals fast alle noch Ostler. Prägend war sicherlich das, was sie in der DDR gemeinsam auf die Beine gestellt haben. Politisch waren sie ganz unterschiedlich drauf. Mir war das immer sehr angenehm. Es war offener als es heute so in der linken Szene ist.
Ich kann mich noch erinnern, daß ich auf dem Hausplenum fragen mußte, ob ich einziehen darf. Es wurde gefragt, wie meine politische Grundeinstellung sei. Ich hab dann geantwortet, daß ich die Regierung stürzen wolle, und dann durfte ich einziehen. Eigentlich war das, was man so Häuserkampf nennt, der gemeinsame Nenner. Aber antifaschistischer Selbstschutz war sehr wichtig für uns. Es gab halt unterschiedliche Schwerpunkte. Für mich war die Auseinandersetzung mit Nazis wichtig. Ich hatte gesehen, wohin das führt, wenn die sich breit machen, und habe als Lösung nur direkte Aktionen akzeptiert. Ich denke aber heute, daß es sehr viel mehr gibt, was mensch gegen Nazis tun kann. Ich bin aber nach wie vor der Meinung, daß direkte Aktionen gegen Nazis ein wichtiger Teil antifaschistischer Politik sind. In gar keinem Falle akzeptiere ich eine Einteilung in guten oder schlechten Widerstand gegen Nazis. Jeder und jede tut das, was er oder sie tun kann oder will. Wenn der Staat oder von mir aus die Demokraten damit ein Problem haben, dann ist das deren Problem. Das bedeutet aber auch, daß mensch nicht überheblich sein soll, wenn die Zivilgesellschaft sich engagieren will. Sollen sie doch! Das ist eine gute Gelegenheit, sie mit ihren eigenen Ansprüchen und Widersprüchen zu konfrontieren.

jw: Wie muß man sich euren Alltag in dieser Zeit vorstellen?
Wenn ihr nach Alltag in einem besetzten Haus in Friedrichshain Anfang der 1990er Jahre fragt, dann waren Nazis und Angriffe von Nazis nicht der Alltag. Der Alltag war zum Glück ganz anders. Ein bißchen war es schon klischeemäßig: lange schlafen, viel kiffen, viel diskutieren, viel lieben, viel tanzen und zwischendurch die Interim lesen. Und manchmal auch abends losziehen, weil es Faschoalarm gab oder einfach mal schauen, was in Lichtenberg so läuft. Ich erinnere mich aber an sehr viel mehr Bücher, die ich in der Zeit gelesen habe, als an Naziangriffe.
Was ganz anderes war natürlich die »allgemeine Situation«. Das war ja die Zeit der »Asyldebatte«. Eine ganze Zeit war es ja so, daß es jede Woche ein paar Angriffe auf Asylbewerberheime gab. Und selbstverständlich gab es viele Angriffe auf Linke. Wir waren da halt aktiv. Wenn irgendwo eine Demo war, ist mindestens ein Auto voll mit »Schreinis« am Start gewesen. Alltag für mich in der »Schreiner« war, daß ich, wenn ich nach Hause kam, unten die Barri aufgemacht habe und dann das geniale Plakat zu Hoyerswerda mit dem Asylbewerber mit gereckter Faust und in der anderen Hand das Tonfa gesehen habe.

jw: Mit welcher Grundhaltung seid ihr den Neonazis damals entgegengetreten?
Ihr dürft euch das am Anfang nicht wirklich als politische Entscheidung vorstellen. Zuerst mal war ich jung und Punk. Ihr findet das vielleicht langweilig oder apolitisch, aber dieser kulturelle Aspekt war am Anfang jedenfalls sehr viel wichtiger als irgendwelche Theo­rien. Ich habe mich dann politisiert, aber das war eigentlich eher nach dem Mord an Silvio. Da habe ich dann über die Konsequenzen nachgedacht und fand es richtig, mich zu organisieren. Weil ich fand, daß wir als einfache, unorganisierte Militante zu wenig erreichen. Das war vielleicht ein Stück weit auch Kapitulation. Kapitulation deshalb, weil ich nach wie vor daran glaube, daß Widerstand gegen Nazis zuallererst von unorganisierten Menschen im Alltag getragen wird und erst in zweiter Linie von politischen Organisationen.

jw: Als Silvio am 21. November 1992 von Neonazis ermordet wurde, warst du mit dabei und wurdest selbst schwer verletzt. Willst du davon und den Tagen danach erzählen?
Es fällt mir schwer, über den Mord selbst zu sprechen. Ich behelfe mir immer mit Rationalisierungen. Und der Kampf, den wir danach geführt haben, war ganz sicher eine Form der Rationalisierung. Wenn ihr Zeit habt, die Chronologie der Ereignisse durchzugehen, werdet ihr finden, daß es in den ersten Tagen nach dem Mord darum ging, die Zumutung abzuwehren, Silvio sei mit seinem eigenen Messer ermordet worden.
Noch heute könnte ich heulen, wenn ich an diesen Artikel in der taz denke und daran, welche Qual es für meinen Freund J. war, sich im Krankenhaus den Fragen dieser kranken Bullen zu stellen, die unbedingt beweisen wollten, das in Wirklichkeit Silvio eine Art messerschwingender Irrer war.

jw: Nach dem Mord an Silvio hast du die Gedenkdemonstration viele Jahre lang mit organisiert. Was hältst du von der Kritik, daß die Gedenkaktionen Silvio als Person nicht gerecht werden?
Ich habe ja bereits oben den Begriff der Rationalisierung benutzt. Für mich gibt es zwei Formen des Gedenkens, die grundsätzlich verschieden sind: das Gedenken an einen Menschen, der dir etwas bedeutet hat, – Trauer eben –, und das politische Gedenken. Ich fand immer, daß die Mahnwache auf dieses persönliche Gedenken und die Arbeit an der Trauer gerichtet war. Ich selbst wollte nie daran teilnehmen – aus persönlichen Gründen. Aber ich bin sehr froh, daß es sie gibt.
Eine andere Form des Gedenkens sind die Demonstrationen. Hier ging es nur in einem sehr vermittelten Sinne um Silvio als Person, als Mensch. Er war von Anfang an ein Symbol für all diejenigen, die in dieser Zeit ermordet wurden. Ich kann nur für mich sprechen, aber mein Engagement im Rahmen der Demonstrationen war niemals darauf gerichtet, Silvio als Person zu betrauern. Dazu würde ich sicherlich keine Antifademonstration nutzen. Das wäre nicht angemessen. Es mag gute Gründe geben, sich dagegen zu verwahren, Silvio als Symbol zu betrachten oder den symbolischen Gehalt zu diskutieren. Aber das Resultat dieses politischen Gedenkens ist, daß Silvio nicht – wie beinahe 200 andere Opfer – namenlos und vergessen ist.

jw: Was war und ist dir bei den Gedenkaktionen an Silvio besonders wichtig? Was soll damit inhaltlich transportiert werden?
Wichtig ist für mich, daß das Gedenken lebendig ist und daß es einen Bezug zum Alltag hat. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann wäre es, daß wir es irgendwie schaffen, den Bezug zu Mölln stärker herzustellen. Ich denke, daß das gut möglich gewesen wäre mit der Thematik »NSU«. Oder vielleicht im nächsten Jahr? Aber eine Sache möchte ich euch wirklich aus tiefstem Herzen versichern: Ich freue mich jedes Jahr, daß es die Silvio-Meier-Demonstration gibt und das wird auch solange so sein, wie ihr euch bemüht, kein langweiliges Gedenken abzufeiern, sondern heutige Antifa-Politik mit diesem Ereignis zu verbinden.

jw: In Friedrichshain wird es – hoffentlich – bald eine Silvio-Meier-Straße geben. Wie stehst du dazu?
Mir persönlich gefiel die Idee mit der Benennung der Bibliothek besser. Letztendlich kann ich natürlich auch sehr gut damit leben, daß die Bibliothek wieder ihren ursprünglichen Namen erhalten hat. Besonders hat mich die Meldung gefreut, daß die italienischen Genossinnen und Genossen aus Reggio Emilia den Platz vor dem Centro Sociale nach Silvio benannt haben. Das ist ein guter Ort für seinen Namen. Ich finde es auch einen tollen Erfolg, daß die Straßenumbenennung durchgesetzt wurde. Ich danke euch dafür.

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24.11.2012 Tagesspiegel
Gabelsbergerstraße im Friedrichshain
Warum ein Geschäftsmann gegen die Umbenennung in Silvio-Meier-Straße klagt

Frauen bevorzugt - so lautet die Regel bei Straßennamen. Für das Neonaziopfer Silvio Meier soll sie aber nicht gelten, wie schon bei der Rudi-Dutschke-Straße am Checkpoint Charlie: Die Gabelsbergerstraße im Friedrichshain soll Meiers Namen tragen. Doch jetzt klagt ein Geschäftsmann dagegen.
Friedrichshain, Gabelsbergerstraße, politisch gesehen: ziemlich links. „Nazis jagen!“ hat jemand an eine Haustür gesprüht, fast kein Laternenmast ohne Demo-Aufruf. Ein paar hundert Meter Altbaufassade, die Straße Kopfsteinpflaster, an einem Donnerstagnachmittag: zwei spielende Kinder mit Stützrädern und Sturzhelmen, „bitte nicht zwischen die Autos fahren“, ruft gerade eine Mutter, Großstadt-Idylle im Herbst.
Weiter unten verläuft die Frankfurter Allee, liegt der U-Bahnhof Samariterstraße, der Ort, an dem vor 20 Jahren der Hausbesetzer und Antifaschist Silvio Meier von Neonazis erstochen wurde. Was dazu führte, dass die Gabelsbergerstraße eigentlich vor wenigen Tagen in Silvio-Meier-Straße umbenannt werden sollte.
Dafür hatte sich eine Bürgerversammlung im April mit großer Mehrheit ausgesprochen, um den Getöteten zu ehren. Aber nachdem ein Unternehmer, der in der Straße ein Geschäft betreibt, gegen die Umbenennung Klage einreichte, muss sich nun das Verwaltungsgericht mit dem Thema beschäftigen.
„Die Umbenennung ist geschäftsschädigend“, sagt der Kläger, der lieber unerkannt bleiben möchte. Außerdem sei Meier ein „Sozialschmarotzer“ gewesen, sagt der Ladenbetreiber, der sich selbst in der politischen Mitte einordnet. Nachdem sein Einwand zurückgewiesen wurde, habe er sich mit der Umbenennung schon abgefunden.
Bis eine Person, die ebenfalls gegen die Umbenennung der Straße ist, eine Klageschrift geschickt habe, „die ich nur noch unterschreiben musste“. Selber klagen hätte der Mensch, dessen Namen der jetzige Kläger für sich behält, nicht gedurft, da er in einem anderen Bezirk wohne. Es riecht ein wenig nach Stellvertreterkrieg in der Gabelsbergerstraße; diese erinnert an einen Mitbegründer der Stenografie.
Im Viertel wird über die Umbenennung diskutiert. „Gegen Neofaschismus muss man sich immer engagieren, aber was der sonst so gemacht hat, unterstütze ich nicht“, sagt eine ältere Frau, langer Schal, bedruckt mit mehreren Friedenszeichen.
Das dürfte Hans Panhoff (Grüne), Baustadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg und ehemals selbst Hausbesetzer, anders sehen. „Silvio Meier war nicht nur Hausbesetzer und Antifaschist, sondern auch in der Bürgerrechtsbewegung der DDR aktiv“, sagt Panhoff. Grund genug, eine Straße nach ihm zu benennen, findet der Grüne.
Panhoffs Problem könnte womöglich ein anderes sein: Nach einem Beschluss des Bezirks sollen bei Straßenumbenennungen Frauen den Vorzug vor Männern erhalten. Panhoff ist jedoch sicher, dass die Klage vor Gericht keinen Bestand haben wird. „Bei Silvio Meier haben wir eine Ausnahme gemacht, weil er für die jüngere Geschichte Friedrichshains steht“, sagt der Stadtrat. Es ist eine Ausnahme, wie sie der Bezirk 2008 auch für die Rudi-Dutschke-Straße machte.
Die Frage, nach welchen Persönlichkeiten Straßen benannt werden, ist meist auch eine Frage der politischen Kräfteverhältnisse. Das gilt auch für Steglitz, wo derzeit ebenfalls über die Umbenennung einer Straße diskutiert wird. Bis 17. Dezember sind die Anwohner der Treitschkestraße eingeladen, sich an einer von der Bezirksverordnetenversammlung beschlossenen Abstimmung zu beteiligen. Heinrich von Treitschke war Historiker. Von ihm stammt der 1879 geschriebene Satz „Die Juden sind unser Unglück“, der später zur Hetzparole der NS-Wochenzeitung „Der Stürmer“ wurde.
Neben bereits bestehenden Straßen wie in Steglitz dürften aber auch anstehende Straßenneubenennungen zu einer spannenden Frage werden. So sei im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg unter anderem an der neuen Mercedes-Benz-Zentrale am Spreeufer noch ein Straßenname zu vergeben, sagt Baustadtrat Panhoff. Die Auswahl ist breit gefächert: Zur Wahl stünden beispielsweise eine Rennfahrerin. Oder aber eine Zwangsarbeiterin, die von Mercedes Benz im Dritten Reich ausgebeutet wurde. Was indes festzustehen scheint: Es wird eine Frau.
Und in der Gabelsbergerstraße? Hier sieht man den Streit um die Umbenennung mitunter auch pragmatisch. „Das wäre schon schön, wenn die Straße nach ihm benannt wird“, sagt eine Frau, Locken unter der Mütze, Selbstgedrehte in der Hand. „Aber wenn das noch dauert, dann dauert es halt.“
Bis es so weit sei, mache sie das, was sie ohnehin gelegentlich tue: einen dicken Textmarker nehmen, zur Gabelsbergerstraße Ecke Frankfurter Allee gehen, aufs Geländer am Gehwegrand steigen und den Straßennamen ändern – in Silvio-Meier-Straße.

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23.11.2012 Neues Deutschland
Nazifreier Kiez
»Erinnern heißt kämpfen« - Bündnis bereitet sich auf Gedenken und Demonstration vor
Bundesweit wird mobilisiert für die diesjährige Demonstration anlässlich des Todestages von Silvio Meier in Berlin. Organisiert wird die Demo u.a. von der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB). Mit einem ihrer Pressesprecher, Marko Lorenz, sprach Sarah Liebigt über Erwartungen sowie über Versuche der NPD, das Gedenken zu stören.

nd: 2011 gingen mehrere Tausend Menschen auf die Straße, wie viele Teilnehmer erwartet das Bündnis zum 20. Todestag?
Lorenz: Wir rechnen mit etwa 5000 Menschen, die sich an der Demo beteiligen. Seit Wochen läuft die bundesweite Mobilisierung, zudem haben sich bereits Genossen beispielsweise aus Polen und Tschechien angemeldet. Auch hat die Brisanz des Themas NSU nicht nachgelassen. All die immer neuen Enthüllungen um die Verstrickungen von Staat und Ämtern sind ebenfalls für viele Anlass genug, gegen Verfassungsschutzbehörden und schleppende Aufklärung zu protestieren.
Die Demo war immer groß und stark besucht, wenn es konkrete Ziele gab. Seit ein paar Jahren sind wir auf einem Level der Teilnehmerzahlen, das es früher nicht gab. Das ist ein Verdienst der Kontinuität. In Friedrichshain erinnern, in Lichtenberg kämpfen ist dabei das Motto.

nd: Die NPD will in diesem Jahr auf der Route der Silvio-Meier-Demo eine Kundgebung abhalten. Wegen solcher Aktionen gab es während vergangener Gedenkdemos immer wieder mal Schwierigkeiten. Wie optimistisch sind Sie, die Route wie geplant laufen zu können?
Die NPD plant vor dem rechten Treffpunkt in der Lückstraße 58 eine Kundgebung. Pöbeleien am Rand der Demo sind wir gewohnt, das passiert eigentlich jedes Jahr. 2007 haben sie das letzte Mal direkt auf unserer Demoroute eine Kundgebung abgehalten. Unsere Route ist seit langem angemeldet, es gibt also keinen Grund zu befürchten, dass es durch das Vorhaben der NPD Probleme gibt. Erfahrungsgemäß sind Nazis besser beraten, wenn sie sich bei der Demo nicht blicken lassen.

nd: Was ist das für ein Treffpunkt in der Lückstraße?
Das ehemalige Ladengeschäft wird nach unseren Kenntnissen sowohl für soziale als auch für politische Zwecke genutzt. Man trifft sich dort zum Feiern und zur berlin- und bundesweiten Vernetzungsarbeit. Treffen beispielsweise von Neonazis aus dem Umfeld der NPD und der Freien Kameradschaften finden dort regelmäßig statt. Seit der Eröffnung beobachten wir ein vermehrtes Aufkommen von neonazistischen Aktivitäten im Umfeld des Laden. Übergriffe, Sprühereien und Plakatier-Aktionen zum Beispiel. Über diesen und über andere rechte Treffpunkte oder WGs werden wir auf der Demo informieren.

nd: Im letzten Jahr wurde die Demonstration vorzeitig beendet, immer wieder gab es Auseinandersetzungen zwischen Demoteilnehmern und Polizei. Wir wollen Sie mit der erneuten Provokation durch die NPD umgehen?
Ganz einfach: Wir werden uns davon nicht beirren lassen. Wir werden alles daran setzen, dass die Forderung nach einem nazifreien Lichtenberg an diesem Tag Realität sein wird.

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23.11.2012 Neues Deutschland
Er würde uns den Vogel zeigen
20 Jahre nach der Ermordung des Antifaschisten Silvio Meier ist die Benennung einer Berliner Straße nach ihm umstritten.

Das Gedenken an den von Neonazis ermordeten Silvio Meier jährt sich in diesem Jahr zum 20. Mal. 1992 wurde der 27-Jährige auf einem Berliner U-Bahnhof zusammengeschlagen und durch Messerstiche schwer verletzt.

Mittwoch, der 21. November. Es liegen wieder Blumen im Zwischengeschoss des Friedrichshainer U-Bahnhofs Samariterstraße. Einzelne Blumen oder auch ganze Sträuße. Dazwischen brennen dutzende Grablichter. Eltern mit Kinderwagen sind dabei, Teenager, Senioren. Auch seine damalige Freundin Chrischi, die Silvios Sohn Felix gebar. An den beiden Aufgängen zur Straße haben mehrere Polizisten die Szenerie im Blick. Passanten schauen erstaunt ob der Menschenmenge, bleiben stehen, versuchen den Text der Gedenktafel zu entziffern, die an den gewaltsamen Tod Silvio Meiers erinnern.
Am 21. November 1992 war Silvio mit einigen Freunden unterwegs nach Mitte. Sie wollten feiern gehen. Auf dem Weg zum Bahnsteig gab es eine Auseinandersetzung mit Neonazis. Dabei riss Silvio einem der Neonazis einen Aufnäher von der Jacke. »Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein«, stand darauf. Danach ging die Gruppe zum Bahnsteig, stellte allerdings fest, dass der letzte Zug schon abgefahren war. Auf dem Rückweg wurden sie im Zwischengeschoss von den Neonazis schon erwartet. Mit gezückten Messern gingen sie auf die Gruppe los, dazu traten sie mit ihren Stiefeln auf sie ein. Silvio wurde dabei so schwer verletzt, dass er noch vor Ort starb. »Jetzt haben wir es Euch linken Schweinen gegeben«, sagten die Nazis damals.
Ein beleibter Herr mit wallendem grauen Haar tritt beim Gedenken am Mittwoch vor die Menge. Es ist Blase, ein damaliger Freund Silvios. Er erzählt in knapper Form die Vorfälle der Nacht vor 20 Jahren. In der Wendezeit hatten sie sich kennengelernt. »Die Wendezeit war schön, weil Anarchie herrschte«, sagt Blase. »Silvio hatte das gefallen, er war mit Leib und Seele Anarchist und Antifaschist.« Blase kämpft mit den Tränen. Das passiert ihm immer, wenn er über Silvio und seinen Tod spricht.
So wie Ende April, bei einer Bürgerversammlung in der Rigaer Straße. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hatte in die ehemalige Galiläakirche, das jetzige Jugend[widerstands]museum geladen. Es ging um die Frage, wie in einer offiziellen Form an Silvio Meier erinnert werden sollte. Die anwesenden Bürger votierten klar für die Umbenennung der direkt am U-Bahnhof von der Frankfurter Allee abgehenden Gabelsbergerstraße in Silvio-Meier-Straße. Blase sprach damals von einer »großen Zerrissenheit« bei dem Thema. »Er würde uns den Vogel zeigen, wenn er wüsste, dass nach ihm eine Straße benannt wird«, sagte Blase.
Diesen Montag zeigte sich, dass sich die Straßenumbenennung auf unbestimmte Zeit verschiebt. Ein Gewerbetreibender hat vor dem Verwaltungsgericht Klage erhoben. Ein Nachbar des Mannes, der nicht für ein Gespräch zur Verfügung steht, zeigte Verständnis. Nicht nur wegen des entstehenden Aufwands für Gewerbetreibende. Er äußerte der »taz« gegenüber auch Zweifel, ob Silvio Meier ein geeigneter Namenspatron sei. Nicht nur, weil Meier »in den Konflikt reingegangen« sei, sondern auch weil er Hausbesetzer und damit Straftäter gewesen sei.
2010 hatte sich die »Initiative für ein aktives Gedenken« formiert. Mit der Umbenennung soll ein Zeichen gesetzt werden. »Es geht dabei auch um eine Hegemoniefrage. Hier wird den Nazis der öffentliche Raum streitig gemacht«, sagte Damiano Valgolio von der LINKEN im Vorfeld der Bürgerversammlung. »Eine öffentliche Unterstützung des Gedenkens von unten ist uns sehr wichtig«, sagt ein Mitglied der Initiative. 2011 war Friedrichshain-Kreuzberg der Bezirk mit den meisten Naziübergriffen. Die Initiative fordert, eine vorläufige Umbenennung zu prüfen.
Dirk Moldt, Bewohner der im Dezember 1989 von Silvio Meier mitbesetzten »Villa Felix« in der Friedrichshainer Schreinerstraße und auch damals ein Freund von ihm, beklagt seit einiger Zeit eine Reduzierung Meiers auf den linken Hausbesetzer. »Es ist eine sehr einseitige Darstellung, man muss die Biografie mitbeachten. Silvio Meier war einfach nicht nur der linke Antifaschist.« Er stößt sich zum Beispiel an der Verwendung des Begriffs Genossen. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass das für ehemalige DDR-Oppositionelle ein rotes Tuch sein kann.
Der bereits vorliegende offizielle Erklärtext zum Straßennamen scheint nicht Stein des Anstoßes zu sein. »Silvio Meier engagierte sich in der unabhängigen DDR-Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsbewegung und als Hausbesetzer. Am 21. November 1992 wurde er aufgrund seines antifaschistischen Auftretens von jugendlichen Neonazis ermordet«, heißt es dort.
Der 1965 in Quedlinburg geborene Silvio Meier zog bereits in den 80er Jahren nach Ost-Berlin und engagierte sich früh in der Oppositionsbewegung. Er war Mitbegründer der bis heute in Prenzlauer Berg bestehenden »Kirche von Unten« (KvU). Auch beim konspirativ organisierten Konzert der West-Berliner Band »Element of Crime«, das am 17. Oktober 1987 in der Ost-Berliner Zionskirche stattfand, half er entscheidend. Meier erhielt traurige Berühmtheit durch einen brutalen Skinheadüberfall, bei dem die Volkspolizei tatenlos zusah. Er beteiligte sich an vielen weiteren oppositionellen Aktionen.
»Alles was ich gemacht habe in der Opposition, da wollte ich nie einen Kapitalismus haben, sondern einen freien Sozialismus und keine Staatsdoktrin«, sagte Meier im Sommer 1992 in einem Videointerview. Als Hausbesetzer seien sie ein Ziel geworden »für Leute, die zum Beispiel eine starke Führung wollten. Nazis, Faschisten oder eben Hooligans«, sagte er weiter.
»Die Zeit vor Silvios Ermordung war schon furchtbar«, erzählt Pieps, ein ehemaliger Friedrichshainer Hausbesetzer. »Schon 1991 der Naziangriff auf das Wohnheim in Hoyerswerda, dann im August 1992 Lichtenhagen, dann Silvio und schließlich Mölln. Wir dachten, jetzt geht alles unter.«
Am 21. November 1992 gab es die erste große Demo. Sie führte durch Friedrichshain und Prenzlauer Berg. Damit wurde eine Tradition begründet. Jahr für Jahr wird das Gedenken an Silvio Meier und alle anderen Naziopfer verknüpft mit dem Kampf gegen Treffpunkte der Neonazis.
Großer Durchhaltewillen musste auch bei der Gedenktafel für Silvios Ermordung im Aufgang des U-Bahnhofs Samariterstraße bewiesen werden. Vier Mal wurde die zunächst in Eigeninitiative an der Wand angebrachte Tafel gestohlen, zählt man eine provisorische Tafel dazu, sogar fünf Mal. 2007 schließlich wurde die heutige Tafel fest eingemauert. Und mindestens zwei Mal bereits geschändet. Die BVG duldet die Tafel nun zumindest offiziell.
Blase erinnert sich bei der Mahnwache an den Umgang der Polizei mit den Opfern des Naziüberfalls: »Die Frau, die dabei war, kam zum Verhör auf die Wache und wurde dann mit einem schweren Schock einfach auf die Straße gesetzt. Die saß heulend auf der Straße.«
Nicht nur unmenschlich, sondern skandalös war der Umgang von Polizei und Medien mit dem Geschehen. Der Tagesspiegel zitierte am 24. November 1992 den leitenden Mordermittler der Polizei, Vogt, mit den Worten, es gäbe keine Hinweise, dass die Täter aus dem rechten Spektrum kämen. Die Überprüfung von Lokalen, die auch als Treffpunkte Rechtsextremer gelten, seien ausschließlich erfolgt, weil sie in der Nähe des Tatorts liegen. Erst am 26. November musste die Polizei einräumen, dass es sich bei den Tätern um Rechtsradikale handelte.

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23.11.2012 Junge Welt
»Die Zahl der Aufmärsche von Rechten nimmt in Berlin zu«
Demo am Samstag erinnert an Neonazi-Opfer Silvio Meier. Verstrickung des Staates in NSU-Terror im Mittelpunkt. Ein Gespräch mit Gunnar Baum
Interview: Lothar Bassermann
Gunnar Baum ist Sprecher des Berliner Silvio-Meier-Bündnisses

jw: Sie organisieren in Berlin-Friedrichshain das traditionelle Gedenken an den vor 20 Jahren von Neonazis erstochenen Antifaschisten und Hausbesetzer Silvio Meier. Was ist geplant?
Am Samstag findet die Silvio-Meier-Gedenkdemonstration unter dem Motto »Erinnern heißt kämpfen – den antifaschistischen Selbstschutz organisieren« statt. Im Mittelpunkt stehen neben dem Gedenken vor allem der »Nationalsozialistische Untergrund« (NSU) und die Verstrickungen staatlicher Stellen in den Neonaziterror. Diesem Thema hatten sich auch zwei Veranstaltungen der Antifaschistischen Linken Berlin in den letzten Tagen gewidmet. Die Initiative »Aktives Gedenken« setzt sich weiterhin für eine Silvio-Meier-Straße in Friedrichshain ein, und am Mittwoch, dem Todestag Silvio Meiers, erinnerten mehr als 100 Menschen mit einer Mahnwache an ihn.
In den vergangenen Tagen ist auch eine Dokumentationsbroschüre der Autonomen Antifa Berlin erschienen, die die Hintergründe der Tat, Silvio Meiers politisches Leben sowie das Gedenken an ihn nachzeichnet. Sie enthält ebenso bisher nicht veröffentlichte Interviews mit einigen seiner Weggefährten.

jw: Auch die Neonaziszene soll mit Ihrer Demonstration thematisiert werden …
Hinter vielen rechten Aktivitäten stecken die Neonazis von »NWBerlin«, dem »Nationalen Widerstand Berlin«. Unsere Demonstration wird an deren Stützpunkt in der Lückstraße 58 im Bezirk Lichtenberg vorbeiziehen.

jw: Wie aktiv ist die neofaschistische Szene Berlins zur Zeit?
Zum einem nimmt die Zahl der Aufmärsche und Veranstaltungen der Neonazis zu – zum anderen haben sie ein Mobilisierungsproblem: Stets stehen ihnen deutlich mehr Gegendemonstanten gegenüber. Das zeigte sich auch am vergangenen Wochenende, als die NPD gerade einmal 15 Anhänger auf die Beine brachte, um an mehreren Orten in Berlin gegen Migranten und Flüchtlinge zu hetzen. Trotz Geheimhaltung der Polizei protestierten mehrere hundert Menschen dagegen. Dennoch sollte das nicht darüber hinwegtäuschen, daß es immer wieder zu Übergriffen, Schmierereien oder Brandanschlägen durch Neonazis kommt, sie bleiben gefährlich. Der Rückzugsraum, den sie sich im Ortsteil Schöneweide geschaffen haben, bleibt für Antifaschisten eine große Herausforderung.

jw: Wie reagieren die Neonazis auf Ihre Demonstration am Samstag?
Die NPD plant am selben Tag einen Aufmarsch gegen ein Asylbewerberheim, das im Neuköllner Ortsteil Rudow entstehen soll. Das Silvio-Meier-Bündnis ruft zur Unterstützung der Gegenaktivitäten auf.

jw: Viele Familien und Hinterbliebene der Mordopfer des NSU beklagten, daß sie bei der Planung der staatlich inszenierten Gedenkveranstaltungen ebensowenig einbezogen wurden wie bei der Ausgestaltung von Erinnerungsorten. Wodurch zeichnet sich eine nichtstaatliche Gedenkpolitik aus, wie sie antifaschistische Gruppen nunmehr seit 20 Jahren praktizieren, um den Mord an Silvio Meier nicht in Vergessenheit geraten zu lassen?
Staatliche Gedenkkultur schafft es selten, mehr zu sein als bloße Imagepflege. Dabei werden die gesellschaftlichen Bedingungen, die Übergriffe und Morde von Nazis und Rassisten erst möglich machen, verschwiegen. Autonome Antifapolitik muß sich dadurch auszeichen, Rassismus, die menschenverachtende staatliche Asylpolitik oder die Verstrickungen des Staates in die Mordserie des NSU zu thematisieren. Ein anderer wichtiger Aspekt steckt schon im Motto unserer Demonstration: »Erinnern heißt kämpfen!« Es heißt also, Nazis soweit zurückzudrängen, daß den Morden an Silvio Meier und über 180 weiteren Menschen seit 1990 keine weiteren folgen können.

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23.11.2012 Junge Welt
»Er ist nicht nur ein Symbol«
Würdiges Erinnern an Opfer rechter Gewalt – vor 20 Jahren starb Silvio Meier

Die Erinnerung an den vor 20 Jahren von Neofaschisten ermordeten Berliner Silvio Meier wird durch jährliche Demonstrationen wach gehalten, die von dem links­autonomen, antifaschistischen Spektrum der Hauptstadt organisiert werden. Wie soll der Todesopfer von Neonazis und Rassisten würdig gedacht werden, war die zentrale Frage einer Podiumsdiskussion, zu der die »Helle Panke – Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin« und Antifagruppen am Dienstag abend ins Jugendwiderstandsmuseum in Berlin-Friedrichshain geladen hatten.
Patrik Laumeyer von der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) berichtete über die Veranstaltungen für Silvio Meier. Stets sei es darum gegangen, auch die anderen Opfer von Neonazis nicht zu vergessen und das Gedenken mit aktuellen Themen zu verbinden, diesmal mit den Verstrickungen des Staates in die rassistische Mordserie des »Nationalsozialistischen Untergrundes«. Vorwiegend junge Leute würden dadurch mobilisiert, »für viele ist es ein Einstieg in die linke Szene«, so der ALB-Sprecher. Ein Mitdiskutant aus dem Publikum, der sich als früherer Freund Silvio Meiers vorstellte, beklagte, daß sich die Organisatoren der Demo in den letzten Jahren nicht für die Schilderungen ehemaliger Weggefährten des getöteten Antifaschisten interessiert hätten. Erst vor kurzem habe sie die Autonome Antifa Berlin umfangreich für eine Broschüre befragt, in der das 20jährige Gedenken an Silvio Meier nachgezeichnet wird. »Silvio ist eine Person, die von uns genommen wurde, nicht nur Opfer und Symbol für die Bewegung«, ergänzte eine andere Teilnehmerin. Die anschließende Diskussion machte deutlich, daß viele Menschen nach wie vor durch das Schicksal Silvio Meiers bewegt werden, andere Opfer rechter Gewalt jedoch nicht über eine solche Lobby verfügen. Und so komme es doch zu einer Hierarchisierung, die eigentlich niemand wolle, so eine Mitdiskutantin.
Die Dieter-Eich-Gedenkinitative habe da ähnliche Erfahrung gemacht, erklärte Martin Sonneburg von den »North-East-Antifascists« (NEA). Dieter Eich starb im Jahr 2000 in einem Plattenbauviertel in Pankow-Buch, im äußersten Nordosten Berlins. Er wurde von Neonazis umgebracht, weil er Sozialhilfeempfänger war, so Peters. »In Buch gibt es manchmal Gedenkdemos an Eich, dann erinnern ein paar hundert Menschen an ihn, während nach Friedrichshain jedes Jahr mehrere Tausend kommen«. Eine Anteilnahme für das Schicksal von Dieter Eich gebe es auch in Buchs Bevölkerung kaum. Die Neonazis würden zu bloßen Saufkumpanen umgedeutet; manche sagten, es habe mit Eich doch »nur einen Assi« getroffen.
Ulla Jelpke, Abgeordnete der Linkspartei im Bundestag, forderte eine »würdige Gedenkpolitik und -kultur«, über die der Staat nicht die Definitionshoheit haben dürfe. In Deutschland sei es seit 1990 zu mindestens 183 neofaschistisch motivierten Morden gekommen, nur 63 davon seien offiziell anerkannt. »Das Problem liegt in den Kriterien, die die Behörden bei ihrer Zählung anwenden«, erklärte Jelpke. Sie forderte, die Statistiken von unabhängigen Initiativen mit einzubeziehen. Jelpke kritisierte zudem die staatlichen Gedenkpolitik am Beispiel der Einweihung des Mahnmals für Sinti und Roma in Berlin: Dies sei »pure Heuchelei, wenn zeitgleich gegen ›Asylantenflut‹ gehetzt und Asylbewerberheime angegriffen werden«.

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21.11.2012 Junge Welt
»Im Kiez fest verankert«
20. Todestag von Silvio Meier: Initiative in Berlin-Friedrichshain setzt sich trotz Klage weiter für Straßenumbenennung ein. Ein Gespräch mit Beate Sund
Interview: Lothar BassermannBeate Sund ist Sprecherin der »Initiative für ein aktives Gedenken« www.aktivesgedenken.de

jw: Ihre Initiative bemüht sich seit Jahren darum, daß es im Berliner Stadtteil Friedrichshain einen Ort für ein würdevolles Gedenken an den 1992 von Neonazis erstochenen Antifaschisten und Hausbesetzer Silvio Meier gibt. Wie ist es heute, an seinem 20. Todestag, darum bestellt?
Ziel unserer Initiative ist die Benennung einer Straße nach Silvio Meier bis zu seinem 20. Todestag. Dafür haben wir uns seit November 2010 eingesetzt. Nach langem Hin und Her sowie dem klaren Votum einer Bürgerveranstaltung im Frühling 2012 hat auch der Bezirk dieses Anliegen vorangetrieben. Künftig soll die Gabelsbergerstraße nach Silvio Meier benannt werden. Durch eine Klage von Gewerbetreibenden ist die Umbenennung nun leider aufgeschoben. Wir bedauern dies sehr und werden uns weiterhin für eine schnelle Umsetzung stark machen.

jw: In Berlin sind Straßenumbenennungen ja kein ungewöhnlicher Vorgang. Für eine Silvio-Meier-Straße gibt es außerdem ein breites Engagement im Kiez und eine Mehrheit in der Lokalpolitik. Wieso verläuft der Prozeß dennoch so schleppend?
Der Prozeß der Umbenennung an sich, der eigentlich erst mit besagter Bürgerversammlung begann, verlief unseres Erachtens gar nicht schleppend. Es hat halt gedauert, bis wir genug Druck aufgebaut hatten, um die Bezirksverordnetenversammlung zum Handeln zu bewegen. Ausschlaggebend war da sicher unser offener Brief. Aber auch danach waren wir noch diverse Male bei verschiedenen Ausschußsitzungen, haben mit Politikerinnen und Politikern des Bezirks gesprochen und so weiter. Nach der Veranstaltung im April 2012 ging dann alles Formale ganz schnell, ab dem Moment hat sich der Bezirk auch reingehängt. Wie lang die Klage nun eine Umbenennung hinauszögern wird, wissen wir nicht.

jw: Auf wessen Unterstützung können Sie in Friedrichshain zählen?
Im Kiez ist das Gedenken an Silvio Meier seit vielen Jahren fest verankert, entsprechend wird auch die Forderung nach einer Straßenumbenennung breit unterstützt. Beispielsweise wurden wir bei unseren Infoständen sehr häufig von Bürgerinnen und Bürgern gefragt, wie sie sich beteiligen können. Neben Einzelpersonen wird »Aktives Gedenken« von vielen Friedrichshainer Initiativen, Gewerbetreibenden und Antifagruppen unterstützt.

jw: Am Samstag werden wieder mehrere tausend Menschen bei der Gedenkdemonstration für Silvio Meier erwartet. Heute abend findet die traditionelle Mahnwache am Tatort, dem U-Bahnhof Samariterstraße, statt. In Berlin wurden seit 1990 allerdings mindestens zwölf Menschen von Neonazis und Rassisten ermordet. Warum wird ihnen nicht die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt?
Die Erinnerung an Opfer von Neonazigewalt lebt davon, daß Menschen sie wachhalten. Im Fall von Silvio Meier haben sich schon früh antifaschistische Gruppen eingebracht und Aktionen organisiert. Dabei wurde immer auch das aktuelle Vorgehen der Rechten thematisiert. Durch diese Kontinuität und die Ausstrahlung gerade auch auf jüngere Antifaschistinnen und Antifaschisten ist das Gedenken an Silvio Meier über die Jahre hinweg wach geblieben.

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09.07.2012 Berliner Zeitung
Übergriff auf Frau aus Gambia am S-Bahnhof

Zu einem fremdenfeindlichen Übergriff kam es am Samstagmittag im S-Bahnhof Frankfurter Allee. Das Opfer, eine 24-jährige Frau aus Gambia.
Bundespolizisten leiteten Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung sowie Beleidigung mit fremdenfeindlichem Hintergrund ein.
Die Täter hatten die junge Frau gegen 13:15 Uhr zunächst ohne ersichtlichen Grund am Ausgang des Bahnhofs verbal attackiert und mit fremdenfeindlichen Worten beschimpft. Kurz darauf schlug einer der beiden unbekannten Männer ihr dann plötzlich eine leere Glasflasche mit voller Wucht gegen den Bauch. Als sie nach der Attacke zum Bahnsteig flüchteten, drehte sich der zweite Täter noch einmal zu ihr um und warf eine leere Bierflasche in ihre Richtung. Getroffen wurde die 24-Jährige nicht.
Die Bundespolizei fahndet seitdem nach den Männern, die trotz sofort eingeleiteter Fahndungsmaßnahmen unerkannt flüchten konnten.

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19.06.2012 TAZ
Möllemanns Doppelgänger
Deprimierte Glatzen und ein Sommermärchen der Vollidioten

Die Beamten sind verwirrt, und zwar mehr als zuvor. "Wollen Sie jetzt zu der Veranstaltung der Rechten oder nicht?" Eigentlich hatten sie mich schon mehrfach abgewiesen, doch einem der Staatsdiener ist mein Hansa-Rostock-Shirt aufgefallen, welches ich kürzlich günstig im Internet ersteigert hatte. Wäre ich tatsächlich ein Teilnehmer der rechten Veranstaltung, müsste es natürlich "T-Hemd" und "Weltnetz" heißen, schließlich sind Anglizismen in der nationalen Szene ein No-go.

Nationale Krabbelgruppe
Bin ich aber glücklicherweise nicht und dementsprechend versperren mir die Kollegen der Berliner Sondereinheit "Politisch motivierte Straftaten" schlussendlich doch noch den Weg, da sie meiner plötzlichen nationalen Gesinnung nicht so recht über den Weg trauen. Und recht haben sie. Das Häufchen Elend, welches sich in der Nähe des Strausberger Platzes eingefunden hat, ist es dann eigentlich gar nicht wert, über sie zu berichten, der Großteil der Anwesenden sieht aus, als wäre ihr Stammbaum eine Trauerweide oder ein Kreis, und das, wo sie doch so stolz auf ihre vermeintlich reinrassige Herkunft sind.
Ein später dazu stoßender Freund fragt, wie lange ich mir das Ganze schon anschaue. "Seit knapp 15 Jahren" ist meine Antwort. Der Chef der nationalen Krabbelgruppe Sebastian Schmidtke und Möllemanns inoffizieller Doppelgänger Udo Voigt wechseln sich gegenseitig mit den Reden ab, argumentatorische Geniestreiche wie "der kleine Mann muss immer zahlen", "die da oben machen doch eh, was sie wollen"oder "kriminelle Ausländer raus aus Deutschland" wechseln sich im Minutentakt ab.
Über der Veranstaltung prangt ein riesiges neongelbes Schild an einem Baugerüst: "Friseur geöffnet." ist dort zu lesen. Der dazugehörige Pfeil zeigt auf die Ansammlung der deprimiert dreinschauenden Glatzen, insofern hat alles seine Ordnung, die tägliche Nassrasur ist gesichert. Inzwischen wurde von den Linken ein Soundsystem aufgebaut, die Internationale erklingt und neben mir bemerkt jemand treffenderweise, dass Nazis keine DJs werden können. Und zwar weil sie den Unterschied zwischen 33 und 45 nicht kennen.
Genug der Schenkelklopferei, der DJ-Witz ist bestens dazu geeignet, eine schlechte Überleitung einzuleiten. Schließlich soll es hier eigentlich um ganz viel Spaß, angesagte Acts, Konfetti und wummernde Beats gehen. Dummerweise habe ich mir selber eine Clubpause verordnet, dementsprechend gibt es heute keine Geschichten über unfreundliche Türsteher oder betrunkene Partygäste. Stattdessen geht es weiter wie zuvor.
Nach dem Spiel wird logischerweise noch der ein oder andere Absacker getrunken und auf der Kastanienallee der knappe Sieg gefeiert. Eine Gruppe Deutschlandtrikots tragende Profipöbler nutzt die Partystimmung, um sich mit Stühlen und Flaschen zu bewaffnen und einen Farbigen anzugreifen. Das allein wäre schockierend genug, weit tragischer ist jedoch, dass sich einige unbeteiligte, ebenfalls in Deutschlandtrikots gekleidete Herrschaften bemüßigt fühlen, sich den ihnen unbekannten Vollidioten anzuschließen. Ein Traum in Schwarz, Rot, Gold - Deutschland, dein Sommermärchen Part 2 reloaded.
Dann doch lieber nach Friedrichshain, dort bekommt man für zehn abgebrochene Deutschlandfähnchen immerhin ein Sternburg umsonst. Vielleicht kommt ja noch eine nette Bekanntschaft, die ihre Fähnchen einlösen möchte, ich würde zur Verfügung stehen.

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18.06.2012 MUT
Und jährlich grüßt das rechtsextreme Murmeltier
Am Sonntag war in Berlin Friedrichshain nicht ausschlafen angesagt, sondern schon um 10 Uhr bereit zu sein, um am Strausberger Platz gegen die Kundgebungen von Pro Deutschland und der NPD zu protestieren.

Gestern war es mal wieder soweit, die Rechtspopulisten und Rechtsextremisten haben sich in Berlin Friedrichshain zusammen eingefunden, um ein historisches Datum für sich zu besetzen und ideologisch in ihrem Sinne umzudeuten. Dass machen sie regelmäßig, sei es die Bombardierung Dresdens am 13./ 14. Februar 1945, der 1. Mai oder wie gestern, der 17. Juni 1953.

Strategie der Normalisierung rechter Strukturen
Der 17. Juni 1953 war der Tag, an dem ein Arbeiteraufstand in der DDR gewaltsam niedergeschlagen wurde. Jedes Jahr wird der Opfer dieses Aufstandes gedacht, die ihr Leben verloren, weil sie gegen wirtschaftliche und politische Missstände und für mehr Freiheit und Demokratie protestierten. Überschattet wurde die Erinnerung durch Kundgebungen der rechtspopulistischen Partei Pro Deutschland und der rechtsextremen NPD.
Nazis bedienen sich dieses Datums, um ihre Ideologie und ihre eigenwillige Form der Geschichtsschreibung in die Öffentlichkeit zu transportieren. Hier spielen sowohl die „Russische Besatzung“, als auch der „Volksaufstand“ eine zentrale Rolle: Neonazis erkennen die Bundesrepublik nicht als demokratischen Rechtsstaat an, sondern als „besetztes Gebiet“, das immer noch von den vier Siegermächten des zweiten Weltkrieges „fremdbestimmt werde“. Gemäß dieser rechtsextremen Argumentation interpretieren sie die Demonstrationen des 17. Juni 1953 als historischen Aufstand gegen Besatzung und für Souveränität, aus der sie bis heute ihr Handeln als gerechtfertigt sehen. Der „Volksaufstand“ aus heutiger neonazistischer Sicht bedeutet, sich aus dieser „Besatzung“ und „fremden Einflüssen“ frei zu kämpfen. In diesem Kontext sehen Neonazis zum Bespiel auch die pogromartigen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen im August 1992 als einen „Volksaufstand“, bei dem sich die bürgerliche Mitte gegen die „Überfremdung ihres Landes“ zur Wehr gesetzt hätten.
Dass die NPD die historischen Ereignisse des Jahres 1953 und andere Daten für ihre Zwecke missbrauchen, dient ihrer Strategie der Normalisierung rechter Strukturen. Umso wichtiger ist es dann, dieser Taktik eine klare Absage zu erteilen, indem sich die Bürgerinnen und Bürger durch Proteste gegen diese rechtextremen Vereinnahmungen stellen – das ist diesen Sonntag mehr als gelungen!

Pfiffe und Sprechchöre gegen Rechts
Ab 10 Uhr standen ein knappes Dutzend „Pro Deutsche“ am Strausberger Platz und schwenkten ihre Deutschlandfahnen. Welche rechtspopulistischen Äußerungen die alten Herren in Sakko mit Schlips von sich gaben, war nicht zu hören – zu laut waren zum Glück die Pfiffe und Sprechchöre der Gegendemonstrantinnen und Gegendemonstranten. Aufgerufen zum Gegenprotest hatte das regionale Bündnis „Initiative gegen Rechts Friedrichshain“ und die VVN-BdA „Zusammen handeln gegen rassistische Hetze und soziale Ausgrenzung“. Die Aktion stand unter dem Motto „Nazis und Rassisten stoppen – Gegen Geschichtsrevisionismus und nationalsozialistische Hetze“. Vertreter von SPD, Bündnis 90/ Die Grünen, Die Linke und Antifa-Vereinigungen, die ebenfalls zur Demonstration aufgerufen hatten, schlossen sich an.
Gegen 12 Uhr endete die klägliche Pro Deutschland Kundgebung und machte Platz für die NPD, die unter dem Motto „Damals wie heute – Freiheit muss erkämpft werden“ aufmarschierte. Knapp vierzig Rechtsextreme, überwiegend Neonazis aus dem „Nationalen Widerstand“, kamen zum Strausberger Platz, die schließlich am Ende ihrer Kundgebung zehnmal so vielen Gegenprotestlern gegenüberstanden.

400 Gegendemonstranten vs. 40 Rechte
Das rechtsextreme Gebären der NPD durch Lautsprecher konnte aufgrund der bis zu 400 Gegendemonstranten erfolgreich gestört werden: Jedes mal, wenn Udo Voigt und andere Rechte ansetzten etwas zu sagen, wurden sie durch lautstarken Proteste ihrer Gegner im erheblichen Maße dabei gehindert.
Es war erfreulich zu sehen, dass so viele unterschiedliche Menschen zusammentrafen, um den menschenverachtenden Parolen der Rechten die Stirn zu bieten. Da standen Antifaschistinnen und Antifaschisten neben einer älteren Frau mit Rollator, die energisch immer wieder in ihrer Trillerpfeife blies.
Zehnmal so viele Gegendemonstranten als Nazis ist eine gute Bilanz. Auch wenn die Nazis wegen ihrer ständigen Misserfolge bei Kundgebungen und Demos zahlenmäßig immer häufiger herumkrebsen, ist das jedoch kein Grund zur Entwarnung. Denn jährlich grüßt das rechtsextreme Murmeltier, das sich historischer Ereignisse bedient, um seine Ideologie zu verbreiten.

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18.06.2012 Neues Deutschland
Rechte Parteien nutzten historisches Datum
Protest gegen Kundgebungen in Friedrichshain

Der Ton ist freundlich, als die adrett gekleidete Gruppe am Sonntagvormittag dem Mann im braunen Kapuzenpullover begegnet. »Viel Spaß«, wünschen sie ihm. Die Führungsriege der Partei »Pro Deutschland«, die ihre Kundgebung am Strausberger Platz in Berlin-Friedrichshain anlässlich des 17. Juni gerade beendet hatte, hegt offenbar keine Berührungsängste mit Sebastian Schmidtke, Berliner Landesvorsitzender und Anmelder der im Anschluss folgenden NPD-Kundgebung.
Gigi von der Friedrichshainer Initiative gegen Rechts, die neben anderen zu Protesten gegen die beiden rechten Kundgebungen aufgerufen hatte, teilt diesen Eindruck. Die Abgrenzung von Pro Deutschland zur NPD sei ohnehin nur ein »Lippenbekenntnis« findet sie und verweist auf »inhaltliche Schnittmengen« in den Aufrufen der beiden Gruppierungen.
Die zeitliche und räumliche Nähe der »Pro Deutschland«- Kundgebung zu der NPD-Veranstaltung sei »symptomatisch« für die »politische Verortung« der Rechtspopulisten, sagt Sebastian Wehrhahn von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. Diese Rechtspopulisten kämpfen nach den für sie enttäuschenden Ergebnissen der vergangenen Abgeordnetenhauswahlen gegen die politische Bedeutungslosigkeit. So haben sich auch nur etwa 20 überwiegend ältere Anhänger versammelt, als der »Pro Deutschland«-Bundesvorsitzende Manfred Rouhs die Kundgebung eröffnet. Rouhs wettert gegen bis heute bestehende »totalitäre Strömungen« und wird dabei gefilmt.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite haben sich hinter Absperrgittern bereits zahlreiche Gegendemonstranten eingefunden. Ihre Zahl steigt im Laufe des Vormittags immer weiter auf schließlich etwa 350 an. Es sind Fahnen von Antifa, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und DKP zu sehen, Grüne und Mitglieder der LINKEN sind vor Ort. Mit dem Abspielen der Nationalhymne beendet »Pro Deutschland« nach etwa eineinhalb Stunden die Versammlung.
Nur wenige Minuten später trifft der Lautsprecherwagen der NPD ein. Am Steuer sitzt Sebastian Schmidtke, der von Beobachtern als Schnittstelle zwischen der neofaschistischen Partei und dem militanten Kameradschaftsspektrum benannt wird. Die übrigen Insassen des VW-Busses fallen durch ihre einheitlich schwarze Kleidung und dunkle Sonnenbrillen auf.
Das Geschehen auf der Kundgebung nimmt unterdessen einen von vergangenen NPD-Veranstaltungen gewohnten Gang. Drei dem Umfeld des »Nationalen Widerstands Berlin« zuzurechnende stadtbekannte Neonazis aus Lichtenberg beginnen damit, die großen Objektive ihrer Fotoapparate auf Gegendemonstranten und Journalisten zu richten und diese abzulichten. Die Bilder landen hinterher meist in sogenannten Feindeslisten auf der Internetpräsenz der Berliner Neonaziszene. Personen auf diesen Listen wurden in der Vergangenheit immer wieder Ziel von Angriffen.
Unter den ungefähr 30 Teilnehmern der NPD-Kundgebung befinden sich auch zwei Neuköllner Neonazis, die nach Berichten auf linken Internetseiten erst vor etwa einer Woche versucht hatten, einen zivilgesellschaftlichen Stadtteilspaziergang im Bezirk Treptow-Köpenick anzugreifen. Inhaltlich gibt es am Sonntag gewohnte Parolen. So wünscht sich NPD-Funktionär Schmidtke einen »Volksaufstand«, bei dem die »Volksverräter« abgestraft werden.
Die NPD nutze historische Daten und Orte bewusst, um durch das »Instrument der Provokation« ihre »augenscheinliche politische Unwirksamkeit« zu kompensieren, erklärt Sebastian Wehrhahn die Strategie der Neonazis am gestrigen Tage.

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17.06.2012 Morgenpost
Gedenken an 17. Juni von NPD-Kundgebung überschattet
In Berlin wurde die Erinnerung an die Opfer des DDR-Aufstandes durch Kundgebungen der NPD und der Partei Pro Deutschland überschattet

Mit Kranzniederlegungen ist in Berlin am Sonntag des niedergeschlagenen DDR-Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 erinnert worden. Zum 59. Jahrestag des Arbeiteraufstandes erinnerten der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) am Vormittag auf dem Friedhof Seestraße in Wedding an die Opfer. Auch am Denkmal für die Opfer vor dem Bundesfinanzministerium wollte die SPD wie in den vergangenen Jahren Rosen im Wasserbecken niederlegen. Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) wollte am Nachmittag an einer Gedenkveranstaltung am Reichstagsgebäude teilnehmen.
Am Sonnabend hatte er bereits an den DDR-Volksaufstand vom 17. Juni 1953 erinnert. Gemeinsam mit Opferverbänden wurden bei der Veranstaltung vor dem Bundesfinanzministerium in Mitte Kränze sowie Rosen niedergelegt. Auch die Direktorin des Mauermuseums am Checkpoint Charlie, Alexandra Hildebrandt, nahm an der Feier teil.
Überschattet wurde die Erinnerung an die Opfer des Aufstandes durch Kundgebungen der rechtsextremen NPD und der Partei Pro Deutschland am Strausberger Platz. Dafür waren nach Polizeiangaben jeweils mehrere Dutzend Rechte angemeldet.
Rund 400 Demonstranten haben am Sonntag in Berlin nach gegen diese Kundgebung demonstriert. Mit Pfeifkonzerten versuchten sie am Strausberger Platz Kundgebungen der rechtsextremen NPD und der rechtspopulistischen Bürgerbewegung Pro Deutschland zu stören. Bis zum Mittag verliefen die Veranstaltungen friedlich.
Aufgerufen hatte eine Kampagne "Zusammen handeln gegen rassistische Hetze und soziale Ausgrenzung". Die Aktion stand unter dem Motto "Nazis und Rassisten stoppen – Gegen Geschichtsrevisionismus und nationalsozialistische Hetze". Vertreter von SPD, Linken und Antifa-Vereinigungen, die ebenfalls zur Demonstration aufgerufen hatten, schlossen sich an.
Zu der NPD-Kundgebung hatten sich laut Polizei rund 30 Anhänger versammelt, bei Pro Deutschland etwa ein Dutzend. Angemeldet waren ursprünglich insgesamt 100 Teilnehmer. Die Polizei war mit 400 Beamten im Einsatz, um ein direktes Aufeinandertreffen von rechten und linken Demonstranten zu verhindern.

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16.06.2012 TAZ
Absurde Geschichten
Die NPD und Pro Deutschland planen für Sonntag Kundgebungen in Friedrichshain. Dagegen regt sich von vielen Seiten Protest.

Sie probieren es noch mal: Wie im vergangenen Jahr wollen Rechte auch an diesem 17. Juni in Friedrichshain aufziehen. Dagegen formiert sich Protest.
Den Auftakt am Sonntag machen die Rechtspopulisten von „Pro Deutschland“. Sie wollen sich ab 10 Uhr zu einer Kundgebung auf dem Strausberger Platz treffen. Bei der Polizei sind eher unwahrscheinliche 200 Teilnehmer angemeldet. Die Minipartei, die bei der Wahl im Herbst 1,2 Prozent holte, brachte bei Kundgebungen zuletzt nur rund ein Dutzend Leute auf.
Wenig später, um 12 Uhr, will auch die NPD am Strausberger Platz aufkreuzen. „Freiheit muss erkämpft werden“, so ihr Motto. Die Neonazipartei rechnet mit 50 Teilnehmern. Sie hatte sich erst vor einer Woche unter eine Demonstration von Gegnern der Eurorettungsschirme vor dem Bundestag gemischt.
Neonazigegner wollen ab 10 Uhr, ebenfalls auf dem Platz, gegen beide Kundgebungen protestieren. Die Friedrichshainer Initiative gegen Rechts ruft zu „kreativen und ungeordneten Gegenprotesten“ auf. „Immer wieder versuchen Neonazis, historische Ereignisse umzudeuten“, sagte ein Sprecher. „Wir werden ihnen den Platz entschieden streitig machen.“ Auch SPD, Grüne und Linkspartei rufen zum Gegenprotest.
Umzingelt von Protestlern
Schon vor einem Jahr zogen Pro Deutschland und NPD am 17. Juni auf, dem Tag des Arbeiteraufstands in der DDR von 1953. Beide Parteien brachten nur kleine Kundgebungen zustande – umzingelt von Protestlern. Der neue SPD-Landeschef Jan Stöß sagte, die Streikenden hätte sich damals für demokratische Rechte eingesetzt, das Gedenken daran lasse man sich nicht nehmen.
Für die beiden rechten Parteien sind die erneuten Kundgebungen auch Hilferufe: Pro Deutschland droht in der Versenkung zu verschwinden. Bei der NPD durchsuchte die Polizei im Mai und März die Parteizentrale undie Wohnungen ihres Landeschefs Sebastian Schmidtke und eines Vorstandsmitglieds. Ihnen wird vorgeworfen, eine rechtsextreme Internetseite zu betreiben, dort zu Straftaten aufgerufen und volksverhetzende CDs verteilt zu haben. Laut Staatsanwaltschaft dauern die Ermittlungen an. Konrad Litschko

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15.06.2012 Die Welt
NPD am 17. Juni keinen Raum überlassen

Die Berliner SPD hat zur Kundgebung gegen Aktionen der rechtsextremen NPD und der rechtspopulistischen Partei Pro Deutschland an diesem Sonntag aufgerufen. Die NPD versuche mit ihrer Demonstration am 17. Juni an historische Daten anzuknüpfen und diese nationalistisch für sich zu besetzen, erklärten Partei und Fraktion der SPD sowie die Jusos am Freitag. Am Sonntag jährt sich zum 59. Mal der Jahrestag des Arbeiteraufstandes in der DDR. Das Gedenken an den «mutigen Kampf» der Arbeiter für demokratische Rechte «lassen wir uns nicht nehmen», teilten die Sozialdemokraten mit.
«Die tatsächlichen Geschehnisse spielen dabei keine Rolle. Es geht der NPD nur darum, ihre nationalsozialistische Hetze auf die Straße zu tragen und über historische Ereignisse Sympathisantinnen zu gewinnen», kritisierten SPD-Chef Jan Stöß und SPD-Fraktionschef Raed Saleh. Die SPD wolle den Rechtsextremisten mit ihren menschenverachtenden Botschaften gegen Ausländer, Juden und Homosexuelle keinen Raum überlassen, hieß es. «Wir müssen dagegen ein Zeichen für eine solidarische und demokratische Gesellschaft setzen!», hieß es in dem Aufruf zur Kundgebung am Strausberger Platz.

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25.02.2012 BZ
Hunderte protestieren gegen Thor-Steinar-Laden

Mehrere hundert Demonstranten haben in Berlin gegen einen Laden protestiert, der Bekleidung der bei Rechtsextremen beliebten Marke Thor Steinar verkauft. Laut Polizeiangaben kamen rund 200 Menschen am Samstag nach Friedrichshain.
Sie zogen von der Warschauer Straße bis zum Frankfurter Tor, wo die Demonstration vorzeitig beendet wurde. Die Veranstaltung der Initiative gegen Rechts verlief laut Polizei friedlich.

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08.12.2011 tagesspiegel
"Jeton" wechselt den Besitzer
Vom Neonazi-Treffpunkt zum Multi-Kulti-Club

Das nach einer rechten Bluttat umstrittene "Jeton" in der Frankfurter Allee ist zu – nun eröffnen türkische Betreiber einen neuen Club.
Es ist noch nicht lange her, da haben sich in der Frankfurter Allee 98 am Wochenende vor allem Männer mit kurzen Haaren und rauen Sitten getroffen. In der dortigen Disko „Jeton“ tranken in trauter Eintracht neben feieraffinen Jugendlichen, auch stramme Hooligans und rassistische Schläger zu günstigen Preisen zahlreiche Biere und den einen oder anderen Schnaps. Nun dürfte sich in dem Friedrichshainer Kiez einiges ändern.

Das Jeton ist geschlossen, die neuen Eigentümer des Hauses haben den einstigen Betreiber, Ronny Berkhahn, abgefunden und die Räume an drei Berliner Türken vermietet, alle erfahrene Gastronomen. Der Laden wird generalüberholt, Tischler, Elektriker, Raumgestalter werkelten im Akkord: An diesem Sonnabend eröffnen die drei Neuen den „Triplex Club“, ab 22 Uhr geht es los.
„Es gibt für den Abend schon 600 Reservierungen“, sagt Mehmet Yilmaz, einer der neuen Betreiber. Mehr Leute passen auch kaum in den 700-Quadratmeter-Club. Auf drei Etagen wolle man eine gehobene Atmosphäre bieten. „Multi- Kulti, gute Drinks, aber auch lateinamerikanische Musik“, erklärt Yilmaz. Zwischen 10 und 15 Euro wird der Eintritt künftig kosten, kündigt er an. Dafür soll einiges geboten werden. Das Triplex verstehe sich als Bar, Lounge und Club. In der ersten Etage werden DJs die Tanzfläche beschallen, im zweiten Stock soll eine Lounge etwa für Afterwork-Partys entstehen, in der dritten Etage ist Live-Musik geplant. Kurz vor der Eröffnung kommt noch ein Kamerateam eines türkischen Privatsenders und dreht eine Episode einer beliebten Modeshow in den Räumen. In den kommenden Monaten soll das Triplex zunächst freitags und sonnabends offen haben.
Die neuen Betreiber mit ihrem Club einiges verändern. Bisher ist der Kiez eher durch Kneipen geprägt, gern mit Dartscheibe und Wodka-Rabatten. Als Disko gab es hier zuletzt vor allem das Jeton, dessen Einzugsgebiet der Berliner Osten war. Um im Triplex die Nacht zu verbringen, könnten sich bald auch Gäste vom anderen Ende der Stadt auf den Weg machen, schließlich bieten nur wenige Clubs in Berlin lateinamerikanische Klänge. Für Tango und Salsa fuhren viele bislang nach Schöneberg.

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21.11.2011 TAZ
"Hier hätten 100.000 sein müssen"
Über 3.000 Linke versammeln sich am Samstag zur jährlichen Silvio-Meier-Demo. Es ist die erste große Demo nach der Mordserie der Thüringer Neonazis.von Konrad Litschko

Utz Eckenfelder hat sich ein Schild umgebunden. "Empörung. Der Staat mordet mit." Empörung, sagt Eckenfelder, sei seine erste Reaktion gewesen, als er von der jahrelangen Mordserie dreier Thüringer Neonazis erfahren habe. "Dass so etwas in diesem Staat passieren kann! Dass da 13 Jahre lang Rechte untertauchen und morden - und keiner weiß was davon." Eckenfelder schüttelt den Kopf, immer wieder. "Das kann nicht sein."
Der 68-Jährige mit dem weißen Schnauzer und der Lederkappe schiebt sein Fahrrad inmitten all der Schwarzgekleideten. Er sei auf die Demo der Antifa gekommen, weil sonst gerade keiner was mache, sagt Eckenfelder. "Ich kann doch nach sowas nicht allein zu Hause sitzen."
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Es gibt nicht viele wie Eckenfelder am Samstagnachmittag auf dem Silvio-Meier-Protestzug. Die Antifa-Szene bleibt weitgehend unter sich. Rund 3.000 sind gekommen, laut Veranstalter gar bis zu 5.000, um wie jedes Jahr dem vor 19 Jahren von Neonazis ermordeten Hausbesetzer zu gedenken - und diesmal auch den neun migrantischen Opfern der Thüringer Rechtsterroristen. Der Zug führt von Friedrichshain nach Lichtenberg, zu einem rechten Treffort in der Lückstraße, und wieder zurück.
Gleich hinter dem Fronttransparent tragen Teilnehmer die Bilder der neun Ermordeten. "Mit Unterstützung des Verfassungsschutz?", steht fragend auf den Schildern. Für eine Rednerin zeigt die Mordserie erneut, dass der Staat "kein Verbündeter" im Kampf gegen Neonazis sei. Die linke Szene werde aufwändig ausgeforscht, beispielsweise nach den Anti-Nazi-Blockaden in Dresden. Militante Rechte würden dagegen über V-Männer mit Staatsgeldern aufgebaut. "Wir müssen die antifaschistische Organisierung intensivieren!", schallt es aus dem Lautsprecherwagen. Sonst bleibt's bei den üblichen Ritualen: viel schwarzer Block, rotes Leuchtfeuer auf dem Dach neben dem geräumten einstigen Hausprojekt Liebig14, "Alerta"-Sprechchöre, vereinzelte Steinwürfe auf Polizeiautos.
Die Morde hätten schon einen "gewissen Schock" in der Szene hinterlassen, sagt Markus, seit den Neunzigern bei der Friedrichshainer Antifa aktiv. Dass Neonazis aber vor Gewalt nicht zurückschrecken, sei keine neue Erkenntnis, betont der kurzhaarige Anfangdreißiger, der es bei seinem Vornamen belässt. "Das ergibt sich schon aus ihrem menschenfeindlichen Weltbild." Markus verweist auf zahlreiche Brandanschläge auf linke Häuser in den vergangenen Jahren, auf die 150 Mordopfer von Rechtsextremen seit 1990. "Darauf haben wir immer hingewiesen. Aber irgendwann wirst du als ewiger Mahner abgestempelt."
Weiter hinten in der Demo haben drei junge Frauen die Namen der Mordopfer auf ein weißes Transparent geschrieben und daneben: "Keine Schweigeminute, ein lebenslanger Antifa-Widerstand". Die migrantische Community sei mit der Mordserie allein gelassen worden, kritisieren sie. "Was wir jetzt brauchen, ist eine Diskussion über Rassismus in der Gesellschaft, nicht nur über eine Terrorgruppe." Ein 30-Jähriger mit Kapuzenjacke wirft ein, zuerst mal müsse der Thüringer Verfassungsschutz "entnazifiziert" werden.
Auch Kemal Salis schimpft. "Ich dachte immer, der Staat schützt seine Bürger. Aber er hat versagt, komplett. Das hätte ich nicht für möglich gehalten." Dass Neonazis morden hingegen schon. Für den 50-jährigen Gastronom aus Kreuzberg ist es ist nicht die erste Demo gegen rechts. Was ihn besonders ärgert: "Dieses Gerede von ,Döner-Morden'. Es geht hier um Menschen!"
"Verfassungsschutz-Verbot jetzt", fordert ein hellblaues Transparent. So weit würde er nicht gehen, sagt Dirk Behrendt, Grüne Parlamentarier aus Kreuzberg, der weiter hinten mitläuft. "Aber ob wir wirklich 16 Landesämter für Verfassungsschutz brauchen, sollte man diskutieren." Offenbar sei bei der Behörde ja "einiges schief gelaufen". Dies gelte es jetzt aufzuklären, fordert Behrendt. "Und zwar vollständig."
Als die Demo nach drei Stunden am Boxhagener Platz endet, ist Utz Eckenfelder immer noch dabei. Er hätte sich mehr Demonstranten gewünscht, mehr Bürgerliche, sagt er. Es könne doch nicht sein, dass nach den ungeheuerlichen Morden nichts passiere. "Eigentlich hätten hier heute doch 100.000 Leute sein müssen."

Bei der Demo sind fünf Polizisten leicht verletzt worden. Wie die Polizei am Sonntag mitteilte, wurde zudem unter anderem ein Auto zerstört, in dem sich eine Mutter mit ihrem Kleinkind befand. Beide blieben unverletzt. Ein 30-Jähriger erlitt an der S-Bahnbrücke in der Karlshorster Straße eine Platzwunde am Kopf, als er von einer Flasche getroffen wurde.

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21.11.2011 Neues Deutschland
Demo erinnerte an Silvio Meier
In ersten Reihen Fotos der neun ermordeten Händler / Aufzug vorzeitig beendet

An der jährlichen Silvio-Meier- Gedenkdemo nahmen am Samstag wieder mehrere Tausend linke Aktivisten sowie Anwohner teil. Die Demonstration startete um kurz nach 16 Uhr am U-Bahnhof Samariterstraße und zog von dort nach Lichtenberg und wieder zurück nach Friedrichshain. Aufgerufen hatte wie in den letzen Jahren ein Bündnis aus antifaschistischen Gruppen. Neben dem Gedenken an Silvio Meier stand dieses Mal ein in der Lichtenberger Lückstraße eröffneter Neonazistützpunkt, die wachsende Repression gegen antifaschistische Aktivisten und die steigenden Mieten in der Stadt im Mittelpunkt.
Meier war in der Ostberliner Hausbesetzerszene aktiv und am 21. November 1992 aus einer Gruppe von Neonazis heraus im U-Bahnhof Samariterstraße erstochen worden. Eine Gedenktafel erinnert dort an seinen Tod. Sie wurde in der Vergangenheit immer wieder beschädigt.
Unter Sprechchören zog der Aufzug in Richtung Lichtenberg, der als Hochburg der Neonazis gilt. Entlang des Weges entrollten Vermummte von Dächern Transparente. In der Demo zündeten Teilnehmer bengalische Fackeln. In Redebeiträgen bezogen sich die Organisatoren auf die von der Thüringer Neonazi-Terrorzelle verübte Mordserie an migrantischen Gewerbetreibenden und kritisierten die undurchsichtige Rolle des Verfassungsschutzes. In den ersten Reihen wurden Schilder mit Fotos und Namen der neun Getöteten gezeigt. Die Polizei hielt sich vorerst im Hintergrund.
Dies änderte sich, als der Zug Lichtenberg erreichte. Zwei Reihen von behelmten Beamten umschlossen die Demonstranten von beiden Seiten. Als diese die Lückstraße erreichten, waren dort Scheinwerfer und eine Hundestaffel postiert. In einem stark abgeschirmten ehemaligen Gardinengeschäft in der Hausnummer 58 haben sich unter dem Schein eines gemeinnützigen Vereins Neonazis eingemietet. Seitdem kommt es hier immer wieder zu Übergriffen auf alternative Jugendliche. Die im Vorfeld befürchteten Angriffe von Neonazis blieben aus. Lediglich von einem Balkon in der Emanuelstraße filmten drei Vermummte.
Am Wismarplatz wurde die Demo gegen 18.30 Uhr von den Veranstaltern vorzeitig aufgelöst. Damit habe man Polizeiübergriffe vermeiden wollen, hieß es. Wie die Polizei mitteilte, wurden fünf Beamte leicht verletzt. Sie seien mit Flaschen, Steinen und Farbbeuteln beworfen worden. Die Frontscheibe eines Autos wurde zerstört, in dem sich eine Mutter mit ihrem Kleinkind befand. Beide blieben unverletzt. Ein Mann erlitt an der S-Bahnbrücke Karlshorster Straße eine Platzwunde am Kopf, als er von einer Flasche getroffen wurde.

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20.11.2011 Morgenpost
Demo gegen Rechts – Gedenken an Silvio Meier

Rund 2600 Menschen haben mit einer Demonstration in Berlin-Friedrichshain an den vor 19 Jahren getöteten Hausbesetzer Silvio Meier erinnert. Die Veranstaltung verlief friedlich. 600 Beamte waren im Einsatz.
Rund 2600 Menschen haben am Samstag in Berlin gegen Rechtsextremismus demonstriert. Sie erinnerten an den vor 19 Jahren ermordeten Hausbesetzer Silvio Meier. Er war im U-Bahnhof Samariterstraße von einem Neonazi erstochen worden. Von dort startete auch der Gedenkmarsch quer durch Friedrichshain in Richtung Lichtenberg. Unter den Demonstranten waren zahlreiche linke Gruppen. Nach Ende der Veranstaltung kam es zu kleineren Rangeleien zwischen Demonstranten und Polizei.
Vereinzelte Randalierer hätten Steine und Flaschen gegen Autos geworfen, sagte ein Polizeisprecher. Eine Person sei festgenommen, von einigen Demonstranten seien die Personalien aufgenommen worden. Ein Polizeibeamter habe sich leicht verletzt. Rund 600 Polizisten waren im Einsatz.
Auf Transparenten der Demonstranten war zu lesen „Occupy - Nazifrei“ und „Verfassungsverbot jetzt!“. Zu Beginn der Veranstaltung mit zunächst rund 800 Teilnehmern wurden auch Fotos von Mordopfern der Neonazis hochgehalten.
Während des Protestes kam es immer wieder zu kleineren Zwischenfällen. An der Ecke Liebigstraße Rigaer Straße wurden aus dem Demonstrationszug heraus Feuerwerkskörper gezündet, auf den Häuserdächern brannten Fackeln. Die Polizei schritt allerdings nicht ein. Die Demonstranten zogen auch durch den Weitlingkiez, der als rechte Hochburg gilt.
Bei der Ankunft in Lichtenberg wurde skandiert „Lichtenberg wir sind da – autonome Antifa.“ Der Protestzug führte auch an einem Neonazi-Treffpunkt vorbei, der von der Polizei abgeschirmt wurde. Dort waren erneut Sprechchöre zu hören. An vielen Fenstern in Lichtenberg gingen die Rollläden runter, als die Demonstranten vorbeizogen. Offiziell beendet wurde die Protestaktion gegen 18.30 Uhr am Wismar Platz in Friedrichshain.
In Jena in Thüringen hatten bereits am Freitagabend mehrere hundert Menschen der Opfer rechter Gewalt erinnert. Drei Neonazis aus der Stadt sollen für eine beispiellose Mordserie verantwortlich sein.

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20.11.2011 Radioformula
Participan alemanes en marchas a favor y contra de extrema derecha

Unas mil 300 personas se dieron en cita en Berlín para manifestarse contra el extremismo de derecha, en recuerdo del joven de 19 años Silvio Meier, asesinado por un neonazi en el metro de Berlín.
Miles de personas se manifestaron este fin de semana a favor y en contra de la extrema derecha en Alemania, mientras continúan las investigaciones y el escándalo desatado en torno a los asesinatos que cometieron tres neonazis.
Unas mil 300 personas se dieron en cita en Berlín para manifestarse contra el extremismo de derecha, en recuerdo del joven de 19 años Silvio Meier, asesinado por un neonazi en el metro de Berlín.
Desde allí partió una marcha hacia la zona de Friedrichshain, a la que se unieron numerosos grupos de izquierda portando pancartas en las que se leía "Ocupación-libre de nazis" o "¡Prohibición constitucional ahora!", en referencia al proyecto retomado de prohibir el partido NPD de extrema derecha.
Los manifestantes también llevaban fotografía de víctimas de asesinatos neonazis.
En la localidad de Remagen, en Renania Palatinado, los manifestantes fueron del otro signo: unos 650 policías acompañaron una marcha ante un monumento en recuerdo de un antiguo campo estadunidense donde se mantuvo detenidos a prisioneros de guerra alemanes, para evitar que depositaran una corona de flores ante el mismo.
La marcha fue acompañada también por varios cientos de contramanifestantes, que criticaron la autorización de la marcha neonazi por un tribunal de Koblenz, aunque no se produjeron incidentes.
Para este domingo, extremistas de derecha han anunciado una manifestación ante el monumento de otro antiguo campo de prisioneros de guerra.
Mientras tanto, Alemania continúa el escándalo en torno al caso que lo conmovió hace una semana.
El ministro del Interior, Hans Peter Friedrich, atacó directamente a las autoridades de seguridad por sus errores, al descubrirse que los contactos con los asesinos eran más estrechos de lo que se pensaba.
El ministro quiere incluso que los responsables de que no se descubriera el caso respondan por sus errores, al considerar que algunos fueron lamentables.
"No hay duda de que de una u otra forma tendrán que someterse a vergonzosos interrogatorios. Veremos qué es lo que fue mal en las estructuras y habrá consecuencias", señaló.
"Parece que las estructuras criminales eran mayores de lo que pensábamos y por ello más peligrosas, por no lograr descubrirla pese a su tamaño", señaló.
Por su parte, la canciller federal alemana, Angela Merkel, exigió el esclarecimiento completo de los asesinatos y pidió una mejor cooperación entre las autoridades de seguridad.
"Estos crímenes son una vergüenza para nuestro país", dijo en su mensaje semanal, mostrando su solidaridad con los familiares de las víctimas.
La búsqueda de quienes apoyaban al trío de asesinos avanza a todo ritmo. "Tenemos en vista a más personas", dijo un portavoz de la fiscalía de Karlsruhe.
Las investigaciones se amplían al entorno de la llamada célula de Zwickau. El viernes se supo que los investigadores tienen al menos a dos sospechosos más en el punto de mira, además de a los principales sospechosos Beate Zschäpe y Holger G.
La fiscalía atribuye a los extremistas de Jena Beate Zschäpe, Uwe Mundlos y Uwe Böhnhardt diez asesinatos. Las víctimas, entre 2000 y 2007 fueron ocho alemanes de origen turco y un empresario griego, así como una policía. Mundlos y Böhnhardt están muertos y Zschäpe y Holger G. en prisión preventiva.
En la vivienda quemada del trío neonazi en Zwickau se halló el sábado la segunda arma del crimen del asesinato de la policía, según informó la fiscalía. De momento no hay nuevas detenciones.
Pero el verdadero escándalo se debe a los contactos entre los servicios secretos y el trío de asesinos, según nuevos datos revelados por los semanarios "Spiegel" y "Focus".
La Unión Democristiana de Merkel y los socialdemócratas están considerando iniciar una unidad de investigación especial para aclarar los hechos.
Según el diario "FAZ", el mayor de derecha conservadora y el mas prestigiado del país, los liberales FDP quieren solicitar esa figura la próxima semana.
El Parlamento, la Presidencia y el Gobierno alemán prevén un acto conjunto en recuerdo de las víctimas. "Estamos de acuerdo en que debe haber un acto", dijo el presidente del Parlamento Norbert Lammert en declaraciones al dominical "Tagesspiegel am Sonntag". Notimex

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19.11.2011 Berliner Zeitung
Hunderte Menschen erinnern an Neonazi-Opfer

Zum Gedenken an den vor 19 Jahren von einem Neonazi erstochenen Hausbesetzer Silvio Meier haben zu seinem Todestag etwa 2600 Menschen in Friedrichshain demonstriert. Vereinzelt kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Rund 2600 Menschen haben am Samstag in Berlin gegen Rechtsextremismus demonstriert. Sie erinnerten an den vor 19 Jahren ermordeten Hausbesetzer Silvio Meier. Er war im U-Bahnhof Samariterstraße von einem Neonazi erstochen worden. Von dort startete auch der Gedenkmarsch quer durch Friedrichshain in Richtung Lichtenberg. Unter den Demonstranten waren zahlreiche linke Gruppen.
Nach Ende der Veranstaltung kam es zu kleineren Rangeleien zwischen Demonstranten und Polizei. Vereinzelt wurden Flaschen und Steine auf die Beamte geworfen. Es kam zu mehreren Personenkontrollen und einer Festnahme. Nach vorläufigen Angaben eines Sprechers wurden zwei Polizeibeamte verletzt, konnten ihren Dienst aber fortsetzen. Ein ebenfalls verletzter Passant musste ins Krankenhaus gebracht werden. Rund 600 Polizisten waren im Einsatz.
Auf Transparenten der Demonstranten war zu lesen „Occupy - Nazifrei“ und „Verfassungsverbot jetzt!“. Zu Beginn der Veranstaltung mit zunächst rund 800 Teilnehmern wurden auch Fotos von Mordopfern der Neonazis hochgehalten.
Während des Protestes kam es immer wieder zu kleineren Zwischenfällen. An der Ecke Liebigstraße Rigaer Straße wurden aus dem Demonstrationszug heraus Feuerwerkskörper gezündet, auf den Häuserdächern brannten Fackeln. Die Polizei schritt allerdings nicht ein. Die Demonstranten zogen auch durch den Weitlingkiez, der als rechte Hochburg gilt.
Bei der Ankunft in Lichtenberg wurde skandiert „Lichtenberg wir sind da - autonome Antifa.“ Der Protestzug führte auch an einem Neonazi-Treffpunkt vorbei, der von der Polizei abgeschirmt wurde. Dort waren erneut Sprechchöre zu hören. An vielen Fenstern in Lichtenberg gingen die Rollläden runter, als die Demonstranten vorbeizogen. Offiziell beendet wurde die Protestaktion gegen 18.30 Uhr am Wismar Platz in Friedrichshain.
In Jena in Thüringen hatten bereits am Freitagabend mehrere hundert Menschen der Opfer rechter Gewalt erinnert. Drei Neonazis aus der Stadt sollen für eine beispiellose Mordserie verantwortlich sein.

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19.11.2011 Tagesspiegel
Friedrichshain : 2500 Menschen erinnern an Silvio Meier
Etwa 2500 Menschen sind am Samstag in Gedenken an Silvio Meier durch Friedrichshain und Lichtenberg marschiert. Sie forderten die Umbenennung einer Berliner Straße in Gedenken an den vor 19 Jahren von Rechtsextremen ermordeten Hausbesetzer.

Auf der traditionellen „Silvio-Meier- Demo“ haben am Sonnabend in Friedrichshain und Lichtenberg etwa 2500 Menschen gegen Neonazis demonstriert. Sie versammelten sich um 15 Uhr am U-Bahnhof Samariterstraße, in dem der junge Hausbesetzer vor 19 Jahren von Rechtsradikalen erstochen worden war. Die Demo führte zunächst zu dem im Februar geräumten linken Wohnprojekt „Liebig 14“, danach ging es nach Lichtenberg, um in der Lückstraße gegen einen von Rechtsextremisten betriebenen Laden zu protestieren. Dieser war mit mehreren Mannschaftswagen von der Polizei abgesperrt worden. An mehreren Stellen auf der sieben Kilometer langen Demo flogen Böller und vereinzelt auch Steine auf die 600 eingesetzten Polizisten.

Ein Polizist wurde verletzt.
Glück hatte ein Verkehrspolizist auf einem Motorrad, der von einem Stein getroffen wurde, er blieb unverletzt. Einige Personen wurden festgenommen. In der Liebigstraße wurde von Hausdächern ein Feuerwerk abgebrannt. Die Demonstranten forderten, spätestens zum 20. Todestag von Silvio Meier solle 2012 eine Berliner Straße nach ihm benannt werden.
Aufgeheizt war die Stimmung unter den Demonstranten durch die Vorfälle der letzten Tage und Wochen. Aggressionen hatte auch der Brandanschlag auf das linke Jugendzentrum der Falken in Neukölln vor einer Woche geschürt.
Wie berichtet, geht die Polizei hier von einem rechtsextremistischen Hintergrund aus, Täter wurden noch nicht ermittelt. Die linke Szene macht Neonazis auch für den Überfall auf einen Afrikaner am Mittwoch verantwortlich. Vier Männer hatten den Schwarzen in Treptow mit Stöcken traktiert. Erst als der Angegriffene ein Messer hervorzog, flüchteten die Angreifer. Das Opfer erlitt schwere Blutergüsse. Thematisiert wurden am Samstag auf Plakaten auch die gerade aufgeklärten Morde durch die Jenaer Nazi-Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU). Am Montag, dem eigentlichen Todestag von Silvio Meier vor 19 Jahren, soll ab 17 Uhr im U-Bahnhof Samariterstraße eine Mahnwache stattfinden. Ha

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16.11.2011 Junge Welt
»Berlins Neonaziszene ist enorm gewalttätig«
Antifaschisten wollen an ermordeten Hausbesetzer erinnern. Rechte planen Angriff auf Gedenkdemo.
Ein Gespräch mit Lars Laumeyer (Pressesprecher der Antifaschistischen Linken Berlin)
Interview: Markus Bernhardt

Sie rufen für Sonnabend zur traditionellen Gedenkdemonstration für den Antifaschisten und Hausbesetzer Silvio Meier auf, der 1992 in Berlin von Neonazis ermordet wurde. Die Aktion richtet sich aber auch gegen einen Neonazitreffpunkt …
Die Silvio-Meier-Demo hat immer ausgezeichnet, daß neben dem Gedenken auch aktuelle neonazistische Bestrebungen in Berlin thematisiert wurden. Das sind wir den mehr als 140 Menschen schuldig, die seit 1990 durch Neonazis ermordet wurden. Nur stilles Gedenken würde aktiven Antifaschisten wie auch Silvio Meier nicht gerecht werden. Auch ihm war es wichtig, autonom dort aktiv gegen Neonazis zu werden, wo man ihnen begegnet.
Dieses Jahr richtet sich die Demonstration gegen den Neonazistützpunkt in Berlin-Lichtenberg. Dieser befindet sich in der Lückstraße 58 und dient als Treff für Angehörige der »Freien Kameradschaften« mit Mitgliedern der NPD. In dem ehemaligen Geschäft halten die Rechten Schulungen ab, bereiten ihre menschenverachtende Propaganda vor und treffen sich mit militanten Neonazis aus anderen Stadtteilen und Städten. Dieser Stützpunkt muß geschlossen werden – mit allen Mitteln und so schnell wie möglich.

Stimmt es, daß Berliner Neonazis Übergriffe auf die Silvio-Meier-Demonstration angekündigt haben?
Die Neonazis aus dem Umfeld des »Nationalen Widerstands Berlin« planen, den Frontblock der Demonstration mit Hochleistungslaserpointern zu attackieren. Diese Information kolportierten die Rechten über soziale Netzwerke – wir müssen dies deshalb ernst nehmen und entsprechend vorbereitet sein. Gerade in der Dunkelheit kann es durch solche Attacken zu schwersten Augenverletzungen kommen. Auch andere Angriffe sind nicht auszuschließen. So gab es schon vor vier Jahren einen Anschlag mit Farbbeuteln auf die Silvio-Meier-Demonstration in der Weitlingstraße.

Wie stark ist die neofaschistische Szene in Berlin zur Zeit?
Die Neonazis sind zugleich schwach und enorm gewalttätig. Nach den Wahlen im September hat die NPD in fast allen Bezirksverordnetenversammlungen ihren Fraktionsstatus verloren, in Berlin-Neukölln ist sie gar nicht mehr eingezogen. Vor den Wahlen hatten Neofaschisten mehrere linke Projekte attackiert und zum Teil angezündet, es kam zu Sachbeschädigungen und Gewalttaten. Während des Wahlkampfs agierten sie kaum gewalttätig, aber danach ging es wieder los.
Die rechte Szene in Berlin ist nicht besonders groß, und glücklicherweise mangelt es auch an politischem Geschick. Das zeigt allein der hardcorenationalistische Wahlkampf der NPD mit der Parole »Gas geben!«. Aber es gibt eine rechte Szene, die gewalttätig ist und ihre Infrastruktur ausbaut. Beispiele hierfür sind der Stützpunkt in Lichtenberg oder das Geschäft des Neonazis Sebastian Schmidtke in Schöneweide. Zudem bestehen bei den Berliner Neofaschisten ausgezeichnete bundesweite Kontakte, etwa nach Sachsen zum sogenannten »Freien Netz«, das im Zusammenhang mit den Neonazimorden in den Schlagzeilen ist. Mitglieder der Gruppe waren erst im Oktober zu Besuch bei den Faschisten, die sich in der Lückstraße eingenistet haben.

Die »Initiative für ein aktives Gedenken« hat in den letzten Monaten die Benennung einer Straße nach Silvio Meier gefordert. Wie ist diesbezüglich der aktuelle Stand?
In der letzten Legislaturperiode gab es in der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg den Beschluß, einen öffentlichen Ort im Gedenken an Silvio Meier zu benennen. Dieser Beschluß wurde von SPD, Grünen und Linkspartei getragen. Die Umsetzung allerdings wurde auf parlamentarischer Seite immer wieder verschoben und verschleppt.
Nun, nach den Wahlen, geht es vor allem darum zu sondieren, welche Fraktionen ein tatsächliches Interesse an einem öffentlichen Ort haben, der nach Silvio Meier benannt ist. Viele Einzelpersonen in der Initiative für ein aktives Gedenken verfolgen das Ziel einer Neu- oder Umbenennung, aber auch die Linkspartei in Friedrichshain-Kreuzberg ist hier als verläßlicher Partner zu nennen.
Silvio-Meier-Demo: Samstag, 19.November, 15 Uhr, U-Bhf. Samariterstraße

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15.11.2011 TAZ
Gefährliche Strahlen gegen Linke
Die Veranstalter der Silvio-Meier-Demo erwarten einen Neonazi-Angriff. Angeblich wollen die Rechten mit Hochleistungslasern angreifen.von Karen Grass

Äußerst ungemütlich könnte sie werden, die jährliche Silvio-Meier-Gedenk-Demonstration am Samstag: Nach Informationen der mitveranstaltenden Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) planen Neonazis einen Angriff mit Hochleistungslasern auf den "Frontblock" der Demonstration. "Diese Laser sind hoch gefährlich", sagte ALB-Pressevertreter Lars Laumeyer der taz. Wellenlänge oder Laserklasse ist der ALB nicht bekannt. "Da die Nazis im Internet schreiben, dass sie Demonstranten verletzen wollen, gehen wir von einer hohen Leistungsstärke aus", sagt Laumeyer.
Auf die Schliche gekommen sind die Linken den Nazis offenbar dank eines Aussteigers aus der rechten Szene. Um ihn zu schützen, will die ALB den Namen des sozialen Netzwerks nicht nennen, in das sie sich eingeloggt hat. Es soll sich um eine Domain mit Chat und Forum handeln, zu der man nur mit einem Privataccount Zugang hat.
Mit der jährlichen Silvio-Meier-Demonstration begehen Berliner Linke seit der Ermordung des antifaschistischen Hausbesetzers im Jahr 1992 dessen Todestag. Sie beginnt am Samstag um 15 Uhr an der U-Bahn-Station Samariterstraße in Friedrichshain, wo Meier von einem Neonazi erstochen wurde. Von dort zieht sie zum Weitlingkiez in Lichtenberg, bis heute eine Hochburg der rechten Szene.
"Hier wollen wir auf die hochaktiven Nazistrukturen in Lichtenberg hinweisen, die im Alltag häufig unbeachtet bleiben", sagte Laumeyer. Dort könnte es auch zur Kollision mit den Rechten kommen. Laut den Onlinerecherchen der ALB planen "einige" Neonazis aus dem Umfeld des Nationalen Widerstands Berlin (NW Berlin), die Demonstration im Weitlingkiez mit "mehreren" bereits gekauften Hochleistungslasern anzugreifen - vermutlich von Hausdächern aus.
Es wäre nicht das erste Mal, dass die ALB heimliche Planungen der rechten Szene in Berlin aufdeckt. So habe man zum Beispiel im Mai auf Facebook erfahren, dass eine angemeldete Nazidemo am Mehringdamm, statt, wie vorher öffentlich angekündigt, am S-Bahnhof Schöneweide starten würde, so Laumeyer.
Die NW-Gruppierung, die ehemalige Kameradschaften, die "Freien Kräfte" und Leute aus dem Umfeld der NPD bündelt, wird im Berliner Verfassungsschutzbericht 2010 zweimal im Zusammenhang mit den "Autonomen Nationalisten" genannt.
Doch die Linken kennen weder konkrete Drahtzieher noch die genaue Planung der Rechten für Samstag - so sie denn existiert. Der Polizei und dem Verfassungsschutz liegen bisher keine Informationen über eine Aktion vor. Die ALB habe jedoch ein Meldersystem im Weitlingkiez geplant. "Wir hoffen aber, dass die Nazis vorher öffentlichen Druck zu spüren kriegen und gar nicht erst kommen", sagte Laumeyer.

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22.10.2011 Radio Corax
Gespräch über das "Bündnis gegen Rassismus und Sozialchauvinismus"
Download bei Freie Radios

Wer sich mit den aktuellen Geschehnissen rund um Griechenland auseinandersetzt wird der kontroversen Diskussion der deutschen Gesellschaft nicht entkommen. Schuld an der Misere ist nicht das kapitalistische System, schuld sind „die Anderen“, die „Sozialschmarotzer“ und die "Pleitegriechen" – so lautet oftmals die Botschaft. Im Mai diesen Jahres gründete sich deshalb in Berlin das Bündnis gegen Rassismus und Sozialchauvinismus. Ein Gespräch mit K. von der Antifa Friedrichshain.

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24.09.2011 Berliner Zeitung
Räumungsklage gegen "Thor Steinar"-Laden endet mit Vergleich

Der wegen Verkaufs der bei Neonazis beliebten Kleidungsmarke "Thor Steinar" umstrittene Laden Tromsø darf noch mehrere Jahre bleiben und ändert dafür seinen Namen. Auf diesen Vergleich einigten sich Betreiber und Vermieter vor dem Berliner Kammergericht. Das Berliner Landgericht hatte 2010 einer Räumungsklage des Mieters recht gegeben. Dagegen hatte der Betreiber Berufung eingelegt.
Das Mietverhältnis für die Geschäftsräume in der Petersburger Straße in Friedrichshain endet nun spätestens zum 31. Januar 2015. Auch verpflichtet sich der Betreiber, künftig keinen skandinavischen Orts- oder Vornamen als Geschäftsbezeichnung zu verwenden. Tromsø ist der Name einer nordnorwegischen Stadt. Der Betreiber verwendet für seine Läden bevorzugt norwegische Städtenamen.
Unter dem Markennamen "Thor Steinar" wird Herren-, Damen- und inzwischen auch Kinderbekleidung vertrieben. Die Marke verwendet bei Motiven auf T-Shirts oder Jacken unter anderem Elemente der nordischen Mythologie. Die Kleidung ist bei Neonazis beliebt. Auf das Geschäft waren in der Vergangenheit mehrfach Anschläge verübt worden.

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23.09.2011 Störungsmelder
Tromsö vs. Tromsö

Das Berliner Kammergericht entschied am Donnerstag über die Räumung des Thor-Steinar-Laden „Tromsø“ in Friedrichshain. Das Mietverhältnis endet am 31.1.2015, danach wird es keine Verlängerung geben. Der Laden muss seinen Namen ändern und der neue Name darf keine skandinavische Stadt oder Vornamen enthalten. Aus Protest gegen den missbrauch des Städtenamens spielt Heute eine Band aus der Stadt Tromsø vor dem Thor Steinar-Geschäft.Der Gerichtsentscheid ist leider sehr unbefriedigend. Der Laden darf weitere 3,5 Jahre in Friedrichshain bestehen bleiben. Auch wenn eine Verlängerungsoption, die im Mietvertrag enthalten war, wegfällt, ist die erhoffte sofortige Schließung ausgeblieben. Auch die Namensänderung ist nur wenig tröstlich, schließlich ändert sich am Inhalt nichts.
Wer “Thor Steinar” und seine Hintergründe nicht kennt, mag die Kleidung für norwegische Outdoor Kleidung halten. Genau das ist Teil der Normalisierungsstrategie der Rechten Szene. Inzwischen gibt es mehre Nazimarken wie beispieslweise “Erik and Sons”, die ansprechend aussehen, anheimelnd-skandinavisch klingen und ganz nebenbei Nazi-Ideologie und Runen-Symbolik unters Volk bringen.
Wir stellen uns jeder Form von rechtsextremen Gedankengut und seiner Verbreitung entschieden entgegen. Die Zivilgesellschaft darf nicht nachlassen sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit zu wehren egal wo und in welchem Gewand sie auftritt. Der Protest muss weitergehen!
Das Engagement der Initiative gegen Rechts in Friedrichshain ist wichtig und genau richtig. Heute wird ab 17 Uhr ein unplugged Konzert am Frankfurter Tor stattfinden. Unter dem Titel „Tromsø gegen Tromsø“ spielt die Band Washington aus der norwegischen Stadt Tromsø gegen die Verwendung des Namens ihrer Stadt von „Thor Steinar“. Kommt zahlreich und zeigt: „Weg mit Thor Steinar!“
Vermieter können sich aber vor rechtsextremen oder in rechtsextremen Kreisen beliebten MieterInnen schützen und sich langwierige Rechtsstreits ersparen, indem sie eine entsprechende Klausel der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR), in ihre Mietverträge aufnehmen. Wir rufen alle VermieterInnen auf diese Klausel in ihre Mietverträge aufzunehmen und sich im Vorfeld über potenzielle MieterInnen zu informieren, um rechtsextremen oder in rechtsextremen Kreisen beliebten Gewerbe keine Räumlichkeiten in Berlin zu ermöglichen. Für Nazistrukturen gibt es keinen Platz in Berlin. Clara Herrmann

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23.09.2011 Endstation Rechts
Berliner Thor-Steinar-Laden darf bis 2015 bleiben – Proteste gehen weiter

Der Prozess um die Räumungsklage gegen den letzten Thor Steinar-Laden in Berlin endete vor einem Berliner Gericht mit einem Vergleich. Zwar darf der Betreiber den Namen Tromsø nicht länger verwenden, die Marke darf jedoch weiter vertrieben werden. Bereits heute starten die nächsten Proteste.

Das Berufungsverfahren vor dem 12. Zivilsenat des Kammergerichts Berlin ist mit einem Vergleich zu Ende gegangen. Die Prozessparteien hätten sich auf die Beendigung des Mietverhältnisses über die Geschäftsräume zum 31. Januar 2015 verständigt, erklärte die Präsidentin des Kammergerichts in einer Pressemitteilung. Weiterhin muss der Ladenbetreiber, die Skytec GmbH, ab November auf den gegenwärtigen Geschäftsnamen verzichten und darf auch künftig keinen skandinavischen Orts- oder Vornamen als Geschäftsbezeichnung verwenden.
Als Gewinner aus dem langwierigen Rechtsstreit dürfte vor allem der Betreiber herausgehen. So muss die Skytec GmbH lediglich den Namen des Geschäfts ändern. Auch die Nutzung skandinavischer Namen ist weiterhin möglich, es darf sich lediglich um keinen Orts- oder Vornamen handeln. Den Betreibern bleiben nun über drei Jahre, um eine weitere Lokalität in der Hauptstadt ausfindig zu machen. Die Klientel kann weiterhin wie gewohnt in die Petersburger Straße in Friedrichshain ziehen, um sich dort mit Thor Steinar-Klamotten einzudecken.
Markus Roth von der Antifa Friedrichshain scheint dies ähnlich zu sehen. Gegenüber der „taz“ kritisierte er die langwierige gerichtliche Auseinandersetzung. Ein anderer Name ändere nichts an der Attraktivität des Ladens für eine rechte und rechtsoffene Zielgruppe. Zugleich kündigte Roth wieder verstärkt zivilgesellschaftlichen Widerstand an.
Dieser beginnt bereits am heutigen Freitag – nur einen Tag nach Verkündung des Urteils. Die „Initiative gegen Rechts Friedrichshain“ lädt zu einem Konzert der Band „Washington“ am Frankfurter Tor ein. Die Musiker, die aus der norwegischen Hafenstadt Tromsø kommen, wollen so ihrem Protest gegen den bei Neonazis beliebten Klamottenladen Gehör verschaffen. Die Initiative hat unterdessen bereits angekündigt, bis zur Schließung im Jahr 2015 mit verschiedenen Aktionen über die Hintergründe der Marke aufzuklären
.

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23.09.2011 TAZ
Hauptsache nicht skandinavisch
Vergleich im "Tromsø"-Streit: Laden kann bis 2015 unter anderem Namen weitermachen.

Mit einem Vergleich endete am Donnerstag der juristische Streit um den "Tromsø"-Laden. Dieser vertreibt seit März 2009 in der Petersburger Straße 94 in Friedrichshain Kleidermarken, die vor allem in der rechten Szene beliebt sind.
Der Ladenbetreiber, die Skytec GmbH, muss die angemieteten Ladenräume spätestens bis zum 31. Januar 2015 verlassen. Darüber hinaus darf der Name "Tromsø" bereits ab dem 1. November 2011 nicht weiter geführt werden. Darauf verständigten sich die Prozessparteien. Das Berufunsgverfahren vor dem Kammergericht wurde damit hinfällig. Auch andere skandinavische Ortsnamen dürfen nicht verwendet werden. Im Dezember 2010 hatte das Landgericht eine Kündigung des Ladens durch die Hauseigentümer bestätigt. Dagegen hatten die Ladenbetreiber Berufung eingeht.
Markus Roth von der Antifa Friedrichshain kritisierte gegenüber der taz die langwierige gerichtliche Auseinandersetzung und den Ausgang des Verfahrens. So sei die Entscheidung über die Annahme der Berufung in den letzten Monaten mehrmals ohne Angabe von Gründen verschoben worden. Auch ändere ein anderer Name nichts an der Attraktivität des Ladens für eine rechte und rechtsoffene Zielgruppe. Daher sei wieder verstärkt zivilgesellschaftlicher Widerstand angesagt, damit der Laden verschwindet.
Der hatte sofort nach der Eröffnung des Ladens begonnen. Das Bündnis gegen Rechts in Friedrichshain organisierte zahlreiche Demonstrationen und Kundgebungen. Im Jahr 2009 wurde vor dem Laden ein Infocontainer errichtet, in dem über die rechte Subkultur und ihre Codes aufgeklärt wurde. Dabei sei das Ordnungsamt sehr kooperativ gewesen, lobte Roth. Seiner Meinung nach nutzen die Behörden aber ihre Spielräume ungenügend aus. "Im Bezirk Schöneweide sind Bezirksamt und Zivilgesellschaft gemeinsam gegen einen rechten Laden vorgegangen. Das gab es in Friedrichshain nicht."
Schon am kommenden Freitag wird der Widerstand gegen den Laden fortgesetzt. Dann wird um 17 Uhr die Band "Washington" aus der norwegischen Hafenstadt Tromsø am Frankfurter Tor in Friedrichshain ein Open-Air-Konzert geben. Damit wollen die Musiker dagegen protestieren, dass der Klamottenshop den Namen ihrer Stadt verwendet. Ob das Thema nach der gerichtlich angeordneten Namensänderung noch Aufmerksamkeit in Norwegen hervorruft, ist fraglich.

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05.09.2011 TAZ
Bezirk lässt Meier ruhen
Friedrichshain Bibliothek wird vorerst nicht nach dem ermordeten Silvio Meier benannt

Die Bezirkszentralbibliothek von Friedrichshain-Kreuzberg an der Frankfurter Allee wird vorerst nicht nach dem von Neonazis ermordeten Antifaschisten Silvio Meier benannt. Das hat der Kulturausschuss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) gegen die Stimmen der Linksfraktion beschlossen. Meier, der in der DDR-Opposition aktiv war und sich bereits gegen die aufkommende Neonazibewegung am Ende der DDR engagierte, wurde am 21. November 1992 von einem Mitglied der rechten Szene auf dem U-Bahnhof Samariterstraße durch einen Messerstich getötet. Die Fraktionen von SPD, Grünen und Linke hatten sich in der BVV darauf verständigt, eine Straße oder ein Gebäude im Bezirk nach Meier zu benennen. Die bisher noch namenlose Bezirkszentralbibliothek war im November 2010 eröffnet worden.
"Dieser Beschluss wurde jetzt mit der Entscheidung des Kulturausschusses ignoriert", kritisiert Damiano Valgolio von der Linken gegenüber der taz. SPD und Grüne erklärten, sie stünden auch weiterhin hinter dem Beschluss. Es werde jedoch mehr Zeit für die Bürgerbeteiligung gebraucht. Dieses Argument ist für Valgolio nicht stichhaltig. Schließlich sei die Initiative, einen öffentlichen Ort nach Silvio Meier zu benennen, aus der außerparlamentarischen Bewegung gekommen. Ein offener Brief mit dieser Forderung an die BVV Kreuzberg-Friedrichshain war von zahlreichen Stadtteil- und Antifa-Initiativen unterzeichnet worden.

"Zeichen des Gedenkens"
Auch in der kommenden Wahlperiode der BVV wird das Thema der Benennung wieder auf der Tagesordnung stehen, betont Initiativensprecherin Claudia Weber. Ziel sei noch immer, bis zum 20. Todestag von Silvio Meier im November 2012 mit der Namensgebung "ein öffentliches Zeichen des aktiven antifaschistischen Gedenkens im Kiez" zu setzen. Ob die Chancen dafür nach der Wahl besser oder schlechter sind, sei spekulativ. Wichtig sei weiterer außerparlamentarischer Druck. Die Forderung wird auch bei der diesjährigen Silvio-Meier-Demonstration, die alljährlich von Antifagruppen zum Todestag organisiert wird, eine Rolle spielen. PETER NOWAK

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25.07.2011 Neues Deutschland
Mit Flugblättern gegen rechte Schläger
Auch in »unverdächtigen« Stadtteilen wie Friedrichshain gibt es nicht nur Sachbeschädigungen

Im Berliner Sommer häufen sich Übergriffe von rechten Schlägern – selbst in eigentlich als »unverdächtig« geltenden zentralen Stadtteilen wie Friedrichshain.
Berliner Passanten lasen gestern neugierig die Plakate, die am Samstagabend an der Kreuzung von Landsberger Allee und Petersburger Straße geklebt wurden. Am 16. Juli wurde hier eine junge Frau im Punker-Outfit von rechten Schlägern schwer verletzt. Die Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, gibt an, kurz nach Mitternacht von fünf jungen Männern zunächst vulgär beschimpft worden zu sein. Einer der Männer habe ihr dann eine Flasche so fest auf den Kopf geschlagen, dass sie zerbrach. Die Frau musste mit einer Gehirnerschütterung, einer Jochbeinprellung und einem Haarriss am Scheitelbein behandelt werden. Sie wandte sich gemeinsam mit Freunden an die Organisation »Reach Out«, die Opfer rechter Gewalt betreut.
Markus Roth von der Antifa Friedrichshain setzt nun auf Zivilcourage. Schließlich war der Ort des Übergriffs, an dem sich mehrere S-Bahnhaltestellen, Kinos. eine Disco und ein Spätkauf befinden, auch nach Mitternacht belebt. Eine Passantin, die mit einem Flugblatt über den Angriff informiert wurde, erklärte, selbst schon solche Übergriffe gesehen zu haben. Andere Passanten reagierten eher desinteressiert. Vor allem jüngere Männer bekundeten gar Sympathien mit den Angreifern. Zwei junge Männer, die ein Flugblatt erhielten, erklärten sogar ganz offen mit der Naziszene zu sympathisieren.
Die Antifaaktivisten sind mit ihrer knapp 90-minütigen Aktion zufrieden. »Damit wollten wir dem Mythos entgegentreten, dass sich die rechte Szene in Berlin in letzter Zeit auf Sachbeschädigungen verlegt hat. Es gibt weiterhin eine gleichbleibend hohe Zahl von rechter Angriffe auf Personen«, betont Roth.
So habe die Antifa Friedrichshain in den Monaten Juni und Juli 2010 drei rechte Übergriffe in und um den Volkspark Friedrichshain registriert. Dort seien beispielsweise am 26. Juni innerhalb eines Zeitfensters von nur zehn Minuten vier Männer unabhängig voneinander aus einer Personengruppe angegriffen worden. Alle vier waren zuvor gefragt worden, ob sie schwul seien. Am 12. Juni dann wurden vier Anhänger der neonazistischen Autonomen Nationalisten beim Rufen rechter Parolen auf der Skaterbahn im Volkspark beobachtet.

> 01.08.2011 TAZ: Antifa registriert vermehrt rechte Überfälle

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11.07.2011 TAZ
Blockade reizt Fahnder
Der erfolgreiche Protest gegen eine Veranstaltung von Rechtspopulisten hat juristisches Nachspiel: Gegen den Kreuzberger Bürgermeister laufen Ermittlungen.

Anderthalb Wochen nachdem Proteste vor dem Kreuzberger Rathaus eine Sitzung der rechtspopulistischen Partei "Pro Deutschland" verhindert haben, laufen nun Ermittlungen gegen den Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne). "Es geht um Paragraph 21 des Versammlungsgesetzes", bestätigte eine Polizeisprecherin am Sonntag. Der Paragraph stellt es unter Strafe, nicht verbotene Versammlungen zu verhindern oder entsprechende Gewalt anzudrohen oder auszuüben. Dafür drohen eine Geldstrafe oder bis zu drei Jahre Haft.
Mehrere hundert Menschen hatten sich am 30. Juni an den Protesten gegen das Treffen der Rechtspopulisten beteiligt. Diese hatten zuvor gerichtlich durchgesetzt, dass sie in dem BVV-Saal tagen dürfen, nachdem ihnen der Bezirk zunächst wegen Belegungsengpässen eine Absage erteilt hatte. Zahlreiche Parteien und Organisationen hatten zu den Protesten vor dem Rathaus aufgerufen. Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) bezeichnete das Vorgehen später als "vorbildlich", da Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft gut zusammengearbeitet hätten.
Die Polizei gibt derzeit keine Auskünfte dazu, was genau Schulz vorgeworfen wird. Medienberichten zufolge geht es darum, dass Schulz keine Anweisung zum Räumen des Zugangs zu den Räumlichkeiten gegeben hatte. Schulz selber zeigte sich von den Ermittlungen überrascht. Er habe bislang nur über die Presse davon erfahren, die Polizei habe ihn nicht in Kenntnis gesetzt. "Der Sachverhalt erscheint mir nicht logisch", sagt er.
Die Ermittlungen, die nun die Staatsanwaltschaft übernehmen soll, wurden laut Polizei von Amts wegen eingeleitet - also nicht auf eine Anzeige hin. Schulz zufolge ist aber das Vorgehen vor Ort mit der Einsatzleitung der Polizei abgestimmt gewesen. "Es gab die gemeinsame Einschätzung, dass es keinen Sinn hat, die Situation zu verschärfen", sagt er. Man habe die Versammlung von "Pro Deutschland" nicht durchgesetzt, weil das vor Ort zu Gewalt geführt hätte, das sei auch die Einschätzung der Polizei gewesen.
Klose stützt diese Aussage: "Das Vorgehen ist merkwürdig, weil die gesamte Vorbereitung und auch der gesamte Tag in Zusammenarbeit mit der Polizei gelaufen sind." Sie hofft, dass Schulz weiterhin offensiv mit der Sache umgehen wird. "Erst einmal muss man abwarten, was es genau ist und juristisch gegenprüfen lassen." Wenn möglich solle dann dagegen vorgegangen werden.
"Ich würde sagen, dass die Polizei sich geärgert hat", vermutet Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen. Ihm ist die Situation nicht fremd: Im vergangenen Jahr wurde nach einer Sitzblockade am 1. Mai gegen ihn ermittelt, mittlerweise sei das Verfahren eingestellt worden. Lux kritisiert das Vorgehen bei den Ermittlungen gegen Schulz: "Es ist misslich, wenn zuerst die Medien davon erfahren und nicht der Betroffene selbst."
Barbara Seid von der Friedrichshain-Kreuzberger Linksfraktion war selbst bei den Protesten vor Ort. Sie widerspricht dem Vorwurf, Schulz habe versucht, die Versammlung zu verhindern. "Franz Schulz hat den Zugang gewährleistet, die Türen waren offen." Es sei die Bevölkerung gewesen, die den Zugang der Rechtspopulisten zu ihrer Sitzung durch die Proteste blockiert habe. Die Fraktion stehe voll hinter dem Vorgehen des Bezirksbürgermeisters.

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02.07.2011 Morgenpost
Mann wegen Thor-Steinar-Shirt attackiert

Einem 22-Jährigen wurde in Berlin-Friedrichshain sein T-Shirt zum Verhängnis. Weil das von der bei Rechtsradikalen beliebten Bekleidungsmarke "Thor Steinar" stammte, bekam er eine Bierflasche gegen den Kopf.

Weil er die bei rechtsradikalen beliebte Bekleidungsmarke „Thor Steinar“ trug, wurde ein 22-Jähriger am Donnerstag in Friedrichshain angegriffen. Der Mann war in der Libauer Straße unterwegs, als zwei unbekannte Täter ihm plötzlich mit einer Bierflasche gegen den Kopf schlugen. Durch die Wucht des Schlages stürzte der Mann auf die Straße. Der Vater des Mannes, der sich in einem Laden aufhielt, beobachtete den Vorfall und wollte seinem Sohn zu Hilfe eilen. Die Täter schlugen auch ihn nieder und traten anschließend auf den 48-Jährigen ein. Sie konnten unerkannt fliehen. Die Polizei vermutet, dass das Sweatshirt des Opfers Grund des Überfalls war. Die Marke „Thor Steinar“ ist bei Rechtsextremen weit verbreitet und dient auch als Erkennungsmerkmal der Szene. Wegen des vermuteten politischen Hintergrunds hat der Staatsschutz die Ermittlungen übernommen.
In Berlin protestieren verschiedene Gruppen seit Jahren gegen Thor Steinar. Dabei kommt es immer öfter zu Gewalt. Geschäfte, die die Marke verkaufen, werden mit Steinen oder Farbbeuteln attackiert und Menschen angegriffen. Erst in der Nacht zu Donnerstag wurde ein Sicherheitsmann von einem Unbekannten in Friedrichshain angegriffen. Gegen zwei Uhr früh überprüfte der Objektschützer gerade das Geschäft, als ihm ein Radfahrer gezielt in den Rücken trat und ihn dabei verletzte. Als der Polizist ihm noch hinterherrief und ihn aufforderte, stehenzubleiben, beleidigte ihn der Täter und fuhr mit seinem Rad davon. Der an Arm und Rücken verletzte Polizist musste in einem Krankenhaus ambulant versorgt werden. Auch in diesem Fall hat der Staatsschutz des Landeskriminalamts die Ermittlungen übernommen.

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01.07.2011 Spiegel-Online
Demonstranten blockieren "Pro Deutschland"-Veranstaltung

Die Kraftverhältnisse waren höchst ungleich verteilt: Etwa 20 Anhänger einer rechtspopulistischen Partei wollten eine Wahlkampfveranstaltung in Berlin besuchen - und trafen auf Hunderte Gegendemonstranten, eingeladen vom Bezirksbürgermeister. Das Treffen des rechten Rands fiel aus.

Berlin - Großer Auflauf zu einem Treffen von etwas mehr als einem Dutzend Personen: Mehrere hundert linke Demonstranten haben gewaltsam eine Wahlversammlung der rechtspopulistischen Partei "Pro Deutschland" in Berlin- Kreuzberg blockiert und verhindert. Sie versammelten sich am frühen Abend mit der Unterstützung des Grünen-Bezirksbürgermeisters Franz Schulz vor und im Bezirksamt in der Yorckstraße.
Insgesamt wollten nur etwa 20 Pro-Deutschland-Anhänger zu dem Treffen - sie wurden von der Polizei abgeschirmt und kamen nicht einmal bis zum Eingang. Die Polizei - obwohl mit 500 Mann rund um das Gebäude vertreten - verzichtete in dem heftigen Gerangel darauf, ihnen einen Weg durch die Menge zu bahnen. Die Sympathisanten von Pro Deutschland wurden schließlich von der Polizei in eine Seitenstraße geleitet und fuhren von dort zum Teil mit Taxis weg.
Die Situation drohte durchaus zu eskalieren. Die Rechtspopulisten und die Demonstranten beschimpften und bedrohten sich gegenseitig, die Polizei hielt die Gruppen auseinander. Zuvor hatte ein Polizeisprecher angekündigt: "Bei schwerwiegenden Vorfällen werden wir natürlich eingreifen." Friedliche Blockaden sollten toleriert werden.
Bereits am Nachmittag hatten Initiativen und linke Parteien im Foyer und anderen Räumen des Bezirksamts Informationsstände aufgebaut und Plakate befestigt. Bezirksbürgermeister Schulz hatte die linken Gruppen in das ehemalige Rathaus eingeladen, nachdem er erfolglos versucht hatte, die Versammlung gerichtlich zu stoppen.
Im Berlin-Wahlkampf sorgten in den letzten Wochen gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Links- und Rechtsextremisten für Aufsehen. So kam es kürzlich auf dem nahegelegenen Mehringdamm zu Schlägereien zwischen Neonazis, linken Demonstranten und der Polizei.
Zudem wurde am vergangenen Wochenende der NPD-Landesvorsitzende Uwe Meenen von sechs Männern überfallen und verprügelt. Zuvor waren bereits zwei NPD-Wahlkampfhelfer und ein NPD-Bezirkspolitiker Ziel von Angriffen .
In der Nacht zum Montag rächten sich vermutlich die Neonazis. Es gab fünf Brandanschläge auf alternative Wohnprojekte, ein Geschäft der linken Szene und ein Haus des SPD-nahen Jugendverbandes "Die Falken". Dabei könnte es sich um Racheakte aus rechtsextremen Kreisen gehandelt haben, hieß es in Sicherheitskreisen.

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01.07.2011 Morgenpost
Rechtspopulisten kapitulieren
Kreuzberger Anwohner vertreiben Pro Deutschland

Mit Sitzblockaden und einem bunten Straßenfest haben mehrere Hundert Menschen in der Kreuzberger Yorckstraße eine Tagung der als rechtspopulistisch eingestuften Bürgerbewegung "Pro Deutschland" im Rathaus verhindert.
Die teils mit Spannung, teils mit Sorge erwartete Tagung der als rechtspopulistisch eingestuften Bürgerbewegung Pro Deutschland im Kreuzberger Rathaus hat am Donnerstag zu Protesten von mehreren Hundert Menschen geführt. Am Ende schafften sie es, die Rechtspopulisten zum Rückzug zu bewegen.
Vor dem Rathaus an der Yorckstraße hatten sich bereits zwei Stunden vor dem geplanten Tagungsbeginn um 19 Uhr etwa 200 Menschen versammelt. Gemeinsam mit Vertretern zahlreicher Organisationen, Initiativen und Parteien verschafften sie ihrem Unmut gegen die Veranstaltung lautstark Luft. Beim Eintreffen der ersten Tagungsteilnehmer kam es zu Sitzblockaden. Die Vertreter von Pro Deutschland wurden von den Demonstranten mit Pfiffen und „Nazis-Raus“-Rufen empfangen.
Aufforderungen der Polizei, den Weg freizugeben, wurden ignoriert. Die Tagungsteilnehmer zogen sich daraufhin in die Großbeerenstraße zurück, obwohl die Polizei die Sitzblockade vor dem Rathaus zwischenzeitlich aufgelöst hatte. Nach Angaben der Polizei nahmen sich die 14 Pro-Deutschland-Vertreter zwei Großraum-Taxis, nachdem die Polizei eine gewaltsame Räumung des ebenfalls blockierten Treppenhauses im Rathaus abgelehnt hatte.
Die Polizei war mit einem Großaufgebot angerückt, um gegen befürchtete Ausschreitungen konsequent einschreiten zu können. Die 500 Einsatzkräfte hatten sich massiv in der Yorckstraße postiert oder standen in angrenzenden Straßen auf Abruf bereit, hielten sich jedoch bewusst zurück. Im Vorfeld der Tagung war bei Gegnern und Anhängern der islamfeindlichen Partei eine aggressive Stimmung zu beobachten. So waren in linksextremen Internet-Foren gewalttätige Gegenaktionen angekündigt worden.
Unter dem Motto „Bunt statt Braun – Friedrichshain-Kreuzberg gegen Rassismus“ hatte Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) dazu aufgerufen, ein Zeichen für ein weltoffenes und tolerantes Berlin zu setzen. Dafür war ein Treffen von Initiativen und Verbänden im Rathaus vorbereitet worden, welches als „Marktplatz gegen Rassismus“ zeitgleich zur Pro Deutschland-Tagung stattfinden sollte. Vor und im Rathaus waren Info-Stände von Migranten-Vereinen und konfessionellen Gruppen aufgebaut. Auf einer Bühne gab es musikalische Darbietungen.
Bezirksbürgermeister Schulz wertete die Gegenveranstaltung als großen Erfolg: „Pro Deutschland hat heute erfahren, dass diese Organisation hier nicht willkommen ist.“ Der BVV-Saal im ersten Obergeschoss war von privaten Sicherheitskräften abgeriegelt worden, die der Tagungsveranstalter engagiert hatte. Der Bezirksverband der Linkspartei erklärte, eine offen rassistische Partei wie Pro Deutschland habe in dem Bezirk nichts zu suchen und kündigte kreativen Protest an. „Deutsche und Migranten werden zusammen zeigen, dass hier für Rassismus kein Platz ist. Die islamfeindliche Hetze von Pro Deutschland ist ein Angriff auf alle, die hier leben“, sagte die Kreuzberger Direktkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl, Figen Izgin.
Auch die Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bezirk, Paula Riester, erklärte, der Protest solle deutlich machen, dass es in Friedrichshain-Kreuzberg keinen Platz für Rassisten und menschenverachtende Positionen gebe.
Die Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg hatten vergeblich versucht, die Veranstaltung von Pro Deutschland im Rathaus auf juristischem Wege zu verhindern. Das Berliner Verwaltungsgericht entschied Mitte Mai, dass das Bezirksamt den BVV-Saal zur Verfügung stellen müsse. „Das Bezirksamt muss eine Info-Veranstaltung von Pro Deutschland zur Vorbereitung der Abgeordnetenhauswahl im September dulden“, sagte Verwaltungsgerichts-Sprecher Stephan Groscurth zu dem Beschluss der Zweiten Kammer. Die Behauptung des Amtes, keine Termine freizuhaben, habe sich nach Prüfung des Gerichts nicht bestätigt.
Bereits Anfang März hatten etwa 500 Menschen in Zehlendorf gegen eine Versammlung von Pro Deutschland im dortigen Rathaus friedlich protestiert. Im Südwestbezirk war seinerzeit der Bezirksverband der Partei Die Linke mit dem Versuch gescheitert, per Eilantrag zeitgleich Räume im Zehlendorfer Rathaus für eine Veranstaltung zu nutzen.
Der Berliner Landesverband von Pro Deutschland hatte sich im Juni des vergangenen Jahres gegründet. Seither waren in kurzer Folge stadtweit Bezirksverbände von Pro Deutschland aufgestellt worden. Der jüngste hatte sich erst am 10. Mai in Friedrichshain-Kreuzberg konstituiert.

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01.07.2011 TAZ
Bunte Ballons gegen braun
Hunderte versammeln sich vor dem Rathaus Kreuzberg, um gegen den Parteitag der rechtspopulistischen Partei Pro Deutschland zu demonstrieren.

Bürgerprotest hat am Donnerstagnachmittag das Rathaus Kreuzberg übernommen. Mehrere hundert Menschen versammelten sich mit bunten Luftballons und Fahnen in der Yorckstraße. Im Foyer drängten sie sich um Infotische von türkischer Gemeinde, DKP und AWO. "Pro Mensch statt Pro Deutschland" stand auf einem Schild, statt der Bezirksflagge hing ein weißes Banner am Fahnenmast vor dem Rathaus: "Bunt statt braun, Friedrichshain-Kreuzberg gegen Rassismus". Daneben rappten Challa und Matondo "Gegen Nazis". Später tanzte eine ungarische Folkloretruppe.
Es war ein ganz und gar buntes Treiben von Vertretern zahlreicher Kiezvereine, die eines einte: ein Parteitreffen von Pro Deutschland am Abend verhindern. Die rechtspopulistische Partei hatte sich in den BVV-Saal geklagt, nachdem der Bezirk aufgrund von Belegungsengpässen eine Absage erteilt hatte.
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Das Wahlprogramm wolle man diskutieren, hatte Pro-Deutschland-Spitzenkandidat Manfred Rouhs im Vorfeld angekündigt. 60 Teilnehmer würden erwartet. In den Vormonaten tagte die islamfeindliche Partei bereits in anderen Bezirksrathäusern - stets unter Protest.
"Wir haben keinen Bock, dass sich hier eine Partei einnistet, die Probleme über die ethnische Schiene lösen will", sagte Barbara, die für den Kiezklub FSV Hansa einen Stand betreibt. Birol Ucan von der Kreuzberger Omar-Moschee kritisierte die pauschale Islamablehnung von Pro Deutschland: "Es gibt nicht den Ausländer oder den Moslem. Wir sind auch Teil des Kiezes." Auch Bezirksbürgermeister Frank Schulz (Grüne) hatte früher Feierabend gemacht und sich unter die Protestler gemischt: "Heute zeigt sich wieder die lebendige Vielfalt des Bezirks und die verteidigen wir."
Mehr als 150 Verbände und Einzelpersonen hatten zum Gegenprotest aufgerufen. In dem interkulturellen Bezirk sei für Rassismus, Hetze und Nationalismus kein Platz, so ein Aufruf.
Die Polizei begleitete den Abend mit einem Großaufgebot und blieb zunächst im Hintergrund. Als um 18.30 Uhr rund 20 Parteimitglieder eintrafen, versperrten ihnen die Demonstranten den Zugang zum Rathaus. "Nazis raus", skandierten die Protestierer. Die Polizei versuchte die Rechtspopulisten durch die Menge zu schleusen - vergebens. Es kam zu Drängeleien, der Protest blieb aber gewaltfrei. Eine dreiviertel Stunde später gaben die "Pro Deutschland"-Anhänger auf - sie traten in Taxis den Heimweg an. Vorm Rathaus feierten die Vereine noch bis zum späten Abend weiter, umso ausgelassener.

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01.07.2011 Fritz-Radio-Sendung
Was wollen die von uns?

Die rechte Szene brodelt immer mehr- zumindest drängt sich der Eindruck auf. Einer der Vorreiter in Sachen Rechtsextremismus: Die Bürgerbewegung "Pro Deutschland". Die Mitglieder nennen sich selber patriotisch und treten mit diesem Konzept sogar bei den diesjährigen Berliner Wahlen an. Dass sie eigentlich Islamgegner sind, wird natürlich geschickt verschwiegen.
Für den 30. Juni hatten die Leute von "Pro Deutschland" unter dem Motto "Auf nach Kreuzberg!" zu einer Diskussionsveranstaltung im Rathaus Kreuzberg eingeladen – so heißt es in der offiziellen Version. Was eigentlich dahinter steckt, ist eine ganz andere Sache.

Und wer ist gekommen?
Vor allem all die Leute unter Euch, die was dagegen hatten, dass sich die Anhänger der Rechtspopulisten im Multikultbezirk treffen. 300 Gegner waren es, die den Eingang des Rathauses blockierten und die 14 "Pro Deutschland"-Mitglieder mit "Nazis raus"-Rufen begrüßten. Es kam zu Rangeleien mit der Polizei. Die bekam selbst nach einer Stunde den Eingang nicht frei, sodass die Veranstaltung abgebrochen werden musste. FritzReporter Philipp Boerger war dabei.

http://www.fritz.de/neues_wort/aktuell/2011/06/beitrag11343.html

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30.06.2011 RBB
Erfolgreicher Protest gegen "Pro Deutschland"

Etwa 250 Demonstranten haben am Donnerstagabend im Berliner Stadtteil Kreuzberg eine Veranstaltung der rechtspopulistischen Partei "Pro Deutschland" verhindert. Wie ein Polizeisprecher mitteilte, blockierten die Demonstranten den Eingang zum ehemaligen Rathaus und ließen die Teilnehmer an der Pro Deutschland-Veranstaltung nicht hinein.
Die Polizei war mit rund 500 Beamten im Einsatz. Die Demonstranten hätten sich teilweise "sehr massiv" der Polizei entgegengestellt, sagte der Sprecher. Dennoch seien die Proteste weitgehend friedlich verlaufen.
Die rechte Partei hatte vor Gericht durchgesetzt, das Bezirksgebäude nutzen zu dürfen. Der grüne Bezirksbürgermeister Schulz hatte deshalb linke Gruppen ins Rathaus eingeladen, um die Veranstaltung - wie er sagte - aktiv, friedlich, entschlossen und präsent zu begleiten. Im Gebäude hatten Initiativen und linke Parteien seit dem Nachmittag Informationsstände aufgebaut und Transparente und Plakate aufgehängt.

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28.06.2011 TAZ
Kreuzberg gegen "Pro Deutschland"
Rechte wollen am Donnerstag im Bezirksrathaus tagen. Dort aber laden Vereine zu einem Fest.

Den Rechtspopulisten von "Pro Deutschland" droht der stärkste Gegenwind, den sie bisher in Berlin erlebt haben. Gegen ein Treffen der Partei am Donnerstagabend im Kreuzberger Bezirksrathaus machen dutzende Vereine und politische Organisationen mobil. Sie wollen parallel zur "Pro"-Sitzung einen "Markt gegen Rassismus" veranstalten - ebenfalls im Rathaus.
"Ich hoffe, dass die Bürger deutlich machen, dass die Thesen von Pro Deutschland inakzeptabel sind", sagt Franz Schulz (Grüne), Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg. Die Partei lade gesellschaftliche Diskussionen rassistisch auf und zeige einen ausgeprägten Islamhass. Schulz hofft auf rund 1.000 Gegendemonstranten.
Im Rathausfoyer in der Yorckstraße wollen sich ab 19 Uhr unter dem Motto "Bunt statt Braun" gut 20 Vereine mit Ständen präsentieren. Über 150 Organisationen und Einzelpersonen haben einen Protestaufruf unterzeichnet, etwa das Hebammenteam Kreuzberg, die Galiläa-Samariter-Gemeinde, der RAW-Tempel, die Türkische Gemeinde.
"Pro Deutschland" hatte sich in das Rathaus eingeklagt, nachdem der Bezirk mit Verweis auf Belegungsengpässe den Rechten abgesagt hatte. Seit Monaten tingelt die Partei durch Bezirksrathäuser, zuletzt vor zwei Wochen in Charlottenburg. "Pro"-Spitzenkandidat Manfred Rouhs kritisierte die Gegenproteste als "befremdliche Verwaltungsveranstaltung". Für die erwarteten 60 Teilnehmer werde man einen privaten Sicherheitsdienst engagieren, da sich im Rathaus keine Polizei aufhalten dürfe. Bürgermeister Schulz bestätigte die Anordnung, die qua Hausrecht ergangen sei. Bei Straftaten könne und werde die Polizei aber eingreifen. Schulz geht dagegen von einem "friedlichen Verlauf" aus.
Das islamfeindliche "Pro Deutschland" tritt im September erstmalig zur Wahl an. Nach Parteiangaben sind für die Landes- und BVV-Listen bereits die jeweils rund 2.500 benötigten Unterstützerunterschriften eingeholt. Lediglich für die Direktwahlkreise fehlten noch "einige hundert" Unterschriften, die bis Mitte Juli eingereicht werden müssen.

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07.06.2011 TAZ
Gedenken an Neonazi-Opfer
Eine Straße für Silvio Meier

Eine Initiative fordert, eine Straße in Friedrichshain nach dem ermordeten Antifa Silvio Meier zu benennen. Möglich wäre aber auch eine "Silvio-Meier-Bücherei". VON PETER NOWAK

In einem offenen Brief an die BVV Friedrichshain-Kreuzberg haben sich zahlreiche Initiativen und KünstlerInnen dafür eingesetzt, eine Straße im Bezirk nach Silvio Meier zu benennen. Der Hausbesetzer war 1992 am U-Bahnhof Samariterstraße von einem Neonazi erstochen worden. Zu seinem Todestag organisieren Antifagruppen jährlich die Silvio-Meier-Demonstration, an der Tausende meist junge Antifas teilnehmen. Aber auch andere zivilgesellschaftliche Gruppen engagieren sich seit Jahren im Gedenken an den Getöteten, an den auch eine Tafel im U-Bahnhof erinnert. Sie wurde in den letzten Jahren öfter zerstört und beschmiert.
Für Canan Bayram, die für die Grünen im Abgeordnetenhaus sitzt und ihren Wahlkreis in Friedrichshain hat, sind diese rechten Aktivitäten ein wichtiger Grund, eine Straße nach Meier zu benennen. "Damit würde ein Mensch geehrt, der sich schon in der DDR-Oppositionsbewegung gegen Neonazis engagierte und für seine Zivilcourage mit dem Leben bezahlte", meinte Bayram gegenüber der taz. Andererseits solle ein Zeichen gegen die fortgesetzten rechten Aktivitäten im Stadtteil gesetzt werden. Bayram berichtet von türkischen Händlern in der Umgebung, die ihr berichten, dass Gruppen von Neonazis an ihren Läden vorbeigelaufen sind. Nach den Recherchen des "Registers Friedrichshain", einer Initiative, die rassistische, antisemitische und homophobe Vorfälle dokumentiert, lag der Stadtteil mit diesen Aktivitäten im Jahr 2009 berlinweit an der Spitze.
Markus Roth von der Antifa Friedrichshain favorisiert dagegen die Benennung der vor einigen Monaten eröffneten Bezirkszentralbibliothek an der Frankfurter Allee nach Meier. Dabei dürfe es aber nicht bleiben: "Eine Bibliothek könnte mit Veranstaltungen oder Ausstellungen wichtige Arbeit im Kampf gegen rechts leisten." Laut Canan Bayram steht für die Initiative im Vordergrund, dass der Name Silvio Meier im Bezirk einen Ort bekomme. Das könnte mit der Bibliothek genauso geschehen wie durch eine Straße. Die Tatsache, dass die BVV sich bei Straßenneubenennungen auf Namen von Frauen beschränken will, ist für Bayram kein Hinderungsgrund. "Als Juristin weiß ich, dass es keine Regel ohne Ausnahme gibt. Im Falle eines Opfers von Nazigewalt wäre die vertretbar."
Da sowohl Grüne als auch Linke, die zusammen eine BVV-Mehrheit stellen, die Initiative unterstützen, könne es noch vor den Wahlen in Berlin einen Beschluss für Silvio Meier geben. Bayram drängt auf eine schnelle Entscheidung, die die Debatte nicht beenden würde. Die wird erst beginnen, wenn konkrete Straßen für die Umbenennung ins Gespräch kommen. "Wenn dadurch eine Diskussion über ein Opfer rechter Gewalt und aktuelle Neonaziumtriebe zustande kommt, wäre das ein großer Erfolg der Initiative", betont Bayram. Sollte sie Erfolg haben, könnten sie Nachahmer finden. So fordert ein Bündnis im Nordosten Berlins, eine Straße nach dem von Rechten im Jahr 2000 in Buch ermordeten Dieter Eich zu benennen.

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04.06.2011 Neues Deutschland
Integration vom Sockel holen
Auftaktveranstaltung des Bündnisses gegen Rassismus und Sozialchauvinismus

Es dauert eine Weile, bis der Festsaal gut gefüllt ist. Doch schließlich sind trotz Feier- und Sommertag gut 70 Menschen in den Kreuzberger Club gekommen: Zur Auftaktveranstaltung des Bündnisses gegen Rassismus und Sozialchauvinismus (BRS) sind die Stuhlreihen vor der Bühne voll besetzt. »Bis zur letzten Patrone« lautete das Motto am Donnerstagabend. Damit bezieht sich das Bündnis auf eine Rede von CSU-Politiker Horst Seehofer, der in seiner diesjährigen Aschermittwoch-Ansprache gegen eine »Zuwanderung in die deutschen Sozialsystem« wetterte.
Stellvertretend für das Bündnis sitzen Mitglieder von avanti Berlin, der Antifa Friedrichshain und TOP B3rlin auf der Bühne, um in drei Themenblöcken durch den Abend zu führen. Rassismus, Sozialchauvinismus und Rechtspopulismus sind die drei Kernbereiche, denen sich ein Workshoptag am vergangenen Wochenende widmete. Auch vorbereitend für die Auftaktveranstaltung wurden dort Themenfelder und Handlungsperspektiven diskutiert.
»Nazis kann man blockieren, Integrationsdebatten nicht.« Im Publikum wird heftig genickt. Dieser einleitende Satz des Moderators bringt den Abend auf den Punkt. Das Bündnis gegen Rassismus und Sozialchauvinismus hat sich aus der Situation heraus gegründet, dass Ausgrenzung und Rassismus längst wieder in Alltag und Politik Fuß gefasst haben. Dazu gehört unter anderem die inflationäre Verwendung der Begriffe Integration und MigrantIn. Es gelte, den Begriff der Integration zu delegitimieren und vom Sockel zu holen, so das Bündnis. Gemeint ist dabei die Integration als Forderung, sich einzubringen, egal, ob mit der vermeintlich fremden Kultur oder mit der wirtschaftlichen Leistungskraft. Wer sich nicht oder ungenügend einbringt, wird ausgegrenzt als unwillig, »Sozialschmarotzer« und »Integrationsverweigerer«. Eine derartige Politik setze jedoch ein nationalistisches, an Ökonomie und Kapitalismus orientiertes Weltbild voraus: Integration sei das Versprechen »Bring dich ein, und du kannst Teil unseres Deutschland werden«, so das Bündnis. Sozialchauvinismus sei dabei kein Klassenspezifisches Problem, sondern trete Gruppen- und Schichtenübergreifend auf: »Arm und Reich gegen noch ärmer.«
In dieses Weltbild hinein veröffentlichen nun Politiker als »Tabubruch« gefeierte Schriften gegen sozial schwächer gestellte und solche Menschen, deren »Migrationshintergrund« zwei Generationen zurück liegt. Als eigenständiger politischer Faktor habe Rechtspopulismus zum Rechtsruck der Gesellschaft beigetragen, sagt Moritz von avanti. Parteien wie Pro Deutschland und Die Freiheit hätten zwar als rechts außen verortete Verbände noch mit dem Nazistigma zu kämpfen, ihre Aktivitäten stießen jedoch kaum auf Gegenprotest. Wirkungsvolle Gegenwehr bedarf einer inhaltlichen, theoretischen Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Entwicklung. Den Grundstein dafür hat das Bündnis mit seiner Auftaktveranstaltung gelegt. Nun müssen konkrete Handlungsperspektiven erarbeitet werden.
Zum BRS gehören viele Berliner Gruppen, die seit Jahren antifaschistische oder antirassistische Arbeit machen. Zudem gehören die Linksjugend ['solid] Berlin, die Grüne Jugend Berlin sowie das Bündnis Rechtspopulismus Stoppen zu den Akteuren im BRS.

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01.06.2011 Junge Welt
»Uns geht es um ein aktives Gedenken«
Berliner Antifaschisten fordern Silvio-Meier-Straße zur Erinnerung an den 1992 von Neonazis ermordeten Hausbesetzer. Ein Gespräch mit Saskia Berger
Interview: Markus Bernhardt
Saskia Berger ist Sprecherin der »Initiative für ein aktives Gedenken«, www.aktivesgedenken.de

Sie fordern die Benennung einer Berliner Straße nach dem Hausbesetzer und Antifaschisten Silvio Meier, der 1992 von Neofaschisten in Berlin-Friedrichshain erstochen wurde, noch vor den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im September. Wie stehen die Chancen?
So gut wie noch nie. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain/Kreuzberg und ihre Ausschüsse befassen sich zur Zeit mit dem Thema. Drei Fraktionen signalisieren Unterstützung für unser Anliegen. Allerdings müssen wir es schaffen, daß bis zur Sommerpause eine Entscheidung gefällt wird. Denn nach der Wahl müßten wir wegen wahrscheinlich veränderter Machtverhältnisse wieder von vorn anfangen.
Silvio Meier wurde bereits 1992 ermordet. Warum zeigen sich die politischen Entscheidungsträger in der BVV erst jetzt gesprächsbereit?
Die Erinnerung an Silvio und das aktive Gedenken an diesen Nazimord hatte in den vergangenen 19 Jahren viele Formen, zum Beispiel die jährliche Mahnwache und die Silvio-Meier-Demonstration, die größte regelmäßige Antifa-Demo in Berlin. Auch eine Silvio-Meier-Straße wurde immer mal wieder gefordert. Parlamentarische Initiativen sind dem aber nicht gefolgt. Jetzt war es eben an der Zeit, diese Forderung in die BVV zu tragen. Nächstes Jahr ist Silvios 20. Todestag. Wir werden ihn nicht vergessen. Aber wir wollen auch, daß sich mehr Menschen mit seiner Geschichte als Antifaschist, Hausbesetzer und DDR-Oppositioneller sowie mit der Zeit kurz nach der »Wende« beschäftigen. Damals häuften sich Morde, Pogrome und Überfälle durch Neonazis. Die Opfer waren Flüchtlinge, Migranten, Punks und Antifaschisten.
Ihre Initiative hat außerdem angeregt, die neue Friedrichshainer Zentralbibliothek nach Silvio Meier zu benennen und dort eine Abteilung mit antifaschistischer Literatur und eine Dauerausstellung über ihn einzurichten. Wäre das nicht von größerem Nutzen als eine Straßenumbenennung?
Uns geht es wie gesagt um ein aktives Gedenken. Mit einer Silvio-Meier-Bibliothek als Ort der Information und Kommunikation könnten wir also gut leben. Besonders, wenn dort der Raum des Symbolischen verlassen wird, zum Beispiel durch eine Ausstellung oder durch Räume für antifaschistische Bündnistreffen.
Neofaschistische Gewalt nimmt in Berlin weiterhin zu. Erst kürzlich marschierten Neonazis fast ungestört von der Polizei sogar durch das linksalternativ geprägte Kreuzberg. Welche Rolle würde ein Erfolg Ihrer Initiative angesichts der aktuellen Ereignisse spielen?
Eine große. Wir waren total entsetzt von dem, was Polizei und Innensenat da abgezogen haben. Neonaziaufzüge mit dem Argument der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit bewußt geheimzuhalten und damit Antifaschisten das Recht auf Protest zu verweigern, ist ein politischer Skandal. Daß es dann auch noch zu Polizeiübergriffen auf Nazigegner kam, einige sogar festgenommen wurden und Nazis ungestört auf ihre Gegner einprügeln konnten, setzt dem Ganzen die Krone auf. Mit einer Straßenumbenennung könnte der Bezirk eine antifaschistische Position einnehmen und linkes Engagement würdigen. Das ist zwar nur ein kleiner Schritt, aber ein notwendiges Signal gegen rechte Gewalt und die dahinter stehende menschenverachtende Ideologie.
Sie erhalten für Ihr Vorhaben bereits jetzt Unterstützung antifaschistischer Gruppen, von Anwohnerinitiativen und Bezirkspolitikern. Wie wollen Sie den politischen Druck erhöhen?
Für unseren offenen Brief an die BVV konnten wir viele Initiativen, Kneipen, Unternehmen und Einzelpersonen aus dem Bezirk als Unterstützer gewinnen. Wer sich dem anschließen möchte, kann den Brief auf der Internetseite www.aktivesgedenken.de unterzeichnen. Außerdem arbeiten wir an einer Chronologie der Ereignisse um und nach Silvios Tod die auf unserer Homepage veröffentlicht werden soll. Um die Bevölkerung über unser Anliegen zu informieren, organisieren wir zur Zeit Infostände und Veranstaltungen. Wir wollen es jetzt einfach wissen!

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10.03.2011 Tagesspiegel
Mehr rechtsextreme Gewalt auch im Berliner Westen

Die neuesten Zahlen für das Jahr 2010 zeigen, dass die Anzahl der Angriffe in Ost und West sich zum ersten Mal die Waage halten. Die meisten Übergriffe gibt es aber nach wie vor in Friedrichshain.

Schläge, Bedrohungen und ein Brandanschlag: Die Opferberatungsstelle Reachout hat am Mittwoch die von ihr erhobenen Zahlen rechter Gewalt für das Jahr 2010 vorgestellt. Demnach stieg mit insgesamt 109 Fällen erstmals seit mehreren Jahren wieder die Zahl der Übergriffe. 2008 waren es noch 148 Angriffe, 2009 nur noch 102. „Eigentlich hatten wir gehofft, dass dieser Trend anhält“, sagte Reachout-Leiterin Helga Seyb.
Am häufigsten schlagen die Täter wie schon in den Vorjahren in Friedrichshain (16 Fälle) zu. Neu ist, dass Neukölln mit 15 Angriffen auf den zweiten Platz der Liste gerutscht ist. Dort habe es ganze „Angriffswellen“ der rechten Szene gegen alternative Cafés, Privatpersonen und Büros demokratischer Parteien gegeben, sagte Sebastian Wehrhahn von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus.
Viele der „Ziele“ seien zuvor auf einer rechten Internetseite aufgelistet worden.
Die wenigsten Gewalttaten wurden in Zehlendorf (2) und Steglitz (0) registriert. In der ehemals rechtsextremen Hochburg Lichtenberg wurden nur noch acht Fälle gemeldet. Das spreche für den Erfolg der vom Bezirk unterstützten Maßnahmen gegen die Neonaziszene. Auffallend ist, dass es inzwischen im Westen der Stadt beinahe genauso viele Angriffe gibt, wie im Osten. Bisher lag dort der Schwerpunkt. Mehr als die Hälfte aller Taten war rassistisch motiviert, 20 mal traf die Gewalt linke Jugendliche. Die Anzahl antisemitischer (8) und homophober (10) Taten blieb nahezu gleich. Die Täter sind laut Reachout häufig keine organisierten Neonazis, sondern zum Teil gewalttätige „Alltagsrassisten“. Auf der Webseite des Vereins findet sich eine Chronik der Angriffe und eine interaktive Karte der Tatorte. Doch nicht alle Fälle werden dort genannt. „Manche Menschen trauen sich nicht einmal Anzeige zu erstatten“, sagt Seyb. Die offiziellen Zahlen der Polizei liegen deshalb erfahrungsgemäß niedriger. Sie werden erst im April mit der Kriminalstatistik veröffentlicht.
Dass die Stadt vor rechten Schlägern auch im Jahr 2011 nicht verschont bleiben wird, zeigte sich erneut in der Nacht zu Mittwoch. Gegen 22.10 Uhr jagten zwei polizeibekannte Neonazis auf dem Bahnhof Lichtenberg eine Gruppe Asiaten über den Bahnsteig und riefen rassistische Parolen. Anschließend griffen sie einen zufällig anwesenden 26-jährigen Mann aus Polen mit einer zerschlagenen Bierflasche an. Er erlitt Schnittverletzungen an der rechten Hand. Noch im U-Bahntunnel konnten Bundespolizisten die beiden 20 und 21 Jahre alten Tatverdächtigen festnehmen. Die beiden betrunkenen Männer aus Marzahn-Hellersdorf zeigten sich äußerst aggressiv. Sie erwartet jetzt ein Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung.

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28.02.2011 Neues Deutschland
Nazi-Kleiderkammer pfui, Schenkladen hui
Gleich zwei Mal fanden am Sonnabend in Berlin-Friedrichshain Demonstrationen der linken Szene statt

Während sich ein Demoteilnehmer ein Shirt mit dem dürrem »Storch Heinar« als Motiv, einer Persiflage auf »Thor Steinar«, über die Daunenjacke gezogen hat, erscheinen andere in klassisch schwarzem Outfit. Rund 300 Leute ziehen am Sonnabend vom Boxhagener Platz zur Petersburger Straße. Dort befindet sich seit zwei Jahren der Bekleidungsladen »Tromsø«. »Wir demonstrieren gegen ihn schon zum fünften Mal«, sagt Gigi von der Initiative gegen Rechts in Friedrichshain.
Die Polizei hat die Straßenseite, auf der sich der Laden befindet, abgesperrt und ist massiv mit Zivilpolizei und Hundestaffel vor Ort. »Wir sind ausreichend vertreten«, gibt sich der Polizei-Pressesprecher vor Ort kurz angebunden. Vom Laden sieht man nicht viel, die Rollläden sind heruntergelassen, ein paar Farbeier haben ihre Spuren an der Fassade hinterlassen. »Für den Betreiber ist der Laden ein Prestigeobjekt«, sagt Gigi. Obwohl eigentlich fast kein Kunde mehr den Weg in den Laden findet, halte der Betreiber an ihm fest – immerhin ist es der letzte Bekleidungsladen in Berlin, der die bei Rechtsextremen beliebte Marke führt.
Der »Tromsø« in der Petersburger Straße wurde vor zwei Jahren eröffnet. Schnell formierte sich Widerstand, woraufhin der Vermieter dem Betreiber Skytec GmbH schon kurz nach Eröffnung die Räume kündigte und sich von dem Geschäft mit »patriotischer Bekleidung« distanzierte. Der Vermieter sah sich »arglistig getäuscht«. Im vergangenen Dezember bestätigte das Landgericht Berlin die Kündigung, wogegen der Betreiber Berufung einlegte. In dem Laden wird ausschließlich Bekleidung von »Thor Steinar« verkauft. Die Marke ist bei Rechten beliebt, da Symbole enthalten sind, die Nazisymbolen ähneln. Allerdings ist die Marke in der rechten Szene selbst in Verruf geraten. Laut Frank Metzger vom antifaschistischen Pressearchiv (Apabiz) sei ein Grund die starke kommerzielle Ausrichtung der Herstellerfirma Mediatex GmbH mit Sitz in Königs Wusterhausen. Trotzdem gehöre die Marke nach wie vor zum »rechten Schick«, berichtet Metzger.
»Im Prinzip haben sich in Bezug auf den Laden alle richtig verhalten«, sagt Gigi von der Initiative gegen Rechts. Der Vermieter hat schnell reagiert, der Bezirk hat sich klar positioniert, das Gericht hat mitgespielt. Nun hofft sie, dass auch das Kammergericht sich gegen den Laden ausspricht. Im gegenteiligen Fall könnte der Mietvertrag nämlich bis 2019 gültig bleiben.
Im Anschluss an den antifaschistischen Protest sammelte sich kurz darauf eine bunte Schar vor dem Schenkladen in der Scharnweberstraße 29 in Friedrichshain. Eine Sambagruppe spielt. Kurz vor 17 Uhr setzt sich der Zug aus rund 400 Teilnehmern von Technobeats geschaukelt in Bewegung. Der räumungsbedrohte Schenkladen hat neue Räume in der Jessnerstraße gefunden, es ist eine Umzugsdemo.
Der Vermieter sieht in dem sozialen Projekt Schenkladen ein kommerzielles Gewerbe, das Gericht folgte seiner Argumentation in der ersten Instanz. Nun hat sich der Gerichtsvollzieher für den 3. März angekündigt. »Wir sind froh, dass wir die neuen Räume gefunden haben«, sagt Benny vom Schenkladen, der die Demonstration angemeldet hat. »Vielleicht gibt es bei einem positiven Ausgang der Berufung bald zwei Schenkläden in Friedrichshain.« Für den Räumungstag, dem 3. März, ist um zehn Uhr eine Kundgebung vor dem alternativen Hausprojekt angemeldet.

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07.02.2011 TAZ
Tromsøs Bürgermeister empört

Der Bürgermeister der norwegischen Stadt Tromsø fordert, dass der letzte verbliebene Berliner "Thor-Steinar"-Laden den Namen ändert. Dessen Name "Tromsø" beschmutze die Stadt.

Arild Hausberg ist empört: "Ich will, dass der Name Tromsø von diesem Geschäft verschwindet", sagt der Bürgermeister. "Das ist eine Schändung des Namens unserer Stadt. Schließlich ist das eine Ladenkette, die mit Nazismus und Nazisymbolen flirtet." Hausberg ist Bürgermeister des nordnorwegischen Tromsø, einer Hafen- und Universitätsstadt mit 70.000 EinwohnerInnen.
Und er hält es für eine "Provokation", dass der "Thor Steinar"-Laden in Friedrichshain den Namen "Tromsø" trägt - schon seit Jahren. Weshalb er jetzt die Betreiberfirma schriftlich aufgefordert habe, "mit unmittelbarer Wirkung" auf die Verwendung dieses Namens zu verzichten. In den vergangenen Jahren hatten vor allem linke und Antifa-Gruppen immer wieder gegen die "Thor Steinar"-Läden protestiert. Vor wenigen Monaten schloss deswegen der Laden "Tønsberg" in Mitte; ein Geschäft im Europa-Center hatte nur wenige Tage geöffnet.
"Thor Steinar", eine vor allem bei Rechten beliebte Bekleidungsmarke, hat seine Shops vorwiegend nach norwegischen Städten benannt. Auch Teile des Sortiments tragen die Namen norwegischer und anderer skandinavischer Ortschaften. Neben Tromsø wollen deswegen auch Trondheim, Tønsberg, Narvik und Haugesund - so heißen "Thor-Steinar"-Läden in Erfurt, Nürnberg, Magdeburg und Rostock - gegen die Verwendung ihrer Städtenamen vorgehen. Koordiniert werden soll das über "Kommunenes Sentralforbund", den norwegischen kommunalen Zentralverband. Vor dem Hintergrund "der negativen Assoziationen, die sich an die Thor-Steinar-Produkte knüpfen", lehne man es ab, "mit diesen und den Haltungen, die diese repräsentieren" in Verbindung gebracht zu werden, sagt Bürgermeister Hausberg.
Man habe die Norwegische Botschaft in Berlin um Vermittlung gebeten, so Hausberg weiter, und er werde demnächst den norwegischen Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg bitten, sich persönlich einzuschalten. Schließlich verstehe man sich als eine Stadt, "die deutlich Abstand von allem nimmt, was mit Nazismus und Rassismus zu tun hat".
Es ist nicht das erste Mal, dass Norwegen sich gegen die Einvernahme durch "Thor Steinar" wehrt. 2008 erstattete der norwegische Staat Anzeige gegen die Firma, weil diese auf zahlreiche Kleidungsstücke ihrer Kollektion die norwegische Staatsflagge genäht hatte. Dieses Verfahren ging nach Auskunft des Außenministeriums in Oslo im März 2009 zugunsten Norwegens aus, und "Thor Steinar" habe auch eine "beträchtliche Geldbuße" zahlen müssen, so Botschaftsrätin Anne-Kirsti Wendel Karlsen.
Man stehe im Dialog mit der Firma, teilt die norwegische Botschaft mit. Doch habe "Thor Steinar" bislang keine Bereitschaft gezeigt, Geschäfts- oder Sortimentnamen zu ändern. Sollten die jetzigen Appelle nicht fruchten, haben zumindest einige der norwegischen Kommunen angekündigt, gerichtliche Schritte einleiten zu wollen. Anders als bei der Verwendung nationaler Symbole, wie einer Staatsflagge oder einem Staatswappen, dürften die Erfolgsaussichten für solche Klagen aber eher gering sein, da es einen Copyright-Schutz für Ortsnamen nicht gibt.
Selbst wenn es nur eine theoretische Chance gebe, mit einer Klage erfolgreich zu sein, wolle man die ausschöpfen, meint Petter Steen, Bürgermeister des westnorwegischen Haugesund, das neben dem "Thor Steinar"-Laden in Rostock auch Jeans ganz ungefragt seinen Namen leihen muss. Knut Fagerbakke, sein Kollege aus Trondheim, sieht das so ähnlich. Man sei das schon aus historischen Gründen schuldig: "Bei uns haben eine Menge von Leuten ihr Leben geopfert, um den Nazismus loszuwerden."

Die Besitzer der umstrittenen Kleidermarke “Thor Steinar” bekommen Ärger mit norwegischen Diplomaten. Die bei Rechtsextremen beliebte Marke wird hierzulande bevorzugt in Läden verkauft, die nordische Ortsnamen tragen. Der Bürgermeister von Tromsö beschwerte sich jetzt bei der norwegischen Botschaft in Berlin, weil er einen Imageverlust für seine Stadt befürchtet.

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05.02.2011 Störungsmelder
Städte in Norwegen streiten mit “Thor Steinar” um ihre Namen

Erneut Ärger für „Thor Steinar“: In den nächsten Tagen sind allerdings keine Aktionen von Linken zu erwarten, sondern Proteste norwegischer Diplomaten. Die bei Rechtsextremen beliebte Marke wird hierzulande bevorzugt in Läden verkauft, die nordische Ortsnamen tragen – etwa in einem nach der norwegischen Stadt „Tromsö“ benannten Geschäft in der Petersburger Straße 94. Nun will sich der Bürgermeister der Hafenstadt, Arild Hausberg, an Norwegens Außenminister Jonas Gahr Støre wenden, damit der Laden den Namen aufgibt. „Es entweiht den Namen von Tromsö, ich verlange, dass der Laden ihn entfernt“, sagte Hausberg der norwegischen Zeitung „iTromsø“.
Das Geschäft gehöre zu einer Ladenkette, die mit Nazi-Symbolen flirte. Der Bürgermeister hat auch die Norwegische Botschaft in Berlin kontaktiert und an die hinter der Marke stehende Firma Mediatex geschrieben.
Das Land Norwegen hatte die Firma schon 2008 wegen „widerrechtlicher Verwendung staatlicher Hoheitszeichen“ angezeigt. Die Modemarke will seitdem auf die norwegische Fahne als Symbol verzichten. „Den Gebrauch von Ortsnamen zu verhindern, ist hingegen rechtlich schwierig“, sagte die norwegische Botschaftsrätin Anne-Kirsti Wendel Karlsen dem Tagesspiegel. Bisher hätten sich vier norwegische Städte an die Botschaft in Berlin gewandt, um Mediatex aufzufordern, auf die norwegischen Namen zu verzichten. „Unsere Gemeinden fürchten um ihren Ruf“, sagte Karlsen. „Wir stehen im Dialog mit der Firma, bisher allerdings ohne Erfolg.“ Mediatex äußerte sich auf Nachfrage nicht.
Als „Tromsö“ in Friedrichshain 2009 eröffnet hatte, sind nach wenigen Tagen die Schaufensterscheiben zerschlagen worden, dann protestierte die linke Szene, schließlich wurde den Betreibern des Ladens gekündigt. Der Vermieter, die SF-Immobilienfonds-Gruppe, fühle sich getäuscht, weil in dem Laden die umstrittene Marke „Thor Steinar“ verkauft werde. Mediatex legte Rechtsmittel ein. Vor wenigen Wochen hat das Landgericht Berlin den Vermietern jedoch Recht gegeben. Nun wird die nächste Instanz entscheiden.
Erst 2008 wurden die Inhaber des Ladens „Tönsberg“ in der Rosa-Luxemburg-Straße dazu verurteilt, das Geschäft zu räumen. Ähnlich entschieden Richter in Leipzig und Magdeburg. Die Hausverwalter seien getäuscht worden, weil nicht deutlich genug gemacht worden sei, dass in dem Laden die bei Neonazis beliebten Pullover, Jacken und Hemden verkauft werden. Seit 2002 ist „Thor Steinar“ als Marke registriert.

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05.12.2010 Berlin rechtsaußen
Polizeieinsatz gegen Neonazis in Friedrichshain

In einem Hostel in Berlin-Friedrichshain zeigte eine vermummte Gruppe russischer Nazi-Hooligans eine Hakenkreuzfahne und zog randalierend durch das Gebäude.
In der Nacht von Samstag auf Sonntag kam es an der Warschauer Straße in Berlin-Friedrichshain zu einem mehrstündigen Polizeieinsatz. Eine Gruppe russischer Gäste eines Hostels war randalierend und vermummt durch das Gebäude gezogen. Dabei schwangen sie eine Hakenkreuzfahne und zeigten weitere Kleidungsstücke, die mit NS-Symbolik, etwa einem SS-Totenkopf, ausgestattet waren. Dies berichteten andere Gäste des Hostels.
Bei einem Mitglied der Gruppe stellte die Polizei ein Messer sicher. Die Hakenkreuzfahne konnte von der Polizei nicht mehr aufgefunden werden. Die eingesetzten Beamten der 22. Einsatzhundertschaft erklärten, dass sie daher kein Strafverfahren wegen Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen einleiten könnten. Auch der auf einem Fußballschal angebrachte SS-Totenkopf habe für einen Anfangsverdacht eine angeblich zu geringe Ähnlichkeit mit dem verbotenen Original gehabt, da die gekreuzten Knochen unter dem Schädel nicht vorhanden waren.
Die Entfernung der Randale-Truppe aus den Räumen des Hostels benannte der verantwortliche Einsatzleiter zudem als „Seviceleistung“ gegenüber dem Hotelbetreiber. Bei den russischen Hostelgästen handelte es sich um Anhänger eines Moskauer Fußballclubs, die auf der Rückreise von einem Spiel in den Niederlanden einen Zwischenstopp in Berlin eingelegt hatten.

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02.12.2010 TAZ
Kein Platz für Thor Steinar
Das Landgericht Berlin gibt einer Räumungsklage gegen den Thor-Steinar-Laden "Tromsø" in Friedrichshain statt.

Überraschend schnell kam das Urteil. Am Donnerstag entschied das Landgericht Berlin nach rund einstündiger Verhandlung, der Räumungsklage des Vermieters gegen den Thor-Steinar-Laden "Tromsø" in der Petersburger Straße stattzugeben. Eine Urteilsbegründung gab es noch nicht, die Entscheidung stehe aber fest, teilte ein Sprecher am frühen Abend mit.
Die Hamburger Immobiliengesellschaft SF hatte das Ladenlokal in Friedrichshain im Frühjahr 2009 an das Unternehmen SkyTec Outlets vermietet. SkyTec vertreibt dort die bei Rechtsextremen beliebte Marke Thor Steinar, was zu zahlreichen Protesten und Anschlägen auf das Geschäft führte. Schon zwei Wochen nach dem Einzug kündigte der Vermieter dem Unternehmen.
Doch das stellt sich quer. Dem Vermieter sei bereits im Bewerbungsschreiben die Marke Thor Steinar genannt worden, erklärte die Verteidigung vor Gericht. Genannt zwar schon, gab Hans-Gerhard Modes von der klagenden Immobiliengesellschaft zu, aber "eingebettet in eine Wolke aus Harmlosigkeit". Das Label sei in der Aufzählung mit anderen, neutralen Sportmarken untergegangen. Die Beklagten hätten auf das mit der Marke verbundene Konfliktpotenzial hinweisen müssen.
Einem Vergleichsangebot des Richters, wonach das reguläre Mietverhältnis bis Ende 2013 Bestand haben sollte, die Option auf zweimalige Verlängerung aber ausgeschlossen sei, stimmten die Vermieter in Anbetracht der voraussichtlichen Prozessdauer zwar zu - der Mieter SkyTec lehnte jedoch ab. Nachdem das Gericht nun die Räumung bestätigte, bleibt abzuwarten, wie die Mieter reagieren. Anwalt Modes rechnet damit, dass SkyTec entweder in die nächste Instanz geht oder das Vergleichsangebot doch noch annimmt.
Auch in der Rosa-Luxemburg-Straße in Mitte wurde im November bereits ein Thor-Steinar-Laden zum Ladenschluss gezwungen. Doch während an einem Ort erfolgreich gegen die Textilfirma vorgegangen wird, entsteht andernorts ein neuer Laden: Am Mittwoch eröffnete ein Thor-Steinar-Geschäft im Europa-Center.

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22.11.2010 Neues Deutschland
Vielstimmig gegen Rechts
Das Gedenken an den getöteten Hausbesetzer Silvio Meier ist mehr als ein stiller Trauermarsch

Mit mehr als 3000 Teilnehmern zog die Silvio-Meier-Demonstration am Samstag durch Friedrichshain. Wie sehr dieser Marsch notwendig ist, das zeigt die Schändung der Gedenktafel für den getöteten Hausbesetzer. In der Nacht auf Dienstag besudelten Unbekannte die Metallplatte in der U-Bahnstation Samariterstraße mit schwarzer Teerfarbe. Auf dem Zwischendeck wurde Silvio Meier vor 18 Jahren von dem Neonazi Sandro S. mit mehreren Messerstichen in die Brust getötet. Seitdem erinnern Antifaschisten jedes Jahr im November an die Tat. Für einen Vertreter der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) war die Farbattacke eine Provokation gegen die Gedenkdemonstration.
Der Anschlag ist aber auch eine Drohung. Er zeigt, dass die extreme Rechte trotz schwindender Strukturen noch immer handlungsfähige Akteure hat, die vor keiner Auseinandersetzung zurückscheuen. Die zumeist jugendlichen Demonstranten reagierten darauf und wollten ihrerseits ebenso Stärke zeigen: Die Reihen waren geschlossen, ihre Sprechchöre vielstimmig. Sie riefen zum Selbstschutz auf, darin sehen sie eine Notwendigkeit.
Denn das Friedrichshainer Register zählt in den alternativen Kiezen rund um die Frankfurter Allee die meisten rechtsextremen Vorfälle in der Stadt. In diesem Jahr hat die Initiative bis Ende Oktober bereits 75 Delikte dokumentiert, darunter häufig Nazischmierereien, aber auch Drohungen und Verletzungen. Zuletzt ereignete sich im Juli 2009 an der S-Bahnstation Frankfurter Allee ein beinahe tödlicher Übergriff, der dem gegen Silvio Meier ähnelt: Auch der Antifaschist Jonas K. geriet mit seinen Freunden mit Neonazis aneinander, die durch Thor-Steinar-Kleidung auffielen – eine bei Rechten beliebte Marke. Der Konflikt wurde handgreiflich, Jonas K. ging zu Boden und überlebte nur mit Glück die Bordsteinkicks des Neonazis Oliver K.
Die Polizei fand heraus, dass einer der Rechten dem Schwerverletzten prophezeite: »Du Zecke wirst nicht mehr aufstehen.« Auch bei der Messerattacke auf Silvio Meier tönten die Täter: »Jetzt haben wir es euch gezeigt, ihr linken Säue.« Trotz dieser Verbalattacken wurde ein rechtsextremer Beweggrund bei beiden Vorfällen anfangs geleugnet. Erst nach Protesten räumten die Ermittler ein, dass Hass gegenüber Andersdenkenden ein Motiv für die Brutalität der Neonazis war. Jetzt fordert der Ortsverband der LINKEN zusammen mit der örtlichen Antifa, in Friedrichshain eine Straße nach Silvio Meier zu benennen. Franz Schulz, der grüne Bezirksbürgermeister, unterstützt das Bestreben: Zivilcourage gegen Rechts zu würdigen, sei ein wichtiges Signal.
In uniformer schwarzer Kleidung schoben sich die Protestierer in der Abenddämmerung durch den Friedrichshainer Südkiez. Aus den Nebenstraßen strömten scharenweise Nachzügler hinzu, bis der Marsch auf der Warschauer Straße beide Fahrspuren einnahm. Von den Dächern zündeten Aktivisten bengalischen Fackeln und Feuerwerksraketen. Dazu spielten die Veranstalter im Lautsprecherwagen Songs, die auch im Fußballstadion nach einem Tor ertönen. Ein wenig feierten sich die Protestierer selbst.
Die Polizei hielt sich auffallend zurück, war aber in den Nebenstraßen mit vielen Kräften einsatzbereit. Nur vereinzelt gab es Anfeindungen zwischen Ordnungsmacht und Demonstranten, selten Rangeleien, in denen die Protestierer mit geballten Fäusten in der Tasche vor den Beamten standen. Zuletzt wurden in Berlin Stein- und Flaschenwürfe auf linken Demonstrationen als Mordversuche gewertet, und die Staatsanwaltschaft setzte drakonische Strafen an.
Für die tödlichen Messerstiche auf Silvio Meier musste der 17-jährige Haupttäter Sandro S. wegen Totschlags für viereinhalb Jahre ins Gefängnis. Anfang dieses Jahres wurde Oliver K., der Jonas K. beinahe totgetreten hätte, zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt.

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22.11.2010 TAZ
Tausende gedenken Neonazi-Opfer

Mehr als 3.000 Menschen gehen zur Silvio-Meier-Gedenkdemo. Die Proteste gegen Nazigewalt verlaufen weitgehend friedlich. Erst am Ende kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Autonomen und Polizei.

Die Frauen geben den Ton an: "Schießt den Nazis in den Hoden! Deutsches Blut auf deutschem Boden", tönt es aus den ersten Reihen. Es ist kein Zufall, dass bei der Silvio-Meier-Demo am Samstag in den ersten Reihen nur Frauen marschieren. Die Veranstalter wollen tradierten Geschlechterrollen bei Protestveranstaltungen entgegenwirken.
Das offizielle Motto der Demo lautet indes: "Kampf den Nazis, Kampf dem Staat". Mit der jährlichen Kundgebung erinnert die linke Szene an den Antifaschisten und Hausbesetzer Silvio Meier, der vor 18 Jahren in Friedrichshain von Neonazis niedergestochen wurde. Der Protestzug zählt zu den Höhepunkten im Terminkalender der Berliner Antifas. Diesmal haben Nico Nussinger vom Silvio-Meier-Bündnis zufolge 3.500 Menschen demonstriert, die Polizei geht von 3.000 Teilnehmern aus - das wären immer noch 50 Prozent mehr als im Vorjahr.
Um 15 Uhr versammeln sich die die Nazigegner an der U-Bahnstation Samariterstraße, dort, wo Silvio Meier ermordet worden ist. Vermummte zünden auf einem Dach gegenüber der Bahnstation Feuerwerksraketen und Bengalfeuer. Die Route führt kreuz und quer durch Friedrichshain, zwischendurch gibt es antifaschistischen Geschichtsunterricht. Ein paar Teilnehmer haben Regenschirme mitgebracht - sie wollen die Polizei daran hindern, sie zu filmen. Denn die Einsatzkräfte halten die Videokameras ständig am Laufen. Das sei nicht rechtens, kritisieren später die Kritischen JuristInnen von der Freien Universität, die das Vorgehen der Polizei beobachten.
Als der Zug in der Gubener Straße hält, bilden sich im Supermarkt schnell lange Schlangen - die Demonstranten versorgen sich mit Proviant. Draußen klärt ein Redner über Zwangsarbeit im Dritten Reich auf. Die Polizei hält sich überwiegend im Hintergrund, auch die Demonstranten bleiben friedlich: Sie halten sich an die geänderte Route, nachdem die Beamten den ursprünglich geplanten Weg an einer Polizeistation vorbei untersagt hatten. Der Weg dorthin ist mit Fahrzeugen versperrt.
Als die Dunkelheit hereinbricht, wird die Stimmung angespannter. Nun sind nicht mehr nur Frauen an der Spitze, statt dessen drängen sich Autonome nach vorn und geben den Ton an. In der Schreinerstraße lösen die Veranstalter die Demo auf Höhe Samariterstraße vorzeitig auf. Die Autonomen aber machen weiter: Sie rennen in die Samariterstraße, wo sich keine Polizei befindet, und zünden Böller. Einsatzkräfte eilen hinterher, es kommt zu Handgreiflichkeiten. In der Rigaer Straße fliegen Flaschen. Sie verfehlen unbeteiligte Passanten sowie eine Fotografin nur knapp. Auf der Kreuzung Rigaer/Samariterstraße kreist die Polizei die Demonstranten nach langem hin und her schließlich ein.
Die Polizei fordert mehrfach auf, den Platz zu räumen. Als nach einer halben Stunde nichts geschieht, schickt sie ein Antikonflikt-Team vor. Immer wieder kommt es zu Handgreiflichkeiten zwischen den Linken und der Polizei. Die Juristen von der FU sprechen von unnötiger Polizeibrutalität. Erneut fliegen Flaschen.
Am Ende hat die Polizei 17 Demonstrationsteilnehmer festgenommen. Sieben Einsatzkräfte werden durch
Stein- und Flaschenwürfe leicht verletzt. Die Festgenommenen müssen unter anderem mit Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz, versuchter Gefangenenbefreiung sowie Sachbeschädigung und Körperverletzung rechnen. Insgesamt zieht die Polizei dennoch die Bilanz: Es war friedlich.

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21.11.2010 EPD
Mehrere Tausend Menschen bei Silvio-Meier-Gedenkdemo
Beobachter kritisieren rigide Vorkontrollen der Polizei und Filmaufnahmen

Berlin (epd). Zum Gedenken an den 1992 von Neonazis getöteten Punk Silvio Meier haben am Sonnabend in Berlin-Friedrichshain mehrere Tausend Menschen weitgehend friedlich gegen Rassismus und Rechtsextremismus demonstriert. Wie die Polizei am Sonntag in Berlin mitteilte, kam es zu "einzelnen Sachbeschädigungen" an geparkten Autos. Nach Veranstalterangaben nahmen rund 4.000 Menschen an der Demonstration teil. Aufgerufen dazu hatten mehrere linke Gruppierungen. Die Polizei war mit über 500 Beamten im Einsatz.
Demonstrationsbeobachter der Kritischen Juristen der FU Berlin kritisierten rigide Vorkontrollen der Demonstrationsteilnehmer durch die Polizei. Anstatt nur vereinzelte Stichproben vorzunehmen, seien von einzelnen Polizeigruppen "sämtliche zuströmende Personen" kontrolliert worden, heißt es in einer Pressemitteilung. Zudem sei die Demonstration "teilweise flächendeckend" gefilmt worden, obwohl laut Urteil des Berliner Verwaltungsgerichtes dies nur noch bei erheblicher Gefahr für die öffentliche Sicherheit zulässig ist.
Im Anschluss an die Demonstration kam es nach Polizeiangaben in der Rigaerstraße aus kleineren Gruppen heraus zu Flaschen und Steinwürfen auf Polizisten. Insgesamt wurden 17 Menschen vorübergehend festgenommen. Sieben Einsatzkräfte wurden leicht verletzt. Demonstrationsbeobachter warfen der Polizei vor, mehrere Menschen, die den Ort der Auseinandersetzung verlassen wolllten, geschlagen zu haben, darunter eine Journalistin.
Silvio Meier, der zur Hausbesetzerszene gehörte, war am 21. November 1992 mit ein paar Freunden in Streit mit Rechtsextremisten geraten. Nach einem Wortgefecht riss Meier einem Neonazi einen Aufnäher von der Jacke. Danach wurde er mit einem Messer angegriffen und so schwer verletzt, dass der 27-Jährige kurze Zeit später starb.
Antifa-Gruppen nehmen jährlich den Tod Meiers zum Anlass, um auf rechte Aktivitäten aufmerksam zu machen. Wenige Tage vor dem Jahrestag war die Gedenktafel für Silvio Meier im U-Bahnhof Samariterstraße von Unbekannten beschmiert worden. Ein Bezirksbündnis hat die Benennung einer Straße nach dem Opfer vorgeschlagen.

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19.11.2010 TAZ
Das Glück des Vergessens

Im Juli 2009 wird Jonas K. von Neonazis in Friedrichshain fast totgeschlagen. Trotzdem engagiert er sich weiter gegen rechts - auch auf der Silvio-Meier-Demonstration am kommenden Samstag.
Nichts ist mehr da, keine einzige Erinnerung. Als Jonas K. wieder zu Hause ist, nach zwei Wochen Krankenhaus und vier Wochen Reha, blättert er durch Zeitungsartikel über einen Mordversuch von Neonazis an der Frankfurter Allee. Vier Rechtsextreme schlagen einen jungen Mann zusammen, einer tritt ihm mit Bordsteinkicks voller Wucht auf den Kopf. Der 22-Jährige überlebt. "Der Typ hat echt Glück gehabt", denkt Jonas K. Der Typ ist er.
"Retrograde Amnesie" attestieren die Ärzte Jonas K. am Krankenbett. Zeitweiliger Gedächtnisverlust. Der 12. Juli 2009, die Tage danach - alles ausgelöscht. Es ist der Zeitpunkt, an dem für Jonas K. beinah alles vorbei gewesen wäre. "Vielleicht", sagt er heute, "ist es am besten, nichts mehr davon zu wissen."

Silvio-Meier-Demonstration

Es ist der traditionsreichste Antifa-Aufzug der Hauptstadt: die jährliche Silvio-Meier-Demonstration. Bereits zum 18. Mal soll am Samstag an den 1992 von einem Neonazi ermordeten Hausbesetzer Silvio Meier sowie an aktuelle Fälle rechtsextremer Gewalt erinnert werden. Die Demo unter dem Motto "Kampf den Nazis, Kampf dem Staat" startet um 15 Uhr am U-Bahnhof Samariterstraße im Friedrichshain.
An diesem Ort war der 27-jährige Silvio Meier erstochen worden, nachdem er versucht hatte, einem Neonazi einen rechten Aufnäher von der Jacke zu reißen. 2009 besuchten mehr als 2.000 Menschen die Gedenkdemonstration. Ähnlich viele werden in diesem Jahr erwartet.
Im Friedrichshain ereignete sich im Juli 2009 auch die brutalste Tat von Neonazi-Gewalt der letzten Zeit gegen den damals 22-jährigen Jonas K. (siehe oben). Laut Sabine Kritter von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus hat der Überfall Aktivisten wie die Initiative gegen rechts oder das Register Friedrichshain in ihrem Engagement bestärkt. Die Tat habe aber auch gezeigt, dass im Bezirk noch einiges getan werden muss.
Laut dem Register Friedrichshain führt der Bezirk seit 2006 die Statistik rechtsextremer Vorfälle in Berlin an. Für 2010 dokumentierte die Initiative 75 rechte Vorfälle bis Ende Oktober. Die meisten betreffen Propaganda-Delikte, jeweils etwa ein Dutzend Fälle sind aber direkte Angriffe oder Bedrohungen.
Zuletzt waren auch in Kreuzberg und Neukölln alternative Läden oder Geschäftsstellen von Parteien mit rechten Symbolen beschmiert oder beschädigt worden. In der Nähe von Wohnungen vermeintlicher Neonazi-Gegner wurden Drohungen gesprayt. Ende Oktober gab es einen Brandanschlag auf den linken Infoladen m99 in Kreuzberg.
"Die Nazis werden wieder dreister", so Nico Nussinger, Sprecher des Silvio-Meier-Bündnisses. Antifa-Gruppen vermuten den Nationalen Widerstand Berlin hinter den Taten, eine lose organisierte Neonazi-Gruppe um den Kameradschaftler und NPD-Landesvize Sebastian Schmidtke. "Es gilt diese Täter aus der Deckung zu ziehen", so Lars Laumeyer von der Antifaschistischen Linken Berlin. Für Nussinger ist das offensivere Auftreten der Rechtsextremen auch dem von Sarrazin & Co popularisierten Alltagsrassismus geschuldet. "In diesem Fahrwasser können sich Nazis als Vollstrecker des Volkszorns gegen Migranten und Andersdenkende aufspielen." Die Demo richte sich daher auch gegen bürgerlichen und staatlichen Rassismus.
Es soll aber nicht nur beim Demonstrieren bleiben. Eine Initiative linker Gruppen und der Linkspartei will bis November 2012 eine Straße, öffentliche Einrichtung oder einen Platz in der Nähe des U-Bahnhofs Samariterstraße nach Silvio Meier zu benennen. Er werde sich persönlich für die Initiative einsetzen, verspricht Franz Schulz, Grünen-Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg. "Zivilcourage gegen Rechtsextremismus zu würdigen wäre ein wichtiges Signal", so Schulz.

Nichts lässt sich der Neuköllner anmerken, wenn er über den 12. Juli spricht. Gelassen nippt er an seiner Club Mate in einem hellen, hippen Friedrichshain-Café. Das schwarze Basecap schräg aufgesetzt, schwarz gerahmte Brille, ein weiter Pullover, Hopper-Style. "Mir gehts gut", sagt Jonas K.. Körperlich sei er wieder fit, es gebe keine bleibenden Schäden. "Psychisch ist das eine andere Geschichte." Er habe aber gelernt, mit den seltenen, plötzlichen Angstgefühlen umzugehen. Regelmäßig trifft er sich mit einem Therapeuten. "Sonst ist alles wie früher, nur dass zwischendurch etwas passiert ist, wovon ich nichts weiß."
Es war spät geworden an diesem Samstagabend 2009. Jonas K. ist mit Freunden aufeiner Party in einer Alternativkneipe in Friedrichshain. Mit einer Freundin und einem Kumpel bricht er Richtung S-Bahnhof Frankfurter Allee auf. Das ist das Letzte, woran er sich erinnern kann.
Die Polizei rekonstruiert das Folgende: Kurz vorm Bahnhof, im Gang zwischen Bahnbrücke und Einkaufscenter, sprechen gegen 5.30 Uhr zehn Linke vier Neonazis auf ihre Thor-Steinar-Klamotten an. Die Marke erfreut sich unter Neonazis Beliebtheit. Unter den Linken soll sich auch Jonas K. befinden. Die Thor-Steinar-Träger kommen gerade aus dem Jeton, einer von Rechten frequentierten Disko gleich in der Nähe. Es wird ruppig, ein Linker verpasst einem Neonazi eine Platzwunde am Kopf. Die Rechten schlagen zurück, die Linken ergreifen die Flucht. Nur Jonas K. bleibt am Boden liegend zurück. Einer der Neonazis, Oliver K., schlägt und tritt immer wieder zu. Er schleift den bewusstlosen Jonas K. über den Gehweg, dreht sein Gesicht seitlich aufs Pflaster, tritt ihm mit wuchtigen Stampfkicks auf den Hinterkopf. "Du Zecke wirst nicht mehr aufstehen", ruft einer der Neonazis. Erst eintreffende Polizisten zerren Oliver K. von Jonas K. weg.
Hirnblutungen, Prellungen und einen Jochbeinbruch stellen die Ärzte im Klinikum Friedrichshain fest. Nach zwei Tagen erwacht Jonas K. auf der Intensivstation aus einer komaähnlichen Dämmerung. Einem Arzt sagt er, dass er nichts darüber wissen will, warum er hier sei. Er wolle sich erst mal erholen. Auch daran kann er sich heute nicht mehr erinnern.
Die Tat und ihre Brutalität schreckt den Bezirk, die ganze Stadt auf. "So was gibt es bei uns?", raunt es durch Friedrichshainer Cafés. Noch am Abend versammeln sich 150 Menschen zu einer Mahnwache am Tatort. Autonome bewerfen die Fassade des Jetons mit Steinen. Wenige Tage später demonstrieren 5.000 Menschen durch Friedrichshain. SPD-Innensenator Ehrhart Körting spricht von einer "schrecklichen Tat".
Die Rechten werden noch am Tatort verhaftet: Vier junge Männer, 20 bis 26 Jahre alt, aus dem Berliner Umland bei Königs Wusterhausen. Oliver K., Michael L., Marcel B., Michael G sind allesamt vorbestraft, gegen Oliver K. laufen drei offene Bewährungen. Im Internet tauchen Fotos der vier auf. Sie zeigen Marcel B. beim Hitlergruß und Oliver K. mit einem Shirt der Neonazi-Band Skrewdriver. Auf einem Bild ist die Wohnung eines der vier zu sehen. An der Wand hängt ein Filmposter: "American History X". In dem Film bringt ein Neonazi einen Dunkelhäutigen um. Mit einem Bordsteinkick.
Als die vier Schläger Anfang dieses Jahres vor dem Berliner Landgericht stehen, geht Jonas K. nur zu einem der Prozesstermine, zu seiner eigenen Zeugenaussage. Es ist der Rat seines Psychologen. Erkennen Sie einen der Angeklagten wieder, fragt der Staatsanwalt. Jonas K. schaut denen, die ihm sein Leben nehmen wollten, in die Gesichter. Und schüttelt den Kopf. Nichts habe er in diesem Moment empfunden, sagt der 23-Jährige heute. Keine Wut, keine Rache. Er kennt die vier ja nicht.
Zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt der Richter den Haupttäter Oliver K. Wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung. Michael L. und Marcel B. werden zu zweijährigen Bewährungsstrafen verurteilt. Michael G. wird freigesprochen, seine Tatbeteiligung lässt sich nicht nachweisen. Die Urteile gehen in Ordnung, sagt Jonas K.. "Sie ändern ja jetzt auch nichts mehr."
Er hat sich den Tatort angeguckt und Zeitungsfotos. "Ich dachte, vielleicht kommt was." Es kam nichts. Ruhig spricht er über die Juli-Nacht, distanziert. Erzählt, wie die Neonazis "auf ihn eingewirkt" hätten. Er wisse auch bis heute nicht, ob er tatsächlich zu der linken Zehner-Gruppe gehörte, die mit den Neonazis in Streit geriet, sagt Jonas K. Ob es diese Gruppe überhaupt gegeben habe. Oder ob ihn die Rechten zufällig attackiert haben. Er habe allen Bekannten gesagt, dass sie auf ihn zukommen, mit ihm über die Nacht reden könnten. Niemand habe dies getan. "Also habe ich einen Schlussstrich unter das Ganze gezogen." Auch die Polizei stellt das Verfahren gegen Jonas K. im Juli ein - gefährliche Körperverletzung, wegen der mutmaßlichen Beteiligung an der Schlägerei.
Er geht jetzt wieder seinem Alltag nach. Jobben, am Wochenende mit Freunden feiern, später vielleicht wieder studieren. Vor knapp drei Jahren kam er nach Berlin zum Informatikstudium, es machte keinen Spaß, er verließ die Uni. Als alternativ, als links, bezeichnet sich der Neuköllner. Das wussten auch die Rechten in seiner Heimat, einem Ostseestädtchen. Jeder kannte jeden. Es blieb bei Pöbeleien.
Es sei wichtig, sich öffentlich gegen Neonazis zu positionieren, sagt Jonas K. Ihnen nicht die Straße zu überlassen. Deshalb werde er auch zur traditionellen Silvio-Meier-Demo am Samstag gehen. Silvio Meier, ein junger Hausbesetzer, wurde 1992 von einem Neonazi in Friedrichshain erstochen.
Es wird nicht die erste Silvio-Meier-Demo für Jonas K. sein. Aber die erste nach dem 12. Juli 2009. Ein merkwürdiges Gefühl. "Es war knapp letzten Sommer, äußerst knapp", sagt Jonas K.. Was, wenn die Polizisten nicht rechtzeitig gekommen wären? Hätte es dann auch eine traditionelle Demo für ihn gegeben?
Jonas K. verlässt das Café, tritt in den abenddunklen Samariterkiez. Er will die S-Bahn nach Hause nehmen. Vom Bahnhof Frankfurter Allee, nur wenige hundert Meter entfernt. Er habe Glück, sagt er. Denn Angst verspüre er keine, wenn er sich allein durch die Stadt bewegt. Auch nachts nicht, auch an der Frankfurter Allee nicht. Vor dem Bahnhof bleibt er kurz stehen, schaut sich um. Dorthin, wo er vor anderthalb Jahren gelegen hat. Eine unwirtliche Ecke sei das hier, sagt er. "Wie viele andere auch."

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19.11.2010 Neues Deutschland
Demo und eine Straße für Silvio Meier
Höhepunkt der Aktionswoche gegen Rechts in Friedrichshain / Initiative für Ehrung 2012

Für diesen Samstag ruft ein antifaschistisches Bündnis im Rahmen einer Aktionswoche zur alljährlichen Demonstration im Gedenken an den 1992 von Neonazis ermordeten Silvio Meier auf. Unter dem Motto »Kampf den Nazis – Kampf dem Staat! Gemeinsam für eine Gesellschaft ohne Rassismus und Unterdrückung« fordert das Bündnis auf, nicht nur Silvio Meiers und aller durch Neonazis Ermordeten zu gedenken, sondern sich auch mit aktuellen Entwicklungen der extremen Rechten auseinanderzusetzen.
Die Demonstration stellt traditionell einen der Höhepunkte der »Silvio-Meier-Aktionswoche« dar. Die Aktionswoche bietet auch die Möglichkeit, sich mit einer Vielzahl von Veranstaltungen einem antifaschistischen Gedenken aus unterschiedlichen Perspektiven zu nähern. Am Sonntag findet ab 15 Uhr im U-Bahnhof Samariterstraße eine Mahnwache an der dort angebrachten Gedenktafel für Silvio Meier statt. Diese wurde in den letzten Jahren mehrfach entwendet und immer wieder mit neonazistischen Symbolen beschmiert. Erst in der Nacht zu Dienstag wurde sie mit schwer löslicher Teerfarbe nahezu unkenntlich gemacht.
Neonazis missbrauchen den Gedenktag immer wieder, um sich mit solchen und ähnlichen Provokationen in Szene zu setzen. Im vergangenen Jahr tauchten am Tag der Demonstration Flugblätter mit neonazistischem Inhalt in Friedrichshain auf.
Die Aktionskünstlerin Ute Donner hat die Auseinandersetzung um die Installation der Gedenktafel seit Jahren begleitet und aus Bildern, Fotos und Dokumenten eine Ausstellung konzipiert, die Mitte November in der Theaterkapelle, Boxhagener Str. 99, zu sehen war. Eine Präsentation mit allen Plakaten der vergangenen Gedenkdemonstrationen ist noch bis Samstag im Stadtteilzentrum Zielona Gora in der Grünberger Straße. 73 ausgestellt.
Bereits im letzten Jahr hatten AntifaschistInnen den U-Bahnhof Samariterstraße symbolisch in Silvio-Meier-Straße umbenannt. Um dieser Form des Gedenkens nun auch eine nachhaltige Präsenz im Stadtbild zu verschaffen, hat sich auf Anregung der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) und der LINKEN im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg die »Initiative für ein aktives Gedenken – Her mit der Silvio-Meier-Straße« gegründet. Diese fordert die Um- bzw. Neubenennung einer Straße in der Nähe des Tatortes. Doch kämen auch andere öffentliche Orte wie Bibliotheken oder öffentliche Plätze in Friedrichshain in Betracht. Dies wäre aufgrund eines Beschlusses der Bezirksverordnetenversammlung, nach dem Straßen nur noch nach Frauen zu benennen sind, wohl auch wahrscheinlicher, weil hierfür diese Regelung nicht gilt.
Eine Podiumsdiskussion mit der ALB, dem stellvertretenden Bezirksvorsitzenden der LINKEN, Damiano Valgolio, dem ehemaligen Hausbesetzer und Freund Silvios, Freke Over, Vertretern der Friedrichshainer Initiative gegen Rechts sowie der Antifa Friedrichshain am 14. November war der Startschuss für die Kampagne. Nicht nur sollte das Für und Wider einer solchen Aktion diskutiert und die Initiative vorgestellt werden, es sei nun auch daran, »mehr Mitstreiter zu suchen und den formalen Weg durch die BVV zu gehen«, wie ein Sprecher der ALB ergänzt. Ziel sei es, bis spätestens November 2012, wenn sich der Tag der Ermordung zum 20. Mal jährt, eine Um- bzw. Neubenennung zu erreichen.
Silvio Meier geriet zusammen mit einigen Freunden am 21. November 1992 im U-Bahnhof Samariterstraße mit acht Neonazis in eine Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Antifaschist und Hausbesetzer erstochen wurde. Seither findet immer um den Todestag eine Gedenkdemonstration in Berlin statt.

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18.11.2010 Zitty
Gibt es eigentlich noch Nazis?

Die rechtsextreme Szene in Berlin steckt in einer tiefen Krise. Öffentlich wirksame Großaufmärsche werden durch die starke Zivilgesellschaft unmöglich gemacht, zudem laufen der zerstrittenen NPD die Mitglieder davon. Eigentlich eine gute Nachricht. Wäre da nicht eine neue Generation von Nachwuchsnazis, die immer brutaler vorgehen: Der vorläufige Höhepunkt ist ein Brandanschlag in Kreuzberg 36.

Die verbrannte Markise hängt in Fetzen herunter. Vor dem „Gemischtwarenladen für Revolutionsbedarf“ sind noch die schwarzen Brandflecken auf dem Boden sichtbar. Bis zum ersten Stockwerk des Wohnhauses schlugen die Flammen. „4.000 Euro Sachschaden“, sagt Ladeninhaber Hans-Georg Lindenau, der in seinem Rollstuhl vor dem linken Kultgeschäft M99 in der Manteuffelstraße sitzt. Sein Infoladen mit Polit-Shirts, Büchern und Armyklamotten ist ein Relikt aus Hausbesetzerzeiten und weit über Berlin hinaus bekannt. In der Nacht zum 27. Oktober zog eine Gruppe Neonazis von Neukölln bis nach Kreuzberg. Sie sprühten Parolen und NS-Symbole. Bei einem jungen Gewerkschafter, der in einem Prozess als Zeuge gegen einen Rechten ausgesagt hatte, hinterließen sie Morddrohungen an der Hauswand. Wenige Meter vom M99 entfernt schmierten sie ein verbotenes Keltenkreuz. Gegen 3 Uhr brannten dann die Außenregale des Ladens. Jetzt ermittelt der Staatsschutz. Die Bewohner im Kiez sind entsetzt. „Der Brandanschlag erfüllt mich mit großer Sorge“, sagte Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) und versicherte dem Geschäft seine Unterstützung.

_ Inszenierung als braune Straßenkämpfer
„Nach Kreuzberg zu kommen, um Feuer zu legen, das hätten die sich vor ein paar Jahren noch nicht getraut“, sagt Lars Laumeyer von der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB). „Wer ein Haus anzündet, nimmt auch den Tod der Bewohner in Kauf.“ Mit „die“ meint er eine neue Generation von jungen, gewaltbereiten Neonazis. Sie nennen sich „Autonome Nationalisten“. Eine rechte Wortschöpfung, die als identitätsstiftender Sammelbegriff für „erlebnisorientierte“ und besonders aggressive Rechte dient. Das Durchschnittsalter in diesem Teil der Szene liegt bei 20 Jahren. Sie kleiden sich ganz in schwarz, tragen Turnschuhe, Kapuzenpullover und Piercings. Sie bewundern den radikalen Gestus der linksradikalen Bewegung und versuchen, sich nach Außen modern und cool zu geben. Für Laien ist es kaum noch möglich, einen Neonazi auf Anhieb zu erkennen. Das in den 90er Jahren geprägte Bild vom Naziskinhead mit Bomberjacke und Springerstiefeln gibt es heute nicht mehr.
Rückblick. Es ist der 1. Mai dieses Jahres. Die NPD hat einen Großaufmarsch in der „Reichshauptstadt“ angekündigt. Bis zu 1.000 Neonazis aus ganz Deutschland werden erwartet. Sie wissen, dass sie vermutlich nicht marschieren können. Zu stark sind die Proteste. Von linken Ökos bis Prenzlauer Berg-Familien, von Antifa bis SPD – Tausende blockieren friedlich die Route.
Plötzlich eine Nachricht, die die Polizei nervös werden lässt: Rund 300 Neonazis aus Berlin und Brandenburg sind auf dem Weg zum Aufmarsch aus der S-Bahn ausgestiegen und stürmen über den Kurfürstendamm. Sie rufen Parolen, prügeln auf Polizisten ein und greifen Passanten mit dunkler Hautfarbe an. Erst nach 15 Minuten sind genug Beamte vor Ort, um den Mob zu stoppen. Bei der Festnahme der 286 Personen finden die Einsatzkräfte Schlagstöcke, Pfefferspray, Feuerwerkskörper und ein Messer. Gegen alle Beteiligten wird wegen Landfriedensbruch ermittelt. Es stellte sich heraus, dass die Aktion von langer Hand geplant war: Per Email hatten die Organisatoren genaue Routen der angeblichen „Spontandemo“ an Führungskader verschickt. Und noch ein beunruhigendes Detail wird erst Monate später bekannt: Ein Neonazi hatte versucht, mehrere selbstgebaute und mit Scherben versetzte Sprengsätze zum Aufmarsch nach Prenzlauer Berg zu bringen. Er sitzt inzwischen in Untersuchungshaft. Im Internet feierte die Szene den „Marsch der 300“ am Ku’damm trotzdem als erfolgreiche neue Strategie.
Tatsächlich zeigt der Tag, dass die Berliner Naziszene am Boden liegt. Großaufmärsche, mit denen die Rechten hoffen, die Bevölkerung zu erreichen, sind kaum durchführbar. Zu gut ist die Zivilgesellschaft vernetzt, zu wenig fruchtbaren Boden finden die rassistischen Parolen in der Stadt. Viele ältere Führungskader sitzen im Gefängnis. Der junge Nachwuchs konzentriert sich aufgrund mangelnder Wahlerfolge auf die so genannte „Anti-Antifa-Arbeit“ und schreckt dabei auch nicht vor Gewalt zurück. Systematisch sammeln die „Autonomen Nationalisten“ Adressen und Bilder von missliebigen Journalisten, Gewerkschaftern und politischen Gegnern.
„Die Neonazis, die bei Prozessen die Namen und Anschriften von Nazigegnern ausspähen und Fotos machen, sind bekannt“, sagt ALB-Sprecher Laumeyer. Auch wer hinter der Internetseite steckt, auf der regelmäßig Namen der Gegner veröffentlicht werden, ist kein Geheimnis: Der Rechtsextremist Sebastian Schmidtke war früher führendes Mitglied der militanten Kameradschaft „Märkischer Heimatschutz“ und hat viele Aufmärsche in Berlin angemeldet. Inzwischen ist er stellvertretender Landesvorsitzender der NPD. Seine Politkarriere zeigt, wie eng die militante Szene mit der NPD verknüpft ist. Auch die Adresse vom M99 wird auf der Seite indirekt als gutes Anschlagziel genannt. Trotz mehrfacher Hinweise und einer Anfrage der Grünen im Abgeordnetenhaus hat die Justiz den im Ausland stehenden Server bis heute nicht abschalten können.

_ NPD im Abseits
„Diese nächtlichen Anschläge und Schmierereien verhelfen den Tätern mit verhältnismäßig geringem Organisationsaufwand zu großer medialer Präsenz“, sagt Bianca Klose. Sie ist die Leiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, die im Auftrag des Senats die rechte Szene beobachtet und die Bezirke berät. Auch Klose wird immer wieder im Internet massiv bedroht. In den Einschüchterungsversuchen sieht sie ein Zeichen für die personelle Schwäche der Rechten. Besonders deutlich zeigt die sich bei der Berliner NPD. Auf 250 Mitglieder ist der
Landesverband in den letzten Jahren geschrumpft. Parteiinterne Machtstreitigkeiten führten zu einer Austrittswelle. Zudem fehlt es an charismatischen Führungspersonen. Im Februar wurde ein neuer Landesvorsitzender gewählt: Uwe Meenen, ein „ideologisch gefestigter Neonazi mit tief verwurzeltem Antisemitismus“, wie es im Verfassungsschutzbericht heißt. Große Ausstrahlung auf die jungen, aktionistischen Neonazis hat der blasse, schwarzhaarige Bekannte von Holocaustleugner Horst Mahler nicht.
Derzeit sitzen NPD-Mitglieder in den Bezirksverordnetenversammlungen von Lichtenberg, Marzahn-Hellersorf, Treptow-Köpenick und Neukölln. Viele rhetorisch wenig begabte NPDler schaffen es kaum, drei gerade Sätze auf dem Podium vorzutragen. Das Erfolgsrezept der demokratischen Parteien ist einfach: Die NPD wird politisch in den Rathäusern isoliert, ihre Anträge grundsätzlich gemeinsam abgelehnt. Danach begründet fraktionsübergreifend immer nur ein Abgeordneter im Namen aller Parteien die Ablehnung. „Damit wird der rechtsextreme Charakter der NPD aufgezeigt und verhindert, dass sie sich als Opfer inszenieren kann“, sagt Klose.
Auch was rechtsextreme Infrastruktur angeht, sieht es für die „Kameraden“ schlecht aus. Anders als früher wohnt der harte Kern nicht mehr in Hochburgen, wie um die Weitlingstraße in Lichtenberg, sondern über die ganze Stadt verteilt. Mit dem Bekleidungsgeschäft „Harakiri“ hat im Februar der letzte offizielle Naziladen in Prenzlauer Berg geschlossen. Der bei Rechten beliebte Thor Steinar-Laden in Mitte wird bald zwangsgeräumt und das zweite Geschäft in Friedrichshain wurde gekündigt.

_ Nazi-Homezone in Schöneweide
Derzeit gibt es nur noch zwei zentrale Nazi-Treffpunkte, in denen auch Veranstaltungen durchgeführt werden: die NPD-Bundesgeschäftsstelle in Köpenick und die Kneipe „Zum Henker“ in Schöneweide. „Der Henker fungiert im Gegensatz zur NPD-Zentrale auch als sozialer Treffpunkt, um Nachwuchs zu rekrutieren und die eigene Arbeit zu verstetigen“, sagt Kati Becker vom Zentrum für Demokratie Treptow-Köpenick. Bei Saufgelagen und Parties könnten ältere Kader Kontakte zu Jüngeren knüpfen, die dann zur nächsten Politveranstaltung in den selben Räumen eingeladen werden. Den Bereich um den „Henker“ betrachten die Neonazis als „szeneeignes Territorium“ in dem sie machen können, was sie wollen. Doch außerhalb von Schöneweide fehlen solche Räume und auch der „Henker“ ist Ziel von Protesten: Im April wurde die Fassade mittels rosa Farbbeuteln „umgestaltet“. Schon lange träumen die Rechten deshalb von einem „Nationalen Jugendzentrum“ für Konzerte, Schulungen und Kneipenbetrieb in der Innenstadt. Erst im August warnte der Verfassungsschutz Hausbesitzer in Pankow, Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Treptow-Köpenick und Neukölln. Es gebe aus dem Neonazispektrum „aktuell konkrete Bemühungen, kleinere bis mittlere Immobilien für entsprechende Zwecke zu mieten, zu pachten oder sogar zu kaufen“. Dabei würden die Rechten als Privatpersonen auftreten oder sich als sozial engagierter Verein tarnen.
111 rassistische, schwulenfeindliche und antisemitische Angriffe hat die Opferberatungsstelle ReachOut allein im Jahr 2009 gezählt. Mehr als 150 Menschen wurden dabei verletzt. Die Dunkelziffer liegt vermutlich um einiges höher. „Manche Opfer melden einen Angriff aus Angst vor den Tätern nicht oder leben illegal hier und haben Angst, abgeschoben zu werden“, sagt Helga Seyb von ReachOut. Was kaum jemand weiß: Am häufigsten schlagen die Täter ausgerechnet im Ausgehbezirk Friedrichshain zu. „Hier gibt es wichtige Umsteigebahnhöfe und im Bezirk bewegen sich potenzielle Opfergruppen wie Punks oder alternative Jugendliche“, sagt Seyb. In den Jahren 2007 und 2008 gab es derart viele Übergriffe in Friedrichshain, dass ReachOut eine Grafik mit den Tatorten im Internet veröffentlicht hat. Die ist übersäht mit Orten der Gewalt.
Auch ohne rechte Großaufmärsche gibt es weiter Bedarf an öffentlicher Gegenwehr: Am 20. November werden wieder tausende Menschen zu der jährlichen Gedenkdemonstration für Silvio Meier erwartet. „Ein Zeichen der Solidarität mit allen Opfern neonazistischer und rassistischer Gewalt“ wollen die Organisatoren setzen. Der Hausbesetzer Silvio Meier wurde am 21. November 1992 von Naziskinheads erstochen – mitten im heutigen Partykiez in Friedrichshain.

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18.11.2010 Jungle World
»Wir richten keine Appelle an den Staat«

Am 20.?November findet in Berlin die jährliche Silvio-Meier-Demonstration statt, in diesem Jahr unter zwei verschiedenen Mottos. Nico Nussinger ist Sprecher des Vorbereitungsbündnisses. Dessen Aufruf kann unter der Internetadresse silviomeier.de.vu nachgelesen werden.

Interview: Ivo Bozic

Was ist der Hintergrund dieser alljährlichen Gedenkdemonstration?

Silvio Meier war ein Antifaschist und Hausbesetzer. Er wurde 1992 im U-Bahnhof Samariterstraße in Berlin-Friedrichshain von Nazis umgebracht. Die Mörder sind mit sehr geringen bzw. ganz ohne Haftstrafen davongekommen. Die Tat wurde entpolitisiert und als Auseinandersetzung zwischen Jugendbanden dargestellt. Dabei war die Tat eindeutig politisch. Silvio Meier hat einen der Nazis auf seinen Aufnäher angesprochen, und daraufhin kam es dann zu der Konfrontation, die mit seinem Tod endete. Und auch die ganzen Umstände Anfang der neunziger Jahre, der nationalistische Taumel und die rassistischen Pogrome damals, die ganze Stimmung war politisch extrem aufgeladen. Seitdem hat sich die Silvio-Meier-Demons­tration zu einer festen Institution in der Berliner Antifa-Szene entwickelt.

Es gibt auch eine Kampagne dafür, eine Straße nach Silvio Meier zu benennen. Gibt es da Fortschritte?

Der Vorschlag, die Samariterstraße in Silvio-Meier-Straße und entsprechend auch den U-Bahnhof umzubenennen, existiert schon seit Jahren, hat aber bisher leider zu keinem Erfolg geführt.

Gibt es neben dem Gedenken an Silvio Meier auch aktuelle Anlässe für die Demonstration?

Es wird jedes Jahr auf aktuelle Dinge Bezug genommen. In diesem Jahr ist das Motto »Kampf den Nazis! Kampf dem Staat! Gemeinsam für eine Gesellschaft ohne Rassismus und Unterdrückung!« Wir wollen auf die rassistischen Zustände in Deutschland aufmerksam machen, die ja in diesem Sommer auch durch Thilo Sarrazins Buch wieder deutlich geworden sind, als auf dem Fuße folgend die Politiker gleich eine neue Integrationsdebatte losgetreten haben, mit klar rassistischer Schlagseite. In einem Klima, in dem von ganz oben bis unten an den Stammtischen alle gegen integrationsunwillige Migranten hetzen, können sich Nazis gut als Vertreter des Volkszorns gebärden und auf entsprechende Sympathien bei ihren Aktionen hoffen. In diesem Kontext muss man auch die jüngsten Vorfälle sehen, wie den Nazi-Mord an dem 19jährigen Kamal in Leipzig, den Brandanschlag auf die Synagoge in Mainz und auch den Brandanschlag auf das linke Szene-Geschäft »M99« in Berlin.

Es geht also um große politische Themen, aber in den letzten Jahren war die Demonstration immer eher eine Art Schüler-Demo. Was sagt uns das über die Antifa-Bewegung?

Generell ist Antifa, wie wir sie seit Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre in Deutschland kennen, leider oft eine Jugendbewegung. Und speziell die Silvio-Meier-Demo ist schon auch ein bisschen als Jugenddemo angelegt. Für viele jüngere Leute war das tatsächlich die erste Demons­tration, auf die sie gegangen sind. Aber es fängt langsam eine Diskussion an über die Frage, mit welchen Bündnispartnern man künftig zusammenarbeiten möchte, inwiefern unser Kampf nur erfolgreich sein kann, wenn wir ihn mit denen zusammen führen, die von Nazis und staatlichem Rassismus verfolgt und bedroht sind, wie Migrantenorganisationen, jüdischen Gemeinden, Vereinigungen von Sinti und Roma und so weiter.

In dem Aufruf heißt es: »Jeder konsequente Widerstand gegen Nazis stößt früher oder später auf den deutschen Staat. Bei jedem Naziaufmarsch sehen sich AntifaschistInnen der Polizei gegenüber.« Das können doch die Nazis genauso gut von ihren Aufmärschen behaupten. Und während es einige staatliche Förderprogramme gab und gibt, bei denen Antifas dafür bezahlt werden, sich gegen Rechtsextremismus zu engagieren, kenne ich kaum einen Fall, bei dem es andersherum ist.

Man kommt nicht weit, wenn man das im Sinne einer Totalitarismustheorie gleichsetzt. Fakt ist, dass die Nazis in Deutschland an der Macht waren, halb Europa versklavt haben, das europäische Judentum und 500?000 Sinti und Roma vernichtet haben. Und wenn Leute, die sich direkt in diese Tradition stellen, 65 Jahre nach dem Ende des Faschismus hierzulande überhaupt die Möglichkeit haben aufzumarschieren, dann ist das allein schon ein Skandal. Und erst recht, wenn so ein Aufmarsch dann von der Polizei durchgeprügelt wird, wie es häufig passiert.

Also das heißt, eigentlich müsste der Staat auf eurer Seite sein?

Wir richten keine Appelle an den Staat. Letztlich muss der Kampf gegen Nazis selbst organisiert werden.

Es gibt zwei Aufrufe in diesem Jahr und auch zwei konkurrierende Mobilisierungen. Wie kam es denn dazu?

Das ist tatsächlich eine neue Entwicklung. Das hat es vorher noch nicht gegeben. Es gibt das Silvio-Meier-Bündnis, in dem der Großteil der Ber­liner Antifa-Gruppen sich zusammengeschlossen hat und das die Mobilisierung Jahr für Jahr stemmt. Dieses Jahr hat sich eine Gruppe in dem Aufruf des Bündnisses nicht so richtig wieder­gefunden und dann ihre eigene Mobilisierung gestartet. Man kann es positiv sehen, dass so doppelt mobilisiert wird, aber nach außen hin hat das natürlich für Irritationen gesorgt und vermittelt nicht gerade das Bild eines geschlossenen Vorgehens.

Euer Aufruf setzt sich mehr mit gesellschaftlichem und staatlichem Rassismus auseinander, bei dem konkurrierenden Aufruf der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) gibt es noch eine antikapitalistische Ausrichtung. Ist das die Differenz?

Wir haben nicht bewusst Kapitalismuskritik aus unserem Aufruf rausgehalten, wir wollten nur einfach ein Thema klar in den Mittelpunkt stellen, und das ist das Zusammenspiel von Nazis und Staat hinsichtlich des Rassismus. In dem anderen Aufruf werden verschiedenste Dinge aufgelistet. Aber dass das ursächlich war, würde ich nicht sagen.

Was ist denn dann der Grund?

Da muss man jene fragen, die die Einzelmobilisierung gestartet haben.

In eurem Aufruf heißt es an erster Stelle: »Kampf den Nazis«. Bei der ALB kommen »Nazis« erst an vierter Stelle nach »Staat«, »Repression« und »Pressehetze«. Vielleicht geht es denen gar nicht mehr so sehr um die Nazis?

Auch in unserem Aufruf steht aber zum Beispiel, dass der Staat Hauptakteur des Rassismus ist und seine Abschiebe- und Migrationspolitik letztlich die Forderung der Nazis, »Ausländer raus«, ganz praktisch umsetzt.

Wie viele Teilnehmer werden erwartet?

Voriges Jahr waren es um die 4?000 Leute. Wir gehen davon aus, dass es dieses Jahr auch wieder eine gute Beteiligung gibt.

Ihr schreibt da »Kampf dem Staat«, aber wenn der Staat gegen euch kämpft und die Polizei repressiv auftritt bei der Demonstration, werdet ihr euch sicher beschweren, oder?

Selbstverständlich reagieren wir auf staatliche Offensiven gegen die linke Bewegung auch mit unserer Öffentlichkeitsarbeit. Und selbstverständlich beschweren wir uns immer über diesen Staat. Nicht, weil wir denken, er müsse nur besser verwaltet werden. In Berlin sieht man ja deutlich, dass eine rot-rote Regierung auch nichts besser macht. 2009 wurden aus Berlin auch 1?500 Menschen abgeschoben und zurückgewiesen. Aber wie die Polizei bei der Demonstration vorgehen wird, bleibt abzuwarten. Vielleicht beschwert sie sich ja auch anschließend.

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17.11.2010 Junge Welt
Anschlag auf Gedenktafel für Silvio Meier
Am Samstag Demonstration für den 1992 von Neonazis ermordeten Hausbesetzer

Zum wiederholten Mal wurde im U-Bahnhof Samariterstraße in Berlin-Friedrichshain ein Anschlag auf die Silvio-Meier-Gedenktafel verübt. Am Dienstagmorgen wurde entdeckt, daß Unbekannte die Tafel mit schwarzer Teerfarbe beschmiert hatten. Das geht aus einer gestern veröffentlichten Pressemitteilung der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) hervor. Die Tafel, die an den von Neonazis ermordeten Haubesetzer Silvio Meier erinnert, wurde bereits in den vergangenen Jahren mehrfach gestohlen oder mit Neonazisymbolen beschmiert. Am kommenden Samstag findet die jährliche Silvio-Meier-Demonstration statt die sich auch gegen Neonazistrukturen in Berlin richtet. Seit mehreren Monaten kommt es in Friedrichshain, Kreuzberg und Neukölln zu Schmierereien und Angriffen auf antifaschistische und linke Einrichtungen und Läden. Erst vor drei Wochen setzten Neonazis die Auslage des Kreuzberger Infoladens M99 in Brand und sprühten SS-Runen und ein Keltenkreuz auf den benachbarten Laden Red Stuff. Nur durch das schnelle Eingreifen von Nachbarn konnte verhindert werden, daß das Feuer auf das Wohnhaus übergriff. Die ALB vermutet die Täter im näheren Umfeld der Internetseite nw-berlin.net. Auf dieser Seite hat man sich in der Vergangenheit mit Anschlägen gebrüstet und Listen potentieller Anschlagsziele veröffentlicht.
Linke Gruppen wollen sich davon nicht einschüchtern lassen. So hat sich kürzlich eine antifaschistische Initiative gebildet, die sich für die Benennung eines öffentlichen Ortes nach dem ermordeten Silvio Meier einsetzt. Der Hausbesetzer war 1992 von Neonazis erstochen worden. Vorangegangen war eine Auseinandersetzung um einen rechten Jackenaufnäher. »Es ist höchste Zeit, daß an die Tat auch mit einem sichtbaren Zeichen im öffentlichen Raum erinnert wird«, sagte Damiano Valgolio, stellvertretender Vorsitzender der Linken im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gegenüber junge Welt. Neben der Linkspartei unterstützen auch die ALB und verschiedene lokale Gruppen die »Initiative für ein aktives Gedenken«. Bereits im vorherigen Jahr hatten Aktivisten symbolisch den U-Bahnhof Samariterstraße umbenannt.
Für Heike Weingarten, Mitarbeiterin im Register Friedrichshain, das rechte Übergriffe dokumentiert, geht es nicht nur um das Gedenken an Silvio Meier. »Wenn ein öffentlicher Ort nach ihm benannt wird, weist das auch auf die bis heute anhaltende rechte Gewalt hin. Den Menschen, die im Bezirk gegen Neonazis kämpfen, würde der Rücken gestärkt«, so Weingarten. Für die Gedenkinitiative kommen neben einer Straße auch andere öffentliche Orte in Tatortnähe in Betracht. Im Gespräch sind etwa Sportstätten, Plätze in Friedrichshain und eine Bücherei des Bezirks. Auch Freke Over, langjähriger Anmelder der Silvio-Meier-Demonstration, unterstützt die Forderung nach einem öffentlichen Gedenken. Over, der zehn Jahre für die damalige PDS im Abgeordnetenhaus saß, kannte Silvio gut von gemeinsamen Hausbesetzungen in der Mainzer Straße. »Es geht bei dem Gedenken nicht um Heldenverehrung. Ich bin für die Benennung einer Straße nach Silvio Meier nicht deswegen, weil er Opfer von Nazigewalt geworden ist. Entscheidend ist das Warum. Er wurde ermordet, weil er sich den Rechten mutig entgegengestellt hat«, betonte Over. Für die Benennung von Straßen und anderen öffentlichen Orten ist die Bezirksverordnetenversammlung zuständig. In Friedrichshain-Kreuzberg haben die Linkspartei und die Grünen die Mehrheit. Die antifaschistische Initiative möchte die Umbenennung spätestens bis November 2012 realisieren. Dann jährt sich der Mord zum 20. Mal.

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17.11.2010 TAZ
Silvio wird nicht vergessen
Unbekannte beschmieren die Silvio-Meier-Gedenktafel in einem U-Bahnhof mit Teer. Initiative will eine Straße nach dem 1992 ermordeten Hausbesetzer benennen.

Ute Donner steht am Ausgang des U-Bahnhofs Samariterstraße, blickt aufgelöst auf den schwarzen Fleck an der Wand. Der verbirgt die Gedenktafel für den Hausbesetzer Silvio Meier, der an dieser Stelle am 21. November 1992 von einem Neonazi erstochen wurde. Teer übertüncht die Plakette, schwarze Spritzer von den Fliesen daneben bis auf den Boden. "Es ist beschämend, dass in heutiger Zeit so etwas passiert", schüttelt Donner, Künstlerin und Bekannte der Familie Meiers, den Kopf.
Die geschändete Tafel war von einem Passanten Montagnacht gegen 23.30 Uhr entdeckt worden. BVG-Sprecherin Petra Reetz bezeichnete die Tat als "inakzeptablen Vandalismus gegen ein demokratisch beschlossenes Gedenkzeichen". Erste Reinigungsversuche am Dienstag zeigten wenig Erfolg, in der Nacht sollte die Plakette mit einem Hochdruckreiniger gesäubert werden. Die Polizei ermittelt wegen politisch motivierter Sachbeschädigung. Videoaufnahmen zu der Tatzeit hat die BVG gesichert.
In den letzten Jahren war die Tafel immer wieder beschädigt worden. Zuletzt wurde ein Exemplar 2006 aus der Wand gerissen, eine Ersatztafel anschließend gestohlen. Ein Antifa-Bündnis will am Samstag mit einer traditionellen Demo zum Gedenken an Silvio Meier durch Friedrichshain ziehen. Der Anschlag auf die Tafel sei "eine Provokation gegen die Demonstration", sagte Lars Laumeyer, Sprecher der Antifaschistischen Linken Berlin. Die grüne Abgeordnete Canan Bayram nannte die Tat einen "feigen Angriff". "Wir werden es nicht hinnehmen, dass Nazis in Friedrichshain Fuß fassen."
Schon vor dem Anschlag forderte eine Initiative aus Antifa-Gruppen und Linkspartei, eine Straße in der Nähe des U-Bahnhofs Samariterstraße nach Silvio Meier zu benennen. "Als symbolischer Akt gegen Neonazi-Gewalt und Ehrung für den Mut, gegen Nazis aufzustehen", so Damiano Valgolio, Linken-Vorstand in Friedrichshain-Kreuzberg. Der 27-jährige Meier war ermordet worden, nachdem er versucht hatte, einem Neonazi einen rechten Aufnäher von der Jacke zu reißen.
Dass Straßen im Bezirk vorerst nur nach Frauen benannt werden sollen, sieht Valgolio nicht als Problem. "Bei wichtigen Persönlichkeiten gibt es Ausnahmen, siehe Rudi-Dutschke-Straße 2008." Alternativ sei auch die Benennung eines Platz oder einer öffentlichen Einrichtung denkbar, so Valgolio. Das Prozedere solle bis November 2012 durch sein. Daniel Wesener, Sprecher der grünen Fraktion in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg, begrüßte die Initiative. Die Idee müsse noch in der Partei besprochen werden, eine Umsetzung bis 2012 sei aber realistisch.
Unterdessen präsentierte das Register Friedrichshain, eine Dokumentationsstelle rechter Übergriffe, eine Befragung von Gewerbetreibenden im Bezirk zu Alltagsrassismus. Darin erklärten 9,5 Prozent der Unternehmer, in ihren Läden Diskriminierung oder Rassismus erfahren zu haben - gegen sich selbst oder gegen Kunden. 15 Prozent schätzten, dass es Menschen in Friedrichshain gibt, die sich "nicht sicher fühlen". Jeder Fünfte gab an, sich gegen Rassismus engagieren zu wollen. 11,7 Prozent äußerten in diesem Fall aber Angst vor Gewalt oder Vandalismus.
An der im Juni 2010 gestarteten Umfrage hatten sich 53 von 650 angefragten Betrieben beteiligt. Studienverfasserin Heike Weingarten wertete die Zahlen als Auftrag, mehr Unternehmen zu sensibilisieren und für ein Engagement gegen Rassismus zu gewinnen. "Wenn viele mitmachen, gerät niemand in den Fokus von Rechten und Rassisten."

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16.11.2010 ZEIT
Nazis schänden Gedenktafel für ermordeten Silvio Meier

Die Gedenktafel für den 1992 von Neonazis erstochenen Hausbesetzer Silvio Meier in Friedrichshain ist in der Nacht zu Dienstag geschändet worden. Vermutlich Mitglieder der rechten Szene beschmierten die Tafel im U-Bahnhof Samariterstraße mit schwer löslicher Teerfarbe. In den letzten Jahren wurde die Metallplatte bereits mehrfach gestohlen und mit rechtsextremen Symbolen beschmiert. „Wir haben gleich am Morgen damit begonnen die Tafel zu reinigen“, sagte BVG-Sprecherin Petra Reetz.
Der 27-jährige Meier verblutete am 21. November 1992 auf Zwischen-Ebene des Bahnhofs nachdem der Rechtsextremist Sandro S. mit einem Messer auf ihn einstach. Meier hatte sich zuvor über einen Aufnäher „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein“ von einem der Rechten empört. Nach der Tat riefen die Angreifer „Jetzt haben wir es euch gezeigt, ihr linken Säue.“ Der 17-jährige Haupttäter wurde 1993 wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt. Zwei Mitangeklagte erhielten Freiheitsstrafen von dreieinhalb Jahren, beziehungsweise acht Monaten auf Bewährung.
„Dieser Anschlag ist ein Provokation gegen die Gedenkdemonstration“, sagte Lars Laumeyer von der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB). Am Samstag werden wieder mehr als 1000 Teilnehmer bei der jährlichen Silvio-Meier-Demonstration in Friedrichshain erwartet. Der Aufzug beginnt um 15 Uhr mit einer Mahnwache am U-Bahnhof Samariterstraße. Bereits am Sonntag forderte ein Bündnis die Benennung einer Straße in der Nähe des Tatortes nach Silvio Meier. „Infrage kommen aber auch Plätze im Bezirk“, sagte Damiano Valgolio, Vize-Chef der Linken in Friedrichshain-Kreuzberg.

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15.11.2010 TAZ
Rechtsausstatter muss raus
Nach zwei Jahren schließt das "Thor Steinar"-Geschäft in Mitte endgültig. Auch der Friedrichshainer Filiale droht das Aus. Bürgerinitiative zeigt sich erleichtert

Arg gebeutelt sah der Laden schon länger aus: Die Scheiben zersprungen, Farbbeutelspritzer an der Fassade und auf dem Pflaster vor der Tür. Jetzt macht "Tönsberg", der Thor-Steinar-Laden in der Rosa-Luxemberg-Straße in Mitte, richtig dicht: Nach verlorenen Prozessen muss die Filiale bis zum 8. Dezember ausziehen. Kommt sie dem nicht nach, wird sie vom Gerichtsvollzieher zwangsgeräumt.
Seit Anfang 2008 wird im Tönsberg Thor-Steinar-Kleidung verkauft, eine Modemarke, die sich in der rechten Szene einiger Beliebtheit erfreut. Dagegen formierte sich Protest: Bürger bildeten das Bündnis "Mitte gegen rechts" und stellten einen Info-Container direkt vors Geschäft. Demos zogen vor den Laden, Militante schlugen die Scheiben ein. Schon kurz nach Eröffnung erfolgte die Kündigung. Eine Räumungsklage lief hoch bis vor den Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Man sei von dem Betreiber arglistig getäuscht worden, da die Marke Thor Steinar bei Vertragsabschluss nicht genannt wurde, argumentierten die Vermieter - und gewannen. Das BGH erklärte, dass der Ladenbetreiber den Vermieter über die Marke von sich aus hätte informieren müssen, da deren Verkauf zu "außergewöhnlichen Umständen" führen könne.
Eine erste Räumungsaufforderung zum 30. September ließen die Inhaber des Tönsberg verstreichen, der Laden blieb geöffnet. "Daraufhin haben wir die Zwangsvollstreckung für den 8. Dezember anberaumt", so Christian Verstege, Anwalt der vermietenden Immobiliengesellschaft.
"Wahnsinnig glücklich und erleichtert" sei sie über die nahende Schließung, sagte Anna-Delia Papenberg, Sprecherin von "Mitte gegen rechts". Nun könne endlich mit der Sache abgeschlossen werden. "Es wird wieder einfacher sein, in dieser Straße zu leben", so Papenberg, selbst Anwohnerin. Annika Eckel von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) lobte den "langen Atem" des Protests. "Das Tönsberg ist ein schönes Beispiel, wie zivilgesellschaftlicher und bezirklicher Druck zusammen mit juristischem Vorgehen zum Erfolg führen kann."
Ob es die Betreiber von Tönsberg auf eine Zwangsräumung ankommen lassen werden, ist unklar. Die Firma Mediatex in Königs Wusterhausen, die Thor Steinar vertreibt und auch mehrere Läden führt, wollte darüber keine Auskunft erteilen. Eine Tönsberg-Verkäuferin antwortete schnippisch: "Werdet ihr doch sehen." Laut Anwalt Verstege hat sich die Firma auch ihm gegenüber nicht zu ihrem Auszug geäußert. Klar sei: "Nach dem 8. Dezember gibt es keine Kulanz."
Auch für das zweite Berliner Thor-Steinar-Geschäft, das Tromsö in der Petersburger Straße in Friedrichshain, läuft die Zeit ab: Am 2. Dezember wird über eine Räumungsklage verhandelt. Auch hier sieht sich der Vermieter arglistig getäuscht. "Die Ausgangslage ist aber ungleich schwerer", so Canan Bayram, Grünen-Abgeordnete und Mitglied von "Friedrichshain gegen Rechts". Denn im Fall Tromsö wurde vor Mietabschluss Thor Steinar als eine Verkaufsmarke angegeben. "Wenn wir juristisch nicht weiterkommen, müssen wir zivilgesellschaftlich wieder Druck aufbauen", so Bayram. "Auch auf den Eigentümer, der es seinem Mieter so ungemütlich wie möglich machen sollte."
Die MBR zieht eine grundsätzliche Lehre aus den Rechtsstreitereien: Wichtig sei präventives Handeln, etwa mit Mietklauseln, die den Verkauf von bei Neonazis beliebten Produkten untersagen, so Annika Eckel. "Dann kann man sich später vieles ersparen."

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12.11.2010 Junge Welt
Antifaschisten fordern Silvio-Meier-Straße
Aktionswoche für 1992 in Berlin ermordeten Hausbesetzer

Am 21. November jährt sich die Ermordung des Hausbesetzers Silvio Meier, der 1992 in Berlin-Friedrichshain von Neofaschisten erstochen wurde. Meier war damals gemeinsam mit Freunden in einen Konflikt mit acht Faschisten geraten, da diese unter anderem Aufnäher mit Sprüchen wie »Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein« trugen. Infolge dessen wurde er am U-Bahnhof Samariterstraße in Berlin-Friedrichshain erstochen. Die Täter wurden nur zu kurzen Haftstrafen verurteilt bzw. freigesprochen. Auch in diesem Jahr rufen mehrere antifaschistische Gruppen zur traditionellen Gedenkdemonstration für Silvio Meier in der Bundeshauptstadt auf.
Im Rahmen einer Aktionswoche, die am 20. November mit der Demonstration unter dem Motto »Staat, Repression, Pressehetze, Naziterror – Gegen Anti-Antifa auf allen Ebenen« endet, sind verschiedene Aktionen geplant.
So findet am Sonntag, (14. November, 18 Uhr, Theaterkappelle, Boxhagenerstr. 99) eine Veranstaltung »Für ein aktives Gedenken – Her mit der Silvio-Meier-Straße!« statt, die gleichzeitig Startschuß einer Kampagne für eine Straßenbenennung sein soll. An der Veranstaltung werden Damiano Valgolio (Die Linke Friedrichshain-Kreuzberg), Freke Over (Freund von Silvio Meier) und ein Vertreter der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) teilnehmen.
Darüber hinaus findet vom 13. bis 15. November (14 bis 20 Uhr) ebenfalls in der Theaterkappelle eine Ausstellung der Aktionskünstlerin Ute Donner statt, die sich seit Jahren für eine Gedenkplatte für Meier am U-Bahnhof Samariterstraße starkmacht.
Im Rahmen der geplanten Gedenkdemonstration wollen Berlins Antifaschisten auch die Zusammenarbeit mancher Medien mit Polizei, etablierter Politik und Justiz thematisieren. Aus ihrer Sicht führt diese zu zunehmender Stimmungsmache gegen linke Organisationen und Gruppen. Außerdem soll über sich häufende Neonaziübergriffe und -anschläge in Berlin informiert werden.

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28.09.2010 Endstation Rechts
Notorische Holocaustleugnung: 50 Anklagen und kein Ende

Der 63-jährige Holocaustleugner Iwan Götz sieht sich seit vergangenem Freitag vor dem Berliner Strafgericht mit 50 Anklagepunkten konfrontiert. Und im Knast macht er weiter mit Volksverhetzung, Verleumdungen, Holocaustleugnung und schriftlicher Gewaltandrohung.
Seit Freitag steht in Berlin ein Mann vor Gericht, bei dem sich bereits 14 Strafverfahren in den letzten 14 Jahren angesammelt haben. Im aktuellen Prozess wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, zwischen 2005 und 2008 Hetzbriefe, die teilweise mehrere hundert Seiten dick waren, an jüdische Prominente, Politiker und Behörden geschickt zu haben. Der 63-jährige Iwan Götz habe sich mit diesem Schreiben unter anderem der Volksverhetzung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, Störung des öffentlichen Friedens sowie Titelmissbrauchs strafbar gemacht. Er bezeichnete unter anderem den Holocaust als keine Tatsache, sondern eine Ideologie und Erfindung der Juden, leugnete in Reichsbürgermanier die Existenz der Bundesrepublik und nannte den Boykott der Germanischen Neuen Medizin als einen gezielt geplanten weltweiten Genozid. In praktisch allen seiner Veröffentlichungen nutzte Götz einen Doktortitel, ohne dafür einen Nachweis erbringen zu können.
Nach 40-minütiger Verlesung der Anklageschrift räumte der Angeklagte sämtliche Vorwürfe durch seinen Verteidiger pauschal ein.
Die Justiz ist seit über 10 Jahren mit dem in Berlin-Friedrichshain ansässigen Iwan Götz vertraut. Er dealte mit gestohlener Ware, besaß illegal Waffen, schleuste russische Staatsbürger ein, beleidigte, verbreitete falsche Verdächtigungen, benutzte akademische Titel und hinterzog Steuern. Vor allem wegen 15-facher Steuerhinterziehung verbüßt er derzeit eine über 2-jährige Haftstrafe.
Praktisch alle persönlichen Angaben zu seiner Vita lassen den Schluss zu, dass Iwan Götz ein geübter Hochstapler ist. Seine im Internet verfügbaren biografischen Daten lesen sich wie eine 007-Agenten-Story. So will er zu den Wenigen gehört haben, "die an der Vorbereitung, Organisation und Durchführung des 'spontanen' Mauerfalls teilnahmen". Als Beruf gibt er wahlweise Psychologe, Detektiv oder Journalist an.
Die gerichtliche Vernehmung des ermittelten Kriminalbeamten ergab, dass sich Iwan Götz auch in Haft seines missionarischen Eifers widmend.
Eine Zellendurchsuchung im Frühjahr 2010 führte einschlägiges, von ihm verfasstes Manuskript zu Tage, dessen Adressat die Gefängniszeitung war.
Mutmaßlich durch seine Lebensgefährtin gelangte eine solches 258-seitiges Elaborat ins Internet.
Mit Absender Iwan Götz, "z.Z. JVA Charlottenburg" ist dort zu lesen, dass der "Zentralrat der Juden in Deutschland" eine kriminelle faschistisch-zionistische Zusammenrottung und Frau Merkel eine zionistische Marionette sei. Weiterhin heißt es in diesem vom 21./22. Juni 2010 datierten Schreiben, die "Holocaust-Zwangsreliegion ist von den zionistischen Juden [...] in die Welt gesetzt worden" und in Deutschland gab es "keine Vernichtungslager, nur Internierungs- und Arbeitslager". Wie bereits im aktuellen Verfahren behauptet er, dass der "Holocaust keine Tatsache, sondern lediglich eine Ideologie" sei.
Immer wieder bezeichnet Götz den ehemaligen Hamburger Bürgermeister Ole von Beust als Kinderschänder und fordert gar die "Todesstrafe für Kinderschänder O. v. Beust und andere".
Des weiteren seien ausnahmslos alle Richter und Staatsanwälte feige, machtgeil und korrupt. 20% der Berliner Richter und Staatsanwälte seien Kinderschänder.
Im Falle der Einräumung sämtlicher in den drei Anlagen zusammengefassten Vorwürfe haben die Richter des Strafgerichts Berlin dem notorischen Holocaustleugner eine maximale Gesamtstrafe von rund zweieinhalb Jahren in Aussicht gestellt.
Nach der Aussage eines psychiatrischen Gutachters, der dem Angeklagten keine schuldmindernde Erkrankung bescheinigte, wird der Prozess am kommenden Mittwoch fortgesetzt.

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25.09.2010 Tagesspiegel
Holocaust-Leugner: Hunderte Hetzbriefe verschickt

Ein 63-jähriger Holocaust-Leugner vor Gericht. Der Mann verschickte Hetzbriefe, die teilweise mehrere hundert Seiten dick waren.
In etlichen Schreiben an Behörden und Politikern hatte Iwan G. unter anderem den Holocaust geleugnet. Im Prozess wegen Volksverhetzung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, Störung des öffentlichen Friedens sowie Titelmissbrauchs räumte er am Freitag sämtliche Vorwürfe pauschal ein.
Der Mann aus Friedrichshain beschäftigt die Justiz seit Jahren. Er beleidigte, hinterzog Steuern und hetzte. In früheren Verfahren soll er sich als Psychologe und Privatdetektiv vorgestellt haben. Seit Mai 2009 verbüßt er er eine knapp zweijährige Freiheitsstrafe. In drei Anklagen geht es nun um Taten seit 2005.
Er bezeichnete den Massenmord an den Juden als Geschichtsfälschung und den Antisemitismus als Erfindung. Er zeigte den damaligen Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, an. Immer wieder leugnete er auch die Existenz der Bundesrepublik. Seine rechtsextremen Pamphlete verbreitete der in Russland geborene Angeklagte über das Internet und per Post. Sie gingen an den Deutschen Bundestag, an Bundesministerien und Politiker wie den früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), an Gerichte und zahlreiche Berliner Haushalte. Iwan G. nutzte dabei akademische Titel, die er nie erworben hat.
Die Richter haben dem notorischen Holocaust-Leugner im Falle eines umfassenden Geständnisses eine maximale Gesamtstrafe von zweieinhalb Jahren in Aussicht gestellt. Ein psychiatrischer Gutachter soll zudem die Schuldfähigkeit des Mannes beurteilen. Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt.

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09.08.2010 Neues Deutschland
Auf Tuchfühlung mit dem Rassismus
Antifaschisten versuchten auf der Biermeile am Wochenende, extrem rechten Vorurteilen Paroli zu bieten

Ein Mann zerreißt fluchend einen Handzettel der Initiative gegen Rechts. Ein Zweiter möchte Aufkleber vom Stand auf dem Bierfestival mitnehmen, und sein Grinsen verrät, dass er sich über die Antifaschisten lustig macht. Ein weiterer raunt im Vorbeigehen, dass Rassismus doch gut sei. Ein Satz, zu dem einem eigentlich nichts mehr einfällt. Trotzdem sucht Canan Bayram (Grüne) das Gespräch auch mit diesen Passanten. »Wir müssen mit den Leuten reden. Das bringt was.« Davon ist die Abgeordnete und Aktivistin der Kiezinitiative überzeugt.
Am frühen Abend wird es voll auf der Meile. Viele Tausende kommen, und die Massen schieben sich an dem Infostand vorbei. »Hier stehen wir genau richtig«, sagt Markus Roth von der Initiative, dabei ist ihm sichtlich unwohl. Wer sich ein paar Minuten zu ihm setzt, der merkt schnell, wie sehr die Anwesenheit der Antifaschisten eine Provokation ist. Soziologen behaupten, der Rechtsextremismus habe seinen Nährboden in der Mitte der Gesellschaft. Die Initiative gegen Rechts hat auf dem Bierfestival Tuchfühlung mit ihm aufgenommen.
Dabei sollte es ein friedvolles Volksfest mit Musik werden. Der Veranstalter Lothar Grasnick distanziert sich ausdrücklich von Flatrate-Partys, Börsen- und Sonderpreisen. Er wollte nicht, dass die Biermeile in einem Saufgelage endet. Sein Wunsch erfüllte sich nicht; es ging zünftig zu – je später der Abend, desto ordinärer wurde es.
Sebastian Wehrhahn von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) hat das Fest im Vorfeld problematisch eingeschätzt. In den vergangenen Jahren habe es auf dem Volksfest Angriffe gegen Migranten und Linke gegeben. Das sollte sich dieses Mal nicht wiederholen, und entsprechend wurden Vorsichtsmaßnahmen ergriffen: Nach einem Vorbereitungstreffen entschied das Bezirksamt, dass die Sportanlagennutzungsverordnung für die Meile gelten solle. Der Veranstalter bekam damit das Hausrecht übertragen, und er sollte unliebsame Gäste von dem Festival ausschließen. Lothar Grasnick betonte, dass Neonazis unerwünscht seien. Wer verfassungsfeindliche Symbole auf der Partymeile trage, solle runterfliegen.
Das Problem ist jedoch dabei: Die rechte Jugend heute trägt nicht mehr nur Glatze und Bomberjacke, sondern ihre Codes sind versteckt, und manchmal nur für Insider erkennbar. Die MBR traf sich im Vorfeld des Festes mit dem Sicherheitsdienst und erklärte ihm die rechten Symboliken. Sebastian Wehrhahn achtet darauf sehr genau; denn mittels dieser versteckten Zeichen versuchten die Rechten bewusst, öffentliche Räume zu besetzen. Die Schulung zeigt Wirkung: Ein älterer Mann erzählt am Stand der Initiative, wie der Sicherheitsdienst einem Rechten angewiesen habe, eine Runen-Tätowierung abzukleben. Vereinzelt werden Neonazis auch der Polizei übergeben. Eine Sensibilisierung gegenüber Rechtsextremen hat die Biermeile erreicht.
Allerdings werfen Antifaschisten dem Wachdienst auch vor, in etlichen Fällen ihrer Aufgabe nicht nachgekommen zu sein: So seien am Freitagabend in einem Bierzelt Neonazis aggressiv geworden, und die Security habe daneben gestanden und zugeschaut. Die zuständige Sicherheitsfirma K&S wollte sich gegenüber dem ND dazu nicht äußern. Insgesamt sei es auf der Biermeile friedlich geblieben, vermeldet der Veranstalter. Auch die Polizei, die sich dezent im Hintergrund hielt, hat keine größeren Zwischenfälle bemerkt.

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09.08.2010 TAZ
Wo Hopfen und Malz verloren ist
FANMEILE Trotz Infostand der Initiative gegen Rechts sind das 14. Internationale Bierfestival auf der Frankfurter Allee und sein Publikum gewöhnungsbedürftig

Der Anruf um die Mittagsstunde reißt mich aus meinem Schönheitsschlaf. Verabredungen verschlafen, so was kann schon mal vorkommen, aber nicht heute, wo wieder mal das Bierfestival auf der Frankfurter Allee stattfindet und ich mich schwer mit dem Kater vom Vorabend rausreden kann, wo ich doch zum Biertrinken verabredet bin.
Also im Taxi (zur Freude des Fahrers) Fischbrötchen frühstücken und kurz darauf mit immer noch sichtbaren Kopfkissenabdrücken im Gesicht über die 14. Biermeile schlendern. Jetzt heißt es aufmerksam sein, denn die Bekömmlichkeit des ersten Biers kann über den Verlauf des Tages entscheiden.
Ich wähle das "Agitatorenbier", auf dem Etikett prangen Honecker und Castro. Die Flasche ist zügig geleert, und dennoch fühle ich mich nicht wohl zwischen Junggesellen, Kegelvereinen und Hooligangruppierungen, der Kopf schmerzt noch, und der Regen tut ein Übriges. Alles riecht nach nassem Hund, nur die Hunde nicht, die riechen bereits verwest. Von hinten spürt man den feuchten Atem der "Freunde des Bierglasmuseums Wahrburg", englische Kampftrinker präsentieren ihre Hinterteile, und die "Oelsnitzer Blasmusikanten" geben logischerweise die Blasmusikversion eines DJ-Ötzi-Klassikers zum Besten. Was tun?
Die Bierkrugsonnenbrille muss her, für läppische 5 Euro bin ich nun stolzer Besitzer eines überflüssigen Accessoires, das mich kurzzeitig in die bierselige Gemeinschaft integriert. Es gibt Dinge, die die Welt nicht braucht, und es gibt Veranstaltungen wie das Bierfestival. In diesem Fall denkt die Welt nicht mal darüber nach, ob sie diese Veranstaltung braucht oder nicht, sie erträgt sie auch nicht, sie lässt sie einfach vorbeirauschen. Ich tue es ihr gleich, auch das Honigbier ist schon wieder leer, ein auffallend hübsches Mädchen ruft: "Hier gibt's Jogi Bier, das weckt den Jogi in dir!" und ich bin dabei, na klar, ein "Jogi Bier" bitte.
Leider entdecke ich erst später, dass es sich gar nicht um den deutschen Fussballnationaltrainer, sondern um die indische Bedeutung des Wortes handelt. Je später der Abend, desto freundlicher das Publikum, dieser Leitsatz gilt hier genauso wenig wie überall sonst. Allerdings hat der Veranstalter dieses Mal wenigstens so getan, als ob ihn das größtenteils rechtslastige Publikum stören würde, und zusammen mit der Initiative gegen Rechts einen Infostand aufgebaut sowie Flyer verteilen lassen.
Da stehen dann so tolle Fragen drauf wie: "Sie fragen sich: Was haben Sie damit zu tun, wenn rechte Schreihälse überall Ärger machen müssen?", und beschreiben somit in Vollendung den Teil der Besucher, der nicht offen rechtsradikal ist. Die ältere Dame am Infostand hat ihre Aufgabe offenbar leicht fehlinterpretiert; auf die Nachfrage, ob es denn bereits besondere Vorkommnisse gegeben habe, antwortet sie lieber nicht, denn "sie kennt jeden bei der taz", und mein Name sagt ihr leider gar nichts. Dementsprechend möchte sie auch nichts berichten, geschweige denn Informationen an die falschen Leute weitergeben, man weiß ja nie, der Feind hört mit. Todesmutig habe ich aus anderen Top-secret-Quellen erfahren, dass es wie jedes Jahr auch diesmal wieder zu Übergriffen auf Andersdenkende kam, doch wen wundert's?
Inzwischen weiß ich, wie Cidre-Bier aus Afrika und Kreuzberger Klosterbier schmeckt, ich hab den "Bierkönig" getroffen, die "Muffelhuffer Biergesellschaft" kennengelernt und bin der ein oder anderen Gruppen aus dem Weg gegangen.
Mir reicht's, hätte man mich doch lieber zur Hanfparade geschickt, da ist einem wenigstens alles egal. Am Frankfurter Tor öffne ich die Tür eines gerade ankommenden Taxis, drei Briten steigen aus, nicken dem vermeintlichen Bierfestivalpagen höflich zu und drücken mir 2 Euro in die Hand. Bloß weg hier. JURI STERNBURG

Leserbrief
Zu „Wo Hopfen und Malz verloren ist“ von Juri Sternburg

Der Autor vermittelt den Eindruck, dass die langjährige Intervention der AnwohnerInneninitiative Gegen Rechts auf der sog. Biermeile sinnlos ist, weil es besser sei dieses Massenbesäufnis an sich „vorbeirauschen“ zu lassen. Schulterzuckend entleert er sein Glas auf TAZ-Kosten, statt zu recherchieren. Dass es AnwohnerInnen gibt, die sich diesem deutschtümelnden Event nicht entziehen können, dass es Touristen gibt, die aufgrund ihrer Herkunft dort Opfer werden, dass es Frauen gibt, die sich widerlichen Anmachen ausgesetzt sehen, dass die Bewegungsfreiheit von marginalisierten Gruppen für drei Tage in Friedrichshain stark eingeschränkt ist – das kommt dem Autor nicht in den Sinn.
Tatsächlich: Juri war am Infostand um zu recherchieren. Sein Probierglas umklammernd, schwer erschöpft vom Bierkonsum, schleppte er sich an unseren Informationsstand und reihte sich mit seinem Gelalle in die übrigen beleidigenden Ausdünstungen mitteilungsbedürftiger Männer ein. Was sich u.a. die „ältere Dame“ (immerhin die migrationspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus) an dem Tag an rassistischen, nationalisitischen und antilinken Diskussionsbeiträgen anhören durfte, ist der TAZ keine Zeile wert. Lieber wird über angeblich verklemmte Linke schwadroniert, die dumme Flyer schreiben.
Zu Protokoll: Auf der Biermeile wir deutsche Konformität gefeiert und gefordert. Juri Sternburg passt rein und kippt sich die Rübe voll. Na bravo. Aber müssen wir sowas lesen? Stefan Otto hat im Neuen Deutschland („Auf Tuchfühlung mit dem Rassismus“) zumindest eine Ahnung warum linke die Biermeile auch in Zukunft nicht vorbeirauschen lassen.

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16.07.2010 Berlin News
18-Jähriger wegen Angriffs auf Angolaner verhaftet

Nach dem Angriff auf einen 16-jährigen Angolaner vor einer Woche ist am Freitag ein 18 Jahre alter Berliner verhaftet worden. Laut Polizei wird ihm vorgeworfen, dem Jüngeren im Volkspark Friedrichshain mit einer Schreckschusswaffe ins Gesicht geschossen zu haben. Zuvor soll er den Angolaner fremdenfeindlich beleidigt haben.Bei seiner Vernehmung gestand der 18-Jährige die Tat. Außerdem räumte er noch weitere Raub- und Gewaltdelikte ein. Ihm wird gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Der 16-Jährige hatte mit Freunden auf einer Parkbank gesessen, als der Täter aus einer Gruppe heraus auf ihn zukam und ihn wegen seiner Hautfarbe anpöbelte. Dann habe er aus einem Meter Entfernung auf den Jugendlichen geschossen. Das Opfer musste ambulant in einer Augenklinik behandelt werden.

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09.07.2010 Tagesspiegel

Unbekannter schießt auf Jugendlichen wegen seiner Hautfarbe

Ein 16-Jähriger wurde im Volkspark Friedrichshain Opfer eines fremdenfeindlichen Angriffs. Der Täter feuerte ihm aus nächster Nähe mit einer Schreckschusswaffe ins Gesicht und floh. Der Jugendliche musste in einer Klinik ambulant behandelt werden. Bei einem fremdenfeindlichen Angriff im Volkspark Friedrichshain erlitt ein Jugendlicher in der Nacht von Donnerstag auf Freitag Gesichtsverletzungen. Der 16-jährige Angolaner saß mit Freunden auf einer Parkbank, als ein Unbekannter aus einer Gruppe heraus auf ihn zutrat, ihn wegen seiner Hautfarbe beleidigte und aus etwa einem Meter mit einer Schreckschusswaffe auf ihn schoss. Anschließend flüchteten der Täter und die ihn begleitenden Personen. Das Opfer erlitt leichte Verletzungen im Gesicht und wurde in einer Klinik ambulant behandelt. Die Polizei hat die Ermittlungen übernommen.

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06.07.2010 Vorwaerts
Gegen Hass und Homophobie
Die Gewalt gegen Schwule und Lesben in Friedrichshain-Kreuzberg nimmt zu. Mit einer Mahnwache hielten am Freitag Vereine und Initiativen dagegen. Auch die SPD aus dem Bezirk war dabei.

„Ein Zeichen setzen“, nannte Jan Stöß das Ziel der Mahnwache, die von der SPD Friedrichshain-Kreuzberg unterstützt wurde. In der Vergangenheit ist es im Bezirk immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen auf Schwule, Lesben und Transsexuelle gekommen. „Friedrichshain und Kreuzberg sind leider nicht die Insel der Seeligen, für die manche unseren Bezirk in Sachen Toleranz halten. Wir müssen Solidarität mit den Gewaltopfern zeigen“, forderte daher der SPD-Kreisvorsitzende.
Neben der SPD und den Landesvereinigung der Schwulen und Leben in der SPD („Schwusos“) riefen auch Bündnisse und Vereine wie „Maneo“ und der Berliner Lesben- und Schwulenverband (LSVD) auf, zu zeigen, dass Gewalt gegen Homosexuelle weder gebilligt, noch schweigend hingenommen wird. So trafen sich die Teilnehmer der Mahnwache am vergangenen Freitag um 19 Uhr am Spanienkämpferdenkmal im Volkspark Friedrichshain.

Ein runder Tisch für den Bezirk
Der Ort war mit Bedacht gewählt: Erst eine gute Woche zuvor, in der Nacht des 26. Juni, war es in dem Park zu mehren schwulenfeindlichen, willkürlichen Übergriffen gekommen. In Berlin nimmt die Gewalt gegen Homosexuelle zu. „Maneo“ hat ein Überfalltelefon eingerichtet, bei dem Betroffene Angriffe melden können. Der Verein unterstützt die Opfer schnell und unbürokratisch. Diese Möglichkeit wurde 2008 von 186 Menschen genutzt, 2009 meldeten sich 225 Opfer.
Für die Opfer ist die Solidarität ihrer Mitmenschen wichtig. „Durch die Mahnwache symbolisierten die Demonstrantinnen und Demonstranten: Homophobe Gewalt in unserem Bezirk? Das darf nicht sein“ sagt Björn Eggert, Mitglied der SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenvertretung Friedrichshain-Kreuzberg. Diese unterstützt das Ansinnen des Bezirksamts einen „runden Tisch“ einzurichten, der sich mit dem größer werdenden Problem homophober Gewalt befasst.

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03.07.2010 Neues Deutschland
Mutige Gärtner und Fußballer
Bänder für Mut und Verständigung in der Potsdamer Staatskanzlei verliehen

Ein Dönerimbiss brannte, Geschäfte von Vietnamesen wurden angegriffen, das Todesmarschmuseum im Belower Wald und schließlich auch Menschen. Zuletzt aber musste das Bündnis gegen Rechtsextremismus aus Wittstock und Umgebung glücklicherweise keine »Heldentaten« mehr vollbringen, freut sich Sprecherin Gisela Gusowsky-Bork. Neonazis hatten einmal ihren Sohn attackiert, als dieser einen dunkelhäutigen Freund besuchte. Es sei viel erreicht worden, doch man dürfe sich nicht zurücklehnen, warnt Bürgermeister Jörg Gehrmann. Am Freitag erhielt das Bündnis in der Potsdamer Staatskanzlei das Band für Mut und Verständigung.
Genauso geehrt wurde der FC Internationale Berlin, bei dem junge und alte Fußballer aus 38 Nationen trainieren. Zu ihren Spielen treten sie in Trikots an, die den Aufdruck »No racism« tragen. Dringend wünscht sich der Verein, endlich eine eigene Sportanlage im Bezirk Tempelhof-Schöneberg zu bekommen.
Das dritte Band für Mut und Verständigung des Jahres 2010 erhielt der Potsdamer Integrationsgarten am Schlaatz. Familien zum Beispiel aus Litauen, Russland, Rumänien und Ungarn pflanzen und feiern gemeinsam. Sie stammen meist vom Lande und hatten daher ihre Schwierigkeiten, sich in dem Neubaugebiet der Landeshauptstadt einzugewöhnen. Doch auf dem Gelände eines zuvor brach liegenden Schulgartens konnten sie sich ein kleines Paradies schaffen, »Wurzeln schlagen in der Fremde«, wie sie sagen. Innerhalb von zehn Jahren gab es wiederholt Vandalismus und acht Anschläge. Beim letzten Mal schmierten die Täter Hakenkreuze. Sie konnten nicht gefasst werden. Die Gärtner geben jedoch niemals auf. Sie säen immer wieder.
Einen Sonderpreis bekam die Initiative gegen Rechts in Berlin-Friedrichshain. Sie wehrte sich gegen einen Laden der bei Neonazis beliebten Bekleidungsmarke »Thor Steinar«. Die Initiative bewunderte am Freitag ausdrücklich den Mut einiger Brandenburger. Ihnen in Friedrichshain biete die Großstadt einen gewissen Schutz, den engagierte Antifaschisten in kleinen Städten und Dörfern nicht genießen.
Davon kann die Bürgerinitiative »Zossen zeigt Gesicht«, die ebenfalls mit einem Sonderpreis ausgezeichnet wurde, ein Lied singen. Bekannt wurde sie durch den erlitten Brandanschlag, der das Haus der Demokratie in der Stadt zerstörte. »Zossen zeigt Gesicht« sieht sich mit Morddrohungen konfrontiert, lässt sich jedoch nicht einschüchtern. Schmerzlich seien die nicht mehr nachvollziehbaren Anwürfe von Bürgermeisterin Michaela Schreiber, beklagte der Sprecher der Bürgerinitiative Jörg Wanke. Zunächst sei man von der Rathauschefin als Unruhestifter und Nestbeschmutzer beschimpft worden. Inzwischen müsse man sich sogar den Vorwurf des Linksextremismus anhören. Wanke bat die Politik deswegen um ein »Machtwort«. Das Band für Mut und Verständigung wird seit 1993 verliehen, immer im Wechsel in Berlin und Potsdam.

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29.06.2010 Frankfurter Rundschau
Neonazis auf Strümpfen
Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt, wie Demokratie sich am besten schützt. Ziel aller Initiativen müsse es sein, mehr Mitbestimmung und Toleranz in den Alltag einziehen zu lassen.
Von Volker Schmidt

Ein rechter Schläger auf Strümpfen vor Gericht. Ein Haus, in dem Juden, Christen und Muslime miteinander reden, kochen und essen. Ein Infocontainer vor einem Laden der bei Rechtsextremen beliebten Kleidermarke Thor Steinar: Das sind drei Beispiele für erfolgversprechende Ansätze in der Bekämpfung von Rechtsextremismus, meint der Magdeburger Sozialwissenschaftler Roland Roth.
Roth hat im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung ein Gutachten mit dem Titel "Demokratie braucht Qualität" (PDF-Dokument) verfasst, das am Montag in Berlin vorgestellt wurde. Er hat Beispiele aus den "Handlungsfeldern" Staat, Zivilgesellschaft und Wirtschaft zusammengetragen und daraus "Gelingensfaktoren" zu destillieren versucht.
Roth empfiehlt unter anderem Polizei und Justiz, Rechtsradikalen keine Sonderbehandlung angedeihen zu lassen, aber alle gesetzlichen Mittel auszuschöpfen. Richter sollen rassistische Motive thematisieren, die Polizei soll verhindern, dass rechte Schläger "Angsträume" schaffen.
Ein Beispiel ist der Jugendrichter Andreas Müller vom Amtsgericht Bernau in Brandenburg: Müller stuft Springerstiefel als Waffen ein, lässt einen Neonazi schon mal ohne Schuhe vor Gericht stehen und macht die Auflage zum Teil des Urteils, auch im Alltag die Stiefel nicht zu tragen. Müller verurteilt Gewalttäter schnell; rassistische Motive verschärfen das Strafmaß - trotzdem ist er kein "Richter Gnadenlos"; er lehnt ein schärferes Jugendrecht ab. Dafür verdonnert er Verurteilte zum Beispiel dazu, in pädagogischer Begleitung eine KZ-Gedenkstätte zu besuchen.

Konsequent gegen fremdenfeindliches Verhalten vorgehen
Als erfolgreiche zivilgesellschaftliche Initiativen nennt Roth neben zwei Beratungsteams in Berlin und dem Bürger-Bündnis im Harz-Städtchen Wernigerode auch das Stuttgarter Abrahamhaus. Dort haben sich Angehörige der abrahamitischen Religionen - Judentum, Christentum, Islam - zusammengetan, um Vorurteile abzubauen. Roth hält den Ansatz für "das stärkste Gegengift" gegen Parteien, "die mit der Angst vor einer anderen Religion Politik zu machen versuchen". Es ging aber nicht gleich um interreligiöse Streitthemen, sondern zuerst um Kultur und Kulinarik.
Im Handlungsfeld Wirtschaft nennt Roth die "Initiative gegen Rechts" in Berlin-Friedrichshain mit ihrer Aktion "Service-Wüste für Nazis". Plakate mit dem Aufdruck "Kein Kiez für Nazis" in Kneipen sollen, so Roth, von Übergriffen abschrecken und potenziellen Opfern signalisieren, wo sie Schutz finden. Die Initiative erreichte durch einen Info-Container vor einem Thor-Steinar-Laden auch, dass der Vermieter die Ladenräume kündigte.
Firmen verordnet Roth unter anderem ein konsequentes Vorgehen gegen fremdenfeindliches Verhalten von Beschäftigten. Er lobt aber auch Initiativen wie die der Unternehmensgruppe Freudenberg aus Weinheim (Baden-Württemberg), die Manager etwa zur Renovierung des "Hauses der Demokratie" im sächsischen Wurzen schickte, das zuvor durch rechte Übergriffe aufgefallen war.
Unterm Strich fordert Roth, das Ziel aller Initiativen müsse es sein, mehr Demokratie und Toleranz in den Alltag einziehen zu lassen. Ein gesellschaftliches Klima der Mitbestimmung und der Übernahme von Verantwortung seien die beste Prävention gegen Rechtsextremismus. Mit anderen Worten: Eine funktionierende Demokratie schützt sich selbst.
Wie in Riesa: Dort hat der Stadtrat in der vergangenen Woche die Mannheimer Straße umbenannt, in der der Verlag der NPD-Parteizeitung "Deutsche Stimme" seinen Sitz hat. Sie heißt jetzt Geschwister-Scholl-Straße.

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Mai 2010: Unser Blatt – VVN BdA Berlin
»Alles Extremismus«?
Diskussion zur Neuauflage der Totalitarismus-Doktrin in der Bundesrepublik

Am 18. Januar diskutierten im Friedrichshainer Cafe Sibylle der Bundesvorsitzende der WN-BdA, Prof. Dr. Heinrich Fink, und eine Vertreterin der Antifa Friedrichshain vor rund 50 Anwesenden über Gedenkstättenpolitik, Gleichsetzungsstrategien, den Extremismusbegriff und Konsequenzen für weitere antifaschistische Arbeit.
Die Totalitarismustheorie feiert durch die neue Bundesregierung im Deckmantel der Extremismusdebatte eine neue Renaissance. Im Kalten Krieg wurden alle geistigen und politischen Kräfte mobilisiert, um gegen den Feind in Ost und West zu destabilisieren. In der BRD tat man dies durch die Gleichsetzung von Stalinismus und Faschismus als zwei totalitäre Staatsformen. Die Gleichsetzung zweier grundsätzlich entgegen gesetzter Ideen konnte nur in der gemeinsamen Gegnerschaft zur parlamentarischen Demokratie gefunden werden. Alle, die das Bestehende fundamental ändern wollten, wurden von Adenauer und folgenden Regierungen in einen Topf mit KZ-Aufsehern geworfen, um das »überkochende ideologische Gebräu« selbst als Drohkulisse für eigene Vorhaben zur Abwendung der »totalitären« Ideen zu nutzen. Doch auch heute, 20 Jahre nach dem Mauerfall, gibt es eine Riege von konservativen Politologen um den Chemnitzer Uni-Professor Eckhard Jesse, die durch »vergleichende Totalitarismusforschung« die DDR dämonisieren und den Extremismusbegriff nicht nur für den Verfassungsschutz geschärft haben. Heinrich Fink warf diesen Theoretikern vor allem vor, eine inhaltliche Überschneidung zwischen der extremen Rechten und den mit ihr eng verbundenen Strömungen zu entthematisieren, um die gemäßigte Rechte in die Mitte der Gesellschaft einzugliedern. Während also bekennende Neonazis als »extrem« vor die Tür gesetzt werden müssen, ist eine rechtskonservative Identitätsbildung weithin opportun, eben weil sie die nationalsozialistische'Vergangenheit nicht komplett verschleiern muss.
Die Vertreterin der Antifa Friedrichshain betonte, dass das Stigma, »totalitär« oder»extrem« zu sein, heute ja nicht nur theoretische Implikationen, sondern auch reale Folgen für Antifaschisten hat.
Wer heute vom Verfassungsschutz als »extrem« ge(t)adelt wird, weil inhaltlich oder aktionistisch das Bestehende in Frage gestellt wird, muss damit rechnen, ins Visier genommen zu werden. Nach der schwammigen Extremismus-Definition wäre auch denkbar, dass streikende Arbeiter, die Fabriktore verbarrikadieren, als »extrem« eingestuft werden könnten.
Die von der Bundesregierung beschlossene Umwidmung der Programme gegen »Rechtsextremismus« zu Programmen gegen jeden »Extremismus« sollen - vom einenden Gewaltbegriff ausgehend - bestimmte Ideen zusammenwerfen. Nicht nur, dass auf diese Weise Neonazis verharmlost werden, auch ihre effektiven antifaschistischen Gegner werden so diffamiert und zu »Schmuddelkindern«, mit denen niemand zusammenarbeiten sollte. Letztlich führt das bei Bündnispartnern zur politischen Selbstbeschneidung, Entradikalisierung, zum Zurückziehen aus Debatten und zu vorauseltenden Distanzierungen.
Wie nah die Veranstaltung am Zeitgeist war, zeigten die polizeilichen Durchsuchungen einen Tag später in Räumlichkeiten des Dresdener Blockade-Bündnisses, um den Aufruf für Blockaden gegen den Naziaufmarsch in Dresden zu beschlagnahmen.
Markus Roth/Antifa Friedrichshain

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15.02.2010 Neues Deutschland
»Harakiri« – Aus für Nazi-Kleiderkammer
Berüchtigtes Geschäft in Prenzlauer Berg geschlossen / Andere bei Rechten beliebte Läden in Berlin aber noch geöffnet

Der Laden ist dicht. Berlins ältester Neonazi-Shop »Harakiri« hat seine Pforten geschlossen – nach Informationen der Emanzipativen Antifaschistischen Gruppe (EAG) aus wirtschaftlichen Gründen. Über 15 Jahre existierte das Geschäft des Inhabers Henry Harms in der Bornholmer Straße und zuvor bis 2001 am S-Bahnhof Prenzlauer Allee. Harms, der auch schon mal die Namen und Adressen von vermeintlichen Antifaschisten im Internet veröffentlichte, vertrieb in seinem Laden nicht nur die bei Rechten beliebte Marke »Thor Steinar«, sondern auch indizierte Tonträger der Neonazi-Bands »Screwdriver«, »Spreegeschwader« und »Blue Eyed Devils«.
»Wir sind froh, dass diese Anlaufstelle für Leute, die sich für die Nazi-Szene interessieren, jetzt weg ist«, sagt Martin Stein von der EAG. Denn in dem Laden hätten auch immer Flyer und Plakate ausgehangen, die für Aktionen der Neonazis warben. Überdies sei der »Harakiri« ein Ort gewesen, von dem dauernd Gefahr für Linke, Migranten und Homosexuelle ausgegangen wäre. Ganz aufgegeben scheint Harms allerdings nicht zu haben. Sein Internetshop besteht weiter, und auch bei eBay soll er seinen Handel fortführen.
Während Harms nie einen Hehl aus seiner rechtsextremen Gesinnung machte, sieht das bei »Thor Steinar« anders aus. Die Firma Mediatex aus dem brandenburgischen Zeesen, die die Marke »Thor Steinar« produziert, distanziert sich öffentlich von jedwedem Extremismus. In der rechten Szene sind die Klamotten dennoch wegen ihrer subtilen Codes beliebt.
Trotz ausgesprochener Kündigungen durch die Vermieter sind die beiden Berliner »Thor Steinar«-Läden in der Rosa-Luxemburg-Straße in Mitte und der Petersburger Straße in Friedrichshain zur Zeit noch geöffnet. Der zunächst große Widerstand aus der Zivilgesellschaft gegen die Geschäfte ist jedoch nur scheinbar eingeschlafen. »Die Räumungsklage gegen den ›Tromsø‹ läuft seit Oktober 2009«, berichtet Markus Roth von der Friedrichshainer Initiative gegen Rechts (IGR). Der Vermieter habe sich zuvor in Ruhe erst mal bundesweit über die rechtliche Situation schlau gemacht.
Denn anders als etwa in Mitte habe nämlich die Mediatex im Fall des Friedrichshainer »Tromsø« nicht verschwiegen, dass sie die bei Rechten beliebte Marke verkaufen will. Auf dieser Basis wurde in anderen Fällen wegen »arglistiger« Täuschung die Kündigung erwirkt.
Ob dieses Vorgehen Bestand hat, soll demnächst in letzter Instanz der Bundesgerichtshof entscheiden, der über eine Räumung eines »Thor Steinar«-Ladens in Magdeburg zu befinden hat, berichtet Annika Eckel von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR). Bis dahin scheuen Vermieter Räumungen, da sie Regressforderungen befürchten. Damit künftig erst gar keine solche Läden in Berlin öffnen können, hat die MBR extra Klauseln für Gewerbemietverträge entwickelt, die derzeit durch die Stadträte in den jeweiligen Bezirken bei Vermietern verbreitet werden. Das Interesse an diesen Informationen sei groß, sagt Eckel.
In Friedrichshain bereitet die Initiative gegen Rechts derweil für Ende Februar eine antifaschistische Demonstration zur einjährigen Eröffnung des »Tromsø« vor. Doch nur mit Mitteln der Straße sei den Geschäften nicht beizukommen, räumt Markus Roth von der IGR ein. Deshalb konzentriere sich die Initiative gleichzeitig zusätzlich darauf, die Geschichte des Hauses, in dem der Klamottenladen residiert, in den Fokus zu rücken: Das Gebäude in Friedrichshain diente in den 1930er Jahren der SA als Sturmlokal »Keglerheim«. Im Keller wurden Gegner der Nazis gefoltert und gequält.

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04.02.2010 Jungle World
Der unpolitische Stampfkick

Ein junger Mann wurde im Juli 2009 am S-Bahnhof Frankfurter Allee im Berliner Bezirk Friedrichshain beinahe totgetreten. Vier Neonazis wurden für diese Tat angeklagt, nur einer von ihnen erhielt eine Haft­strafe ohne Bewährung.
Kopfschütteln und Augenrollen, diese Reaktion zeigten nicht nur Angehörige der Angeklagten, sondern auch zwei Justizbeamte am Donnerstag voriger Woche im Berliner Landgericht. Ole Weidmann, der Anwalt der Nebenklage, hielt sein Plädoyer zum Abschluss des Prozesses und erklärte, dass man sich zu etwas bekennen und eine politische Haltung ausdrücken möchte, wenn man Kleidung der Modemarke Thor Steinar trägt, die in der rechten Szene sehr beliebt ist.
Die Staatsanwaltschaft und das Gericht unter dem Vorsitzende Richter Kay-Thomas Diekmann waren an den vergangenen Verhandlungstagen zu einer anderen Einschätzung gekommen, sie gingen davon aus, dass der Angriff auf das Leben von Jonas K. nicht in erster Linie als politisch motiviert einzuordnen sei.
Auf beschlagnahmten Bildern, die als Beweismittel im Prozess zugelassen waren, ist der Angeklagte Marcel B. zu sehen, kurz vor der Tat zeigte er in der Friedrichshainer Diskothek Jeton den Hitlergruß. Der Anwalt von Jonas K. wies darauf hin, dass zumindest zwei der Angeklagten, näm­lich B. und Michael L., schon früher durch Ge­walt­taten gegenüber politischen Gegnern und die Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole auf­gefallen waren. Dem Richter reichte das nicht aus, um daraus eine politische Motivation für den Angriff abzuleiten. Damit folgte er den Ausführungen des Staatsanwalts Jörg Wetzel, der eine po­litische Motivation für den Angriff ebenfalls nicht bejahte mit dem Hinweis, bei dem Vorfall im Juli vergangenen Jahres sei es »nicht um links oder rechts, schwarz oder weiß, braun oder gelb« gegangen.
Zum Auftakt des Prozesses hatte das noch anders ausgesehen. In der Anklageschrift, die von der Staatsanwaltschaft vorgelesen wurde, ging man von einem Mordversuch »aus Gründen der Machtdemonstration gegen einen politischen Gegner« aus. Während der Beweisaufnahme erhärtete sich für das Gericht und die Staatsanwaltschaft der Verdacht, dass es zwischen einem vorangegangenen Angriff einer Gruppe Linker auf die vier angeklagten Neonazis und dem Angriff der Angeklagten auf Jonas K. keine zeitliche Zäsur gegeben habe. Die Linken hätten sich durch L.s Thor-Steinar-Jacke provoziert gefühlt. Juristisch bedeutet diese Feststellung, dass sich die Tat im unmittelbaren Anschluss an eine Notwehrsituation ereignete. Es gebe deutliche Hinweise, dass sich Jonas K. in der Gruppe der Angreifer befunden habe; anders sei es auch nicht zu erklären, dass die Flucht der Angreifer und der brutale Über­griff auf Jonas K. quasi gleichzeitig stattgefunden hätten.
Jonas K., der Nebenkläger, konnte sich an den Tat­hergang nicht erinnern. Er erlitt nach dem Angriff der Neonazis ein Schädelhirntrauma und eine Jochbogenfraktur, wegen Blutungen im Gehirn lag er auf der Intensivstation. Die ersten Not­rufe waren bei der Polizei am Morgen des 12.?Juli zwischen 5.50?Uhr und 5.52?Uhr eingegangen – zu diesem Zeitpunkt lag Jonas K. schon regungslos am Boden.
Nach sieben Prozesstagen rekonstruierte der Vorsitzende Richter das Geschehen. Die Angeklagten K., B. und Michael G. seien ihrem Freund L., der von einem Angreifer mit einer Flasche am Kopf verletzt wurde, zur Hilfe gekommen. Daraus habe sich eine Schlägerei entwickelt, in deren Verlauf Jonas K. zu Boden gebracht und mit Schlägen und Tritten malträtiert worden sei. Bis zur Flucht derjenigen, die die Neonazis angegriffen hätten, handele es sich um eine klare Notwehr- bzw. Nothilfesituation, erst danach setze die strafrechtlich relevante Tat ein. Bei seiner Argumentation orientierte sich Diekmann an den seiner Ansicht nach neu­tralen Zeugenaussagen und folgte im Kern der Darstellung der angeklagten Neonazis und ihrer Verteidiger. Zeugenaussagen, die dieser Ansicht widersprachen, wurden hingegen als weniger glaub­würdig eingeordnet, weil sie mit der Gruppe der linken Angreifer in Verbindung gebracht werden könnten. Die Aussage einer als neutral ge­werteten Zeugin, die sagte, sie habe den Satz »Du Zecke stehst nicht mehr auf« gehört, wurde nicht in die Urteilsfindung einbezogen, da der Satz keinem der vier angeklagten Neonazis eindeutig zugeordnet werden konnte.
Am Ende verurteilte das Gericht den 26jährigen Oliver K. wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten. Der 21jährige Marcel B. und der 23jährige Michael L. wurden wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugend- bzw. Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Der 24jährige Michael G. wurde freigesprochen.
Damit blieb das Landgericht weit hinter den For­derungen der Staatsanwaltschaft zurück. Diese hatte wegen versuchten Totschlags acht Jahre Haft für K. und für die Angeklagten B. und L. drei Jahre Jugend- bzw. Freiheitsstrafe wegen gefährlicher Kör­perverletzung gefordert. Strafmildernd wirkte sich bei allen die starke Alkoholisierung aus.
B. hatte nach übereinstimmenden Aussagen zugetreten und erst von Jonas K. abgelassen, als ihm Zeugen zuriefen: »Hört auf, der bewegt sich doch gar nicht mehr.« L. wurde lediglich vorgeworfen, dass er Personen daran gehindert hatte, Jonas K. zu helfen. Eine DNA-Analyse der Kleidung hatte zwar ergeben, dass L. Blut von Jonas K. an seiner Kleidung hatte. Das Gericht kam dennoch zu der Einschätzung, dass er nicht zugetreten und sich nicht in der Nähe des Opfers befunden habe. Eine direkte Tatbeteiligung könne weder ihm noch dem Angeklagten G. nachgewiesen werden.Was am Ende bleibt, ist eine widersprüchliche Darstellung einer Tat, nach der K., bedingt durch Alkohol und den Angriff auf den Kumpel, ausrastete und Jonas K. fast zu Tode trat. Bei der Begründung des Urteils bescheinigte der Richter dem Angeklagten K. zwar eine klare Tötungsabsicht – immerhin hatte der Angeklagte gegenüber Polizeibeamten zugegeben, Jonas K. mit einem »Stampfkick« auf den Kopf getreten zu haben. Weil die eintreffende Polizei den Tötungsversuch unterbinden konnte, rückte das Strafmaß jedoch in die Nähe eines minderschweren Falls.

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29. Januar 2010 Störungsmelder ZEIT
Mildes Urteil für den “Boardsteinkick”
Mordversuch aus "Gründen der Machtdemonstration"

Sie hatten einen Linken fast getötet: Wegen der brutalen Attacke auf einen Studenten im Juli 2009 am S-Bahnhof Frankfurter Allee in Berlin-Friedrichshain sind die Angeklagten am Donnerstag vom Landgericht Berlin zu Haftstrafen verurteilt worden. Zwei Verurteilte bekamen Bewährung.
Ein halbes Jahr nach dem Beinahe-Tod eines jungen Linken in Friedrichshain ist der Prozess gegen vier Rechtsextremisten mit einem überraschend milden Urteil geendet. Die Jugendkammer des Landgerichts verurteilte am Donnerstag den Haupttäter Oliver K. (26) wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu fünfeinhalb Jahren Haft. Die Angeklagten Michael L. (23) und Marcel B. (21) kamen mit je zwei Jahren auf Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung davon. Im Fall von Marcel B. verhängte die Kammer eine Jugendstrafe, weil er zur Tatzeit Heranwachsender war. Den Angeklagten Michael G. (24) sprachen die Richter frei.
Die Kammer blieb damit deutlich unter den Anträgen von Staatsanwalt Jörg Wetzel, der für Oliver K. acht Jahre und für Michael L. sowie Marcel B. je drei Jahre Haft gefordert hatte. Selbst der Verteidiger von Oliver K. hatte in seinem Plädoyer immerhin eine Strafe „nicht über sieben Jahre“ genannt. Im Fall von Michael G. hatte auch der Staatsanwalt einen Freispruch als notwendig erachtet. Ursprünglich hatte Wetzel allen vier Angeklagten versuchten Mord vorgeworfen.
Die Misshandlung des Linken Jonas K. am frühen Morgen des 12. Juli 2009 sei „eine fürchterliche und widerwärtige Gewalttat“ gewesen, sagte der Vorsitzende Richter, Kay-Thomas Diekmann. Er hielt jedoch allen Angeklagten zugute, sie seien zunächst selbst angegriffen worden. Die Taten während der Schlägerei mit einer Gruppe Linker waren für die Kammer Notwehr und Nothilfe. Die Linken hatten Michael L. attackiert und ihm eine Kopfplatzwunde zugefügt, weil er eine Thor-Steinar-Jacke trug. Die Mitangeklagten eilten L. zu Hilfe. Die Richter sahen zudem „deutliche Hinweise“, dass das spätere Opfer Jonas K. zu den Angreifern gehörte.
Nach Ansicht der Richter begingen die drei verurteilten Angeklagten erst dann Straftaten, als die meisten Linken flohen und damit die Notwehrsituation beendet war. Oliver K. habe mit einem „klar erkennbaren Tötungsvorsatz“ das bewusstlose Opfer ein Stück weitergeschleift und ihm einen Stampfkick auf den Kopf versetzt. Dies sei ein „ungeheuer brutales Vorgehen“, sagte Diekmann und verwies auf die zur Tatzeit gleich drei offenen Bewährungsstrafen des Angeklagten. Doch die Kammer billigte ihm strafmildernd zu, stark alkoholisiert gewesen zu sein.
Im Fall des Angeklagten Marcel B. meinten die Richter, er habe Jonas K. getreten, aber dann versucht, Oliver K. zu stoppen. Bei Michael L. sahen die Richter eine minderschwere gefährliche Körperverletzung, weil er Passanten hinderte, dem Opfer zu helfen.
.Der Anwalt des beinahe getöteten Linken, Ole Weidmann, hatte in seinem Plädoyer gefordert, den Angeklagten Oliver K. wegen versuchten Mordes zu verurteilen, wie es in der Anklageschrift stand. Außerdem seien alle drei Freunde von Oliver K. Mittäter gewesen. Von den Angeklagten äußerte nur Marcel B. in seinem letzten Wort Reue.

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27.01.2010 Tagesspiegel
Nazi-Attacke: Plädoyer erwartet

Vier Rechtsextremisten, die im Juli 2009 in Friedrichshain einen jungen Linken fast totgeprügelt haben sollen, können im Prozess am Landgericht vermutlich von einem psychiatrischen Gutachten profitieren. Sie standen unter starken Alkoholeinfluss.

Der Sachverständige bescheinigte am Dienstag allen Angeklagten, für die Tatzeit sei eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit nicht auszuschließen. Als Grund nannte er der Jugendkammer die hohe Alkoholisierung der vier Männer. Nach Berechnungen, die der Gutachter aufgrund von Blutproben nach der Gewaltorgie angestellt hatte, waren die Angeklagten am frühen Morgen des 12. Juli betrunken mit Werten zwischen zwei und 2,9 Promille. Damit erscheint fraglich, dass die Rechtsextremisten wegen versuchten Mordes verurteilt werden, den ihnen die Staatsanwaltschaft vorwirft. In der Anklage ist allerdings auch von gefährlicher Körperverletzung die Rede.

Das Opfer Jonas K.(22) hatte durch massive Tritte gegen den Kopf schwere Verletzungen erlitten. Als mutmaßlicher Haupttäter gilt der Angeklagte Oliver K. (26), der dem jungen Linken mehrere Stampfkicks auf den Kopf versetzt haben soll. Am Dienstagnachmittag sollte der Staatsanwalt sein Plädoyer halten. Das geforderte Strafmaß stand bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht fest. fan

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22.01.2010 TAZ
Endspurt im Berliner Naziprozess
Polizei belastet Angeklagten schwer

Einer der vier in Berlin angeklagten Neonazi soll laut Polizei bereut haben, dass sein Bordsteinkick an einem Linken scheiterte. Urteil nächste Woche. Zwei Polizisten haben einen Neonazi erneut schwer belastet, dem versuchter Mord vorgeworfen wird. Der 26-jährige Oliver K. soll im Juli mit drei anderen Männern versucht haben, mit einem sogenannten Bordsteinkick einen 22-jährigen Mann zu töten. Vor dem Landgericht sagten die Beamten, K. habe eine Stunde nach dem Ereignis gesagt, "diesen Typen hätte ich richtig auf den Bordstein legen sollen - und dann ,wumm'". Dabei habe er mit dem Fuß aufgestampft. Mehreren Zeugen zufolge hatte K. auf dem Gehweg auf sein bereits bewusstloses Opfer eingetreten.
Die Angeklagten hatten angegeben, angegriffen worden zu sein, weil einer von ihnen eine Jacke der bei Neonazis beliebten Marke "Thor Steinar" trug. Offen blieb am Donnerstag allerdings, wer an der Schlägerei beteiligt war. Die angeklagten Neonazis wollen zwei Männer als ihre Angreifer erkannt haben; allerdings gab einer vor Gericht an, gar nicht vor Ort gewesen zu sein. Der andere sagte, er sei zwar vor Ort, aber nicht beteiligt gewesen. Ihm zufolge war er in einer Gruppe unterwegs gewesen, die jemanden wegen "Thor Steinar"-Kleidung attackieren wollte. Diejenigen, die er als Angreifer benannte, wurden hingegen von den vier Neonazis vor Gericht nicht erkannt.
Die Richter ließen am Donnerstag auch die Fotos der Angeklagten als Beweise zu, die zuvor gestohlen wurden und im Internet aufgetaucht waren. Zwar seien sie durch Straftaten erlangt worden, würden aber nicht besonders schutzwürdige Bereiche der Privatsphäre zeigen. Die Bilder zeigen, wie einer der Angeklagten in einer Disko den Hitlergruß zeigt. Außerdem gibt es Bilder, auf denen sie mit NPD-Plakaten und SS-Helmen posieren. Alle vier Männer haben bereits wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht gestanden. Kommende Woche sollen Plädoyers gehört und ein Urteil gesprochen werden. L. SANDER

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20.01.2010 Junge Welt
Schläger vor Gericht
Augenzeuge schildert brutale Attacken gegen Berliner Studenten

Im Prozeß gegen vier mutmaßliche Neonazis wegen versuchten Mordes hat ein Augenzeuge am Dienstag die Angeklagten schwer belastet. Seinen Angaben nach hatten drei von ihnen im Juli vorigen Jahres nach einem Besuch in der Diskothek Jeton in Friedrichshain wiederholt auf den Kopf eines 22jährigen Studenten eingetreten. Zunächst sollen die 20- bis 26jährigen Männer das Opfer vor dem S-Bahnhof Frankfurter Allee mit Fäusten zu Boden geschlagen und dann mit Wucht und in Tötungsabsicht mehrfach auf ihn eingeprügelt haben. Dem Staatsanwalt zufolge handelten sie aus »Wut« und wollten damit ihre Macht gegenüber einem vermeintlichen politischen Gegner demonstrieren.
»Das war das Schlimmste, was ich je gesehen habe«, erklärte der 28jährige Augenzeuge. Er hatte die Polizei alarmiert. Drei der Angeklagten hat er im Prozeß als Täter wiedererkannt. Ein 24jähriger Mittäter sei nicht aktiv, aber dabei gewesen, sagte er. Anfangs habe die Auseinandersetzung auf ihn wie eine »ganz normale Samstagsmorgenschlägerei« gewirkt, so der Zeuge. Als er sich das nächste Mal umsah, habe der junge Mann jedoch am Boden gelegen, und mehrere Leute hätten auf ihn eingetreten. Das Opfer sei dann »über den Boden« an eine Mauer gezogen worden. Seiner Erinnerung nach traten der 20- und der 26jährige Angeklagte bis zum Eintreffen der Polizei »ununterbrochen« weiter auf den Kopf des Opfers ein.
Der 23jährige Angeklagte, der laut Anklage bei einer vorausgegangenen Schlägerei verletzt wurde, habe währenddessen versucht, ihn und andere Leute zu vertreiben. Das Opfer hatte neben Prellungen und Platzwunden ein Schädelhirntrauma erlitten und lag fast zwei Wochen im Krankenhaus. Dem Studenten fehlt jede Erinnerung an den Vorfall. Drei der Angeklagten hatten zu Prozeßbeginn den Übergriff im wesentlichen gestanden. Das Verfahren wird am 21. Januar fortgesetzt.

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13.01.2010 Tagesspiegel
Zeuge belastet Neonazis schwer

Im Prozess zu dem Beinahemord in Friedrichshain sieht es für die vier Angeklagten Neonazis schlecht aus: Ein 19-Jähriger will gesehen haben, wie die Angeklagten auf ihr am Boden liegendes Opfer eintraten - mit Stampfkicks auf den Kopf.

Der junge Zeuge redet hastig und weint kurz. „Ich schäme mich so dafür, dass ich nicht helfen konnte“, doch der Vorsitzende Richter der Jugendkammer des Landgerichts beruhigt den Schüler. „Sie haben ziemlich viel Mut an den Tag gelegt, Sie müssen sich nicht schämen“, sagt Kay-Thomas Diekmann und nickt dem 19-Jährigen zu. Der hat in der Nacht zum 12. Juli 2009 die Misshandlung des jungen Linken Jonas K. durch Rechtsextremisten hautnah miterlebt. „Ich rief: lasst den in Ruhe, der ist bewusstlos“, erinnert er sich am Dienstag vor Gericht. Es half nichts. „Alle haben durchgängig auf den Kopf eingetreten“, sagt der Zeuge. Zuvor hat er auf jeden der vier Angeklagten gezeigt. Die blicken eisig.
Am zweiten Tag im Prozess zu dem Beinahemord in Friedrichshain sieht es für Oliver K., Marcel B., Michael L. und Michael G. nicht gut aus. Der Zeuge belastet die angeklagten Rechtsextremisten und bestätigt weitgehend, was die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift zusammengetragen hat. Zunächst habe es nahe dem U-Bahnhof Frankfurter Allee eine Schlägerei zwischen den Beschuldigten und anderen Leuten gegeben, „das waren vier gegen vier“. Michael L., der Zeuge nennt ihn „der Herr mit der Thor-Steinar-Jacke“, habe einen Schlag auf den Kopf bekommen und geblutet. Dann sei von einem der Täter eine Person zu Boden geschlagen und dort getreten worden. Das Opfer habe jedoch aufstehen und weglaufen können. Der Geschädigte blieb unbekannt, die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten in diesem Fall gefährliche Körperverletzung vor. Doch es folgte in jener Nacht eine weitere, noch brutalere Tat – laut Anklage ein versuchter Mord.
Der Zeuge sagt, Michael L. habe sich eine Person „gegriffen und geboxt“. Es handelte sich um Jonas K., den der Zeuge nach eigenen Angaben nicht kannte, auch wenn beide von einer Party in einem „alternativen Wohnprojekt“ kamen. Der Zeuge sah dann die Tritte gegen den reglosen Jonas K., darunter „Stampfkicks“ auf den Kopf. Schließlich habe „der mit der Everlast-Jacke“, gemeint ist der Angeklagte Oliver K., den „bewusstlosen Körper“ in Richtung Straße gezogen „und den Kopf gerichtet“ – um ihn anschließend mit weiteren Fußtritten zu traktieren. Als die Polizei kam, rannte der Zeuge zu den Beamten und zeigte auf Oliver K. und Michael L., die sich offenbar absetzen wollten. Beide wurden noch am Tatort festgenommen.
Jonas K. habe „potenziell lebensbedrohliche Verletzungen“ erlitten, sagt ein Gerichtsmediziner als Zeuge und erwähnt die „Einblutung im Hirngewebe“. Jonas K. selbst hat zuvor den Richtern gesagt, dass er sich an nichts mehr erinnern kann. „Ich bin froh, dass ich noch am Leben bin“, die Stimme des 22-Jährigen stockt häufig. Er wirkt traumatisiert, kann sich schlecht konzentrieren und wird psychologisch betreut. Und er versucht, die Tat nicht an sich herankommen zu lassen. „Ich will nichts wissen und ich bin froh, dass ich nichts weiß“, sagt er. Frank Jansen

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08.01.2010 Neues Deutschland
»Es war wie im Blutrausch«
Vier rechte Schläger wegen versuchten Mordes vor dem Berliner Landgericht angeklagt

Ein unglaublich brutales Verbrechen wird seit gestern vor dem Berliner Landgericht verhandelt. Die vier Täter zwischen 20 und 26 Jahren aus dem Berliner Umland kommen aus der dumpfen rechten Szene. In den Morgenstunden des 12. Juni 2009 haben sie laut Anklageschrift gemeinsam den 22-jährigen Berliner Studenten Jonas K. fast zu Tode geprügelt und getreten. Deshalb sind Oliver K., Marcel B., Michael L. und Michael G. nicht wegen schwerer Körperverletzung, sondern des versuchten Mordes angeklagt. Drei sitzen hinter Panzerglas, der Jüngste neben seinem Verteidiger.
Viele Details sind noch im Dunkeln. Fest steht: Als Jonas an diesem Morgen nach einer Schlägerei am S-Bahnhof Frankfurter Allee schon wehrlos am Boden lag, sollen die vier wie entfesselt gegen seinen Kopf getreten, ihn anschließend zum Radweg geschleift, das Gesicht über die Bordsteinkante gedrückt und erneut zugetreten haben. »Stampfkick« heißt das blutige Spiel in dem Film »American History X«, wo ein amerikanischer Nazi-Skin einen Schwarzen mit einem gezielten Tritt auf den Hinterkopf umbringt. Und die vier Rechten wollten genau das tun, sagt die Staatsanwaltschaft. Das Opfer erlitt lebensgefährliche Verletzungen, ein Schädelhirntrauma zweiten Grades mit Einblutungen und schwerste Gesichtsverletzungen. Es geht ihm nach Angaben seines Anwalts Ols Weidmann den Umständen entsprechend gut. An die Ereignisse vom 12. Juni hat er keinerlei Erinnerungen.
Was geschah an jenem Morgen an der Frankfurter Allee gegen 5.45 Uhr? Der erste Verhandlungstag war den Aussagen der Täter vorbehalten. Und die beschrieben sich vor allem als Opfer. Nach ihren Darstellungen seien sie nach dem Verlassen der rechten Disco »Jeton« aus einer Gruppe von etwa zehn jungen Leuten angegriffen und niedergeschlagen worden. »Da bin ich ausgerastet, ich war in Rage, wie im Blutrausch«, schilderte der Haupttäter über seinen Anwalt seine Stiefelattacken. Alle hätten sie eine Menge Alkohol geschluckt und könnten sich deshalb nicht mehr an Einzelheiten erinnern. Eigentlich wollten die Angeklagten gar nicht raus mit der Sprache, doch der Vorsitzende Richter baute ihnen Brücken, um sie zur Aussage zu bewegen. Natürlich könnten sie schweigen, doch eine wahrheitsgemäße Schilderung könnte sich positiv auf die spätere Entscheidung auswirken. So wären Schläge und Tritte durchaus akzeptabel, wenn sie denn der Selbstverteidigung dienten. Das griffen die Angeklagten dankbar auf und schilderten ihre Opferversion.
Unmittelbar nach der Tat war die Polizei zur Stelle und nahm die Männer fest. Außerdem meldeten sich zahlreiche Zeugen, die das Geschehen beobachtet hatten. Danach ergibt sich ein etwas anderes Bild, als es die vier Angeklagten jetzt vor Gericht zeichnen. Es begann wohl vor der Kneipe »Jeton«. Das rechte Kleeblatt war nach einer so genannten Schaumparty noch so richtig in Brülllaune und posierte auf der Straße mit dem Hitler-Gruß. Dabei fotografierte man sich gegenseitig. Das Handy verschwand im feuchtfröhlichen Trubel, die Bilder von den Hitler-Jüngern tauchten später im Internet auf. Das Nazi-Spektakel und die bei Rechten beliebte Thor-Steinar-Kleidung der Rechtsextremen empfanden andere Jugendliche auf der Straße als Provokation. Aus einer verbalen Auseinandersetzung entwickelte sich eine Schlägerei, bei der auch einer der Rechten zu Boden ging. Als sich die Lage schon entspannt hatte, griffen sich die Schläger den Studenten, weil sie ihn als »Zecke« ausgemacht hatten. »Du Zecke sollst nicht mehr aufstehen!« Das war der Schlachtruf, mit dem sie Jonas fast zu Tode trampelten.
In der kommenden Woche wird das Opfer als Zeuge aussagen, das Urteil wird voraussichtlich gegen Ende des Monats gesprochen. Eines wurde nach dem ersten Prozesstag deutlich: Gewalt ist immer ein schlechter Ratgeber und sie dient nur jenen, die Rechts und Links gern in einem Atemzug nennen wollen.

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24.11.2009 Tagesspiegel
15 Festnahmen bei Gedenken an Silvio Meier
15 Festnahmen, zehn verletzte Polizisten und sechs beschädigte Autos: Das ist die Bilanz der Silvio-Meier-Demonstration in Friedrichshain. Die Anmelderin kritisiert die "massive Präsenz" der Polizei.

Bis zu 2000 Menschen nahmen nach Polizeiangaben an dem Marsch teil. Es flogen Böller, von Hausdächern leuchteten bengalische Fackeln und Raketen flogen in den nächtlichen Himmel. Entgegen den Absprachen mit der Polizei löste sich die Demo etwa einen Kilometer vor dem Ende plötzlich auf. Etwa 800 Teilnehmer suchten sofort die Konfrontation mit der Polizei, in der Niederbarnimstraße flogen kurzzeitig Flaschen und Steine auf Polizisten. Danach beruhigte sich die Lage rasch, auch in der Nacht gab es keine Vorkommnisse mehr. Die Anmelderin der Demonstration, die Linken-Abgeordnete Evrim Baba, verteidigte den Abbruch der Demo: „Das ist unser Recht und unsere Freiheit.“ Man habe nur reagiert auf die „massive Präsenz der Polizei und die Überwachung“. Die Demonstration selbst sei völlig friedlich gewesen.
Die Demonstration stand unter dem Motto „Linke Freiräume schaffen, gegen Nazis, Staat und Kapital“. Der 27-jährige Hausbesetzer Silvio Meier war am 21. November 1992 am U-Bahnhof Samariterstraße von Rechtsextremisten überfallen und erstochen worden. Evrim Baba betonte, dass die „Gefahr weiterhin von rechts ausgeht“. Ein breites Bündnis gegen Nazis sei notwendig. Die von Innensenator Körting geforderte Abgrenzung zu Linksextremisten lehnte sie ab. „Wir entscheiden, mit welchen Bündnispartnern wir demonstrieren.“

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23.11.2009 Neues Deutschland
Deeskalativ in hitziger Atmosphäre
Silvio-Meier-Gedenkdemonstration in Berlin verlief weitgehend friedlich

Die vorher befürchtete gewalttätige Eskalation beim Gedenkzug zu Ehren des von Nazis 1992 ermordeten Hausbesetzers Silvio Meier in Berlin blieb aus. Sowohl Polizei als auch jugendliche Antifaschisten hielten sich zurück.
Das Gedenken an Silvio Meiers Tod ist ungewöhnlich, denn es fehlt das Besinnliche dabei. Einzig am Ausgang des U-Bahnhofs Samariterstraße, wo eine Gedenktafel an den Hausbesetzer erinnert, legen Teilnehmer einer Mahnwache Blumen und Kränze ab, zünden Grablichter an und halten inne. Auf dem Bahnsteig wurde vor 17 Jahren Silvio Meier nach einer Auseinandersetzung mit einer Gruppe Neonazis kaltblütig erstochen. Silvio Meier starb mit 27 Jahren.
Oben auf der Fahrbahn der Frankfurter Allee versammeln sich 3000 Menschen zur Demo. Fast alle sind schwarz gekleidet, und sie haben eine Wut angestaut, die sie auf einem langen Zug durch Friedrichshain kundtun. »Enough is enough« heißt das Motto des Gedenkens in diesem Jahr – »genug ist genug«. Sie erinnern an die Gefahr, die noch immer von Rechtsextremisten ausgeht. Die Route führt an der Diskothek »Jeton« vorbei, die immer wieder Ausgangspunkt für Übergriffe feiernder Neonazis ist, und stoppt am Bekleidungsgeschäft Tromsø in der Petersburger Straße, wo die bei Rechten beliebte Kleidungsmarke »Thor Steinar« vertrieben wird. Einige Demonstranten erinnern auch an Iwan Chutorskoi, jenen linken Skinhead aus Moskau, der am 16. November dieses Jahres vor seinem Haus erschossen wurde.
Die Silvio-Meier-Demonstration ist kein stiller Trauerzug, sondern sie will aufrütteln. Sprechchöre gegen die Polizei und den Kapitalismus hallen durch die Straßen. Nur wenige Teilnehmer werden den ermordeten Antifaschisten gekannt haben; aber sie alle wollen das, wofür Silvio Meier sich engagierte, erhalten. In einem Fernsehinterview blickte Meier kurz vor seinem Tod pessimistisch in die Zukunft: Die Besetzungen seien nur ein Übergangsstadium, meinte er. »Entweder werden Verträge gemacht oder die Häuser geräumt.«
Dass allerdings auch Verträge kündbar sein können, das erleben gerade die linken Hausprojekte in der Brunnenstraße 183 in Mitte und in der Liebigstraße 14 in Friedrichshain. Beide Häuser stehen kurz vor dem Aus. Die Stimmung war deshalb schon im Vorfeld der Demonstration aufgeheizt. Nachdem ein mutmaßlicher Autobrandstifter am Montag festgenommen wurde, durchsuchte die Polizei zwei Hausprojekte in der Liebigstraße.
Eine Bedrohung durch Rechtsextreme sehen Antifaschisten indes in Treptow. Dort ist die Neonazikneipe »Zum Henker« in ihren Fokus geraten: Am vergangenen Donnerstag kam es zu einer Attacke von Linksradikalen auf das Lokal. Tags darauf zogen hundert Neonazis durch Treptow. Schon im Oktober nannten sie auf einer Demonstration die Namen von zwanzig Antifaschisten.
Chris Lorenz (Name geändert) ist eine der Personen: »Noch ist das alles eine Drohgebärde, und es ist nichts passiert. Aber keiner weiß, ob wir im nächsten Jahr auch in Berlin Moskauer Verhältnisse haben«, sagt er mit Blick auf den Mord an Iwan Chutorskoi.
In Anbetracht dieser hitzigen Atmosphäre begleitet die Polizei die Demonstration zurückhaltend. Auch Elke Steven vom »Komitee für Grundrechte und Demokratie« bescheinigt den Ordnungskräften ein »bürgerfreundliches Auftreten«. Nur vereinzelt haben die 25 Beobachter des Komitees sowie kritischer Juristen der Humboldt- und der Freien Universität rüde Festnahmen gesehen.
Nachdem die Veranstalter den Aufzug vorzeitig in der Grünberger Straße aufgelöst haben, kommt es kurz zu Tumulten. In der Niederbarnimstraße rangeln sich Demonstranten und Einsatzkräfte. Insgesamt nimmt die Polizei 15 Personen fest; zehn Beamte erleiden leichte Verletzungen.

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23.11.2009 Tagesspiegel
„Ich muss mir von der SPD nichts sagen lassen“
Sie gehört einer der beiden Regierungsparteien in Berlin an - und macht dennoch Stimmung gegen die Polizei

Sie gehört einer der beiden Regierungsparteien in Berlin an, und zwar der Linke. Wer sich die Veröffentlichungen von Evrim Baba durchliest, wird sie für eine Sprecherin der Linksextremisten halten. Und als solche agiert sie auch – mit Worten und mit Taten. Seit Jahren meldet sie linksradikale Demos an. Am Sonnabend war es das „Silvio-Meier-Gedenken“. Doch das Kommando auf dieser Demo führte nicht Frau Baba, sondern die Autonomen. Diese brachen die Demo plötzlich und entgegen den Vereinbarungen mit der Polizei vor dem geplanten Ende ab, taktisch klug mittendrin im Schickeria-Kneipen-Kiez. Minuten später flogen Steine.
Das war nur folgerichtig. Die 2000 Teilnehmer hatten zuvor diese Parolen skandiert: „Stein für Stein“, „Bullen – haut sie platt“ und „ob grün, ob braun, Nazis auf die Fresse hauen“. Das Feindbild der Frau Baba ist damit klar umrissen: die Polizei. Dies zeigen auch die Pressemeldungen der 38-Jährigen: „Polizei schränkt Demonstrationsrecht ein“, heißt es da, oder die Polizei „arbeitet den Neonazis in die Hände“. Und weil auf diese Polizei kein Verlass ist, braucht es einen „Antifaschistischen Selbstschutz“, verkündete sie auf ihrer Internetseite. „Das rechtfertigt doch Gewalt“, stöhnte ein SPD-Mitglied im Abgeordnetenhaus.
Seit Monaten wird sie in der SPD und von vielen ihrer eigenen Fraktion als „Problem“ wahrgenommen. Im Mai, als sie der Polizei vorgeworfen hatte, für den Kreuzberger Krawall selbst verantwortlich zu sein, hatte der Landeschef ihrer Partei zwar angekündigt, sich „damit auseinanderzusetzen, wenn sich einzelne in der Partei nicht ausreichend von Gewalttätern distanzierten“. Gefruchtet haben diese Bemühungen nicht. Genausowenig wie die jüngsten Appelle von Innensenator Körting und Polizeipräsident Glietsch an die Linkspartei, sich von Gewalt und Extremismus stärker zu distanzieren. Evrim Baba sagte gestern: „Ich muss mir von der SPD nichts sagen lassen.“ Die Demo sei im Übrigen friedlich gewesen.
Baba könne sich gar nicht distanzieren, sagen Abgeordnete – weil sie mittlerweile integraler Teil des Extremismus sei. Verwiesen wird zum Beispiel auf einen Link auf ihrer Webseite zur „ALB“. Die Autonomentruppe charakterisiert der Verfassungsschutz so: „Die Gruppe verfolgt Ziele, die gegen den Bestand der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet sind. Sie tritt für den Kommunismus als politische Ordnungsform ein.“ Jörn Hasselmann

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21.11.2009 Morgenpost
Silvio-Meier-Demo: Konfrontationen erwartet

Mit einem großen Polizeiaufgebot wird die heutige Silvio-Meier-Gedenkdemonstration in Friedrichshain begleitet.
Hunderte Teilnehmer werden erwartet, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Nach den Durchsuchungen in den alternativen Wohn- und Kulturprojekten an der Liebigstraße in Friedrichshain und der Festnahme eines mutmaßlichen Brandstifters im gleichen Bezirk ist die Stimmung in der Szene aufgeheizt, vereinzelt wurde zu Gewalt aufgerufen. Polizeipräsident Dieter Glietsch kündigte einen "angemessenen Einsatz" an. "Wir werden für eine friedliche Demonstration sorgen", sagte ein Sprecher. Die Demo gilt dem vor 17 Jahren von Rechten ermordeten Hausbesetzter Silvio Meier. Sie beginnt um 15 Uhr mit einer Mahnwache am U-Bahnhof Samariter Straße. Die Demo-Anmelderin Evrim Baba (Linke) rief dazu auf, "gegen Nazis, Rassisten und Antisemiten Gesicht zu zeigen". Unterdessen sind in der Nacht zu gestern wieder Autos in Brand gesetzt worden. In Spandau traf es zwei Pkw der Marke "Chrysler". Der Staatsschutz ermittelt.

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21.11.2009 Neues Deutschland
Schlägerei bei Nazi-Kneipe »Zum Henker«

(ND-Meyer). Rund 30 Anhänger der linken Szene haben am frühen Donnerstagabend einen stadtbekannten Treff der rechten Szene im Treptow-Köpenicker Stadtteil Niederschöneweide angegriffen, teilte die Polizei am Freitag mit. Die Angreifer schmissen Steine und Flaschen auf das Lokal in der Brückenstraße. Dabei seien zwei Fensterscheiben des Etablissements beschädigt worden. Als daraufhin acht Gäste aus der Kneipe auf die Straße stürmten, seien die Angreifer zum S-Bahnhof Schöneweide geflüchtet. Die Nazis hätten einen der Antifas erwischt und geschlagen. Der Rechte und der leicht verletzte Linke seien vorläufig festgenommen worden. Gegen den Rechten ermittelt nun wegen gefährlicher Körperverletzung der Staatsschutz. Der Antifa wurde nach zeugenschaftlicher Befragung wieder entlassen.
Zuvor hatte das lokale Bündnis für Demokratie und Toleranz zusammen mit Antifagruppen einen von der LINKEN angemeldeten Infostand abgehalten. Das Bündnis informierte über die Nazi-Kneipe »Zum Henker« und die NPD. Die Antifa machte mit dem Stand Werbung für die Silvio-Meier-Demo, die am heutigen Samstag durch Friedrichshain zieht.
Auf die Schließung des »Henkers« drängen zivilgesellschaftliche Gruppen, Anwohner und die Antifa schon seit Monaten. Die Direktorin eines benachbarten Hotels beispielsweise setzt sich nach ND-Informationen bei Bezirksbürgermeisterin Gabi Schöttler (SPD) dafür ein, eine mögliche Schließung der Kneipe behördlich zu prüfen.

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20.11.2009 TAZ
Demobeoachter wollen Polizeieinsatz filmen
Bei der Gedenkdemo an Silvio Meier soll die Polizei an diesem Samstag überwacht werden.

Es ist eine der festen Veranstaltungen im Kalender des linken Berlins: Seitdem vor 17 Jahren der Hausbesetzer und Antifaschist Silvio Meier von Neonazis getötet wurde, gedenken Antifas jährlich mit einer Demonstration der Opfer rechter Gewalt. Unter dem Motto "Gegen Nazis, Staat und Kapital" wollen die Demonstranten ausgehend vom damaligen Tatort am U-Bahnhof Samariterstraße durch Friedrichshain ziehen, das Ende ist an der Warschauer Ecke Grünberger Straße geplant.
In diesem Jahr haben auch das Komitee für Grundrechte und Demokratie, der Arbeitskreis kritischer Juristinnen und Juristen der Humboldt-Universität sowie die Kritischen JuristInnen an der Freien Universität ihr Kommen angekündigt. Sie wollen jedoch nicht an der Demonstration teilnehmen, sondern ihren Ablauf beobachten, um die "demokratisch fundamentalen Grundrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit" zu schützen.
"Wir haben seit einiger Zeit den Eindruck, dass es dringend notwendig ist, vor Ort zu sein", sagt Elke Steven vom Komitee für Grundrechte und Demokratie. Dazu beigetragen hätten Bestrebungen, die Versammlungsfreiheit einzuschränken, aber auch die Kriminalisierung von eigentlich friedlichen Clownsgruppen, die das Polizeikonzept durcheinanderbrächten. "Ein wichtiger Punkt waren auch die Übergriffe und deren Videodokumentation einer Demonstration im September", sagt Steven. Während der Proteste gegen staatliche Überwachung auf der "Freiheit statt Angst"-Demonstration hatten Teilnehmer dokumentiert, wie ein Polizist anscheinend gezielt einen Demonstranten geschlagen hat.
Rund 25 Demobeobachter der drei Gruppen sollen daher die Versammlung begleiten. "Einige werden auch Fotoapparate dabeihaben, eventuell auch Videokameras", sagt Steven. Was die Beobachtung ausmache, sei allerdings die Vielzahl von Beteiligten, die Situationen aus verschiedenen Blickwinkeln wahrnehmen könnten.
Evrim Baba, Abgeordnete der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus und Anmelderin der Demonstration, forderte zu friedlichen Protesten auf, um dem "Charakter einer Gedenkdemonstration" gerecht zu werden: "Der Name Silvio Meier steht stellvertretend für alle Opfer und Betroffenen zur Erinnerung und Mahnung." Polizeipräsident Dieter Glietsch hat im RBB einen angemessenen, ruhigen und sachlichen Einsatz der Polizei angekündigt.

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17.11.2009 Junge Welt
Linke im Visier
Vor 17 Jahren wurde der Hausbesetzer Silvio Meier von Neonazis getötet. Gedenkdemo am Samstag. Proteste gegen geplante Räumung alternativer Projekte angekündigt

Am kommenden Samstag findet in Berlin die traditionelle Silvio-Meier-Demonstration statt. Sie erinnert an einen jungen Hausbesetzer, der am 21. November 1992 von Neonazis auf dem U-Bahnhof Samariterstraße im Berliner Stadtteil Friedrichshain von Neonazis getötet wurde. Im Zentrum der diesjährigen Demonstration steht die Forderung nach dem Erhalt linker Zentren in Berlin. Nach Angaben der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) sind mehrere Kultur- und Wohnprojekte von Räumung bedroht, darunter die Hausprojekte Liebigstraße 14, Rigaer Straße 94 oder der Wagenplatz »Schwarzer Kanal«. Die Bewohner stünden unter massiven Druck von »Spekulanten, Wohneigentümern, Polizei und Mainstreampresse«, so ALB-Sprecher Lars Laumeyer gegenüber jW. Erst am Montag durchsuchte ein Großaufgebot von bis zu 140 Polizisten zwei Hausprojekte in der Liebigstraße. Dort wohnt u.a. ein junger Mann, der in den frühen Morgenstunden unter dem Verdacht der PKW-Brandstiftung festgenommen worden war.
Die Gedenkdemonstration hat sich über Jahre zu einer bedeutenden Manifestation vor allem jugendlicher Linker entwickelt. Für viele ist es die erste Demonstration überhaupt. Mehrfach standen Neonazistrukturen von NPD oder »freien Kameradschaften« im benachbarten Bezirk Lichtenberg im Visier der Antifaschisten. Der Kiez rund um die Weitlingstraße galt seit den frühen 1990er Jahren als rechte Hochburg. Migranten und Linke mieden die Gegend um den Bahnhof Lichtenberg. Antifaschistische Kampagnen trugen dazu bei, daß Neonazis zurückgedrängt werden konnten und linke Gruppen heute ungestört Flugblätter gegen rechts verteilen können: »Das war vor ein paar Jahren noch undenkbar, einmal wurde ein Infostand überfallen«, erinnert sich Laumeyer. Er war bereits dabei, als 1998 die Silvio-Meier-Demo zum »Café Germania« zog. Die rechte Kneipe in Lichtenberg mußte nach Protesten und direkten Aktionen schließen. Im Jahr 2006 erwischte es das von Neonazis betriebene Lokal »Kiste«. Das Auto des Betreibers brannte aus, und Demonstrationen erzeugten den nötigen Druck für das Aus der Kneipe. Im Sommer diesen Jahres mußte der Nazi-Laden »Horrido« der Firma »Erik & Sons« nach nur fünf Monaten schließen.
Es sei eine Frage der Zeit, bis Lichtenberg gänzlich kippt und nicht mehr als rechte Hochburg zu bezeichnen ist, hofft Laumeyer. Doch bisher sei es im alternativ geprägten Bezirk Friedrichshain ebenso wahrscheinlich, Opfer rechter Gewalt zu werden. Zuletzt war am 12. Juli 2009 am Bahnhof Frankfurter Allee ein junger Antifaschist von mehreren Neonazis brutal zusammengeschlagen worden. Die Neonazis legten den offenbar bewußtlosen Jugendlichen mit dem Gesicht auf den Bordstein und traten auf seinen Kopf. Der Überfall sorgte für großes Aufsehen, weil unter anderem die Todesstelle Silvio Meiers nur wenige hundert Meter entfernt lag.
Als es 1992 zu der tödlichen Begegnung kam, war der 27jährige Silvio Meier mit drei Begleitern unterwegs. Auf dem U-Bahnhof Samariter Straße trafen sie auf eine Gruppe junger Rechter, einer trug ein Abzeichen mit der Aufschrift »Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein«. Nach einer zunächst verbalen Auseinandersetzung gab es ein Handgemenge, und dem Rechten wurde das Emblem abgenommen. Für Silvio Meier, der damals in einem besetzten Haus in unmittelbarer Nähe des Bahnhofes wohnte, schien die Sache erledigt. Doch die Rechten lauerten den Linken auf und überfielen sie. Drei Männer wurden durch Messerstiche schwer verletzt, Silvio Meier verstarb noch am selben Abend.
Polizei und Medien leugneten zunächst ein politisches Motiv der Täter, die sich einige Tage später der Polizei stellten. Als Antifaschisten den damals bei Neonazis beliebten Judith-Auer-Jugendclub niedergebrannten – die Täter hatten darin regelmäßig verkehrt – wurde von einem »Bandenkrieg« gesprochen und die Rolle von Täter und Opfer vertauscht. Nur fünf der zwölf am Überfall beteiligten Rechten mußten sich vor Gericht verantworten, drei von ihnen erhielten Haftstrafen. Heute erinnert eine Gedenktafel auf dem U-Bahnhof an Silvio Meier.

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21.10.2009 Junge Welt
Die Sammelwut der Rechten
Seit Jahren veröffentlichen Berliner Neonazis Namen und Adresse von aktiven Antifaschisten. Doch die lassen sich nicht einschüchtern

Es waren etwa 800 Neonazis, die am 10. Oktober vom Berliner Alexanderplatz Richtung Friedrichshain marschiert sind. Eine auf den ersten Blick überraschende Anzahl. Schließlich hatten die Rechten nur wenige Tage lang mobilisiert. Zudem ist die Berliner Szene extrem zerstritten. Doch der Kampf gegen Linke und besonders gegen die »Antifa« ist neben Nazinostalgie noch immer das zentrale Thema, mit dem Differenzen zumindest zeitweise überwunden werden können. Bei den entsprechenden Demonstrationen treffen sich Rechtsrocker, Skinheads, »autonome Nationalisten« und NPD-Mitglieder. So läßt sich die durchaus beachtliche Größe der Veranstaltung, die am vorvergangenen Samstag unter der Parole »Vom nationalen Widerstand zum nationalen Angriff« stattfand, dann doch plausibel erklären.
Aggressiv war nicht nur das Motto, sondern auch das Auftreten vieler Teilnehmer und der Redner. Wie berichtet, wurden via Lautsprecherwagen die Namen 20 bekannter Antifaschisten verlesen; von zwei Neonazigegnern außerdem die Anschriften präsentiert. »Das sind die Hintermänner, das sind die Hetzer, wir kriegen euch alle«, drohten die Neofaschisten ganz unverhohlen. Die Polizei schritt nicht ein. Dabei war der Sprecher kein Unbekannter. Es handelte sich um den Neonazi Lutz Giesen. Der brachte die Antifa mit einem Brandanschlag in Verbindung, der kurz zuvor auf das in der rechten Szene beliebte Lokal »Zum Henker« in Berlin-Schöneweide verübt worden war. Antifaschistische Gruppen bestritten, daß Linke hinter der Attacke stehen, und auch die Polizei schloß einen politischen Hintergrund aus. Mittlerweile sitzen einige Verdächtige in Untersuchungshaft. Für Lutz Giesen ist das jedoch kein Grund, den Mythos von der linken Gewalt nicht weiter zu propagieren »Wir schwören Rache«, beendete er seinen Vortrag.
Man werde sich von den Drohungen nicht einschüchtern lassen, sagte einer der von den Neonazis erwähnten Antifas zu jW. Doch woher haben die Rechten die Namensliste? Das Verzeichnis ist das Ergebnis der sogenannten Anti-Antifa-Arbeit der Berliner Neonazis. Seid Jahren sammeln vor allem Mitglieder der »Kameradschaften« Informationen über ihre politischen Gegner. Zu diesen »Anti-Antifa«-Aktivisten zählen Björn Wild und David Gudra aus dem Stadtteil Lichtenberg. Die beiden waren auch am 10. Oktober mit Kameras bewaffnet. Wild ist bereits seit zehn Jahren in extrem rechten Strukturen aktiv. Gudra, äußerlich eher klein und unscheinbar, steht momentan wegen Beleidigung vor Gericht. Das Opfer sowie diverse Zeugen befanden sich auch unter den von Giesen veröffentlichten Namen.

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14.10.2009 TAZ
Antifas werfen Polizei Untätigkeit vor

Ein Jugendlicher erhebt schwere Vorwürfe gegen Polizei: Die soll zugesehen haben, wie er und weitere Antifas von Neonazis angegriffen und verprügelt wurden. LKA will Ermittlungen aufnehmen
Erneut wird aus Antifakreisen der Vorwurf erhoben, Polizisten hätten bei einer Neonazi-Demo weggeguckt, als Rechtsextreme Straftaten begingen. Diesmal geht es um einen Vorfall, der sich am Samstag im Anschluss an die Demonstration vor dem Ringcenter am U-Bahnhof Frankfurter Allee ereignet haben soll. Ein Betroffener berichtete der taz, eine Gruppe von Antifaschisten sei dort von 50 bis 60 Neonazis attackiert worden. Die vor dem Bahnhof stationierten Polizisten seien extra außer Sichtweite gegangen, als die Neonazis auf die Linken losstürmten. Man habe gegen die Beamten am Dienstag Strafanzeige erstattet.
Die Polizeipressestelle teilte mit, der Vorfall sei bislang nicht bekannt, man prüfe, ob eine Anzeige eingegangen sei. Unabhängig davon werde das Landeskriminalamt Ermittlungen gegen Beamte wegen des Verdachts der Strafvereitelung aufnehmen.
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Ein jugendlicher Betroffener schilderte den Vorfall gegenüber der taz so: Er und sein Freund seien zusammen mit anderen Antifas vor dem Ringcenter die Treppen hochgelaufen. Zu spät habe man bemerkt, dass oben um die Treppe herum 50 bis 60 Neonazis standen. Aber die Polizei sei mit einer Hundertschaft vor dem Eingang postiert gewesen. "Also dachten wir, hier wären wir relativ sicher." Die Neonazis hätten gespuckt und Flaschen auf die Antifas geworfen. Dann hätten die Neonazis die Polizei aufgefordert "sich zu verziehen, damit sie uns plattmachen könnten". Die Beamten seien daraufhin außer Sichtweite gegangen.
Dann seien die Neonazis losgestürmt. Ein Teil der Antifas habe in Richtung U-Bahn-Ausgang flüchten können. Der Betroffene sagt, er und sein Freund hätten hingegen nicht mehr ausweichen können. "Wir hatten noch Glück, dass die Nazis mehr Interesse an der flüchtenden Gruppe hatten und uns nur im Vorbeilaufen mit Tritten und Schlägen traktierten."
Die beiden Jugendlichen haben eigenen Angaben zufolge Gehirnerschütterungen und Prellungen erlitten.
Im Anschluss hätten sie versucht, den Leiter der Hundertschaft zur Rede zu stellen, so der Betroffene weiter. Doch der habe geantwortet: "Sonst wollt ihr doch auch nichts von uns wissen, warum sollten wir euch also schützen? Und jetzt verpisst euch, sonst gibt's auch von uns noch mal richtig Ärger."
Auch die Herausgabe der Dienstnummern hätten die Beamten verweigert. Er habe sich aber die Helmnummern und das Nummernschild aufgeschrieben.

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10.10.2009 DIE ZEIT
Die Wahrheit einfach ausblenden - Wie Nazis sich als Opfer geben

Neonazis geben sich gerne als Opfer. Die “Systempresse”, die Polizei, die “gewalttätige Antifa” - Alle wollen sie den armen “Nationalen Sozialisten” etwas Böses. Nach einem Brandanschlag mit drei Verletzten auf eine rechtsextreme Szenekneipe in Berlin schlugen die Wellen hoch. Neonazis sahen darin sofort einen geplanten Angriff von “Linksextremisten”. Solidaritätskundgebungen in mehreren Städten folgten. Doch jetzt kam heraus, dass die Behauptungen der Neonazis allesamt erfunden waren. Die Täter sind gefasst und haben mit der linken Szene rein gar nichts zu tun. Ein peinliches Dilemma für den “Nationalen Widerstand”. Trotzdem wollen die Rechtsextremisten heute in Berlin gegen “linke Gewalt” aufmarschieren. Und die Pressemitteilung der Polizei? Ganz klar: eine Fälschung für die Systempresse.
Der Brandanschlag auf die rechte Szenekneipe „Zum Henker“ in Schöneweide ist nach Angaben der Polizei aufgeklärt. Bei Wohnungsdurchsuchungen in Berlin und Königs Wusterhausen nahmen Kripobeamte gestern Abend sieben mutmaßliche Täter fest. Keiner der Täter habe „aus politischer Motivation“ gehandelt, teilten die Ermittler mit. „Die Männer seien „weder der rechten noch der linken Szene zuzuordnen.“ Nach ersten Erkenntnissen hätten sie nach einem Streit im Lokal „aus Rache gehandelt.“ Die rechtsextreme Szene hatte bisher behauptet, die Täter kämen von links. Mehrere hundert Neonazis wollen deshalb am heutigen Samstag durch Friedrichshain marschieren.
Bei der Durchsuchung von sechs Wohnungen der Festgenommenen wurden laut Polizei „diverse Beweismittel“ sichergestellt. Die speziell für den Fall zusammengestellte Kripogruppe „Joker“ ermittle weiter mit Hochdruck wegen versuchten Mordes und schwerer Brandstiftung. Die Staatsanwaltschaft prüfte noch in der Nacht den Erlass von Haftbefehlen.
Nach den bisherigen Recherchen waren die mutmaßlichen Brandstifter am Samstag, dem 26. September, mit Gästen des Lokals „zum Henker“ in der Brückenstraße in Streit geraten. Dabei seien sie angegriffen und verletzt worden. Am vergangenen Sonntag revanchierten sie sich dann, indem sie Brandsätze auf den rechten Szenetreff warfen. Dabei wurden drei Rechte von den flüchtenden Tätern angefahren und verletzt, einer davon schwer.
Ungeachtet der Festnahmen wollen heute rund 500 Neonazis durch den Bezirk marschieren. Die Polizei ist mit einem Großaufgebot im Einsatz, um Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken zu verhindern. Bundesweit mobilisieren die Veranstalter für 12 Uhr zum Alexanderplatz unter dem Motto: „Vom nationalen Widerstand zum nationalen Angriff“. Von dort soll es Richtung Friedrichshain gehen. Die genaue Route war gestern noch nicht abgestimmt.
Linke Antifa-Gruppen hatten sich von dem Anschlag distanziert. Sie vermuten Streitigkeiten mit dem Rockermilieu als Grund für die Tat. Politiker von SPD, Grünen und Linken rufen mit mehreren Initiativen gegen Rechts zu Protesten auf. Entlang der möglichen Route wurden vier Gegenkundgebungen angemeldet. „Bunt, laut & friedlich“ soll ab 11.30 Uhr vor dem Haus des Lehrers am Alex protestiert werden.
Wie aggressiv aufgeladen die Rechtsextremen sind, erfährt zur Zeit die Mobile Beratungsgruppe gegen Rechtsextremismus (MBR). Sie wird telefonisch und im Internet bedroht. „Die Nazis benutzen die Tat als Vorwand zur Einschüchterung“, sagt MBR-Leiterin Bianca Klose.

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29.08.2009 Adhoc-News
Rund 600 Menschen demonstrieren gegen rechte Strukturen

Die Veranstalter wollten nach eigenen Angaben mit dem Zug durch Friedrichshain und Lichtenberg ein klares Zeichen setzen, dass die Bekämpfung rechter Strukturen in allen Bezirken wichtig sei Die Demonstration führt auch an mehreren Geschäften vorbei, die in der rechten Szene beliebte Textilien vertreiben.Die Veranstalter verweisen in ihrem Demonstrationsaufruf darauf, dass Kleidung als Identifikationsmerkmal mit und in der rechten Szene einen immer größeren Stellenwert habe. Zwischen 500 und 600 Menschen haben Polizeiangaben zufolge am Samstag an einer Demonstration gegen rechtsextreme Strukturen in Friedrichshain und Lichtenberg teilgenommen. Initiatoren waren mehrere linke und Antifa-Gruppen. Die Demonstration begann am Frankfurter Tor. Enden sollte sie am S-Bahnhof Friedrichsfelde-Ost. Die Polizei hatte die Demonstration mit Auflagen versehen. Danach war den Teilnehmern das Mitführen von Glasflaschen und Büchsen nicht erlaubt. Zwischenfälle gab es nach Angaben der Sprecherin zunächst nicht.

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29.08.2009 Neues Deutschland
Der Nazis liebste Kleiderkammern
In Friedrichshain und Lichtenberg wehren sich Bürger gegen »Thor Steinar«

Über Nacht blieb der Container unbeschädigt. »Der einzige Vandalismus«, lacht Gigi von der Friedrichshainer Initiative gegen Rechts, »war ein Anti-Nazi-Aufkleber.« Und damit könne man natürlich bestens leben. Groß und unübersehbar steht seit gestern der mit Anti-Thor-Steinar-Slogans besprühte Container vor dem umstrittenen Geschäft »Tromsø«, das in Friedrichshain die bei Neonazis beliebte Marke »Thor Steinar« verkauft.
Die Protestaktion direkt vor dem rechten Klamottenladen, die gestern den Medien präsentiert wurde, wird auch von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) unterstützt. »Wir informieren über rechtsextreme Infrastruktur und entwickeln Handlungsstrategien«, sagt Sabine Kritter von der MBR. Ganz neu ist die Idee mit dem Informationscontainer indes nicht, ausprobiert wurde die Straßenaktion bei einem ähnlichen Geschäft in der Rosa-Luxemburg-Straße in Mitte im Mai 2008 – damals mit großem Erfolg. Denn die Informationscontainer lenken die Aufmerksamkeit der Passanten auf die »Thor Steinar« -Geschäfte und halten damit die kritische Debatte über solche Läden am laufen.
Welche Funktion die Geschäfte für die rechte Szene haben, beschreibt die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram: »Das ist ein Treffpunkt für Nazis, Möchtegern-Nazis und deren Sympathisanten.« Von den Läden aus ziehen sie dann pöbelnd durch den Kiez, um ihre rechte Ideologie zu verbreiten.
Wie real die Gefahr ist, in Friedrichshain Opfer von rassistischer oder Nazi-Gewalt zu werden, belegt ein Plakat, dass an dem Container angeklebt ist. Dort dokumentiert die lokale Registerstelle seit Beginn dieses Jahres auf einer Straßenkarte mit Kreuzen die Orte der Übergriffe – der Kiez ist übersät davon. Erst Mitte Juni schlugen Nazis, die in der Diskothek Jeton gesoffen hatten, einen 22-jährigen Neuköllner fast tot. Einer der Nazi-Täter soll »Thor Steinar«-Klamotten getragen haben.
Beim Widerstand gegen das »Tromsø« macht auch der Bezirk mit. Seit der Laden Anfang März öffnete, setzt sich Wirtschaftsstadtrat Peter Beckers (SPD) beim Inhaber des Hauses für die Schließung des Geschäfts ein. »Es läuft eine Räumungsklage des Eigentümers, die hoffentlich zum Ende des Jahres entschieden wird«, erzählt Beckers. Dann könnte Schluss sein mit der Geldmacherei mit dem fragwürdigen rechten Symbolik-Kitsch.
Solange wollen sich junge Antifaschisten indes nicht gedulden: Für den heutigen Sonnabend planen linke Gruppen eine Doppel-Demonstration gegen das »Tromsø« in Friedrichshain und gegen das Lichtenberger Bekleidungsgeschäft »Horrido«. Die Demonstration unter dem Motto »Gegen Naziläden und Strukturen überall« beginnt um 15 Uhr am Frankfurter Tor. Auf der Route nach Lichtenberg ist auch eine Zwischenkundgebung vorgesehen: Vor der Diskothek Jeton.

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28.08.2009 TAZ
Ein Container gegen Neonazis
Die "Initiative gegen rechts" informiert über den Bekleidungsladen "Tromsö"

Die Berliner "Initiative gegen rechts" will am Freitag einen Informations- und Protestcontainer direkt vor dem Bekleidungsgeschäft "Tromsö" in Friedrichshain eröffnen. Mit der Aktion sollen Anwohner darüber aufgeklärt werden, dass der Laden ausschließlich die bei Neonazis beliebte Bekleidungsmarke "Thor Steinar" vertreibe, teilte die Initiative am Donnerstag mit. Mit ihren Motiven transportiere die Firma rechtsextreme Ideologien, hieß es zur Begründung.
Ziel der Initiative sei es, ein deutliches Zeichen gegen rechtsextreme Aktivitäten im Stadtteil Friedrichshain zu setzen. Der Container enthalte Informationen zur Geschichte des Gebäudes in der Petersburger Straße 94, in dem sich ein SA-Folterkeller der Nationalsozialisten befand, teilte die Initiative mit. Auch eine Chronologie über die Aktivitäten von Neonazis wird dort ausgehängt.
Die Aktion sei eine von vielen, die seit der Eröffnung des "Tromsö"-Ladens außer von der Initiative auch von angrenzenden Vereinen gegen das Geschäft organisiert worden seien.

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24.08.2009 Adhoc-News
Antifaschistische Gruppen demonstrieren gegen rechte Strukturen

Antifaschistische Gruppen demonstrieren gegen rechte StrukturenMehrere antifaschistische Gruppierungen haben für Samstag (29. August, 15.00 Uhr) zu einer Demonstration gegen rechtsextremistische Strukturen in Friedrichshain und Lichtenberg aufgerufen. Laut Polizei erwarten die Organisatoren rund 500 Teilnehmer. Die geplante Route führt vom Frankfurter Tor zum S-Bahnhof Friedrichsfelde-Ost.
Die Veranstalter wollen nach eigenen Angaben mit dem Verlauf durch Friedrichshain und Lichtenberg ein klares Zeichen setzen, dass die Bekämpfung rechter Strukturen in allen Bezirken wichtig sei. Die Route soll unter anderem an mehreren Einzelhandelsgeschäften vorbeiführen, die in der rechten Szene beliebte Textilien vertreiben.

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10.08.2010 TAZ
Ein bisschen Aufklärung auf dem Proletenfest
Hunderttausende feiern auf der Biermeile an der Karl-Marx-Allee. Mittendrin: eine kleine antirassistische Bühne. Laut Polizei gab es keine fremdenfeindlichen Übergriffe

"Give Me Some Love": Weltmusik klingt von Bühne 15 mitten in das Biermeilengewusel. Morris Mugoy, kurze Rastalocken, zupft an seiner Gitarre, eine Sängerin tanzt barfuß im roten Kleid. Die Tischreihen davor sind voll besetzt, links wird altböhmisches Pils ausgeschenkt, rechts gibt es Rostbratwurst. "Ich sitze hier, weil frei ist", antwortet eine Mittfünfzigerin verständnislos. Und das Banner über der Bühne, "Kein Kiez für Nazis"? "Ist in Ordnung, so was."
Es war ein Versuch. "Ein gelungener", wie Canan Bayram von der Friedrichshainer "Initiative gegen Rechts" (IGR) findet. Am Samstag stellte die IGR ein eigenes Bühnenprogramm auf die Beine, ein "antirassistisches" - mitten in der Biermeile, die sich von Freitag bis Sonntag an der Karl-Marx-Allee ausbreitete. Eine kleine Insel der Alternativkultur sei das hier, so Bayram, die auch Grünen-Abgeordnete ist. Ein vollgepackter Infotisch und Verteiler mit "Servicewüste für Nazis"-Flugblättern gehören auch dazu. Man wolle sensibilisieren, so Bayram: gegen rechte Übergriffe, die immer wieder von der Biermeile ausgingen.
Am Samstagvormittag habe sich ein Typ vor die Bühne gestellt und "Aufhören!" gerufen, berichtet sie. In einen Notizblock hat sie weitere Pöbeleien festgehalten: Intolerant sei ihre Initiative, habe einer gesagt - wenn sie keine Rechtsextremen dulden. Um 17 Uhr machen die IGR-Leute Schluss, rollen ihr Banner ein, räumen den Tisch ab. "Wir wollten ein Zeichen setzen und Diskussionen auslösen", so Sabine Kritter von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. "Mit dem steigenden Pegel wird das immer schwieriger."
Es sind Papas und australische Touristen, Biker und Jugendliche mit "Team Porno"-Shirts, die sich durchs Gewühl schieben, später auch Hertha-Fans. Und mittendrin saufen Thor-Steinar-Träger, Glatzköpfe mit BFC-Shirts und Neonazis mit "Todesstrafe für Kinderschänder"-Hemden oder Eisernem-Kreuz-Tattoo im Nacken. Zumindest am Nachmittag gehen sie aber zwischen den "Qué Será, Será"-Schunklern unter. Es ist Dorffest, nur größer. Die Polizei notiert keine fremdenfeindlichen Vorfälle, drei Festnahmen und 14 Körperverletzungen.
Lothar Grassnick, Biermeilenboss, nickt zufrieden: Alles ruhig und fröhlich. Die Sache mit der Antirassismusbühne sei toll. Von ihm gebe es "vollste Unterstützung". Einen Packen der Servicewüste-Flyer habe er jedem Aussteller zum Auslegen in die Hand gedrückt. "Ich denke, die Botschaft ist angekommen."
An der Bude des "Roten Oktober" gibt es Bier mit Lenin-Logo, auf dem Tresen liegen Arbeiterlieder-CDs. Vor Jahren hätten mal 40 Nazis versucht, seinen Stand anzugreifen, erzählt Gunter Reimann. Eigentlich sei es aber friedlich hier. "Klar triffste Nazis, aber die triffste in der U-Bahn auch." Die Biermeile bilde eben den Berliner Durchschnitt ab, so Reimann. "Das ist dann eben ein Proletenfest, aber das ist doch okay so."

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26.07.2009 Bild
Grüne protestieren mit Sprayaktion gegen Rechtsextremismus

Mit einer Kunstaktion in Friedrichshain haben die Grünen gegen Rechtsextremismus protestiert. „Mehr als zehn Künstler haben am Frankfurter Tor Bilder auf Leinwände gesprayt, diesich gegen Neonazis richten“, sagte die Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus der Grünen-Fraktion, Clara Herrmann. Rund 30 Mitglieder von Jugendvereinen und den Grünen hätten sich an der Aktion beteiligt, darunter auch der stellvertretende Bundestagsfraktionsvorsitzende Christian Ströbele. Mit dem „kreativen Protest“ wolle die Partei über die „Nazi-Infrastruktur“ in Friedrichshain aufklären. Ziel sei zudem, die Schließung von Läden zu erreichen, in denen die bei Neonazis beliebte Marke Thor Steinar verkauft werde.

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25.07.2009 TAZ
Protest gegen Bekleidungsladen
In der Frankfurter Allee eröffnet ein Laden mit Klamotten, die bei Neonazis beliebt sind

Sicherheitsglas in den Schaufenstern und gleich an drei Stellen der Hinweis auf die besondere Überwachung: Für einen Bekleidungsladen sind die Sicherheitsvorkehrungen besonders aufwendig. Aber der Laden in der Frankfurter Allee 91 in Friedrichshain, der offenbar bald eröffnen wird, ist kein normaler Klamottenladen - sondern er läuft unter dem Namen Doorbreaker. Die Firma mit den dunkel-blauen Großbuchstaben führt auch Kleidung der bei Neonazis beliebten Kleidermarke Thor Steinar.
Eine Mitarbeiterin des Friedrichshainer MieterInnenladens, der Kontaktadresse vieler zivilgesellschaftlicher Initiativen im Stadtteil, erfuhr von der Ladeneröffnung vor knapp zehn Tagen. "Ich setzte mich sofort mit der Hausverwaltung und dem Makler in Verbindung. Da gab es noch die Hoffnung, die Eröffnung des Ladens zu verhindern", erklärt sie gegenüber der taz. Doch die Verträge seien da bereits unterzeichnet gewesen.
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Canan Bayram, die für die Grünen im Abgeordnetenhaus sitzt und als Mitbegründerin der Friedrichshainer Initiative gegen Rechts aktiv ist, kritisiert die Naivität mancher Hausbesitzer und -verwalter. "Es wäre möglich, den Verkauf von Thor-Steinar-Klamotten im Vertrag auszuschließen." Doch viele Vermieter seien froh, dass die Läden überhaupt vermietet werden.
Mitglieder der Initiative gegen Rechts haben in den letzten Tagen mehr als 20 Unterschriften von MieterInnen und LadenbesitzerInnen aus der Nachbarschaft gegen den Laden gesammelt. Für den 29. August planen antifaschistische Gruppen eine Demonstration. Sie soll an der Frankfurter Allee beginnen und in der Nähe des Bekleidungsladens Horrido in Lichtenberg enden.

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24.07.2009 Morgenpost
Schaufensterscheibe von Thor-Steinar-Laden beschädigt

Ein 24-Jähriger hat am frühen Freitagmorgen in Friedrichshain die Schaufensterscheibe eines Thor-Steinar-Geschäfts durch das Einritzen von Buchstaben beschädigt. Polizeibeamte hatten den Mann bei der Sachbeschädigung beobachtet und vorübergehend festgenommen. Auf dem Schaufenster sind den Angaben zufolge die eingeritzten Buchstaben „NAZ“ zu sehen. Kleidung der Marke Thor-Steinar ist bei Neonazis beliebt. Der polizeiliche Staatsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen.

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24.07.2009 Jungle World
Partyschaum und Hiebe
Bevor vier Nazis einen 22jährigen in Berlin beinahe totschlugen, hatten sie die Diskothek »Jeton« besucht. Diese hat seit längerem den Ruf, ein Treffpunkt für rechte Hooligans und Nazis zu sein. Die Jungle World hat sich den Laden angesehen.

»Wart ihr schon mal hier?« Wir schütteln den Kopf. Der bullige Mann kennt anscheinend seine Gäste. »Na gut, dann erkläre ich euch mal, wie das hier läuft: Eintritt kostet 14 Euro, dafür könnt ihr so viel trinken, wie ihr wollt, bis vier Uhr früh.« Wir zahlen die 14 Euro. »So, hier sind eure Bons. Ordnung muss sein. Die gebt ihr an der Bar ab, dann kriegt ihr was zu trinken«, sagt der Einlasser und wünscht uns noch viel Spaß.
Kirmes-Techno rumpelt uns entgegen, als wir die von Schwarzlicht bestrahlte, menschenleere Treppe nach oben nehmen. Auch im ersten Stock, dem Mainfloor der Diskothek in Berlin-Friedrichshain, tritt man sich nicht auf die Füße. Zehn Besucher stehen verloren herum. Die zweite Bar wird gar nicht erst geöffnet, obwohl sich die sechs hartnäckigen Flat-Rate-Trinker, die sich an einem Tisch versammelt haben, alle Mühe geben.
Angesichts der schlechten Presse der vergangenen Woche ist der Mangel an Gästen nicht verwunderlich. Von einer »Nazi-Diskothek« war in den Zeitungen der Stadt die Rede, nachdem vier ­Besucher des Jeton, allesamt Nazis aus Brandenburg, nur 200 Meter vom Eingang entfernt einen 22jährigen beinahe totgeschlagen hatten. Den Ruf, rechte Hooligans und Nazis bei sich feiern zu lassen, hat die Diskothek ohnehin. Der Angriff am vorvergangenen Wochenende scheint Ronny Berkahn, den Betreiber des Jeton, aber um sein Ansehen fürchten zu lassen. In einer Stellungnahme auf der Homepage des Etablissements verwahrt er sich dagegen, einen »Nazi­laden« zu betreiben. Im Jeton feierten »Menschen verschiedenster Nationalitäten (Farbige, Asiaten, Araber, Deutsche etc.)«. In der Presse führte Berkahn sein antirassistisches Credo noch weiter aus: »Türken und Fidschis feiern hier.«
An diesem Abend ist das Publikum überaus homogen. Hier trinken weiße, deutsche Männer. Die zwei Frauen, die gelegentlich durch den Raum huschen, gehören offensichtlich zum Personal. Den DJ scheint es nicht zu stören, dass er nur für Männer auflegt. »Wenn ihr tanzt, brauchen wir keine Mädels mehr!« ruft er den sechs Jungs, die ihren Tisch mittlerweile verlassen haben, durch das Mikrofon zu. Sie verausgaben sich abwechselnd an der Stange, die am Rand der Tanzfläche angebracht ist und an der gelegentlich spärlich bekleidete Animateurinnen mit allerlei Verrenkungen die Laune des Publikums heben, wie ein Blick in die Fotogalerie des Jeton zeigt.
Zwei der jungen Männer kommen an unseren Tisch, fragen nach Feuer und sind gesprächig. »Er ist aus Mahlsdorf, ich bin aus Hellersdorf. Wo seid ihr her?« fragt einer. Wir antworten. »Schade, dass heute nicht so viel los ist. Schaumparty letzte Woche war besser«, befindet der Mann. Auf unserem Tisch liegt ein Flyer, der für den »Schaumparty-Summer of ’09« wirbt. »Partyschaum und Liebe« bzw. »250.000 Liter Schaum pro Minute im Mainfloor« gibt es bis September jeweils am zweiten Samstag im Monat. Zur Schaumparty reisten auch die Nazis aus Brandenburg an, ehe sie anschließend die Lust aufs ­Lynchen überkam. Die zwei Jungs, die uns im Weitergehen noch einmal zuprosten, haben kurz geschorene Haare und bemühen sich, wie harte Kerle aus Ostberlin zu gucken, zu laufen und zu trinken. Um erklärte Nazis handelt es sich offensichtlich nicht. Die tragen keine bunten Shirts von Ed Hardy.
Der Mann, der kurz darauf an uns herantritt, ist auch kein Nazi. »Darf ich euch mal was fragen? Ich bin Journalist«, sagt er. Wir geben uns zu erkennen. Der Mann von der Taz hat sich auch einen etwas ereignisreicheren Abend vorgestellt und will am nächsten Tag wiederkommen.
Nachdem der Kollege gegangen ist, stellt sich ein junger Mann an unseren Tisch und mustert uns wortlos. Dann fragt er: »Ihr seid von der Zeitung, oder?« Wir sind enttarnt. Er will sich aber nur mitteilen. »Ist doch alles harmlos und friedlich hier. Da wird echt viel übertrieben«, sagt er. Und die Nazis, die den 22jährigen beinahe totgeprügelt haben? »Na ja, klar gibt es Nazis im Jeton. Aber nur wenige. Die meisten Leute sind Fußballfans wie ich. Schreib das mal auf.« In der Berliner Zeitung sei er auch schon mal erwähnt worden. »Da steht, dass ich kein Nazi bin. Gib mal ein bei denen: Brand, zwei Wohnungen, kein Nazi.« Die spätere Suche im Internet ergibt nichts. Vielleicht hat der deutlich alkoholisierte Mann die Suchbegriffe ein wenig durcheinan­der gebracht.
Für den DJ gibt es mittlerweile kein Halten mehr. Er hat die Electro-Pop-Hits der Achtziger durchgenudelt und spielt nun brüllend laut ­Peter Fox und Seeed. Noch dazu benebelt er die Tanzfläche. Zum Glück kann man durch eine Tür aus dem Raum, der mit seinen großen Spiegeln an der Wand, der Lasershow und den Disco­kugeln doch sehr an die Achtziger erinnert, über eine Treppe in das obere Stockwerk flüchten.
Die Bar dort ist auch geschlossen. Eine einzelne Gestalt sitzt auf einem Sofa herum. Auf der Toilette hat jemand etliche Aufkleber hinterlassen. »Aktionsfront – Deutsche Zukunft« ist auf manchen zu lesen, ein blondes Mädchen ist abgebildet. Auf anderen steht: »Gegen Globalisierung – dem Unrecht ein Ende«. So genannte Autonome Nationalisten verwenden solche Slogans gern. Nazis waren also da. Vielleicht kommen sie ja zur nächsten Schaumparty wieder.

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21.07.2009 jetzt.de
Krieg der Welten in Berlin: Die Auseinandersetzungen in Friedrichshain
Im Berliner Bezirk Friedrichshain kämpfen die Anwohner gegen Rechts, aber auch gegeneinander
Samstagabend in Berlin-Friedrichshain. Eine gewaltige Menschenmasse schiebt sich durch die Boxhagener Straße, der Lautsprecherwagen spielt Musik gegen Rechts, über die Köpfe ragen Transparente mit Sprüchen wie „Vielfalt statt Einfalt“, „Kein Pardon fürs Jeton“.

Das „Jeton“ ist eine Diskothek auf der Frankfurter Allee, der Hauptverkehrsader des Viertels und es besteht in Friedrichshain ein gesteigertes Interesse daran, es so bald wie möglich schließen zu lassen. Vorvergangenes Wochenende haben vier Neonazis hier erst die Nacht durchgefeiert und dann am frühen Sonntagmorgen einen 22-jährigen Neuköllner ins Koma geprügelt. „Der Bordsteinkick von Friedrichshain“ – darüber sind sich in Berlin alle einig – ist eine neue Stufe der Eskalation rechtsextremer Gewalt in der Stadt. Nachdem sie Jonas K., das Opfer und ein aktives Mitglied der linken Szene bewusstlos geprügelt hatten, versuchten die Täter, ihn mit dem Gesicht auf den Bordstein zu lehnen und durch einen Sprung auf den Kopf zu töten. So, wie das die Hauptfigur in dem Anti-Nazi-Film „American History X“ auch tut, so wie vor vier Jahren im brandenburgischen Potzlow ein 17-Jähriger ermordet wurde. Jonas K. hat schwer verletzt überlebt.
Der genaue Hergang ist nach wie vor nicht klar, aber Berlin ist beunruhigt. „Einer von denen war angeblich so im Blutrausch, dass er noch auf ihn eingetreten hat, als die Polizei schon da war“, erzählt ein Demonstrant, andere tauschen Anekdoten aus, von Freunden und Nachbarn, die am selben Bahnhof auch schon von Rechten bedroht oder verprügelt wurden. Friedrichshain führt seit drei Jahren die Statistik rechter Gewalt in der Stadt an. „Es ist schon seit Jahren klar, dass man zum Beispiel ins Jeton nicht geht“, sagt Sebastian Lorenz, Sprecher der Antifa Berlin. Die Rechten treffen sich dort zum Trinken, und gehen am Bersarinplatz shoppen: vor einigen Monaten eröffnete dort ein Laden für das Klamottenlabel Thor Steinar, gegen den die Anwohner bisher mit mäßigem Erfolg vorgehen. Es ist die ultimative Provokation – sich in einem Stadtteil auszubreiten, der von Punkrock, Multikulti, Queerkultur und Hedonismus definiert ist. „Wir gehen davon aus, dass die Neonazis bewusst ins Viertel kommen, weil denen die Vielfalt hier nicht passt,“ sagt Sebastian. Die Antifa versteht gerade den letzten Vorfall als deutliche Kampfansage – und hat nicht gezögert, zurück zu schießen. Zwei Tage nach dem Überfall zog eine große Gruppe offenbar linksautonomer Aktivisten nachts vor das Jeton und ließ dort eine Fensterscheibe zu Bruch gehen. „Da ist eben ein Unmut zum Ausdruck gekommen, der sich schon lange angestaut hat“, erklärt Sebastian halbentschuldigend. Die Antifa hat auf Indymedia ein Pamphlet veröffentlicht, das über den üblichen Demonstrationsaufruf hinausgeht. „Wir wollen wir den Nazis im Viertel ein offensives „Fickt euch!“ entgegen schreien", stand da, "gleichzeitig aber auch klarstellen, dass „die Friedrichshainer Szene“ endlich mal klar kommen soll, dass sie merken muss, das ihr Heititeiti-Szene-Biotop nicht die wunderbare Welt ist, für das sie es so gern halten“. Angesprochen davon fühlte sich offenbar vor allem die Hedonistische Internationale. Eine ihrer Sektionen postete sehr schnell eine Antwort und wies darauf hin, dass es ja wohl alles andere als hilfreich sei, Mitstreiter auf eine so rüde Art zu verprellen. Sebastian erzählt, der Text sei im Alleingang von einigen Mitstreitern verfasst worden. „In Friedrichshain gibt es einerseits diese alternative Kultur, es verkehren hier aber auch immer Menschen, die wirklich Geld haben und hier leben wollen, weil sie sich dieser Kultur irgendwie zu gehörig fühlen“, sagt er. „Natürlich setzen wir uns auch für deren Freiheit ein. Aber ich kann schon verstehen, dass man sich nicht gern für eine Kultur verprügeln lässt, die nicht politisch ist, aber in Wirklichkeit genauso betroffen. Denn die passen den Rechten ja genauso wenig, wie die Punks oder die Migranten.“
Es ist die Situation, die Stadtsoziologen als Gentrifikation bezeichnen und der in Berlin einen Ostbezirk nach dem anderen mitnimmt. Und sie sorgt dafür, dass in Friedrichshain noch ganz andere Barrikaden aufgezogen werden, als zwischen Anwohnern und rechtsradikalen Eindringlingen. Immer wieder brennen dort Autos, letztes Jahr wurden einige Kinderwägen angezündet. An manchen Häusern hängen Transparente, die „Yuppies raus!“ fordern. „Erst kommen die Hausbesetzer, dann kommen die Studenten und die Künstler. Dann kommen Familien, Geld, es wird saniert und dann können es sich immer weniger Leute leisten dort zu leben“, sagt „Monty Cantsin“ von der Hedonistischen Internationalen. Dieser lose Zusammenschluss von Menschen setzt sich mit satirischen und partyorientierten Aktionen gegen alles ein, was, so könnte man es fast sagen, ihnen gerade schlechte Laune macht: Nudistische Tanzeinlagen gegen Nazikneipen, Partyparaden gegen das gigantische Neubauprojekt Media-Spree, Sabotageaktionen wie das Tito von Hardenberg gegen schlampige Medien. Die Hedonistische Internationale ist gerade in Berlin ziemlich aktiv, hat aber kein Programm, keine Hierarchie, keine Satzung. „Unser Dreh- und Angelpunkt ist sicher die Freiheit“, sagt Monty, der allerdings am überzeugendsten ist, wenn er mit schwäbischem Einschlag gegen die Institutionalisierung („ich will mich gar nicht ständig wegen der Sache mit Leuten treffen“) und Parteien an sich („es gibt nichts Schlimmeres“) wettert. Obwohl er auch gegen Gentrifizierung protestiert, glaubt er nicht, dass sich in der Hinsicht viel aurichten lässt: „Man braucht da letztlich eine Politik der Mietpreisdeckelung.“ Das ist natürlich vielen Antifa-Leuten zu wenig. Sie sehen die Hedonisten eher in einer Ecke mit den Hipstern, die am Boxhagener Platz abhängen, schwäbische Bäckereien und Designerläden betreiben und ihnen scheinbar ihr linksalternatives Viertel kaputt zu machen drohen.
„Ich finde es schwierig, jemanden zu kritisieren, der innerhalb eines kapitalistischen Systems versucht, klar zu kommen“, sagt Elli Woltemade. Sie arbeitet und wohnt in der Bar 25, einem der beliebtesten Clubs der Stadt nahe der Oberbaumbrücke an der Spree und ist Mit-Initatorin des Anti-Gentrifizierungs-Bündnisses „Megaspree“, an dem sich sowohl die großen Clubs an der Spree als auch diverse linkradikale Gruppen und auch die Grünen beteiligen. Sie sagt: „Friedrichshain ist ein Ort, an dem viele Kämpfe ausgetragen werden.“ Elli war unglücklich über den Aufruf der Antifa: „Es wäre einfach gut, wenn die Antifa in der Bar25 anruft, wenn sie ein Problem haben, statt das auf Indymedia zu veröffentlichen.“ Aber auch: „Man muss eben den kleinsten gemeinsamen Nenner finden. Natürlich gibt es Widersprüche, wenn das Watergate und die Gruppe Soziale Kämpfe zusammen arbeiten.“ Deswegen will sie bei einer großen Diskussionsveranstaltung alle Fraktionen zusammen bringen. „Die Leute sollen sich das ins Gesicht sagen, und dann machen wir weiter.“ Auch Hedonist Monty meint: „Gerade gegen die Rechten ist es verdammt wichtig, den langen Atem zu haben.“ Und für Antifa-Sprecher Sebastian will sich nicht ablenken lassen: „Das größere Problem sind die Nazis.“ Immerhin da sind sich in Friedrichhain alle einig.

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20.07.2009 TAZ
"Kein Gewalterlebnispark für Nazis"
Rund 5.000 kommen zum Protest gegen den Nazi-Übergriff vom vergangenen Sonntag. Antifaschismus scheint an diesem Abend fast selbstverständlich zu sein.

Es sind viele. Und sie sind schnell. 5.000 Menschen ziehen bei der Demonstration gegen Rechtsextremismus am Samtagsabend im Laufschritt im Zickzack durch Friedrichshain. Gekommen sind wirklich alle, die etwas gegen Nazis haben - Kiezbewohner, AntifaschistInnen, Parteien, Alte und Junge. An diesem Abend erscheint Antifaschismus als Selbstverständlichkeit. Fast schon beleidigt reagierten viele auf die Frage, warum sie gekommen sind. Es gehe gegen Nazis - das sei doch wohl klar.
Viele hat der Mordversuch am vergangenen Sonntag aufgerüttelt. Nach einer Schlägerei zwischen Linken und Rechten, misshandelten vier einschlägig bekannte Neonazis einen 22-Jährigen schwer. Die Demonstranten möchten Nazis in ihrem Kiez nicht hinnehmen und fordern die Aufklärung der Tat.
"Das hier ist ein bunter Haufen und wir gehören dazu", sagen die Studenten Fernando L. und Cyril P.. Es sei gut, dass "viele Leute ohne schwarze Regenjacke gekommen sind". Eins störe sie aber doch: "Es ist ätzend, dass es heißt, die Gewalt zwischen Linken und Rechten schaukele sich hoch". Dass sei nicht der Fall, für sie ist klar: "Die brutalen Übergriffe gehen hier von Nazis aus".
In den Redebeiträgen beziehen sich die Veranstalter der Demo nicht nur auf den Vorfall vom 12. Juli. "Tromsö", der neue "Thor Steinar"-Laden in der Nähe des Bersarinplatzes, ist genau so Thema, wie rechte Übergriffe im Bezirk an sich.
Im Fokus der Kritik aber steht die Diskothek Jeton. Sie biete Rechten einen Rückzugsraum für Übergriffe, meinten die Veranstalter. Die Antifa Friedrichshain zählte in den letzten drei Jahren elf gewälttätige Übergriffe zwischen Jeton und S-Bahnhof Frankfurter Allee. Und fordert: "Dieser Ort darf kein Gewalterlebnispark für Nazis sein".
Laut Polizeiauflage soll die Demo auf der linken Seite der Frankfurter Allee bleiben. Doch die 300 Anhänger des Schwarzen Blockes an der Demospitze zieht es nach rechts - dort liegt das Jeton. Nach einer kurzen und heftigen Auseinandersetzung mit der Polizei können sie doch auf der ganzen Straße laufen. "Um eine Eskalation und Verletzte zu verhindern", erklärt Polizeisprecher Klaus Schubert später.
Die Demo ist bis zum S-Bahnhof Frankfurter Allee angemeldet - dem Tatort, einige hundert Meter vom Jeton entfernt. Doch dort bewegt sich keiner weiter. Es seien "schon einige Mittel legitim um den Laden zu schließen", sagt Walter S.. Dabei geht der 42-Jährige oft nicht mit der Antifa konform. Denn "es funktioniert auch friedlich".
Am Samstag bleibt der große Stress aus. Eine Flasche fliegt in Richtung Jeton, das mit sechs Polizeibussen, zwei Hundezwingerwagen, zwei Wasserwerfern und Greiftrupps der Polizei gut abgeriegelt ist. Anderthalb Stunden nachdem der Veranstalter die Demonstration aufgelöst hat, kann die Polizei die übriggebliebenen Teilnehmer zum gehen bewegen. Insgesamt werden zehn Protestierende festgenommen, unter anderem wegen Landfriedensbruch.

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20.07.2009 TAZ
Eine ruhige Nacht im Jeton
Vor einer Woche schlugen rechtsextreme Gäste des Jeton in Berlin-Friedrichshain einen Mann fast tot. Nun ist der Laden nahezu leer.

"Sicherheitskontrollen?", Ronny Berkahn steht achselzuckend im Eingang seiner Diskothek. "Sie sehen ja selbst, was hier los ist." Nichts ist los. Es ist Freitgnacht, die beste Zeit für Clubs. Doch ins Jeton an der Frankfurter Allee will um Mitternacht niemand rein. Gerade kamen zwei breitschultrige Typen raus. Polizisten, die die Lage gecheckt haben.
"Das war doch klar, nach der ganzen schlechten Presse", sagt Berkahn. Vor einer Woche hatten vier Rechtsextreme einen 22-jährigen Linken fast totgetreten. Die Schläger waren Gäste des Jeton, sagt die Polizei. Dienstagnacht hatten dann rund 200 Linke das Jeton mit Steinen angegriffen. Im Viertel gilt die Disko seit langem als Anlaufpunkt für Rechte.
Der Türsteher ist ein Zwei-Meter-Typ. Er trägt schwarzes Shirt, schwarze Hose, Glatze. "Klar, dass wir unseren Ruf nicht loswerden, wenn niemand über das hier schreibt", sagt er und kramt den Spielplan eines Fußballturniers "gegen Rassismus" raus. Das "Team Jeton" trifft dort unter anderem auf das "Team Angola" und auf die "Iron Devils United", eine multinationale Freizeitmannschaft von FC-Union-Berlin-Fans, die ihren Sommercup am 25. Juli zum siebten Mal veranstaltet. Das Jeton ist einer der Sponsoren, nebem dem Bündnis für Demokratie und Toleranz. "Für Betreiber und Belegschaft des Jeton lege ich mein Hand ins Feuer", sagt Stephan Stiller, der Organisator des Sommercups, "das sind definitiv keine Nazis". Über die Besucher der Disko könne er nichts sagen.
Der dritte Stock des Jeton ist mangels Nachfrage in dieser Nacht geschlossen. Die Chillout-Area im zweiten Stock ist offen, aber leer. Nur im ersten Stock, dem Mainfloor, sitzen zwölf Besucher. Zwei sind von der Presse. Die Tanzfläche wird ab und an zugenebelt. Ein Laser zuckt. Der DJ spielt Discomucke. Bei Michael Jackosn verlassen die letzten Unermüdlichen die Tanzfläche.
"Schlechte Presse? Ich hab gar nichts mitbekommen", sagt mit ein Gast mit badischem Akzent. Frisur und Schnurrbart erinnern ein wenig an den verstorbenen Queen-Sänger Freddie Mercury. Er komme aus Freiburg und sei vor drei Monaten zuletzt hier gewesen. Ihm habe im Jeton immer gefallen. "Aber deswegen bin ich doch kein Rechter", wiederholt er mehrmals.
"Freigetränke Party" heißt das verlockende Konzept. Für 13 Euro Eintritt gibt es bis 4 Uhr früh Bier, Sekt und Mixgetränke bis zum Abwinken. Eine Fünfergruppe junger Männer trinkt Wodka mit O-Saft. Gern auch auf Ex. "Sieht so ein Nazi aus?", fragt ein Typ mit Basecap und schiebt seinen Kumpel vor. Hätte der Thor-Steinar-Klamotten an, wäre die Antwort einfacher. Er trägt ein weißes Shirt über dem muskulösen Körper, strenge Gesichtszüge, raspelkurzes Haar, trübe Augen. "Was heißt schon Nazi? Der erste Nazi war ein Neger!" sagt der Shirt-Träger. Der Basecap-Typ schiebt ihn mit einem Griff ins Gesicht zu Seite: "Der ist besoffen. Der redet nur Quatsch."

"Klar, gibt's hier Nazis"
Klar gebe es auch Nazis unter den Besuchern, sagt der Basecap-Typ später. Vielleicht fünf Prozent der Gäste in normalen Nächten. Aber auch "Ausländer". Die meisten Besucher aber seien "einfache BFC-Hools". Der Fußballclub BFC Dynamo hat wegen seiner rechtslastigen Fans einen schlechten Ruf. "Aber hier drin passiert nichts", versichert der Basecap-Typ. "Nicht einmal mir, dabei bin ich Union-Fan", sagt er und zeigt das "Eisern Union"-Shirt unter seinem Pulli. Er selbst habe vor ein paar Jahren drei Monate in U-Haft gesessen, "als Linker", wegen eines Flaschenwurfs bei einer Walpurgisnacht. "Du glaubst mir nicht. Aber wenn du nochmal kommst, bring ich meinen Haftbefehl mit."
Eine Nacht später ist der Andrang vorm Jeton deutlich größer. Hinter den drei Polizei-Wagen, die seit der Demo am frühen Abend dort parken, hat sich eine kleine Warteschlange gebildet. "Mit Springerstiefel lass ich niemanden rein", sagt der Türsteher. Aber er könne nicht auf jedes T-Shirt achten. Dass Gäste auf der Tanzfläche den Hitlergruß gezeigt haben, wie Bilder im Internet beweisen, verneint er. Aber er habe schon mal Nazis rausgeschmissen, weil sie "so Sachen" gemacht hätten. "Wenn ich wüsste, dass die so einen Scheiß machen, wie letzten Sonntag, würde ich denen sogar auf die Straße nachrennen", versichert der Türsteher. "Aber woher soll ich das wissen?"

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20.07.2009 Neues Deutschland
Tausende gegen rechte Gewalt
Demonstration im Berliner Stadtteil Friedrichshain nach brutalem Naziübergriff

Tausende Menschen demonstrierten am Samstag gegen rechte Gewalt im Berliner Stadtteil Friedrichshain. Anlass war eine Attacke am 12. Juli, bei der vier Neonazis einen 22-jährigen Studenten fast totschlugen.
»Wir demonstrieren heute auch gegen die Koalition aus Senat, Polizei und Boulevard-Medien«, rief der Moderator. »Ihr seid verantwortlich für die Stimmungsmache vor der Demo, für die Gleichsetzung rechter Gewalt mit Antifaschismus, und außerdem seid ihr verantwortlich für's schlechte Wetter.« Der aktuelle Anlass war indes wenig ironisch.
Bei Nieselregen waren am Samstag über 4000 Menschen zum Besarinplatz nach Friedrichshain gekommen, um gegen die anhaltende rechte Gewalt im Berliner Stadtteil zu demonstrieren. In den Morgenstunden des 12. Juli hatten vier Neonazis einen 22-Jährigen am S-Bahnhof Frankfurter Allee brutal misshandelt.
Fahnen von Parteien und Gewerkschaften waren zu sehen. »Antifa heißt Angriff« und auch »Gegen Gewalt« war auf Schildern und Transparenten zu lesen. Antifagruppen hatten die Demonstration organisiert, Anwohner jeden Alters waren dem Aufruf gefolgt. Im überwiegend schwarz gekleideten vorderen Drittel dominierte das Logo der Antifaschistischen Aktion. Die Menge zog durch die Seitenstraßen im Friedrichshainer Kiez, vorbei am »Tromsø«, einem Geschäft, in dem die bei Nazis beliebte Marke »Thor Steinar« verkauft wird, und schließlich zur Diskothek »Jeton« an der Frankfurter Allee.
Die Disko war in den letzten Jahren wiederholt in Zusammenhang mit rechten Übergriffen in die Schlagzeilen geraten. Dort feierten auch die vier Brandenburger Neonazis, bevor sie den Studenten Jonas K. bewusstlos schlugen und dann versuchten, ihn mit einem gezielten Tritt auf den Kopf zu töten. Sie sitzen in Untersuchungshaft.
Das als alternativ geltende Friedrichshain mit seinen touristischen Kneipenmeilen auf der einen, ex-besetzen Häusern und alternativer Subkultur auf der anderen Seite führt die Berliner Statistik der rechten Übergriffe seit Jahren an. Die Antifaschistische Linke Berlin (ALB) forderte die Betreiber des Jeton auf, »eine konsequent andere Türpolitik zu betreiben«. Träger von »Thor-Steinar«-Kleidung müssten »konsequent« des Ladens verwiesen werden. Zudem kündigten sie eine Kampagne zur Schließung an, sollte sich nichts ändern.
Die Polizei, die mit mehreren Hundertschaften und Wasserwerfern im Einsatz war, sprach von zehn Festnahmen. Bis auf kleine Rangeleien verlief die lautstarke Demonstration friedlich. Die Beamten schienen wieder dem Berliner Deeskalationskonzept zu folgen, das nach den Ausschreitungen am 1. Mai in die Kritik geraten war.

Kommentar: Protestzug gegen Rechtsextremismus in Berlin

Dass über 4000 Menschen in Berlin-Friedrichshain am Sonnabend gegen Rechtsextremismus demonstrierten, war ein wichtiges Signal zur richtigen Zeit. Denn absolut unmissverständlich und sehr lautstark machten die Demonstrierenden deutlich, dass sie rechte Übergriffe wie den Mordversuch gegen einen 22-jährigen linken Berliner vom vergangenen Wochenende nicht hinnehmen wollen - weder im alternativen Friedrichshain noch anderswo. Zum richtigen Zeitpunkt kommt das starke antifaschistische Signal allerdings auch deshalb, weil seit dem brutalen Übergriff in den Medien eine krude Extremismusdebatte geführt wird, die an Schamlosigkeit kaum zu überbieten ist: Fleißig rechnen Autoren täglich rechte und linke Gewalt gegeneinander auf, einige halluzinieren gar Weimarer Verhältnisse herbei. Das Opfer, das die vier Neonazis durch Tritte gegen den Kopf fast töteten, wird so zum Täter umgestempelt. Das ist infam. Als wenn es keinen Unterschied macht, ob vier Nazis einen Mordversuch unternehmen oder couragierte Antifaschisten wie in diesem Fall den Rechtsextremen Einhalt gebieten. Angesichts dieser aufgeheizten Debatte war es dennoch gut, die berechtigte Wut friedlich auf die Straße zu tragen. Der weite Weg steht indes noch bevor: Rassisten und Rechtsextreme aus dem Alltag zu drängen, ist eine Sisyphos-Aufgabe. Die Bürger und Antifas, die seit Jahren überparteilich in Friedrichshain gemeinsam gute Arbeit machen, wissen, was gemeint ist.

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20.07.2009 Morgenpost
Tausende demonstrieren gegen Neonazis

Begleitet von einem massiven Polizeiaufgebot sind gestern Abend mehr als 4000 Demonstranten durch Friedrichshain gezogen, um lautstark, aber zunächst friedlich, gegen rechte Gewalt in dem Kiez zu protestieren.
Die Protestkundgebung führten etwa 250 Demonstranten an, die dem "schwarzen Block" zuzurechnen sind. Die Polizei war mit mehreren Hundertschaften im Einsatz und begleitete die Demonstration durch den Kiez. Sie war mit einer Stunde Verspätung um 19 Uhr am Bersarinplatz gestartet. Zuvor hatte die Polizei dort Kontrollen vorgenommen. Flaschen mussten zurückgelassen oder ausgetrunken werden. "Im Rahmen der Vorkontrollen kam es zu vereinzelten Festnahmen", sagte ein Polizeisprecher. Die Festgenommenen führten Wurf- oder Schlagwerkzeuge bei sich. "Wenn man gegen das Versammlungsgesetz verstößt, muss man damit rechnen", so der Polizeisprecher.

Aufgeheizte Atmosphäre
Auch Wasserwerfer standen am Rande der Protestkundgebung bereit, da es im Vorfeld Befürchtungen gegeben hatte, unter die friedlichen Demonstranten könnten sich auch gewaltbereite Autonome und Linksradikale mischen. Bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe blieben Zwischenfälle jedoch aus, obwohl Polizei und Beobachter des Protestes übereinstimmend berichteten, dass die Atmosphäre zunehmend aufgeheizt wirkte. Gegen 20.40 Uhr begann sich die Demonstration vor der Diskothek Jeton an der Frankfurter Allee langsam aufzulösen. Allerdings blieben noch viele Jugendliche - unschlüssig, ob und wie es weitergehe - vor dem Klub stehen.
Anlass für die Demonstration war der brutale Übergriff von vier mutmaßlichen Neonazis aus Brandenburg auf einen 22-jährigen Angehörigen der linken Szene am vergangenen Wochenende in der Nähe des S-Bahnhofes Frankfurter Allee. Das Opfer erlitt dabei lebensgefährliche Verletzungen. Zuvor hatten sich die Neonazis eine Auseinandersetzung mit einer Gruppe Linker geliefert.
Kleinere oder größere Zusammenstöße zwischen Links- und Rechtsradikalen gibt es in Friedrichshain immer wieder. Doch seit dem Vorfall vom vergangenen Wochenende herrscht in beiden Lagern eine aufgeheizte Stimmung. Sicherheitsexperten befürchten, dass der seit jeher schwelende Streit zwischen den beiden extremen politischen Lagern eskaliert. Die Polizei hat ihre Präsenz in dem Stadtteil bereits erhöht.
Bereits am Montag steht der nächste Großeinsatz an. Dann sichern knapp 2000 Polizeibeamte das Rekrutengelöbnis der Bundeswehr vor dem Reichstag. Besondere Brisanz erhält dieser Einsatz durch einen von einer bislang unbekannten Gruppe via Internet verbreiteten Aufruf zu Gewalttaten gegen Soldaten ("Nicht zögern. Reinhauen. Und zwar richtig").
Um jegliche Gefährdung von Bundeswehrangehörigen und Gästen auszuschließen, wird nicht nur das Areal um den Reichstag abgeriegelt. Auch die Zufahrtswege, über die die Rekruten und Gäste zur Veranstaltung gelangen, werden massiv gesichert.

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20.07.2009 Junge Welt
Tausende gegen rechte Gewalt
Nach brutalem Neonaziüberfall: Protestdemonstration in Berlin. Kritik an Polizei

Teilnehmer der antifaschistischen Demonstration am Sonnabend in Berlin berichteten von Polizeiübergriffe
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Eine Woche nach dem brutalen Überfall auf den 22jährigen Jonas K. haben am Sonnabend mehrere Gruppierungen im Berliner Stadtteil Friedrichshain gegen rechte Gewalt demonstriert. Laut Polizei nahmen rund 4000 vorwiegend jugendliche Personen an dem Umzug teil, der vom Bersarinplatz zur Friedrichshainer Diskothek »Jeton«, führte. Die Veranstalter sprachen von 6000 Menschen. In der Nähe des »Jeton« war der Student am vorangegangenen Sonntag von vier 20 bis 26 Jahre alten Männern, die der rechten Szene angehören sollen, lebensgefährlich verletzt worden. Gegen sie ist inzwischen Haftbefehl wegen Verdachts des versuchten Totschlags erlassen worden.
An der Demonstration nahmen auch Mitglieder der Linkspartei, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) teil. Vereinzelt sollen Steine und Flaschen auf die Polizeibeamte geworfen worden sein. Eine kritische Situation entstand nach Polizeiangaben, als der Demonstrationszug die Diskothek erreichte, in der sich die mutmaßlichen Täter vor dem Überfall aufgehalten haben sollen. Dort blieben auch nach dem offiziellen Ende der Demonstration rund 500 Demonstranten versammelt. Die Einsatzkräfte versuchten, die Protestierenden in die Nebenstraßen abzudrängen, wobei es zu Rangeleien gekommen sei. Die Polizei nahm nach eigenen Angaben von Sonntag zehn Menschen vorläufig fest. bei den Protesten seien fünf Beamte verletzt worden. Insgesamt war die Polizei mit fünf Hundertschaften im Einsatz.
Scharfe Kritik an der Polizeistrategie äußerte die »Antifaschistische Linke Berlin« (ALB). »Ein dichtes Spalier links und rechts der Demonstration, das teilweise Bedrängen und Filmen der Teilnehmer sorgte für berechtigten Unmut«, heißt es in einer Erklärung der ALB vom Sonntag. Auf der Frankfurter Allee sei der Demozug schließlich gestoppt und der vordere Teil von Beamten mit Faustschlägen und Pfefferspray traktiert worden.
Die ALB kündigte weitere Aktionen gegen die Diskothek »Jeton« an, falls der Betreiber auch künftig Neonazis in seinem Haus dulde. »Sollte sich die Türpolitik nicht ändern, werden antifaschistische Gruppen eine Kampagne mit dem Ziel der Schließung der Disko initiieren«, so ALB-Sprecher Lars Laumeyer. Die vier Täter sollen vor dem Überfall in der Disko gefeiert haben. Bilder, die auf dem Internetportal Indymedia veröffentlich wurden, zeigen einige der Schläger beim Hitlergruß. Die Diskothek war bereits am vergangenen Dienstag abend aus einer Gruppe von 200 überwiegend vermummten Personen heraus mit Steinen angegriffen worden.

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19.07.2009 Tagesspiegel
Linker Protest: Über 4000 Berliner auf der Straße

Mehrere tausend Berliner haben am Samstagabend in Friedrichshain friedlich gegen rechte Gewalt demonstriert. Laut Polizeiangaben waren rund 4500 Demonstranten auf der Straße. Erst als die Demo an der Disko Jeton halt machte, drohte die friedliche Stimmung umzuschlagen.

Mehrere tausend Berliner haben am Samstagabend in Friedrichshain friedlich gegen rechte Gewalt demonstriert. Laut Polizeiangaben waren rund 4000 Demonstranten auf der Straße. Darunter waren auch zahlreiche Mitglieder der linksautonomen Szene und des sogenannten Schwarzen Blocks. Auf Transparenten stand "Antifa heißt Angriff", aber auch "Keine Gewalt".
Neben Antifa-Gruppen hatten auch Linkspartei, SPD und Grüne zu dem Protestzug aufgerufen. Anlass für die Demonstration, an der sich auch zahlreiche Gewerkschafter und Anwohner beteiligten, war eine Auseinandersetzung zwischen Rechten und Linken vergangenen Sonntag. Dabei war ein linker Student von vier Neonazis fast totgeschlagen worden. Mitten in Friedrichshain, der einstigen Autonomenhochburg, direkt an einer Hauptstraße, der Frankfurter Allee, vor der Diskothek Jeton. Die vier Verdächtigen aus Brandenburg sitzen in Untersuchungshaft.
Als die Demo am gestrigen Samstagabend kurz vor Dämmerung an der Disko Jeton halt machte, drohte die friedliche Stimmung kurzzeitig umzuschlagen. Mannschaftswagen der Polizei und hunderte behelmte Beamte schützten das Jeton vor möglichen Angriffen. Es blieb aber weitgehend friedlich. Vereinzelt wurden Steine und Flaschen auf die Polizisten geworfen. Die Beamten nahmen mehrere Personen vorübergehend in Gewahrsam. Die Demonstration endete gegen 21:30 Uhr. Eine halbe Stunde später waren laut Polizeiangaben die meisten Demonstranten abgezogen. "Dass die Leute auf die Straße gehen, finde ich richtig", sagte ein Polizeigewerkschafter. Der Kampf gegen die Rechten dürfe nicht den Autonomen überlassen werden.
In der Nacht zu Mittwoch hatten Vermummte die Disko Jeton in der Frankfurter Allee mit Steinen beworfen. Evrim Baba, Politikerin der Linken im Abgeordnetenhaus, forderte von den Betreibern des Jeton eine klare Stellungnahme zu ihrem Publikum: Immer wieder hatten Anwohner Rechtsextreme beim Verlassen des Jeton gesehen. Wie die vier Verdächtigen vom vergangenen Wochenende sollen Gäste regelmäßig Pullover der bei Neonazis beliebten Marke "Thor Steinar" getragen haben. Die Demonstration am Samstagabend startete deshalb vor dem "Thor Steinar"-Laden am nahen Bersarinplatz. Während der Demonstration hielten sich in einem Imbiss neben der Disko mehrere Männer in "Thor Steinar"-Kleidung auf.
Die Situation in Friedrichshain erinnert an den Tod des Hausbesetzers Silvio Meier, der dort 1992 von Neonazis erstochen worden ist. In den Tagen danach kam es zu Ausschreitungen, in der ganzen Stadt versuchten Antifa-Gruppen auch militant gegen Neonazis vorzugehen. Seitdem findet in Friedrichshain jedes Jahr eine Gedenkdemo statt, deren Veranstalter unter anderem die "Antifaschistische Linke Berlin" ist, die auch die gestrigen Proteste mitorganisiert hatte. Laut Verfassungsschutz war Friedrichshain 2008 mit 30 rechtsextremen Gewalttaten der Bezirk mit der höchsten Zahl derartiger Angriffe.

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19.07.2009 TAZ
"Schweigen ist Mittäterschaft"
Wenn wie in Berlin-Friedrichshain ein Mensch von Nazis verprügelt wird, kann man auch in der Minderzahl helfen, erklärt der Gewaltexperte Günter Gugel.

taz: Herr Gugel, vier Männer schlagen das Opfer so lange, bis es bewusstlos wird. Die ZeugInnen rufen die Polizei, greifen selbst nicht ein. War das richtig?
Günther Gugel: Es war richtig, die Polizei zu rufen. Solche Situationen sind immer emotional aufgeheizt und mobilisieren Ängste. Sie erfordern aber ein sofortiges Handeln. Das setzt bestimmte Kenntnisse und Selbstsicherheit voraus.

Welche Kenntnisse?
Dazu gehört, eine Situation einschätzen zu können: Was ist sinnvoll? Was ist realistisch? Vor allem die Fähigkeit, das Opfer in Sicherheit zu bringen und die Täter festzustellen. Man muss auch wissen, dass man die anderen Zeugen direkt ansprechen und ihnen Handlungsvorschläge machen muss.

Und selbst eingreifen?
In einer Vier-zu-eins-Situation mit mehreren brutalen Schlägern ist es nicht sinnvoll, körperlich einzugreifen. Dadurch könnte man selbst zum Opfer werden. Das müssen Profis machen wie die Polizei. Anders ist es mit einer Übermacht an Zuschauern, die gemeinsam handeln können.

Was sollen die Leute tun?
Ratschläge sind in einer konkreten Gewaltsituation, in der sofortiges Handeln erforderlich ist, meist nicht abrufbar, wenn man dies nicht intensiv trainiert hat. Deshalb wird man auf eingeschliffene Routinen zurückgreifen. Die absoluten Basics, die die Polizei empfiehlt, sind: handeln, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen, Hilfe zu mobilisieren, indem ein Notruf abgesetzt wird und sich als Zeuge zur Verfügung zu stellen.

Wie soll man konkret auf den Täter zugehen?
Gemeinsam zu handeln und Selbstsicherheit zu zeigen verdeutlichen dem Täter, dass die Eingreifenden es ernst meinen. Klar zu formulieren "Lassen Sie die Person frei" informiert den Täter über das Handlungsziel. Der Täter sollte nicht provoziert werden, indem man ihn duzt, beschimpft oder beleidigt. Man muss sehr sachlich und bestimmt mit ihm reden, denn es geht nicht darum, ihn herauszufordern, sondern jemanden aus einer Gefahrensituation herauszuholen. Eine Übermacht von Entschlossenen kann einen Einzeltäter, wenn er unbewaffnet ist, auch körperlich festhalten.

Wann soll man eingreifen? Bei derber Beschimpfung? Nach dem ersten Schlag?
So früh wie möglich, da sich solche Situationen leicht aufschaukeln können. Bei Diskriminierungen oder verbalen Demütigungen muss man deutlich machen, dass man keine Koalition mit dem Täter eingeht - dass er dieses Verhalten unterlassen soll. Wichtig ist, Öffentlichkeit herzustellen.

Wie geht das?
Laut und deutlich zu sprechen und nicht hinter vorgehaltener Hand zu flüstern. Schweigen bedeutet zumindest für die anderen stilles Einverständnis und letztlich Mittäterschaft.

Ein Mann geht rau mit seiner Frau um - ist das deren persönliche Angelegenheit?
Wenn der Konflikt als private Situation eingestuft wird, greift man in der Regel nicht ein. Wir haben in Deutschland eine Kultur, wo das Private stark respektiert wird, was aber zur Folge hat, dass Gewalt in Beziehungen oft nicht oder sehr spät wahrgenommen wird.

Was soll man machen, wenn der Mann droht, die Frau zu Hause zu schlagen?
Wenn Sie in der Nachbarschaft leben und solche Fälle öfters beobachten: Polizei einschalten oder, wenn Kinder involviert sind, auch das Jugendamt.

Inwiefern kann man Zivilcourage trainieren?
Man trainiert Zivilcourage im Alltag, wenn man sich gegen Diskriminierung und gegen Übergriffe wendet. Das kann bei einem blöden Witz über jemanden sein, indem man dem Gruppendruck widersteht und seine eigene Meinung vertritt. Dies gelingt besser, wenn man Selbstvertrauen entwickeln konnte. Es geht um Achtsamkeit statt Gleichgültigkeit. Es geht um Widersprechen statt Schweigen. Es sind immer kleine Schritte.
Mit dem Täter sachlich reden, ihn nicht provozieren: "Lassen Sie die Person frei!"

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19.07.2009 Tagesspiegel
4000 gegen Rechts
Zehn Festnahmen nach Demo in Friedrichshain Brandanschläge auf Autos und Mülltonnen

Berlin - Fünf verletzte Polizisten und zehn vorläufige Festnahmen sind die Bilanz der Demonstration „Gegen rechte Gewalt“ am Sonnabend in Friedrichshain. Rund 4000 Menschen hatten an dem Protestzug teilgenommen – laut Polizei „überwiegend friedlich“. Vereinzelt flogen allerdings Flaschen und Feuerwerkskörper aus dem Demonstrationszug, der um 19 Uhr am Bersarinplatz gestartet war.
Unter den knapp 4000 Teilnehmern waren auch fast 300 Linksautonome. Ein brenzliger Punkt auf der Route entlang der Frankfurter Allee war die Diskothek „Jeton“. Am Wochenende zuvor hatten vier Neonazis nahe der Disko einen 22-jährigen Linken schwer misshandelt. Die Neonazis hatten sich laut Polizei zuvor in der Disko aufgehalten. Sie gilt als Treffpunkt für Hooligans und Rechtsextreme. Auch während der Demo versuchten Teilnehmer, auf die gesperrte Straßenseite zu gelangen, um Krawall zu machen. Die Polizei verhinderte dies. Die Veranstaltung endete gegen 20.30 Uhr vor der Disko. Dennoch verharrten 500 Teilnehmer vor dem „Jeton“. Die Polizei drängte sie in die Nebenstraßen ab.
In den frühen Morgenstunden gab es dann erneut eine politisch motivierte Schlägerei: In Lichtenberg prügelten sich ein 23-jähriger Linker und ein 27-jähriger Rechter in der Marie-Curie-Allee. Beide waren betrunken.
Der für politisch motivierte Delikte zuständige Staatsschutz der Polizei ermittelt außerdem wegen mehrerer Brandanschläge auf zumeist teure Autos. In der Nacht zu Sonntag gegen 1.40 Uhr brannten vier Fahrzeuge am Holsteiner Ufer. Gegen 5.50 Uhr brannten je zwei Autos in der Thaer- und der Eldenaer Straße. Zudem steckten zwei Vermummte auf der Krossener Straße in Friedrichshain zwei Mülltonnen in Brand, die sie nach Angaben von Zeugen zuvor aus einem Hof geholt hatten. tabu

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19.07.2009 Morgenpost
Demonstration gegen Rechts ist beendet

Eine Woche nach dem brutalen Überfall auf einen 22-Jährigen haben rund 4000 Menschen in Friedrichshain gegen rechte Gewalt demonstriert. Die Route führte auch zu der Diskothek, in der die Schläger vor der Tat gefeiert haben sollen. Dort brachte die Polizei Wasserwerfer in Stellung.
In Friedrichshain haben rund 4000 Menschen gegen rechte Gewalt demonstriert. Sie zogen vom Bersarinplatz zur Diskothek "Jeton". Es gab vereinzelt Rangeleien, wenn Protestierende von der genehmigten Route auf der Frankfurter Allee ausscheren wollten. Auch einige Festnahmen wurden beobachtet. Unter den Demonstranten waren Mitglieder der linksautonomen Szene und des sogenannten Schwarzen Blocks. Aus diesen Gruppen wurden vereinzelt Feuerwerkskörper geworfen und auch Parolen gegen die Polizei skandiert, die mit einigen hundert Beamten den Zug begleitete.

Die Stimmung war aufgeheizt, als die Menschenmenge gegen 20.15 Uhr vor der Diskothek "Jeton" an der Frankfurter Allee ankam. Die Polizei brachte Wasserwerfer in Stellung. Polizisten waren auch auf Häuserdächern präsent. Doch bis kurz nach 20.30 Uhr passierte nichts Schlimmeres. Die Kundgebung vor der Diskothek verlief friedlich. Dann wurde die Demonstration offiziell für beendet erklärt. Die Polizei forderte die Demonstranten auf, die Straße zu räumen, die wieder für den Verkehr freigegeben werden sollte.
Ein Polizeisprecher sagte gegen 21 Uhr: „Die Veranstaltung verlief größtenteils friedlich.“ Auf Transparenten der Demonstranten war zu lesen: „Antifa heißt Angriff“, aber auch „Keine Gewalt“. Etwa 250 der bis zu 4000 Demonstranten hätten der Polizei Sorgen bereitet, wie der Polizeisprecher sagte. Gegen 21.30 Uhr waren noch rund 200 Menschen vor dem "Jeton" auf der Straße.
Vor Beginn der Demonstration hatten Polizisten alle Zufahrten zum Bersarinplatz kontrolliert. Die Petersburger Straße war zwischen Karl-Marx-Allee/Frankfurter Allee und Bersarinplatz Richtung Prenzlauer Berg für den Verkehr gesperrt. Die Demonstrations-Teilnehmer wurden kontrolliert. Glasflaschen müssen stehen gelassen oder ausgetrunken werden. Sollte jemand Waffen, etwa ein Messer, dabei haben, wurde er sofort wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht festgenommen.
Der Protestzug startete mit einer Stunde Verspätung kurz nach 19 Uhr am Bersarinplatz und zog von dort zum S- und U-Bahnhof Frankfurter Allee. Unter den Protestierenden waren zahlreiche Mitglieder der linksautonomen Szene und des sogenannten Schwarzen Blocks. Auf Transparenten hieß es: „Antifa heißt Angriff“, aber auch „Keine Gewalt“. Auch der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (Grüne) nahm an dem Protestzug teil.
Zur Teilnahme an der Demonstration hatten SPD, Grüne und die „Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN)“ aufgerufen. Die VVN erklärte, viele der Gründungsmitglieder hätten den Straßenterror der Nazis schon vor 1933 am eigenen Leib erfahren müssen. Darum gelte dem Opfer Mitgefühl und Solidarität. Die SPD forderte ausdrücklich ein Nein zu rechter und linker Gewalt.
Anlass für die Demonstration war der brutale Übergriff von vier Männern gegen einen jungen Mann vor gut einer Woche in Friedrichshain. Das Opfer schwebt in Lebensgefahr. Gegen die 20 bis 26 Jahre alten Männer aus Königs Wusterhausen, Storkow, Ragow und Friedersdorf, die den jungen Mann vor einer Woche zusammenschlugen, wurde Haftbefehl wegen des Verdachts des versuchten Totschlags erlassen. Wahrscheinlich war das Opfer der linken Szene zuzurechnen und vorher in eine Prügelei mit seinen späteren Peinigern aus der rechtsextremen Szene geraten.
Weil die vier mutmaßlichen Täter vor dem Angriff auf den 22-Jährigen in der Diskothek "Jeton" gefeiert haben sollen, war die Einrichtung am Dienstagabend vermutlich aus Rache von rund 200 teils vermummten Personen mit Steinen angegriffen worden.

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18.07.2009 Tagesspiegel
Nervosität vor Demo steigt
Ein bisschen nervös sei man, sagen Anwohner, junge Autonome und Studenten aus dem Kiez rund um die Frankfurter Allee. Am Samstagabend will die linke Szene durch Friedrichshain demonstrieren.

Hieß es Anfang der Woche noch, man erwarte 500 Menschen, rechneten die Organisatoren des Protestmarsches zuletzt mit bis zu 2000 Teilnehmern – entschlossen und wütend, schließlich hat es eine derartige Tat lange nicht mehr gegeben: Vergangenen Sonntag ist ein linker Student von vier Neonazis fast totgeschlagen worden. Mitten in Friedrichshain, der einstigen Autonomenhochburg, direkt an einer Hauptstraße, der Frankfurter Allee, vor der Diskothek Jeton. Die vier Verdächtigen aus Brandenburg sitzen in Untersuchungshaft. Neben Antifa-Gruppen mobilisierten Linkspartei, Sozialdemokraten und Grüne zu den Protesten.
Unbekannte hatten am Freitag Fotos der mutmaßlichen Schläger im Internet veröffentlicht. Einige der Abgebildeten hantieren darauf mit SS-Devotionalien. Die Verdächtigen werden auch vor der Disko Jeton gezeigt – mit zum Hitlergruß gestrecktem Arm. Die Fotos seien wenige Stunden vor der fast tödlichen Attacke aufgenommen worden, heißt es im linken Internetportal Indymedia, die Disko Jeton sei eindeutig ein Neonazitreff.
Schon in der Nacht zu Mittwoch hatten Vermummte den Club in der Frankfurter Allee mit Steinen beworfen und die Fassade beschädigt. Auch eine Polizeistreife wurde angegriffen. Weil es sich offenbar um Rache Autonomer handelt, ermittelt der Staatsschutz. Von den Betreibern der Disko fordert Evrim Baba, Linkspolitikerin und Mitglied im Abgeordnetenhaus, eine klare Stellungnahme zu ihrem Publikum: Immer wieder hatten Anwohner zahlreiche Rechtsextreme beim Verlassen des Jeton gesehen. Wie die vier Verdächtigen vom vergangenen Wochenende sollen Gäste regelmäßig Pullover der bei Neonazis beliebten Marke „Thor Steinar“ getragen haben. Der linke Protestzug startet am Samstagabend deshalb vor dem „Thor Steinar“-Laden am nahen Bersarinplatz. Die Polizei ist mit mehreren Hundertschaften und zahlreichen Zivilbeamten vor Ort. Die Demo führt über die Frankfurter Allee – mit einer Zwischenkundgebung vor der Disko Jeton.
Die Situation in Friedrichshain erinnert an den Tod des jungen Hausbesetzers Silvio Meier, der im November 1992 in unmittelbarer Nähe vom aktuellen Tatort von Neonazis erstochen worden war. In den Tagen danach kam es zu Ausschreitungen zwischen Linken und der Polizei, in der ganzen Stadt versuchten Antifa-Gruppen auch militant gegen Neonazis vorzugehen. Seitdem findet in Friedrichshain jedes Jahr eine Gedenkdemo mit bis zu 2000 Teilnehmern statt, deren Veranstalter unter anderem die „Antifaschistische Linke Berlin“ ist. Die linksradikale Gruppe hat auch die aktuellen Proteste durch Friedrichshain mitorganisiert.
Friedrichshain ist 2008 mit 30 eindeutig rechtsextremen Gewalttaten der Bezirk mit der höchsten Zahl derartiger Angriffe gewesen, heißt es vom Verfassungsschutz. Die Beratungsstelle „Reach Out“ spricht sogar von 35 Übergriffen.
Ein Grund für Gewaltquote ist Experten zufolge, dass Neonazis aus der ganzen Region hier schnell auf potenzielle Opfer stoßen – etwa vermeintliche Linke oder Nichtdeutsche. Erst im Juni sind zwei Linke und zwei Neonazis auf der Frankfurter Allee in Streit geraten, wobei ein Rechter ein Messer gezogen und einen jungen Mann am Arm verletzt haben soll. Im Februar soll Zeugen zufolge ein stadtbekannter Neonazi aus Lichtenberg zusammen mit bis zu 20 Freunden in der U-Bahnlinie U5 ein dunkelhäutiges Paar bedroht haben. Im Januar verfolgten Rechte junge Linke, die einen Angriff abwehren konnten. Wenige Tage zuvor soll ein Punk auf dem Bahnhof Ostkreuz von Neonazis schwer misshandelt worden sein.

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18.07.2009 Morgenpost
"Willkommen in Brauntown"
Oliver Kanthak, Grünen-Politiker aus Königs Wusterhausen, ist entsetzt. "Solche Meldungen sind schwere Schläge für das Image unserer Stadt." Kanthak ist informiert worden, dass der Neonazi Michael G. (24) aus seiner Stadt an einem Überfall beteiligt war, bei dem kürzlich in Friedrichshain der linke Student Jonas K. (22) lebensgefährlich verletzt wurde.

Zwei weitere Angreifer - Marcel B. (20) sowie der Haupttäter Oliver K. (26) - kommen ebenfalls aus der Region rings um Königs Wusterhausen. Die Stadt gilt seit Jahrzehnten als Hochburg der rechtsextremen Szene. "In Berlin wird Königs Wusterhausen nur noch Brauntown genannt", sagt der Grünen-Politiker. "Es wird höchste Zeit, endlich zu handeln."
Die Situation in der 33 000-Einwohner-Stadt spitzt sich zu. Sozialarbeiter warnen, dass örtliche Neonazis "auf dem Weg zur akzeptierten Mitte der Gesellschaft" sind. Die Wahlerfolge der NPD würden in der Szene offenbar als Ermutigung zur Gewaltbereitschaft verstanden. Die Partei habe die Region zum Bundesschwerpunkt erklärt, möglicherweise werde sie einen Bürgermeisterkandidaten zur Wahl aufstellen.
Auch die "Freien Kräfte" agieren aggressiver. Sie hätten sich über die Achse Luckenwalde-Zossen-Lübben mit dem Gebiet Lausitz-Cottbus vernetzt. Die Polizei habe ähnliche Hinweise und stelle zurzeit ihre Staatsschutzabteilung neu auf.
Nach Informationen dieser Zeitung sind mehrere rechtsextreme Berliner Kader nach Königs Wusterhausen umgezogen. Einer von ihnen ist René B., Jahrgang 1965, Steuerfachangestellter und erklärter "Jugendnationalarbeiter". Er wohnt im Neubaugebiet Nord. B. ist eine ehemalige Führungskraft der NPD und war über Jahre Protagonist der verbotenen Kameradschaft "Berliner Alternative Südost".
"B. steht für den modernen, autonomen, nationalen Sozialisten", sagt ein Sozialarbeiter, der anonym bleiben will, weil er auch mit rechten Jugendlichen arbeitet. Der Neonazi sei in "hipper, schwarzer Szenekleidung unterwegs". Ihn umgebe dabei eine "jugendlich-charmante Aura". Auf die Jugendlichen wirke er abenteuerlustig, nicht spießig. B. agitiere über die "deutsche Gemeinschaft", verbunden mit Romantik, Abenteuer und Aktion.
Den Rechtsextremen in der Region gehe es nicht mehr nur um den "Kampf um die Straße"; wichtig sei ihnen die "soziale Frage". Man biete Bürgern eine Hartz-IV-Beratung, Hilfe im Kampf gegen den "Würgegriff des Verwaltungsapparates" und eine "Gemeinschaft". Im Neubaugebiet habe sich mittlerweile ein "autarkes Territorium mit einer Parallelgesellschaft" gebildet.
"Königs Wusterhausen hat seit Mitte der 80er-Jahre eine rechtsextreme Tradition", sagt der Streetworker, "jede Generation hat den ideologischen Staffelstab weitergegeben. "Die Infrastruktur der Stadt ist für die Szene ideal. Wir haben eine Autobahnanbindung, dazu die S-Bahn nach Berlin." Die vier Neonazis aus Brandenburg waren ihrem Opfer am Sonntagmorgen auf dem S-Bahnhof Frankfurter Allee begegnet.

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18.07.2009 Neues Deutschland
Jeton bei Rechten recht beliebt
Nach dem Übergriff: Fotos von Nazis in Disko aufgetaucht / Antifa kritisiert »Extremistenthese«

»Naziladen« oder nicht: Das Jeton an der Frankfurter Allee in Friedrichshain steht weiter in der Kritik, nachdem Donnerstagabend im Internet Fotos von in der Diskothek feiernden Brandenburger Neonazis aufgetaucht waren. Einige der Bilder zeigen zwei der vier Neonazis, die am vorigen Wochenende einen 22-jährigen Neuköllner zwischen U- und S-Bahn Frankfurter Allee fast totgetreten haben. Der mutmaßliche Haupttäter, Oliver K., ist auch auf der Homepage des Jeton in einer Bildergalerie zu sehen – feiernd, bevor er zusammen mit drei Kumpanen dem zuvor bereits bewusstlos geschlagenen Jonas K. gezielt auf den Kopf trat.
Auf einem weiteren Bild ist der ebenfalls an der Tat beteiligte Marcel B. in einer Wohnung mit einem Freund zu sehen – mit SS-Stahlhelm auf dem Kopf und einer Stielgranate in der Hand. In einer Küche sieht man an der Wand das Plakat von »American History X«, einem Film über einen US-amerikanischen Neonazi, der einen Mann mit einem »Bordsteinkick« tötet. Diese Filmszene hat vermutlich für den Versuch, Jonas K. zu töten, als Beispiel gedient.
In einer Stellungnahme des Jeton hieß es, die Neonazis seien vor dem Angriff nicht aus seiner Disko gekommen. Diese Behauptung sei »schlichtweg falsch«. Jeton-Chef Ronny Berkahn sagte gegenüber ND, das habe ihm die Polizei so gesagt. »Was soll ich denn noch tun«, so Berkahn zur Kritik am Jeton. Es gebe Hausverbote, Kontrollen an den Eingängen, und wer sich daneben benimmt, »ob links oder rechts«, fliege raus. Zudem sei er Sponsor bei karitativen Anlässen und unterstütze ein Fußballturnier gegen Rassismus.
»Der Erkenntnisstand war und ist, dass die vier Täter vorher im Jeton waren«, sagt dagegen Polizeisprecher Klaus Schubert. Ob das Jeton bei den Behörden als Nazitreffpunkt gelte, wollte er indes nicht sagen. »Uns ist bekannt, was die linke Szene über den Ort denkt«, so Schubert. Auch wüssten die Fachdienststellen beim Staatsschutz, »wo sich bestimmte Gruppen zu welcher Zeit aufhalten«. Derzeit werde gegen die vier Neonazis, die in Untersuchungshaft sitzen, und gegen zwei Linke ermittelt, darunter Jonas K.. Vernommen werden konnte er noch nicht. »Da haben die Ärzte noch kein grünes Licht gegeben«, so Schubert. Das Opfer des Übergriffs hatte Prellungen, einen Jochbeinbruch und Hirnblutungen erlitten.
Berkahns Aussage, dass seit eineinhalb Jahren Ruhe um das Jeton eingekehrt sei, widersprach die Antifaschistische Linke Berlin (ALB). »Wir gehen davon aus, dass sich im Jeton noch immer regelmäßig organisierte Rechte treffen.« Ein Prozess 2008 gegen Berliner Nazis, die nach einem Jeton-Besuch Menschen verprügelt hatten, sei Beweis genug, meint ALB-Sprecher Lars Laumeyer.
Der Fall erinnere zudem an die Tötung des Hausbesetzers Silvio Meier 1992. Auf einen rechten Aufnäher an der Jacke angesprochen, stach ein Neonazi damals zu, Meier starb. Der Streit am letzten Sonntagmorgen begann vermutlich wegen der »Thor-Steinar«Klamotten eines der Täter. An der Schlägerei soll auch der später schwer Verletzte beteiligt gewesen sein.
Die Darstellung der Vorfälle als »Auseinandersetzungen zwischen ›Extremisten‹, die sich durch ihre Gewaltanwendung gegenseitig hochschaukeln«, kritisiert die ALB scharf. Damit werde rechte Ideologie relativiert, sagt Laumeyer. Ein weiterer linker Mann wurde Montag nach der Durchsuchung seiner Wohnung festgenommen und Dienstagabend wieder entlassen.
Für Samstag rufen Antifa-Gruppen, Verbände und Parteien zur Demonstration gegen Nazigewalt in Friedrichshain auf. Treffpunkt ist um 18 Uhr am Bersarinplatz. Der Stadtteil führt seit Jahren die Statistik rechter Übergriffe in Berlin an. Am Freitag wurde auch bekannt, dass der durch Protest aus dem Ring-Center II vertriebene Laden »Doorbreaker«, in dem bei Nazis beliebte Kleidungsmarken verkauft wurden, vermutlich an die Frankfurter Allee 91 ziehen will – schräg gegenüber vom Jeton.

GASTKOLUMNE
Evrim Baba (MdA): Nazi-Gewalt darf nicht relativiert werden

Es ist wieder soweit: In ihrer vermeintlichen Neutralität vergleicht die Polizei in Berlin Äpfel mit Birnen. Der Berliner Polizeipräsident Dieter Glietsch spricht gegenüber dem »Tagesspiegel« von einer deutlichen Zunahme linker Übergriffe gegen Rechtsextreme. Die Polizei habe einen Anstieg von 8 auf 21 Taten registriert, gleichzeitig sei die Zahl der Angriffe von Rechten auf Linke von 9 auf 4 zurückgegangen. Aber hier liegen völlig unterschiedliche Motive und Zielrichtungen vor, und es gibt völlig unterschiedliche Qualitäten.
Die Berliner Polizei und Staatsanwaltschaft haben in der Vergangenheit leider mehr als einmal bewiesen, dass ihr Vorgehen oft weniger mit Recht zu tun hat, dagegen mehr mit einer völlig absurden Gleichsetzung von links und rechts. Damit wird die tödliche Dimension von Rechtsextremismus und Rassismus weiter verharmlost. Das ist man schon seit Jahr und Tag von der Bundesregierung gewohnt. Statt der mindestens 138 rechtsextremen Morde seit 1990 hat sie bis 2008 »nur« 40 gezählt.
Die jetzigen Zahlenspielereien aus dem Berliner Polizeipräsidium lassen die Gewalt der Nazis gegen Immigrantinnen und Immigranten, Obdachlose, Juden und Jüdinnen, Menschen mit bestimmten sexuellen Orientierungen oder andere, die den Rechtsextremisten als »fremd« erscheinen, unzulässigerweise außen vor. Das Bedrohungspotenzial der Nazis für die Gesellschaft wird auf Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner von links reduziert. Dies wirft ein bezeichnendes Bild auf Politik und Medien, die sich auf derartige Relativierungen der Nazigewalt einlassen; es verschleiert rassistische Strukturen in der Gesellschaft.
In offiziellen Statistiken werden nur Taten als rechtsextrem oder rassistisch gezählt, die als vorsätzlich politisch motiviert gelten. Durch den Rost fallen dabei Gewalttaten, die mit einem rechtsextrem oder rassistisch geprägten Hintergrund erfolgen. Menschen, die eher »zufällig« zu Opfern rechtsextrem oder rassistisch eingestellter Täter wurden, weil sie in deren Feindbildvorstellungen passen oder ihnen als minderwertig und nicht lebenswert erscheinen, wie zum Beispiel Obdachlose, tauchen in der Statistik in der besagten Rubrik nicht auf.
Die Opferberatungsstelle Reach Out zählt diese Fälle mit. Sie zählte laut ihrem Schattenbericht »Berliner Zustände 2008« 65 ihnen aus einigen Bezirken bekannt gewordene Angriffe aus rassistischen Motiven im Jahr 2008. An der Spitze mit 30 Gewalttaten lag der Bezirk Friedrichshain, wobei es vorwiegend vor allem Antifaschistinnen und Antifaschisten sowie nicht-rechte, alternative Jugendliche traf.
Linke müssen sich als konsequente Gegner von Nazis und Rassisten gegen die Versuche rechtsextremer Verdrängung und rassistischer »Homogenisierung« engagieren und sich gegen gesellschaftliche Rahmenbedingungen stellen, die rechtsextreme und rassistische Überzeugungen befördern. Die LINKE darf eine Kriminalisierung dieses Engagements und eine Relativierung der Nazigewalt nicht zulassen.
In diesem Sinne und als Zeichen der Solidarität mit Jonas K., der vor einer Woche in Friedrichshain von Nazis lebensgefährlich zusammengeschlagen wurde, begrüße ich die von einem breiten antifaschistischen Bündnis für den heutigen Samstag um 18 Uhr am Bersarin Platz organisierte Demonstration.

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18.07.2009 Junge Welt
Fotos von rechten Schlägern im Internet veröffentlicht
Bilder belegen Nazifeierei in Berliner Diskothek »Jeton«. Antifademo am Samstag

Nach dem brutalen Überfall von vier Neonazis auf einen 22jährigen Mann am vergangen Sonntag in Berlin haben Antifaschisten am Freitag Fotos mehrerer Rechter im Internet veröffentlicht. Dreizehn Bilder zeigen Neonazis, darunter die mutmaßlichen Schläger Marcel B. und Oliver K. Die Serie zeigt unter anderem B., wie er vor der Diskothek »Jeton« in Berlin-Friedrichshain den Hitlergruß zeigt. Auch in dem Klub sind die Männer mit erhobenem Arm abgelichtet. Die Fotos seien wenige Stunden vor der beinahe tödlichen Attacke auf den Studenten aufgenommen worden, heißt es im Internetportal Indymedia. Die Bilder lassen keinen Zweifel an der politischen Einstellung der Männer: Einer posiert mit einer Schußwaffe und einem NPD-Plakat. Zwei andere Neonazis hantieren mit Wehrmachtsdevotionalien, einer Stabhandgranate und einem SS-Helm.
Wer die Bilder im Netz platziert hat, ist unbekannt. Die Antifaschistische Linke Berlin (ALB) hält sie jedoch für authentisch. »Der Bericht ist seriös und antifaschistische Recherche hat sich in Berlin seit Jahren bewährt«, äußerte ALB-Sprecher Lars Laumeyer. Die Aufnahmen belegen, daß sich Neonazis viel ungestörter in der Diskothek »Jeton« aufhalten können als bisher angenommen. Offenbar als Reaktion auf den Überfall vom Sonntag demolierten Antifaschisten am Dienstag abend eine Glasverkleidung der Diskothek.
Indes übt die Antifaschistische Linke Berlin Kritik an Teilen der Berichterstattung über den Überfall. So würden unter anderem im Berliner Tagesspiegel die Vorkommnisse in Friedrichshain als Auseinandersetzung zwischen »Extremisten« dargestellt, die sich durch ihre Gewaltanwendung gegenseitig hochschaukeln. Lars Laumeyer erklärte: »Man relativiert damit neonazistische Ideologie und deren potentiell mörderischen Exzesse«. Die Neonazis aus dem Kiez zu verweisen, was eine Gruppe Antifaschisten versucht hatte, sei nichts anderes als das vielfach eingeforderte couragierte Handeln, so Laumeyer. Die ALB verlangt die sofortige Einstellung der Ermittlungen gegen das Opfer sowie gegen Zeugen des Überfalls vom Sonntag.
Die Antifagruppe zieht zudem Parallelen zum Mord an Silvio Meier im Jahr 1992. Der Hausbesetzer war ebenfalls in Friedrichshain erstochen worden, nachdem er mit einer Gruppe Neonazis wegen eines rechten Aufnähers in Streit geraten war. (jW)

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18.07.2009 TAZ
Mit Hitlergruß auf der Tanzfläche
Bilder im Internet zeigen die am Sonntag verhafteten Rechten ganz privat - und offen rechtsextremistisch.

Auf den ersten Blick sind es Fotos, wie sie viele Jugendliche von sich ins Internet stellen: Partyszenen, Schnappschüsse, Gruppenbilder. Doch die vier Brandenburger auf den Fotos werden vorerst keine Bilder mehr auf ihre Seiten stellen. Sie sitzen wegen versuchten Totschlags seit Sonntag in Untersuchungshaft - wegen des brutalen Übergriffs auf den 22-jährigen Jonas K. am S-Bahnhof Frankfurter Allee.
Die Bilder der Neonazis, die am Freitag auf dem linken Onlineportal indymedia zu sehen waren, wurden offensichtlich aus privaten Profilen der Täter und deren Freunden aus einem Onlinenetzwerk herauskopiert. Dessen Betreiber konnten dies auf Anfrage weder dementieren noch bestätigen. Auch die Polizei hat sich schon bei den Betreibern wegen der Fotos gemeldet.
Haupttäter Oliver K. ist auf einem Foto mit einem T-Shirt der Nazi-Band Skrewdriver zu sehen. Ein Bild zeigt den korpulenten Täter Marcel B., wie er vor einem Imbiss neben der Disco Jeton sitzt und lachend den Hitlergruß zeigt. Auf der Aufnahme einer Wohnung ist im Hintergrund ein Poster von "American History X" sichtbar. Aus diesem Film stammt die Vorlage für den tödlichen "Boardsteinkick", bei dem auf den Kopf des Opfers getreten wird, um es zu töten. Auch Oliver K. soll am Sonntag seinem bewusstlosen Opfer in den Nacken getreten haben.
Die Fotos zeigen ein bedrohliches und krudes rechtsextremes Weltbild in allen Lebensfacetten. In einer Hand das Bier zu halten und mit der anderen den Hitlergruß zu zeigen gilt in diesen Kreisen als normaler Partyspaß. "Abhitlern" wird das in der rechten Szene scherzhaft genannt.
Dass die Täter derart explizite Aufnahmen, deren Veröffentlichung schon einen Straftatbestand darstellt, offenbar selbst ins Netz geladen haben, überrascht Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) nicht. "Die Bilder zeigen, wie stark die Täter, unabhängig vom Grad ihrer Organisierung in der Szene, einen rechtsextremen Lebensstil zelebrieren", sagte Klose der taz. "Das Zurschaustellen von Waffen, Hitlergruß und Propagandamaterial dient einer rechtsextremen Identitätsschaffung, aus der heraus es zu solchen brutalen Übergriffen wie in Friedrichshain kommen kann."
Die Bilder belegen auch ein weiteres Detail. Die Rechtsextremisten gingen anscheinend häufiger in die Diskothek Jeton in Friedrichshain. Ein Bild zeigt Marcel B., wie er an einem unbekannten Tag mitten in der feiernden Menge den Arm zum Hitlergruß hebt. In einer Stellungnahme auf der Website des Jeton heißt es, die "sogenannte Linke Szene" würde fälschlicherweise "propagieren", dass die vier Täter Gäste des Jeton gewesen seien. Zwei Klicks weiter, in der Bildergalerie zur Tatnacht, findet man jedoch zwei Fotos, die den Haupttäter und einen weiteren Festgenommenen auf der Tanzfläche zeigen.

KOMMENTAR VON ANDREAS FANIZADEH
Aufstand der Anständigen?
Antifaschismus ist keine Sache der Linken, sondern der demokratischen Mehrheit

In Dresden wird die 31-jährige Ägypterin Marwa al-Sherbini von einem fanatischen Rassisten im Gerichtssaal erstochen, ihr Mann schwer verletzt und zu allem Unglück auch noch von einem Polizisten angeschossen. Das geschah am 1. Juli. In Kairo wird seither dagegen ausdauernder protestiert als in Deutschland. Ein anderer Angriff fanatischer Rechtsextremisten ereignete sich letztes Wochenende in Berlin. Im "links-alternativen" Stadtteil Friedrichshain versuchten polizeibekannte Nazischläger aus dem Ostberliner Umland einen 22-Jährigen zu ermorden. Sie traktierten den Kopf des Bewusstlosen mit Tritten an der Bordsteinkante. Der junge Mann erlitt lebensgefährliche Verletzungen und kam auf die Intensivstation. Auch in Berlin demonstrierten bislang nur wenige, vornehmlich antifaschistische Jugendliche. Die brutale Tat, sie wird von den Medien als zu bagatellisierende Links-rechts-Schlägerei auf den Lokalseiten geführt.
Offenbar meinen viele, es gehe sie nichts an. Wer sich mit gewaltbereiten Nazis anlege, sei wohl selbst schuld daran. Doch dem ist nicht so. Das wissen alle, die qua Herkunft, Aussehen oder Lebensstil den faschistischen Schlägern ein Dorn im Auge sind. Sie können ihnen nicht aus dem Weg gehen, da sie selbst als Person das Ärgernis darstellen. Die Apothekerin Marwa al-Sherbini hatte daraus die Konsequenz gezogen, die ihr dann zum Verhängnis wurde. Sie hat den sie bedrohenden Rassisten zur Anzeige und vor Gericht gebracht. In Dresden, in Sachsen, dort wo die NPD im Parlament vertreten ist. Ihre zivilgesellschaftlich vorbildliche Haltung, im rassistischen Konfliktfall den Rechtsstaat anzurufen, war für sie tödlich. Fast auch für ihren Mann. In Sachsen wird nun über Metalldetektoren an den Eingängen zu Justizgebäuden diskutiert.
Vor einigen Jahren rief die rot-grüne Bundesregierung zum "Aufstand der Anständigen". Unübersehbar war die Gewaltspur, die sich nach dem Mauerfall durch das vereinigte Deutschland zog. Und auch das Versagen des Staates und seiner Institutionen, wenn es darum ging, rechtsextremistischen Gesetzesbrechern klar Einhalt zu gebieten. Der damalige Innenminister Otto Schily widersprach deswegen den höhnischen Darstellungen Rechtsradikaler, die von "national befreiten Zonen" im ländlichen Osten redeten. Rot-Grün reformierte auch das Staatsbürgerrecht, was seither Zugewanderten die Einbürgerung erleichtert. So wurde zumindest in Teilen das Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat wieder hergestellt. Minderheiten, die wegen Herkunft oder persönlichem Lebensstil diskriminiert oder angegriffen wurden, wenden sich seither häufiger an die Polizei und fordern geltende Bürgerrechte für sich ein.
Der Preis für diese neue Liberalität im Inneren war aber die Abschottung nach außen. Die Anerkennung der Bürgerrechte für die hier nach 1945 Zugewanderten wurde gegen ein europäisches Schengen-Regime eingetauscht, das fast die gesamten legalen Möglichkeiten der Zuwanderung zum Erliegen brachte. In unsere schöne neue und modernere Gesellschaft kommt heute kaum noch jemand rein. Rot-Grün hatte zwar anerkannt, dass Deutschland ein Einwanderungsland war, aber auch mit dafür gesorgt, dass es heute keines mehr ist.
Dennoch hat sich einiges getan. Auch Wolfgang Schäuble und seine Partei mühen sich heute redlich in Sachen Integration. Aber nicht alle Probleme lassen sich per Verordnung und neuem, zumindest innenpolitischen Goodwill lösen. Jahrzehntelange Gleichgültigkeit und Hartherzigkeit müssen auch im Alltag umgegraben werden. Es gehört zur Bürgerpflicht, da wo man sich nicht sinnlos selbst gefährdet, den Rechten Straßen und Orte streitig zu machen. Wo "normale" Deutsche dies nicht tun, machen sie sich zu Komplizen der Rechtsradikalen. Antifaschismus ist keine Sache der Linken, sondern eine der demokratischen Mehrheit der Gesellschaft.
Wer sich nachts, im öffentlichen Raum und außerhalb der urbanen Zentren bewegt, kommt zwangsläufig in Kontakt mit jenen rechten Subkulturen, die sich oft anlasslos an denen vergreifen, die gerade zur Verfügung stehen. Eine Frau mit rot gefärbten Haaren, eine mit Kopftuch, ein Vietnamese, ein Punk, ein Lesbenpärchen, ein Obdachloser usw. Die meisten Übergriffe werden nie zur Anzeige gebracht, und längst nicht alle lassen sich alles gefallen. Und das ist im humanistischen Sinne gut so, wenn damit terroristische Gewalt gebrochen und nicht stumpf eskaliert wird. Doch wer keinerlei Kontakt zu gefährdeten Bevölkerungsgruppen hat, selbst unauffällig aussieht und lebt, sieht vieles anders und kann sich die latente Bedrohung in gewissen Zonen Deutschlands offenbar kaum vorstellen.
Und auch nicht ihre Ursachen. Andrian Kreye schrieb anlässlich des Mordes an Marwa al-Sherbini tatsächlich von einem "Kampf der fremden Kulturen" auf deutschem Boden. Mit dem Verweis, dass der Mörder ein vor einigen Jahren zugewanderter Russlanddeutscher war und sein Opfer ein Kopftuch trug, lädt Kreye die Analyse ethnizistisch auf. In der Süddeutschen Zeitung schreibt er: "Es waren zwei einander vollkommen fremde Kulturen, die hier auf einem Spielplatz aufeinandertrafen." Und: "Obwohl Deutschland kein Einwanderungsland ist, sind viele Konflikte hier bereits angekommen." Obwohl? Und was soll "das Fremde" an Marwa el Sherbini gewesen sein? Ein Kopftuch etwa? Ansonsten verhielt sie sich anscheinend auch für Kreye vorbildlich: im Konfliktfall keine Selbstjustiz üben und stattdessen den Rechtsstaat und die demokratische Zivilisation bemühen.
Es macht keinen Sinn, den Russlanddeutschen, der per Gesetz als Volksdeutscher betrachtet wird, im Nachhinein wieder zum Ausländer zu erklären. Tatsache ist, dass die Nation sich aus vielerlei Herkünften zusammensetzt und gegen menschenverachtende Ideologien und Praktiken gemeinsam handeln muss. Dazu gehört, dass viel mehr Menschen als bisher, sich trauen, im alltäglichen Agieren die Perspektive von Minderheiten einzunehmen. Es kann nicht Aufgabe weniger Jugendlicher sein, dass stadtbekannte Nazitreffs geschlossen werden und konsequent gegen rechtsextremistische Gruppen vorgegangen wird, egal welcher Herkunft. Antifaschismus ist keine Sache der Linken, sondern eine der demokratischen Mehrheit der Gesellschaft.

Andreas Fanizadeh
geb. 1963, leitet seit Oktober 2007 das Kulturressort der taz. Zuvor war er Auslandsredakteur bei der Wochenzeitung in Zürich. In den 1990ern war er Lektor des Berliner ID Verlags und gab dort die Zeitschrift Die Beute mit heraus.

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18.07.2009 Tagesspiegel
Heiße Tage für Polizei wegen linker Proteste
Die Polizei muss sich für zwei Großereignisse wappnen: Am Samstag demonstriert ein linkes Bündnis gegen rechte Gewalt - auch vor der Friedrichshainer Disko Jeton. Montag findet die Kundgebung gegen das Bundeswehr-Gelöbnis statt.

Die Polizei muss sich in diesen Tagen für zwei Großeinsätze wappnen: Am heutigen Sonnabend könnte es in Friedrichshain brenzlig werden, wenn ein Bündnis von Linken mit einem Protestmarsch gegen rechte Gewalt demonstriert. Nachdem ein 22-Jähriger am vorigen Wochenende von Neonazis brutal zusammengetreten worden war, eskalierte der Rechts-Links Streit Mitte der Woche vor der Diskothek „Jeton“. Zudem bereitet sich die Polizei auf das öffentliche Gelöbnis von 400 Bundeswehrrekruten am Montag vor. Auch hier wird mit Störaktionen aus dem linken Spektrum gerechnet.
„Wir wissen, dass die linke Szene emotionalisiert ist und werden mit ausreichend Kräften im Einsatz sein“, sagt Polizeisprecher Thomas Neuendorf. Rund 500 Teilnehmer wollen am Samstag vom Bersarinplatz zum S-Bahnhof Frankfurter Allee ziehen – vorbei an der Diskothek „Jeton“. Linksautonome hatten in der Nacht zu Mittwoch die Disko mit Steinen beworfen. Als Racheaktion, weil dort die vier Neonazis gefeiert haben sollen, die in Verdacht stehen, später den 22-jährigen Linken Jonas K. krankenhausreif geprügelt zu haben. „Die Demonstranten dürfen an der Disko vorbeiziehen, allerdings auf der anderen Straßenseite“, betonte Neuendorf. Die Polizei schließe nicht aus, dass sich unter die Demonstranten „Störer“ mischen wollen.
Das linke Internetportal indymedia.org zeigt seit dem brutalen Angriff Fotos von Rechtsextremen in der Disko „Jeton“. Die vier abgebildeten Männer sollen mit den mutmaßlichen Tätern identisch sein, die in Untersuchungshaft sitzen. Zu sehen ist, wie dir den Hitlergruß zeigen und vor einer SS-Fahne posieren.
Auch beim Gelöbnis vor dem Reichstag am 20. Juli erwartet die Polizei „Störer“, die sich unter friedliche Demonstranten mischen. Rund 2400 Gäste werden erwartet, wenn die 413 Bundeswehrrekruten am Montagabend öffentlich geloben, „der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“. In der Vergangenheit hatte es immer wieder Versuche gegeben, die Veranstaltung zu stören. Damit das Gelöbnis, bei dem Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsminister Franz Josef Jung zu den Rekruten sprechen werden, reibungslos ablaufen kann, wird die Polizei Unterstützung aus anderen Bundesländern anfordern. Mehrere Hundert Beamte werden im Einsatz sein. Der Bereich rund um den Reichstag, also von der Straße des 17. Juni bis zur Spree, wird gesperrt.
Gelöbnis-Gegner hatten einen Aufzug von der Bellevuestraße zur Yizak-Rabin-Straße angemeldet. Diese Route untersagte die Polizei. Stattdessen werde es nun eine Kundgebung von 500 Teilnehmern am Potsdamer Platz geben. Allerdings wurden Auflagen erteilt. So dürften die Demonstranten keine Sirenen oder ähnliche Utensilien benutzen. Anmelder ist die „Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen“.
Erst vor wenigen Wochen hatte die linke Szene, wie berichtet, mit Flyern zu Gewalt gegen Bundeswehrsoldaten aufgerufen. Sogar die Dienstgradabzeichen wurden dort abgebildet – nach dem Motto: Je höher der Rang, desto härter könne zugeschlagen werden. Die Polizei wertet den Flyer als Aufforderung zu einer Straftat. Allerdings rechnet sie deshalb nicht mit mehr Gewalt.
Die Bundeswehr will keinen Zusammenhang zwischen dem Flyer und dem bevorstehenden Gelöbnis herstellen. „Mit so etwas entlarven sich diese Leute als Gewalttäter, die Recht und Demokratie mit Füßen treten“, sagte am Freitag der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Thomas Raabe. Tanja Buntrock

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17.07.2009 BerlinOnline
Linkes Internetportal zeigt Fotos von mutmaßlichen rechten Angreifern

Nach dem brutalen Angriff auf einen 22-Jährigen am S-Bahn Frankfurter Allee zeigt das Internetportal indymedia.org Fotos der mutmaßlichen Täter. Die Bilder stammen von Freundeslisten, Gästebüchern und Fotogalerien aus sozialen Netzwerken in Internet, wie es in einer Mitteilung der Antifaschistischen Linke Berlin (ALB) heißt. Den Angaben nach wurden zahlreiche Aufnahmen in der Friedrichshainer Diskothek «Jeton» gemacht. Auf mehreren ist zu sehen, wie die Männer dort offen den Hitlergruß zeigen. Auf einem weiteren Bild posiert ein Neonazi mit einer Schusswaffe und einem NPD-Plakat vor einer SS-Fahne. Die ALB geht von der Echtheit der Fotos aus.
Die vier Rechten sollen am Sonntag in der Nähe des S-Bahnhofs Bahnhof Frankfurter Allee im Anschluss an eine Auseinandersetzung mit mehreren Linken den 22-Jährigen Jonas K. bewusstlos geschlagen und lebensgefährlich verletzt haben. Die Polizei nahm die 20- bis 26-Jährigen am Tatort fest. Gegen sie wurden Haftbefehle wegen versuchten Totschlags erlassen. Aus der Gruppe der Linken wurde später ein ebenfalls 26-Jähriger festgenommen.
Der Älteste der Angreifer soll das wehrlose Opfer mit dem Gesicht nach unten auf den Gehweg gelegt und mit dem Fuß auf dessen Hinterkopf getreten haben. Diese Art der Misshandlung erinnert an die sogenannte Bordsteinkick-Szene im US-Film «American History X». Auf einem der im Internet veröffentlichten Bildern ist hierzu ein Filmplakat zu sehen.
Die vier mutmaßlichen Täter sollen vor dem Angriff in der Diskothek «Jeton» gefeiert haben, die als beliebter Treffpunkt von Rechten gilt. Vermutlich als Vergeltungsakt griffen rund 200 Linksautonome am späten Dienstagabend die Diskothek in der Frankfurter Allee mit Steinen an. Für Samstag ruft ein breites Bündnis zu einer Demonstration gegen rechte Gewalt in Friedrichshain auf.

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17.07.2009 TAZ
Fighting in Friedrichshain
Ein Student wird von Neonazis fast totgeschlagen. Autonome schlagen zurück. Nirgendwo sonst in Berlin gibt es so viele Nazi-Übergriffe wie im alternativen Friedrichshain. Warum?

Ja, sagt Christian Ströbele, hier gebe schon so Ecken, an denen es abends "ein bisschen ungemütlich" werde. Der 70-jährige Polit-Junkie, der 2002 und 2005 als einziger Grüner direkt ein Bundestagsmandat errang, schiebt sein altes schwarzes Fahrrad mit einem Schaffellsattel durch einen Teil seines Wahlbezirk. Angst habe er zwar nicht, sagt er in die Sonne blinzelnd, aber dies seien schon Situationen, "bei denen man mehrfach hinter sich guckt".
Sein "Erlebnisort", die Warschauer Brücke, sei auch in der Nähe gewesen. Im Wahlkampf 2002 wurde Ströbele dort von einem vorbestraften Neonazi niedergeschlagen. Er rannte dem Schläger, wütend "Feige, feige!" rufend, hinterher, erzählt Ströbele. Auch das war in Friedrichshain, im früheren Ostberlin, wo gerade die meisten Hauptstädter damit beschäftigt zu sein scheinen, in Cafés Latte macchiato zu trinken.
Friedrichshain, das ist, vor allem in seinen südlichen Straßenzügen nahe der Spree, ein Stück cooles Berlin mit Straßencafés, Clubs, originellen Läden und bunt gekleideten Menschen. Es ist ein Ausgehbezirk mit der auch außerhalb Berlins bekannten Amüsiermeile Simon-Dach-Straße und vielen Tanzläden wie dem K17 oder dem Cassiopeia oder den etwas weiter entfernten Clubs wie der Bar 25 oder dem Berghain, die selbst international einen Namen haben.
Viele Studenten leben hier, massenhaft Linke in ehemals besetzten Häusern in der Rigaer Straße sowie alternativ angehauchtes Bürgertum aus dem Westen. Es ist ein Viertel, das langsam gentrifiziert wird, wie die Soziologen sagen. Mieten und Preise ziehen an, das alteingesessene Kleinbürgertum zieht weg, wohlhabendere, gut ausgebildete Neubürger kommen nach.
It`s Ströbeles own country - aber auch der Bezirk, in dem es rechte Gewalttaten in den letzten Jahren besonders häufig gab. Ein neue Eskalationsstufe war erreicht, als am vergangenen Wochenende der linke Student Jonas K. von rechten Schlägern zunächst äußerst brutal zusammen geschlagen wurde, bevor versucht wurde, den Bewusstlosen mit einem Nackentritt zu töten. Daraufhin flogen auf einem unangemeldeten Protestzug in der Nacht zu Mittwoch viele Steine auf die Disco Jeton, die als Rechtentreff verschrien ist. Und für den heutigen Samstag ist wieder eine Kundgebung gegen rechte Gewalt geplant. Die Anspannung im Viertel ist groß.
Ströbeles junge Mitarbeiterin Katrin Schmidberger erzählt in seinem Wahlkreisbüro, dass die Nazis im Viertel "auf dem Vormarsch" seien. Sie träten "viel selbstbewusster, provokativer" auf. Bei den Rechten, vielleicht auch durch die Gentrifizierung vertrieben, "kommt vieles aus Frust und Perspektivlosigkeit", meint Ströbele. Gegen rechte Tendenzen müsse man, wie am Samstag geplant, "besonders sichtbar auf der Straße sein" - und natürlich alle Schläger zur Rechenschaft ziehen.
Aber warum zieht das eher linke und alternative Friedrichshain so viele Rechte an? Warum ist die Quote rechter Überfälle hier so überproportional hoch? Warum gibt es so viele Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken?
Ulli Jentsch sitzt in einer Fabriketage im friedlichen Kreuzberg und kann dafür nur Erklärungsansätze liefern. Der Mitarbeiter des angesehenen "antifaschistischem pressearchivs und bildungszentrums apabiz" neigt nicht zur Panikmache.
Das Besondere an der rechten Gewalt in Friedrichshain sei ihr Auftreten im öffentlichen Raum nahe U- oder S-Bahn-Stationen. Cliquen junger Männer aus der rechten Szene, oft aus Brandenburg, würden dort, nachdem sie "in Berlin eine Sause gemacht haben", auf ein linkes Milieu treffen - an Orten, "wo sie sich immer auch wieder treffen müssen", weil sich ihre Wege überschnitten, etwa an Verkehrsknotenpunkten.
So war es auch beim Beinahemord am Wochenende, als sich Gruppen von Rechten und Linken am S- und U-Bahn-Knotenpunkt Frankfurter Allee in die Arme liefen. Hinzu kämen in Friedrichshain gezielte Angriffe organisierte Rechter auf linke Kneipen, Clubs oder Hausprojekte, so Jentsch. Sabine Seyb vom Opferberatungsverein ReachOut berichtet: Etwa seit Anfang 2007 führen organisierte rechte Schläger gezielt nach Friedrichshain, um in alternativen Kneipen oder Hausprojekten zu randalieren.
Im April dieses Jahres veröffentlichten Neonazis im Internet eine Liste "linker Läden" in Berlin, namentlich in der "Hochburg" Friedrichshain-Kreuzberg. Als die Polizei mit den Gefährdeten Kontakt aufnehmen wollte, um sie zu warnen, lehnte alle linken Projekte Gespräche ab. Das Misstrauen war wohl zu groß. "Das ist etwas in die Hose gegangen", sagt Jentsch lachend.
Tino K. von der Antifa Friedrichshain, die sich auch in der lokalen Initiative gegen rechts engagiert, sagt: "Alle Welt kommt am Wochenende in den Kiez und will Party machen." Da könnten schon Welten aufeinanderprallen. Bei den rechten Überfällen habe die Brutalität stark zugenommen. "Fast alle Angriffe wurden mit Waffen ausgeführt", sagt Tino K. Vor drei Monaten eröffnete auch ein Thor-Steinar-Laden im Viertel. Das Modelabel ist bei Neonazis beliebt. "Eigentlich hat der Laden in Friedrichshain keine Kunden. Die Eröffnung ist eine Kampfansage", meint Tino K.
In der Clubszene wird die Entwicklung aufmerksam verfolgt. Stephanie Neumann von der Diskothek K17 betont: In ihrem Club verkehren Punks, Gruftis und Metaller - sie sind zum Glück noch kein Opfer eines Naziangriffs geworden. Gleichwohl beobachtet sie ein "höheres Gewaltpotenzial bei den Prollos". Eine Mitarbeiterin der Bar 25 räumt ein: Der östliche Teil des Bezirks, wo auch der Angriff auf Jonas K. geschah, sei schon etwas "bierstammtischmäßig".
Von dort ist es auch nicht weit nach Lichtenberg. Der Nachbarbezirk, allen voran der sogenannte Weitling-Kiez, ist eine Hochburg der rechten Szene. Die Wege für die Neonazis in den Friedrichshainer Ausgehbezirk sind kurz. In der U-Bahn-Station Samariterstraße wurde im November 1992 der linke Hausbesetzer Silvio Meier durch Rechte erstochen - eine Gedenktafel und jährliche Gedenkdemonstrationen erinnern an ihn. Der damalige Mord gleicht dem Mordversuch am Wochenende in mancher Hinsicht.
Die 20-jährige Mirela hat die Schlägerei nach eigenen Angaben gesehen. Sie arbeitet in einem Backshop direkt am Übergang zwischen der S- und U-Bahn-Station Frankfurter Allee. Ausgangspunkt der Prügelei sei gewesen, dass der Kampfhund eines Rechten einen Linken angestupst habe. Der habe dagegen protestiert, der Rechte solle seinen Hund wegschaffen. So habe sich die Sache aufgeschaukelt, bis ein Rechter eine Bierflasche zerschlagen habe, um damit in das Gesicht eines jungen Linken zu schlagen. "Sein Gesicht war voller Blut, sogar am Hals", sagt Mirela, "es war wie in einem Horrorfilm."
Auch die Freunde des Opfers Jonas K. aus Mecklenburg-Vorpommern verstanden die Welt nicht mehr, als sie von dem Angriff in Friedrichshain hörten. Micha und Mandy sind nach Berlin gezogen. Sie kennen den S-Bahnhof Frankfurter Allee, Mandy hat selbst dort oft rechte Pöbeleien und Übergriffe beobachtet. "Aber nie in diesem Ausmaß. Der Angriff war an Brutalität eine krasse Stufe höher" sagt sie. "Erschreckend" ist für Jonas' Freund Ronny, "dass das scheinbar Alltag ist. Selbst durch die Mahnwache am Montag sind Nazis gelaufen - unglaublich."
Der Geschäftsführer der Diskothek Jeton, der anonym bleiben will, steht auf der Straße vor seinem Laden und begutachtet die Schäden durch die Steinewürfe. Nein, betont er, das sei keine Nazi-Disco. "Wir arbeiten schon länger daran, dieses schlechte Image loszuwerden." Entgegen den gut belegten Ermittlungen der Polizei und entgegen eindeutigen Fotos, die inzwischen im Internet aufgetaucht sind, behauptet er: Die Schläger "waren keine Gäste von uns".
Schließlich hätten sie "zu 80 Prozent Stammpublikum": "Das sind alles normale Bürger." Auch Schwarze und "Ausländer" würden reingelassen. Am Abend des Überfalls habe es eine "Schaumparty" gegeben, die Täter wären viel zu nass gewesen, um noch lange in der Stadt zu bleiben.
Die stellvertretende Bezirksbürgermeisterin Sigrid Klebba (SPD) kann nicht erklären, warum es gerade in ihrem Bezirk so viele rechte Übergriffe gibt: "Die Suche nach Antworten ist im Bezirk noch nicht abgeschlossen." Es gebe da nur Mutmaßungen - auch ob der Streit zwischen Linken und Rechten nicht manchmal "provozierend gesucht wird". Das Ganze passiere eben vor allem im öffentlichen Raum eines "Innenstadtbereichs". Und, das will Klebba dann doch klarstellen: Die Rechten seien keine Friedrichshainer Bürger.

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17.07.2009 BZ
Friedrichshain - Kiez der Angst
Die Anwohner rüsten sich für den Rechts-Links-Straßenkrieg in Friedrichshain.

Das Glas der zehn Meter langen Schaufensterfront ist zersprungen. Gelöchert von sieben Pflastersteinen. Shopleiterin Helen (27) steht vor ihrem Laden „Berlinomat“, schüttelt den Kopf. „Die Gewalt eskaliert, und ich bin mittendrin, fühle mich so machtlos“, sagt sie.
Helen ist eines der Opfer des Straßenkriegs zwischen Links- und Rechtsextremisten im Nordkiez von Friedrichshain. Linke und Rechte wohnen hier Tür an Tür: Linke Hausprojekte in der Rigaer Straße liegen nur wenige Hundert Meter von rechten Treffpunkten nördlich und südlich des S-Bahnhofs Frankfurter Allee entfernt. Immer öfter flammt der Hass auf.
Mittwochnacht überfielen Autonome die Diskothek Jeton an der Frankfurter Allee, lieferten sich 90 Minuten lang eine Schlacht mit 200 Polizisten. Schon am Wochenende gab es eine Schlägerei zwischen der linken Szene und Neonazis, bei der der linke Student Jonas K. (22) von vier Rechtsextremen fast totgetreten wurde.
Und der Kampf geht weiter: 500 Linke ziehen ams Samstag vom Bersarinplatz durch Friedrichshain, demonstrieren gegen rechtsextreme Gewalt. Hundertschaften der Polizei sind im Einsatz.
Helen will sich darauf nicht verlassen. Sie hat eigene Sicherheitsmänner angeheuert. So wie sie fühlen sich viele Anwohner in ihrem Kiez nicht mehr sicher, rüsten auf.
„Jedes Wochenende habe ich eine Schlägerei vorm Laden, werde beschimpft“, sagt Kamil (42), Chef vom Enser Grill an der Frankfurter Allee. Sein Kollege berichtet: „Ich habe jetzt immer ein Notfallhandy und ein Pfefferspray in der Tasche.“
30 Übergriffe von Neonazis zählte die Opferberatungsstelle Reach Out 2008 im Kiez. Immer wieder kommt es auch zu Angriffen auf Neonazis oder jene, die dafür gehalten werden.
Polizeisprecher Thomas Neuendorf (52): „Die Szene in Friedrichshain ist emotionalisiert. Wir stellen unsere Kräfte entsprechend auf.“

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16.07.2009 Berliner Zeitung
„Linke und Rechte rufen unterschwellig zur Gewalt auf“
Ehrhart Körting (SPD), Berlins Innensenator, beobachtet mit Sorge die Gewalttätigkeiten zwischen Links- und Rechtsextremen. Das Gespräch führten Andreas Kopietz und Thomas Rogalla

Herr Senator, was ist in Friedrichshain los? Die Auseinandersetzungen zwischen Linken und Rechten scheinen eine neue Qualität zu bekommen. Darauf deutet unter anderem der Vorfall vor dem Jeton hin.
Solche Auseinandersetzungen sind nicht neu. Wir beobachten allerdings schon längere Zeit mit Sorge, dass es zum einen Gewalttaten von Rechtsextremen gegen Linke gibt, zum anderen aber auch Überfälle von Linken auf vermeintlich Rechte, etwa auf Bahnhöfen.

Gleichen sich die beiden Lager in Sachen Gewalt an?
Es gibt eine Mentalität bei den Rechten und leider auch bei einem Teil der linksautonomen Szene, dass man sich gegenüber dem vermeintlich anderen mit Gewalt „zur Wehr setzen“ kann. Bisher ist es uns glücklicherweise meist gelungen, die Täter zu kriegen und vor Gericht zu stellen, und zwar unabhängig von ihrer Gesinnung. Das Ganze wird dadurch erschwert, dass sowohl Rechte als auch Linke unterschwellig zur Gewalt aufrufen, indem etwa Bilder von Gegnern ins Internet gestellt werden. Damit werden diese Leute zur Aggression freigegeben. Solche Praktiken sind kriminell.

Der S-Bahnhof Frankfurter Allee scheint ein Begegnungspunkt für Linke und Rechte zu sein. Von der Polizei sieht man dort wenig bis nichts.
Soweit es um vorhersehbare Situationen geht, ist die Polizei hervorragend aufgestellt und vernetzt. Wenn etwa Rechte von einer Demonstration in Mecklenburg-Vorpommern kommen, werden sie von der Bundespolizei begleitet und am Ostbahnhof der Berliner Polizei übergeben. Wir achten sehr darauf, dass Rechte und Linke fein säuberlich getrennt sind – auch wenn uns dann der Vorwurf gemacht wird, dass wir linke Gegendemonstranten von den Rechten weghalten. Tun wir das aber nicht, dann knallt es häufig. Denn bei den Linken sind nicht nur Bürger, die „Gesicht zeigen“, sondern oft auch Autonome vom Schwarzen Block, die sich vermummen und Krawall machen wollen. Die Auseinandersetzungen zwischen Links- und Rechtsextremen scheinen sich zuzuspitzen. Wir werden beobachten, ob sich ein neuer Trend abzeichnet. Das kann ich nach zwei Fällen aber noch nicht beurteilen.

Wie sind die rechten Gruppierungen organisiert?
Innerhalb der rechten Szene ist die Bindungskraft bestimmter Organisationen wie der NPD verschwunden. Die Konsequenz ist, dass sich die Rechten nicht mehr so sehr an organisierten Aktionen beteiligen, sondern eher an unorganisierten. Wenn sich ein Rechtsextremist bei einer großen NPD-Demonstration nur noch langweilt, dann ist die Gefahr groß, dass er seinen Tatendrang in schrecklicher Art und Weise anders austobt.

Die NPD – ein Ordnungsfaktor?
Nein. Ich begrüße den Niedergang der NPD außerordentlich. Aber er macht die Lage für uns nicht leichter.

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16.07.2009 Berliner Zeitung
Tür an Tür im Kiez
Warum in Friedrichshain immer wieder Autonome und Neonazis aneinander geraten

Berlin - Friedrichshain wird zum Schauplatz von Schlägereien zwischen Links- und Rechtsextremisten. In der Nacht zu gestern rächten sich Linksautonome für einen vermeintlichen Neonazi-Angriff am Sonntag am S-Bahnhof Frankfurter Allee, bei dem ein 22-Jähriger schwer verletzt worden war. Mit Steinen demolierten 200 Vermummte die Fassade der Diskothek Jeton an der Frankfurter Allee. Zu deren Besuchern zählen nach Darstellung der Antifa auch Neonazis. Laut Antifa sollen darunter auch die Schläger vom Sonntag gewesen sein.
Auch wenn die Polizei dies nicht bestätigen kann und die Antifa-Aktivisten es auch nur von anonymen Zeugen haben – für ein Feindbild und eine weitere Eskalation reicht es allemal. Und so wurden bei dem Angriff in der Nacht zum Mittwoch auch Polizisten mit Steinen beworfen. Zu Bruch gingen unter anderem zwei große Schaufenster des Ringcenters. Auch drei Autos Unbeteiligter wurden komplett entglast. Die Angreifer hatten es leicht. Das Jeton war geschlossen und kein Nazi da. Nach Angaben eines Polizeisprechers war die Polizei mit drei Hundertschaften zur Stelle. Aber nur ein Täter konnte gefasst werden.
Seit Jahren ist Friedrichshain Schwerpunkt von Rechts-Links-Auseinandersetzungen. Verlässliche Zahlen über Attacken gibt es nicht. Die Opferberatungsstelle Reach Out zählte dort im vergangenen Jahr 30 Übergriffe von Neonazis. Immer wieder kommt es aber auch zu Angriffen auf Neonazis oder jene, die dafür gehalten werden. In Friedrichshain wohnen Linksautonome und Neonazis gewissermaßen Tür an Tür. Es gibt Hausprojekte, etwa in der Rigaer oder der Liebigstraße, deren Bewohnerschaft immer wieder gern für militante Aktionen „gegen Nazis und Kapitalisten“ zu haben ist. Andererseits wohnen in den Kiezen nördlich und südlich der Frankfurter Allee auch Rechtsextreme. Der am Bahnhof Lichtenberg gelegene Weitlingkiez, der als Schwerpunkt der rechten Szene gilt, ist nur wenige Kilometer weg. Verschärft hat sich die Lage, seit die Rechten tun, was sich die Linken vorbehalten hatten: Seit Monaten gibt es auf einer Internetseite Listen mit Adressen und Fotos von „linken Läden“. Über 60 Berliner Objekte sind aufgezählt. 2008 griffen Nazis Mitglieder eines Hausprojektes der Scharnweberstraße mit Pfefferspray an.
Immer wieder passiert es, dass sich beide Seiten nicht aus dem Weg gehen, wenn es eng wird: etwa an den S-Bahnhöfen Frankfurter Allee und dem Ostkreuz, wo man in die U-Bahn oder in andere S-Bahn-Linien umsteigt. Dort komme es fast täglich zu Pöbeleien, berichten Beamte der Bundespolizei. So schlugen im Januar drei Neonazis am Ostkreuz einen Punk, der ihnen zufällig über den Weg lief, krankenhausreif.
Die Polizei wird der Lage nur schwer Herr. Auch wenn sie auf den Angriff auf das Jeton schnell reagieren konnte – überrascht wurde sie trotzdem. Laut Einsatzprotokoll hatten sich die Angreifer schon seit 22.15 Uhr im Bereich Frankfurter Allee/Rigaer Straße versammelt – von der Polizei eine Stunde lang unbehelligt.
Auch bei den Ermittlungen nach der Schlägerei vom Sonntag erlitt der Staatsschutz eine Schlappe. Ein 26-jähriger Festgenommener aus der linken Szene wurde inzwischen von einer Richterin wieder freigelassen. Den Fahndern war Beweis genug, dass der Linke einschlägig vorbestraft war. Zudem war er nur aufgrund der Aussage eines Neonazis festgenommen worden, der sich nicht einmal sicher war, ob er auf einem ihm vorgelegten Foto den Richtigen erkannt hatte.
Ronny Berkahn, Inhaber des Jeton, würde auch gern Fotos sehen, und zwar von den vier Festgenommenen, die Sonntag vor der Tat bei ihm gewesen sein sollen. Dann könnte er sagen, ob sie da waren. Aber die Polizei habe es ihm verwehrt, sagt er. „Wenn die da gewesen wären, müssten sie nass gewesen sein. An dem Abend war Schaumparty, da waren alle nass.“ Im Übrigen distanziere er sich von rechtem Gedankengut. „Ich lasse jeden rein, ob links, ob rechts, ob schwarz oder weiß.“ Seine Beteuerungen werden Berkahn, der schon anonyme Morddrohungen bekam, wenig nutzen. Am Sonnabend wollen linke Gruppen „gegen rechte Gewalt“ am Jeton vorbeidemonstrieren. (mit ls.)

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16.07.2009 Märkische Allgemeine Zeitung
Streit droht zu eskalieren

BERLIN - Die Auseinandersetzungen zwischen der linken Szene und Neonazis in Berlin drohen zu eskalieren. Nach einer Schlägerei und einem brutalen rechtsextremen Angriff am Wochenende griffen linksradikale Randalierer in der Nacht zum Mittwoch die Diskothek „Jeton“ in Berlin-Friedrichshain an. Unter den Gästen sollen viele Neonazis und Mitglieder der rechtsextremen Szene sein. Laut Polizei warfen die Randalierer Steine auf die Disko, Scheiben gingen zu Bruch.
Etwa 200 Polizisten jagten die Gruppe und stoppten den Aufzug. Die Randalierer zerstreuten sich. Ein Beamter wurde von einem Stein sowie von Scherben getroffen und leicht verletzt. Ein Polizeiauto wurde demoliert. Die Polizei ermittelt wegen schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung.
Linke Gruppen wollen an diesem Samstag in Friedrichshain gegen den „rechten Terror“ demonstrieren. Das Bündnis antifaschistischer Gruppen rechnet laut Polizei mit 500 Demonstranten.
In der Nacht zum Sonntag hatte eine Gruppe junger Männer aus der linken Szene vier Neonazis angepöbelt und angegriffen. Einer der Neonazis wurde dabei auf den Kopf geschlagen und erlitt eine Platzwunde. Später am frühen Sonntagmorgen überfielen die vier Neonazis, die aus Brandenburg stammen, einen der „Linken“ und schlugen ihn brutal zusammen. Als der 22-jährige Student bewusstlos war, legte ihn einer der Neonazis mit dem Gesicht auf den Bürgersteig und trat ihm auf den Hinterkopf. Mit Hirnblutungen, einem Jochbeinbruch und schweren Prellungen kam der schwer Verletzte am frühen Sonntagmorgen in ein Krankenhaus. Inzwischen ist er außer Lebensgefahr. Die Brutalität der Tat erinnert an eine sogenannte Bordstein-Kickszene aus dem Film „History X“ und an den Mord an dem 16-jährigen Marinus in Potzlow (Uckermark) im Jahr 2002.
Die vier rechtsextremen Schläger wurden nach der Tat festgenommen und sitzen in U-Haft. Auch gegen den 22-jährigen verletzten Studenten und ein weiteres Mitglied der linken Gruppe wird wegen Beteiligung an der Schlägerei ermittelt.

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16.07.2009 Süddeutsche Zeitung
Extremisten prügeln sich

Berlin - Die Auseinandersetzungen in Berlin zwischen der linken Szene und Neonazis drohen zu eskalieren. Nach einer Schlägerei und einem brutalen rechtsextremen Angriff am Wochenende griffen linksradikale Randalierer in der Nacht zum Mittwoch eine Diskothek im Stadtteil Friedrichshain an. Unter den Gästen sollen viele Neonazis und Mitglieder der rechtsextremen Szene sein. Die Randalierer warfen Steine auf die Diskothek, Scheiben gingen zu Bruch, teilte die Polizei am Mittwoch mit. 200 Polizisten verfolgten die Angreifer und konnten sie vertreiben. Die Polizei ermittelt wegen schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung.

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16.07.2009 Morgenpost
Steinwürfe und Randale in Friedrichshain

Auf den Gewaltexzess von rechtsextremen Schlägern folgte die Gegengewalt. Etwa 70 Vermummte deckten in der Nacht zu gestern in Friedrichshain die Diskothek "Jeton" mit einem Steinhagel ein. Mehr als eine halbe Stunde verging, bis die Polizei in ausreichender Stärke von 200 Mann an der Frankfurter Allee Präsenz zeigte, behaupten Augenzeugen.
Bis dahin hätten 250 Personen der linksgerichteten Szene Steine auf Polizeiwagen, Beamte und Schaufenster geworfen. Randalierer errichteten Barrikaden, bevor sie der Polizei fast ausnahmslos entkamen. Furcht vor weiteren Eskalationen macht sich breit. Für Sonnabend riefen Antifa-Gruppen zu einer "Demo gegen Neonazis" auf, planen eine Kundgebung am Bersarinplatz. Die Polizei erwartet 500 Teilnehmer, will Ausschreitungen verhindern.
Schlägereien zwischen Anhängern der links- und rechtsextremen Szene an der Frankfurter Allee waren der Auslöser für die neu entfachten Auseinandersetzungen. Wie berichtet, war ein Student am Sonntag lebensgefährlich verletzt auf eine Intensivstation gebracht worden. Inzwischen ist der 22-Jährige wieder bei Bewusstsein. Vernehmungsfähig war Jonas K. gestern allerdings noch nicht.
Feier rechtsextremer Schläger
Die Wut des schwarzen Blocks entlud sich in der Nacht zu gestern gegen 23.15 Uhr in blindwütigem Vandalismus. Sechs doppelt verglaste Scheiben der Außentreppe, die Leuchtreklame und drei Pkw, die zufällig vor der am Dienstag geschlossenen Disko standen, wurden im Steinhagel getroffen. Jene Diskothek, in der die vier rechtsextremen Schläger nach Erkenntnissen der Polizei gefeiert hatten, bevor sie Jonas K. misshandelten. Jeton-Inhaber Ronny Berkahn bestreitet das: "Hier ist auch kein Tummelplatz für Rechtsextreme. Bei mir gehen Araber, Vietnamesen und Dunkelhäutige ein und aus", sagte Berkahn gestern. Fakt ist, dass das Quartett aus Brandenburg seit Montagabend wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung in Untersuchungshaft sitzt.
Der Staatsschutz ermittelt wegen der Randale vor dem "Jeton", der als Racheakt gewertet wird. Der Angriff auf die Diskothek erfolgte laut Augenzeugen blitzschnell. "Da kamen 60 oder 70 junge Leute vom S-Bahnhof angerannt, direkt auf mein Geschäft zu. Alle hatten Steine in den Händen, waren mit Schals und Kapuzen vermummt, trugen schwarze Kleidung", sagte Imbissbetreiber Mohammad A. gestern. Ein Anführer habe noch gerufen, "Keine Steine auf den Imbiss".
Minuten später waren die Randalierer verschwunden, ein Teil der Gruppe kehrte zum S-Bahnhof zurück, andere bewegten sich in Richtung Warschauer Brücke.
Es dauerte wieder nur einige Minuten, bis die Randalierer an den Tatort zurückkehrten. Als ein Streifenwagen durch die Pettenkoferstraße fuhr, bewarfen die Linken auch diesen. Sämtliche Scheiben auf der Fahrerseite gingen zu Bruch. Ein Polizist wurde im Wagen von einem Wurfgeschoss und Splittern am Kopf verletzt.
Nach Morgenpost-Informationen vergingen fast 35 Minuten nach den ersten Steinwürfen, bis alle drei alarmierten Einsatzhundertschaften zur Stelle waren. Diese standen dann allein in der Rigaer Straße etwa 250 Randalierern und deren Sympathisanten gegenüber. Auf der Fahrbahn türmten sich Hindernisse wie zerschlagenes Baumaterial und eine umgestürzte Bau-Toilette. Die Polizei sperrte die Frankfurter Allee ab und bezog in der Pettenkofer- und an der Rigaer Straße Stellung. "Ein Teil der Kräfte, die mit Steinen beworfen wurden, war bereits ab 23.10 Uhr vor Ort. Innerhalb kurzer Zeit waren es 200 Beamte", sagte Polizeisprecher Frank Millert. Gewerkschafter übten dennoch Kritik. "Hätten sich die Linken in der Nacht ein zweites Angriffsziel gesucht, wäre die Polizei aufgrund der Personalnot nicht mehr handlungsfähig gewesen", so Michael Reinke, Vize-Landesvorsitzender der Polizeigewerkschaft GdP. Zudem sei nur ein einziger Steinewerfer gefasst worden.
Die Randalierer flohen vor der Polizei in kleinen Gruppen in umliegende Seitenstraßen, schleuderten weiter Steine auf Fenster. Am Ring-Center gingen Schaufenster zu Bruch. Auch das Modelabel Berlinomat war betroffen. "Bei uns sind sechs Scheiben zerbrochen, ich kann mir das nicht erklären", so Geschäftsführerin Helen Kühn.
Eine neuartige Problematik sieht die Senatsinnenverwaltung nicht. "Es wäre zu früh, aus den unbestritten gravierenden Vorfällen eine Tendenz abzuleiten", sagte Isabelle Kalbitzer, Sprecherin des Innensenators Ehrhart Körting (SPD). Dass von Streitigkeiten zwischen Anhängern rechts- und linksextremer Personen ein Gefährdungspotenzial ausgehe, sei nicht neu. Darauf habe auch der Berliner Verfassungsschutz in der Vergangenheit bereits mehrfach hingewiesen.

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16.07.2009 Neues Deutschland
Jeton unter Beschuss
Nach rechtem Übergriff: Linke attackieren Diskothek

In der Nacht zum Dienstag hagelte es in Friedrichshain Steine. Rund 200 überwiegend schwarz gekleidete Personen griffen gegen 23.15 Uhr die Diskothek »Jeton« in der Frankfurter Allee an. Die Verglasung, die Leuchtreklame, die Außentreppe und drei davor geparkte PKW wurden dabei beschädigt, teilte die Polizei mit. Ein vorbeifahrendes Streife und die kurze Zeit später anrückende Bereitschaftspolizei seien ebenfalls beworfen worden, wobei ein Beamter leicht verletzt wurde. Als sich drei Hundertschaften um den Ort des Geschehens zusammenzogen, flüchteten die Angreifer in Seitenstraßen. Ermittelt werde nun wegen schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung. Festnahmen habe es nicht gegeben.
Handelt es sich bei der Tat um einen Racheakt der Linken? Stefan Kuhlmann von der Registerstelle Friedrichshain, die rechte Übergriffe dokumentiert, geht von einem Zusammenhang zwischen der Attacke auf das »Jeton« und dem brutalen Übergriff auf einen 22-jährigen Neuköllner in der Nacht zum Sonntag am S-Bahnhof Frankfurter Allee aus. Vier rechte Schläger hatten den Studenten Jonas K. brutal zusammengeschlagen und ihn mit einem Tritt auf den Kopf lebensgefährlich verletzt. Die vier mutmaßlichen Täter wurden noch am Tatort festgenommen und sitzen nun in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: Versuchter Totschlag. Augenzeugen zufolge sollen sie vor ihrer Tat in der gegenüberliegenden Diskothek »Jeton« gefeiert haben, berichtet Kuhlman.
Schon in der Vergangenheit war das »Jeton« Ausgangspunkt für neonazistische Angriffe. »Hier verkehrt eine Melange aus Hooligans, normalem Partypublikum und Rechtsextremisten«, erklärt Sabine Kritter von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR). Es könnte so eine Stimmung entstehen, in der gerade nachts MigrantInnen und alternative Jugendliche die Umgebung der Diskothek meiden.
Inzwischen steht der Verletzte Jonas K., der nicht mehr in Lebensgefahr schwebt, selbst im Visier der Ermittlungen. Er soll an einem Angriff auf die vier Neonazis aus einer Gruppe von zehn jungen linken Männern heraus beteiligt gewesen sein – bevor sie ihn zusammenschlugen. Auch gegen einen anderen Mann wird deswegen ermittelt. Die Polizei nahm ihn am Montag vorläufig fest. Dienstagabend war er wieder auf freiem Fuß.
Die Ermittlungen dürften nicht zu einer Verharmlosung von Nazi-Gewalt führen, fordert die Abgeordnete Evrim Baba von der Partei Die LINKE. »Ob Jonas K. nun zu einer Gruppe linker Jugendlicher gehörte, die nicht hinnehmen wollte, dass Personen mit Naziklamotten durch Friedrichshain ziehen, ist zweitrangig. Fakt ist, dass es einen Mordversuch gegeben hat.« Baba fordert Bezirk und Senat auf, den Betreibern des »Jeton« eine klare Positionierung abzuverlangen.
Als Reaktion auf den Übergriff ruft ein breites antifaschistisches Bündnis für Samstag, den 18. Juli, um 18 Uhr am Bersarinplatz zu einer Demonstration »gegen rechten Terror« in Friedrichshain auf.

Krude Debatte
Martin Kröger kritisiert die Medien zum Mordversuch

Die Ereignisse in Friedrichshain überschlagen sich – und im Eifer der Auseinandersetzung scheinen insbesondere manche Kommentatoren in den hiesigen Zeitungen den Durchblick einzubüßen. Denn in einer Art und Weise, dass es einen graust, wird gegenwärtig fleißig aus einem 22-jährigen Opfer von brutaler Nazi-Gewalt, der am vergangenen Wochenende einen Tötungsversuch nur knapp überlebte, ein Täter konstruiert.
In altbekannter Extremismus-Manier wird dabei alles glatt gebügelt: Als wenn es keinen Unterschied macht, ob auf der einen Seite eine Gruppe junger Linker rechtsextreme Klamotten kritisiert, so wie es auch in dieser Stadt Politiker immer wieder als Zivilcourage einfordern, oder auf der anderen Seite Rechtsextreme einen Kopf auf einen Bordstein legen, um das Opfer mit einem finalen Kick umzubringen – genau wie in einschlägigen Filmen.
Dass nun gegen die neonazistischen Täter lediglich wegen versuchten Totschlags ermittelt wird, ist absolut unverständlich. Wer einen Bordsteinkick ausführt, begeht wissentlich einen Mordversuch, nichts anderes. Aus dieser Sicht ist es noch weniger nachzuvollziehen, dass in den Medien vor allem über die Wut junger Linker geschrieben wird, statt mit ihnen gemeinsam darüber nachzudenken, wie man endlich die grassierende Neonazigewalt in Friedrichshain eindämmt, die seit Jahren in der Stadt die Übergriffsranglisten anführt.

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16.07.2009 Junge Welt
Dubioser Zeuge
Nach brutalem Neonaziüberfall in Berlin: Ausschreitungen vor bei Rechten beliebter Diskothek. Staatsanwaltschaft ermittelt auch gegen Linke

Nach einem brutalen Überfall von Neonazis auf einen Passanten in Berlin ist es in der Nacht zum Mittwoch zu schweren Ausschreitungen vor einer bei Rechten beliebten Discothek gekommen. Nach Polizeiangaben hatten etwa 200 überwiegend schwarz gekleidete Personen die Diskothek Jeton in der Frankfurter Allee im Stadtteil Friedrichshain mit Steinen beworfen. Dabei sollen Scheiben und Leuchtreklame sowie drei davor geparkte Autos beschädigt worden sein. Das Lokal war zu diesem Zeitpunkt geschlossen. Ein vorbeifahrender Einsatzwagen wurde ebenfalls von Steinen getroffen, ein Beamter leicht verletzt. Die Polizei war mit drei Hundertschaften vor Ort, um die Lage unter Kontrolle zu bringen.
Am vergangenen Sonntag morgen hatten vier Neonazis in der Nähe der Diskothek den 22jährigen Jonas K. zusammengschlagen. Die Männer aus Königs Wusterhausen, Storkow und Mittenwalde hatten ihr Opfer so lange traktiert, bis es das Bewußtsein verlor. Jonas K. erlitt einen Jochbeinbruch, schwere Prellungen und Hirnblutungen. Die Schläger konnten noch am Tatort festgenommen werden.
Doch inzwischen ermittelt die Polizei auch gegen den Geschädigten. Ihm wird versuchte Körperverletzung vorgeworfen. Die Strafverfolger rechnen K. zu einer Gruppe Linker, die kurz vor der Attacke Streit mit den Neonazis gehabt haben soll. In diesem Zusammenhang war am Montag ein Antifaschist vorläufig festgenommen worden. Der 26jährige sei als »linker Gewalttäter« bekannt, heißt es in eine Pressemitteilung der Polizei. Während der Auseinandersetzung habe er einen der Neonazis angegriffen. Die Polizei stützt sich dabei auf die Aussagen von einem der Neonazis. Der hatte behauptet, der Beschuldigte habe ihn mehrmals ins Gesicht getreten. Doch nach Informationen von junge Welt ist diese Darstellung wenig glaubwürdig. Schon bei einer Gegenüberstellung blieb der Neonazi ziemlich unkonkret. »Ich bin mir nicht sicher, aber Nummer fünf könnte es gewesen sein«, soll der Neonazi laut Polizeiprotokoll gesagt haben.Zudem paßt der geschilderte Angriff nicht zu den ärztlich attestierten Verletzungen. Lediglich eine Platzwunde hatte der Mediziner diagnostiziert. Die Angaben eines weiteren Zeugen wurden ignoriert. Dieser hatte die Situation detailliert geschildert und den Antifaschisten entlastet. Die Beamten selbst hatten ihn als glaubwürdig eingestuft. Diese Aussagen seien »folgerichtig und in sich logisch«, heißt es im Polizeibericht. Dem folgte auch die Richterin und wies am Dienstag abend den Antrag der Staatsanwaltschaft auf einen Haftbefehl zurück.
Als »skandalös« bezeichnete Rechtsanwalt Sven Lindemann, der Verteidiger des Beschuldigten, die Festnahme: »Hier soll ein brutaler Angriff von Neonazis als eine ›Auseinandersetzung zwischen rechten und linken Jugendlichen‹ verharmlost werden«, sagte Lindemann am Mittwoch zu junge Welt. Kritik übt auch die Antifaschistische Linke Berlin (ALB) am Vorgehen der Polizei. Es sei nicht hinzunehmen, »daß couragiertes Eingreifen gegen Neonazis mit Festnahme und Repression geahndet wird«, so ALB-Sprecher Alexander Heyden.
Für Samstag hat ein antifaschistisches Bündnis zu einer Demonstration gegen rechte Gewalt aufgerufen. Beginn ist 18 Uhr am Bersarinplatz.

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16.07.2009 Tagesspiegel
Linke Randalierer greifen Disko in Friedrichshain an
Nach dem brutalen Angriff von vier Neonazis auf einen 22-Jährigen haben Linksautonome eine Racheaktion gestartet: Etwa 200 Personen bewarfen die Diskothek "Jeton" und einen Streifenwagen in der Nacht mit Steinen. Der Besitzer der Disko erhielt "Hass-Mails".

Der Rechts-Links-Konflikt eskaliert weiter: Nach dem brutalen Angriff von vier Neonazis auf einen 22-Jährigen haben Linksautonome in der Nacht zu Mittwoch offenbar Rache genommen. Etwa 200 Personen bewarfen die Diskothek „Jeton" in Friedrichshain mit Steinen. Das Jeton gilt als Treffpunkt von Hooligans und Rechtsextremisten. Die vier Rechten, die am Sonntag in Friedrichshain den Neuköllner Jonas K. zusammenschlugen, sollen zuvor in der Diskothek in der Frankfurter Allee gewesen sein. Die Brutalität der Tat vom Sonntag habe „offenkundig die gewaltbereite linksextreme Szene weiter emotionalisiert und mobilisiert“, sagte Polizeipräsident Dieter Glietsch am Mittwoch dem Tagesspiegel.
Außerdem ist laut Glietsch schon im ersten Halbjahr die Zahl der Gewaltdelikte von Linksextremisten gegen Rechtsextremisten gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres deutlich gestiegen: Von acht auf 21. Die Angriffe von Rechten auf Linke seien hingegen von neun auf vier zurückgegangen, sagte der Polizeipräsident.
Der Angriff auf das Jeton geschah gegen 23.15 Uhr. Dabei wurden die Verglasung, die Leuchtreklame, eine Außentreppe und drei geparkte Autos beschädigt. Die Diskothek war geschlossen. Die Täter warfen auch Steine auf einen Funkstreifenwagen. Ein Polizist erlitt leichte Verletzungen. Auch Beamte einer Einsatzhundertschaft wurden mit Steinen beworfen. Ebenso gingen Scheiben des „Ringcenters“ zu Bruch. Dann flüchteten die Täter.
Der Besitzer des Jeton, Ronny Berkahn, sagte dem Tagesspiegel: „Die Täter haben vor meinem Laden Zettel von der Antifa hinterlegt. Darauf steht ganz deutlich, dass es sich um eine Racheaktion für den Angriff am Wochenende handelt.“ Außerdem habe er „Hass-E-Mails“ erhalten, in denen Unbekannte drohten, seinen „Laden abzufackeln“, sagte Berkahn. Er distanzierte sich von den Auseinandersetzungen. „Diese ganze Gewalt ist von beiden Seiten Schwachsinn“, sagte er. Berkahn betonte, bei ihm seien „auch Ausländer und Dunkelhäutige zu Gast“. Und er bezweifelt, dass die vier Neonazis in seinem Laden gefeiert haben. „Zu dem Zeitpunkt, als die Tat passierte, war meine Disko schon zwei Stunden zu. Außerdem hatten wir an jenem Abend eine Schaumparty: Die Männer hätten doch nass gewesen sein müssen“, glaubt Berkahn.
Ein Zusammenhang zwischen dem Angriff auf Jonas K. und der Randale am Jeton sei „nicht abwegig, aber bisher nicht zu belegen“, hieß es bei der Polizei. Wie berichtet, hatten die vier Rechten am Sonntagmorgen auf einem Weg zwischen U- und S-Bahnhof Frankfurter Allee K. bewusstlos geschlagen. Dann legten sie seinen Kopf auf den Weg. Der Haupttäter trat auf den Kopf des Opfers.
Zuvor waren die vier Rechten mit einer Gruppe Linker aneinandergeraten. Dabei erlitt einer der Rechten eine Platzwunde am Kopf. Wie sich später bei den Ermittlungen herausstellte, gehörte vermutlich auch Jonas K. zur Gruppe der Linken. Er kam mit Hirnblutungen in eine Klinik.
Unterdessen kritisierte der Anwalt eines mutmaßlich beteiligten und am Montag festgenommenen Linken die Strafverfolger. Sein Mandant sei wegen der vagen Aussage eines der Neonazis der Haftrichterin vorgeführt worden, sagte Sven Lindemann. Die Richterin sah keinen dringenden Tatverdacht und wies den Antrag auf Haftbefehl zurück. Bei dem Rechten, der den Linken belastet hatte, handelt es sich nach Informationen des Tagesspiegels um Michael L. Er sei bereits 2005 bei einer Feier zu Hitlers Geburtstag aufgefallen, hieß es in Sicherheitskreisen.
Zuletzt geriet das Jeton im August 2005 durch eine große Razzia in die Schlagzeilen. Spezialeinsatzkommandos (SEK) stürmten die Diskothek, weil dort angeblich Hooligans vor einem Spiel des 1. FC Union gegen BFC Dynamo Krawalle verabredeten. Am Sonnabend will ein linkes Bündnis in Friedrichshain demonstrieren. Das Motto lautet „Gegen rechte Gewalt. Für ein weltoffenes Friedrichshain“. Treffpunkt ist um 18 Uhr am Bersarinplatz. Die Demonstranten wollen zum S-Bahnhof Frankfurter Allee marschieren – der Weg führt auch vorbei am „Jeton“.

Kommentarleiste

Kreisklassenklopperniveau
Frank Jansen über rechte und linke Gewalt in Berlin

Linke greifen Rechte an, Rechte schlagen einen Linken fast tot, Linke randalieren vor einer Diskothek, in der die Rechten gezecht hatten - was sich derzeit in Berlin-Friedrichshain abspielt, klingt nach großem Aufruhr. Es ist auch nicht auszuschließen, dass weiter Gewalttat auf Gewalttat folgt, dass sich Rechtsextremisten und Antifa in Racheaktionen verkeilen und den Eindruck erwecken, sie wollten den Untergang der Weimarer Republik reproduzieren. Jedenfalls ist es beiden Spektren gelungen, reichlich Aufmerksamkeit zu erregen. Bei der für Sonnabend angekündigten Linken-Demo werden vermutlich mehr Medienmenschen auftauchen, als sonst bei einem Antifa-Event zu erwarten wären. Doch die großen Schlagzeilen produzieren auch eine gefährliche Halluzination.
Der Links-rechts-rechts-links-Konflikt erscheint zunehmend wie eine Auseinandersetzung politischer Schwergewichte. Das hätten die Teilnehmer auch gerne. Viele Rechtsextremisten sehen sich als wiedergeborene SA, bei der Antifa schwingt die als legitimierend empfundene Erinnerung an den kommunistischen Rotfrontkämpferbund, an die Kämpfer der internationalen Brigaden und der anarchistischen Milizen im spanischen Bürgerkrieg mit. Doch die Realität heute sieht anders aus, trotz aller Gewalt.
Die rechten Schläger und die linken Kontrahenten sind subkulturelle Phänomene und keineswegs Massenorganisationen. SA und Rotfront bleiben Relikte der Vergangenheit, glücklicherweise. Die Demokratie der Bundesrepublik hat ein so großes Eigengewicht, dass Neonazis und Antifa über ein Randgruppendasein in absehbarer Zeit nicht hinauskommen.
Die Konflikte zwischen Linksradikalen und Rechtsextremisten bewegen die Mehrheit der Bevölkerung weniger als ein Länderspiel zwischen Deutschland und Liechtenstein. Darüber könnten die Linken, deren intellektuelles Potenzial das der Nazi-Schläger überragt, ein wenig mehr nachdenken. Es gibt kein Naturgesetz, wonach der Antifaschismus sich dem Kreisklassenklopperniveau der rechten Szene anzupassen hat.

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16.07.2009 TAZ
Angriff auf Berliner "Nazi-Disco"
Linke Demonstranten greifen in Berlin eine Disko mit Steinen an. Dort sollen Rechte gefeiert haben, die am Sonntag eine 22-Jährigen schwer verletzt haben. Der Disko-Betreiber weist das zurück.

Nach einer brutalen Auseinandersetzung zwischen der linken Szene und Rechtsextremen am Wochenende eskaliert der Konflikt in Berlin. Am späten Dienstagabend wurde im Stadtteil Friedrichshain die Diskothek Jeton von rund 200 Personen angegriffen. Dabei wurden durch Steinwürfe mehrere Fenster zerstört. Das Jeton gilt in der linken Szene als Treffpunkt junger Rechter.
In unmittelbarer Nähe der Diskothek war es am frühen Sonntagmorgen zu einem brutalem Streit zwischen mehreren Linken und vier Rechten gekommen (taz berichtete). Dabei hatte zunächst einer der Rechtsextremen eine Platzwunde am Kopf erlitten. Ein 22-jähriger Linker, der bereits bewusstlos am Boden gelegen haben soll, wurde dann von einem Neonazi auf eine Bordsteinkante geschleift. Durch Tritte auf den Hinterkopf erlitt er Hirnblutungen, Prellungen und einen Jochbeinbruch. Er lag am Mittwoch noch auf der Intensivstation eines Krankenhauses. Die vier Neonazis und einer der Linken wurden festgenommen.
Die Stimmung in der linken Szene sei aufgewühlt und geschockt, heißt es aus Antifa-Kreisen. Die Attacke gegen die Diskothek wird offen als Revanche bezeichnet. Im Jeton würden immer wieder junge Rechtsextreme feiern, sagen Teilnehmer der Spontandemonstration. Auch die vier rechten Schläger vom Sonntagmorgen hätten zuvor das Jeton besucht. Der Betreiber der Disco streitet das ab. Sein Laden sei offen für alle, selbst "Türken und Fidschis feiern hier", sagte Geschäftsführer Ronny Berkahn der taz. Mittlerweile habe ihm die Polizei mitgeteilt, dass die vier rechten Schläger nicht Gäste seiner Diskothek waren. Die Polizei hat sich noch nicht dazu geäußert.
Von der nur wenige Minuten dauernden Demonstration am Dienstagabend war die Polizei offenbar überrascht worden. Als mehrere Hundertschaften eintrafen, waren die meisten linken Demonstranten bereits in die Seitenstraße entschwunden. Ob es überhaupt Festnahmen gab, war gestern Nachmittag unklar.
Bereits am Montag war es zu ähnlichen Protesten in Rostock gekommen. Bei einem Protestzug von rund 80 Angehörige der linken Szene waren Mülltonnen angezündet worden, ein Polizeifahrzeug wurde beschädigt. Der in Berlin schwerverletzte 22-Jährige soll aus Mecklenburg-Vorpommern stammen.
Für Samstag mobilisieren linke Gruppen zu einer Demonstration gegen die brutale Attacke auf den 22-Jährigen. Sie soll auch am Jeton vorbeiziehen. Die Polizei hat noch nicht entschieden, ob sie die geplante Demoroute genehmigen wird.

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16.07.2009 TAZ
"Es war wie im Horrorfilm"
Am fast tödlichen Übergriff auf einen Linken waren viel mehr Rechte beteiligt als bisher bekannt, sagt eine Zeugin der taz. Freunde des Opfers sind schockiert.

"Es war wie in einem Horrorfilm", erzählt die junge Verkäuferin über die brutale Auseinandersetzung zwischen Neonazis und jungen Linken am Sonntagmorgen. Bereits seit 5 Uhr morgens habe sie in einem Shop an der Passage zwischen U- und S-Bahn-Eingang Frankfurter Allee gearbeitet. Kurz vor sechs sei es vor dem Laden zum Streit zwischen zwei Gruppen mit je rund zehn Leuten gekommen. Auslöser sei der Pitbull eines Rechten gewesen, der einen der Linken angestupst habe. Als jener gerufen habe: "Nimm deinen rechten Köter weg!", sei es zu der Schlägereien in kleinen Gruppen gekommen, so die Frau zur taz.
Schließlich habe einer der Neonazis eine Bierflasche zerbrochen und damit einem der Linken ins Gesicht geschlagen. "Sein ganzes Gesicht war voller Blut, er wurde von drei Leuten geprügelt", erzählt die junge Frau, die nach eigenen Angaben die Polizei alarmiert hat. Diese sei innerhalb von zwei Minuten eingetroffen. Ob es sich bei dem vor ihrem Laden Verprügelten um Jonas K. handelte, der später auf einer Bordsteinkante liegend durch einen Tritt beinahe getötet wurde, kann die Verkäuferin allerdings nicht sagen. Ihre Aussage steht im Widerspruch zu bisherigen Darstellungen. Danach geht die Polizei nur von vier Neonazis aus, die in den Kampf verwickelt gewesen sein sollen.
Jochen Z. ist von dem Angriff auf Jonas K. auch vier Tage nach dem Vorfall noch sichtlich mitgenommen. "In der Situation dachte, ich der Typ wäre tot", sagte der Zeuge des Vorfalls der taz. Sein Blick ist starr, er wirkt benommen. Dass er aufgewühlt ist, lassen nur seine Tränen wissen. Z. habe zwar einige gewalttätige Vorfälle erlebt, aber so was kenne er nur aus Filmen. "Es übertrifft all meine Vorstellungen - da wurde echt auf ein Menschenleben geschissen", erzählt er. Erst als Passanten den Mund von Jonas K. öffneten und ein flaches Röcheln zu hören war, wusste Jochen, dass das Opfer noch lebt.
Wie er mit dem Geschehenen umgehen soll, weiß er eigentlich nicht. Er redet viel mit seinen Freunden und will sich am Samstag auch an der Demo beteiligen. Doch die Bilder wollen nicht aus seinem Kopf. Vor allem "diese Starre der Hilflosigkeit möchte ich weghaben und handeln können".
Auch viele Freunde und Bekannte von Jonas K. finden keine Ruhe. Am Dienstag wurde er kurzzeitig auf die Intensivstation verlegt. Bleibende Schäden sind bisher ausgeschlossen, vernehmungsfähig ist der Neuköllner aber nicht. "Die Folgen der Attacke sind heftig", sagt Michael F. Auch Mandy R. ist noch schockiert, sie malt sich oft die Szene in ihrem Kopf aus: "Das geht mir dann durch Mark und Bein. Jede Bewegung und jedes Stöhnen von Jonas lässt mich jetzt aber wissen, er ist noch da."

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15.07.2009 Junge Welt
»Er liegt auf der Intensivstation«
Brutaler Neonaziübergriff in Berlin-Friedrichshain. Demonstration gegen rechts am Sonnabend. Ein Gespräch mit Clemens Hetzel

Clemens Hetzel ist Sprecher der Antifaschistischen Linken Berlin
Am Sonntag kam es in Berlin-Friedrichshain zu einem brutalen Angriff von Neonazis. Was genau ist passiert?
Morgens gegen halb sechs griffen Neonazis zwischen S- und U-Bahnhof Frankfurter Allee erst Linke und unmittelbar danach eine Gruppe von Passanten an, die glücklicherweise fliehen konnte. Als dann ein weiterer Unbeteiligter ihren Weg kreuzte, schlugen sie solange auf ihn ein, bis er das Bewußtsein verlor. Einer der Nazis zog ihn dann auf den Gehweg, legte sein Gesicht auf die Bordsteinkante und trat mit aller Kraft zu.
Das Opfer liegt jetzt mit schweren Verletzungen – unter anderem Hirnblutungen – im Krankenhaus auf der Intensivstation. Selbst die Berliner Polizei, die bei rechten Übergriffen nicht gerade für ihre Sensibilität bekannt ist, sagt, es sei ein Wunder, daß das Opfer überlebt habe. Die vier Nazis wurden noch am Tatort festgenommen und sitzen in Untersuchungshaft.

In welchem Kontext sehen Sie den Angriff?
Der Angriff macht uns in erster Linie wütend und zeigt uns, wie notwendig eine antifaschistische Abwehr gerade an Brennpunkten wie dem S- und U-Bahnhof Frankfurter Allee ist. Wir erinnern uns an den versuchten Mord im März vergangenen Jahres, als eine Rassistin dort einen Schwarzen vor die U-Bahn schubste. Auch Gäste der Großraumdisko »Jeton« greifen hier seit Jahren Alternative, Migranten sowie Schwule und Lesben an. Die Übergriffe geschehen meist spontan und mit sehr großer Brutalität. Auch durch den im Februar eröffneten Thor-Steinar-Laden in der Petersburger Straße flanieren immer häufiger Neonazis durch den Kiez.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) verurteilte die Tat. Er sagte, sie zeige, wohin es führen könne, wenn Gewalt zur politischen Auseinandersetzung gebraucht wird ...
Körting versucht mit seiner Aussage, die Übergriffe von Neonazis zu relativieren und mit antifaschistischem Engagement gleichzusetzen. Er suggeriert und konstruiert damit aber auch eine friedliche gesellschaftliche Mitte. Die es so einfach nicht gibt. Fakt ist: Hätten die Linken, die von den Neonazis zuerst angegriffen worden sind, selbige handlungsunfähig gemacht, wäre es nie zu diesem folgenschweren Übergriff gekommen.

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15.07.2009 Tagesspiegel
Neonazi-Attacke: Opfer war vermutlich kein Unbeteiligter
Zwei Tage nach dem Gewaltexzess in Friedrichshain gibt es neue Erkenntnisse zum Tatablauf. Das Opfer gehörte offenbar zur Gruppe junger Linker, die mit den Rechtsextremen in Streit geriet. Politiker fordern, die Tat als Mordversuch zu werten.

Die Tat war grässlich, doch ihr Ablauf stellt sich inzwischen etwas anders dar als zunächst bekannt. Der von Rechtsextremisten in der Nacht zu Sonntag lebensgefährlich verletzte Student Jonas K. war nach Tagesspiegel-Informationen offenbar kein unbeteiligter Passant. Jonas K. habe zu der Gruppe junger Linker gehört, die mit den Rechtsextremisten am S-Bahnhof Frankfurter Allee in Streit gerieten, hieß es am Dienstag in Sicherheitskreisen. Bei der Schlägerei hatte ein Rechtsextremist eine Platzwunde am Kopf erlitten. Gegen K. wird nun, wie auch im Fall der anderen Linken, wegen des Verdachts auf gefährliche Körperverletzung ermittelt. Einen weiteren Linken, der auch der Gruppe zugerechnet wird, nahm die Polizei am Montag fest. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet auch hier gefährliche Körperverletzung. Nach Auskunft der Polizei kam der Mann jedoch am Dienstagabend wieder frei.
Die ersten Erkenntnisse der Polizei zur Tat hatten zunächst ein teilweise anderes Bild des Tatgeschehens ergeben. Die Ermittler waren am Sonntag davon ausgegangen, dass die Linken nach der Auseinandersetzung mit den Rechtsextremisten verschwunden waren und kurz darauf Jonas K. zufällig vorbeikam. Unstrittig bleibt bislang jedoch, dass die Rechtsextremisten den Studenten schwer misshandelten. Einer der Täter legte den offenbar schon völlig wehrlosen Jonas K. mit dem Gesicht nach unten auf den Gehweg und trat ihm auf den Kopf.
Die Brutalität erinnert an eine Szene aus dem Spielfilm „American History X“, in dem ein Nazi-Skinhead einem Schwarzen einen tödlichen „Bordsteinkick“ versetzt. Animiert durch den Film hatte im Juli 2002 ein Rechtsextremist im brandenburgischen Potzlow einen Schüler mit einem Sprung auf den Kopf ermordet.
Was sich in Friedrichshain abgespielt hat, ist allerdings noch nicht vollkommen geklärt. Bislang gilt folgende Version als wahrscheinlich: Die vier Rechtsextremisten kommen gegen 5 Uhr 40 aus der Diskothek Jeton an der Frankfurter Allee. Im Jeton verkehren häufig Hooligans und Neonazis. Eine Gruppe von etwa zehn Linken sieht, dass einer der Rechten eine Jacke der in der braunen Szene beliebten Marke Thor Steinar trägt. Die Linken gehen aggressiv auf die Rechten zu, es kommt zur Schlägerei. Einer der Rechten bekommt eine Platzwunde ab, die Linken hören auf und entfernen sich. Warum Jonas K. zurückbleibt, ist unklar. Die Rechtsextremisten lassen jedenfalls ihre Wut an dem Studenten aus. Einer der Rechten tritt Jonas K. auf den Kopf. Der Student überlebt nur knapp. Es geht ihm weiterhin sehr schlecht.
Die vier Rechtsextremisten aus Berlin und Brandenburg sitzen in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft hält ihnen versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung vor. Dass die Behörde die Tat nicht als versuchten Mord wertet, stößt in Teilen der Politik auf Verwunderung. Bei einem Bordsteinkick sei es doch eindeutig, dass der Täter das Opfer ermorden will, sagte Udo Wolf, stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Aus seiner Sicht sei das Verbrechen in Friedrichshain mit dem Fall Potzlow vergleichbar. Dort wurde der Haupttäter wegen Mordes verurteilt. Für den Vizechef der SPD- Fraktion, Fritz Felgentreu, ist es logisch, dass die Staatsanwaltschaft vor Erhebung der Anklage im Fall Friedrichshain prüfen muss, ob versuchter Mord vorliegt. Erst recht, wenn das Opfer wegen seiner politischen Einstellung malträtiert worden sei.

Kommentar
Die Grenzen gesellschaftlicher Sicherheit

In Berlin Friedrichshain verletzten Rechtsextreme einen jungen Mann lebensgefährlich mit einem Tritt auf den Kopf. Solche Fälle zwingen uns zur Beschäftigung mit dem Ungeheuerlichen
Das Stück Der Kick ist nur schwer zu ertragen. Der Dokumentarfilmer Andres Veiel verarbeitet darin den Foltermord von Potzlow aus Gesprächen mit Beteiligten und Betroffenen zu einem beklemmenden Psychogramm. Drei junge Männer hatten 2002 in dem uckermärkischen Dorf einen Jugendlichen entsetzlich gequält; schließlich zwangen sie ihr Opfer, das für sie „linksorientiert“ war, in die Kante eines steinernen Futtertrogs zu beißen. Marcel S. sprang dem Jungen mit seinen schweren Stiefeln in den Nacken. Nur noch Matsch sei der Kopf seines Opfers am Ende gewesen, sagte Marcel S. vor Gericht. Im vergangenen Sommer wurde er vorzeitig aus der Haft entlassen. Die Wirklichkeit ist manchmal schier unerträglich.
Die Täter von Potzlow kannten den Tritt auf den Hinterkopf aus dem Film „American History X“, in dem ein Neonazi auf ähnliche Weise einen Schwarzen an einer Bordsteinkante tötet. Auch die Täter von Friedrichshain, polizeibekannte Rechtsextremisten, die am vergangenen Sonntagmorgen einen jungen Mann lebensbedrohlich verletzten, legten ihr Opfer vor dem finalen Tritt mit dem Gesicht auf den Gehweg.
Eine abscheuliche Tat, aber auch eine abscheuliche Tatbeschreibung. Es sind die bekannt gewordenen Details dieses Verbrechens, das es heraushebt aus der Masse der Gewaltkriminalität, die zumeist als Randnotiz hingenommen wird – und es ist der Hinrichtungscharakter, der zusätzlich schockierend wirkt. Statistik ist abstrakt: tausende Taten, mal ein paar mehr, mal weniger; so entsteht keine Empathie für die Opfer. Doch das hier, konkret, löst eine Kettenreaktion der Gefühle aus: Entsetzen, Mitleid, Wut. Man will es so genau gar nicht wissen, und schaut doch hin. Es ist einer dieser Fälle, die zur Beschäftigung mit dem Ungeheuerlichen zwingen: mit grenzenloser Gewaltbereitschaft jenseits der eigenen Vorstellungskraft – und mit den Grenzen gesellschaftlicher Sicherheit und Vergeltung.
Dazu gehört auch die Prüfung eigener Wahrnehmung und Relativierung, dazu gehört auch das Erschrecken über die Macht des Zufalls. Der islamophobe Mord an einer kopftuchtragenden Ägypterin in einem Dresdner Gerichtssaal hat die deutsche Öffentlichkeit weniger aufgewühlt als der Familienmord an einer kopftuchverweigernden Deutschen kurdischer Herkunft an einer Berliner Bushaltestelle.
Die Gewaltorgie Schweizer Schüler in München, die auch einen Behinderten brutal gegen den Kopf traten, wird eher wie ein Kuriosum verbreitet; als ebenfalls in München zwei junge Migranten in der U-Bahn einen Rentner an den Rand des Todes traten, wurde dies zum Politikum. Das allein mit Kulturrassismus erklären zu wollen, wäre indes ein Kurzschluss; Informationen und Gefühle folgen nicht immer nur Vorurteilen. Auch hier spielt der Zufall seine Rolle, wie bei jeder Messerstecherei. Zwischen Fleischwunde und Exitus, zwischen Körperverletzung und Totschlag liegt hier oft nur ein Zentimeter. Ein Bier mehr im Club hätte Täter und Opfer in Friedrichshain zeitlich aneinander vorbeigeführt. Unheimlich auch das.
Die Staatsanwaltschaft wirft den Tätern von Friedrichshain einstweilen versuchten Totschlag vor, nicht, wie in den Fällen aus München, versuchten Mord. Das mag taktische Gründe haben. Ermittelt wird jedenfalls auch gegen das Opfer. Der Mann soll zu einer Gruppe junger Linker gehören, die zuvor die späteren Täter verletzten. – Die Wirklichkeit ist manchmal nicht nur schwer zu ertragen; manchmal ist sie auch schwer zu ergründen.

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15.07.2009 Morgenpost
Staatsschutz ermittelt gegen 22-Jährigen

Nach dem Überfall von vier Neonazis auf einen 22-Jährigen in Friedrichshain führten die Ermittlungen des Polizeilichen Staatsschutzes zu neuen Erkenntnissen. Die Beamten ermitteln nun auch gegen zwei Männer aus dem linken Spektrum wegen gefährlicher Körperverletzung.
"Wir ermitteln gegen einen 26-Jährigen, der einschlägig vorbestraft ist, und gegen einen 22-Jährigen aus Neukölln", sagt ein Polizeisprecher. Bei dem 22-Jährigen handelt es sich um den Mann, der nach der Schlägerei am Sonntagmorgen in der Nähe des S-Bahnhofes Frankfurter Alle in Friedrichshain lebensgefährlich verletzt wurde.
Beide Männer sollen zu einer Gruppe von Linken gehören, die sich am vergangenen Sonntag über die Kleidung der vier Neonazis (20, 22, 24 und 26) lustig machten und einen der aus Brandenburg stammenden Männer angriffen. Dann kam es zu einer Schlägerei, wobei der 26-jährige Neonazi eine Platzwunde am Kopf erlitt. "Offensichtlich hat sich der 22-Jährige an der Schlägerei aktiv beteiligt", sagt ein Polizeisprecher.
Dann soll nach Polizeiangaben die Gruppe von Linken verschwunden sein, wobei der 22-Jährige etwas zurückblieb. Dann kam es wie berichtet zu der Schlägerei, bei der die vier Neonazis den 22-jährigen Neuköllner bewusstlos prügelten und lebensgefährlich verletzten. Mit schweren Prellungen, Hirnblutungen und einem Jochbeinbruch kam er in ein Krankenhaus. Die vier Brandenburger wurden festgenommen. Gestern erließ ein Ermittlungsrichter gegen die vier Männer Haftbefehl wegen versuchten Totschlags.

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15.07.2009 BZ
Steinwürfe, Angriffe auf Polizisten, zersplitterte Scheiben, demolierte Autos.

200 vermummte linke Chaoten haben Dienstagabend in der Frankfurter Allee in Friedrichshain ein Chaos angerichtet. Die Polizei musste mit 200 Beamten anrücken, ein Polizist wurde am Kopf verletzt. Erst nach über einer Stunde hatte sich die Lage beruhigt. Der Staatsschutz ermittelt, es geht um besonders schweren Landfriedensbruch, Sachbeschädigung und Diebstahl.

B.Z. konfrontierte den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) am Mittwoch mit den Fotos der nächtlichen Verwüstung. Er verurteilte die Ausbrüche und mahnte: „Gewalt, egal von wem sie ausgeht, darf in unserer Stadt keinen Platz haben!“ Wowereit weiter: „Die Polizei bemüht sich intensiv um Aufklärung. Täter, die mit vermeintlich politischen Zielen zu verdecken versuchen, dass es ihnen eigentlich nur um Gewalt und Regelverstöße geht, dürfen auf keine Akzeptanz stoßen. Denn wer Gewalt ausübt oder andere Gesetze verletzt, überschreitet eine Grenze, die wir gemeinsam verteidigen müssen.“

Chef der Polizeigewerkschaft über Straßenterror schockiert
Angriffsziel der Autonomen war die Diskothek „Jeton“. Zu ihren Gästen sollen viele Neonazis und Skinheads zählen. Um 22.15 Uhr versammelten sich die Linken vor der Disco. Um 23.17 Uhr eskalierte die Situation, Steine flogen, Fenster gingen zu Bruch – Großeinsatz für die Polizei mit drei Hundertschaften. Die Täter flüchteten in kleinen Gruppen in die Nebenstraßen. In der Rigaer Straße errichteten sie eine Straßenblockade und warfen zudem noch Scheiben des Ringcenters ein. Erst um 23.30 Uhr hatte sich die Lage wieder beruhigt. Ein Steinewerfer wurde festgenommen.
Bodo Pfalzgraf, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft war schockiert. Er sprach davon, dass ein ganzer Kiez von einem Straßenmob terrorisiert werde – und die Politik tatenlos zuschaue.
War der Angriff ein Racheakt der linken Szene? Laut Polizei sei es möglich, dass die Steinwürfe auf die Diskothek im Zusammenhang mit dem lebensgefährlichen Angriff von rechtsextremen Schlägern auf den Studenten Jonas K. stehen. Der 22-Jährige soll der linken Szene angehören. Er wurde Sonntagmorgen nahe der Disco von vier Neonazis zusammengeschlagen. Das Opfer kam mit Hirnblutungen, einem Jochbeinbruch und schweren Prellungen ins Krankenhaus. Er ist inzwischen außer Lebensgefahr.
Gegen die rechten Schläger wurden Haftbefehle wegen versuchten Totschlags erlassen.

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15.07.2009 TAZ
Neonazis wollten Studenten töten
In Berlin-Friedrichshain, einem Bezirk mit starkem alternativen Milieu, treten Neonazis einen 22-Jährigen fast tot. Antifa-Gruppen mobilisieren für Samstag zu einer Gegen-Demonstration.

Sonntagmorgen 5.45 Uhr, Berlin Friedrichshain: Der 22-jährige Jonas K. wird am Bahnhof Frankfurter Allee von vier jungen Rechtsextremen angepöbelt, geschlagen und getreten. Irgendwann bleibt Jonas K. bewusstlos liegen. Dann schleift ihn der 26-jährige Neonazi Oliver K. auf den Fahrradweg, legt ihn mit dem Gesicht nach unten und tritt ihm gegen den Hinterkopf. Jonas K. wird später lebensgefährlich verletzt auf die Intensivstation eingeliefert: Hirnblutungen, Jochbeinbruch, Prellungen.
Es ist eine Tat, die viele Berliner erschüttert hat. Zumal sie in einem bisher als alternativ geltenden Kiez stattgefunden hat: Friedrichshain. Grünen-Hochburg, Wohn- und Ausgehgebiet vieler Alternativer und Linken. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) spricht von einer "schrecklichen Tat". Sein Parteikollege Andreas Geisel fordert "ernste Konsequenzen" für die Täter. Die Grünen appellieren für mehr Zivilcourage gegen rechts. Am Montag versammelten sich rund 150 Personen zu einer Mahnwache am Tatort. Antifa-Gruppen mobilisieren für Sonnabend zu einer Demonstration in Friedrichshain.
Wie genau es zu der Tat kam, ist noch immer nicht geklärt. Sicher ist, dass die vier 20- bis 26-Jährigen den Abend im "Jeton", einer auch bei Rechten und Hooligans beliebten Diskothek, verbracht hatten. Auf dem Heimweg gerieten sie am Bahnhof Frankfurter Allee in einen Streit mit einer Gruppe von zehn Linken. Laut Ermittlungen könnte auch Jonas K. zu dieser Gruppe gehört haben. Warum der 22-Jährige zurückgeblieben sein soll, als sich die Gruppen trennten, ist noch unbekannt. Die vier Neonazis hätten das Opfer dann weiter attackiert.
Seit Montagabend sitzen die noch am Tatort festgenommenen Rechtsextremen in Untersuchungshaft. Zeugen hatten die Polizei alarmiert, waren aber nicht eingeschritten. Es bestehe ein dringender Tatverdacht des versuchten Totschlags und der gefährlichen Köperverletzung, sagt Martin Steltner, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Zwei der Angeklagten bestritten eine Tatbeteiligung, die anderen beiden würden schweigen. Die Polizei berichtet von einschlägigen rechten Propaganda- und Gewaltdelikten der Verdächtigen.
Am Dienstag nahm die Polizei auch einen 26-Jährigen fest, der zu der Gruppe der Linken gehört und einem der Neonazis eine Platzwunde zugefügt haben soll. Laut Polizeiangaben ist Jonas K. noch nicht vernehmungsfähig, schwebt aber nicht mehr in Lebensgefahr. Er habe die Intensivstation inzwischen verlassen.
Die Tat im alternativen Friedrichshain habe viele aufgewühlt, berichtet Sabine Kitter von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. "Der 22-Jährige wurde Opfer, weil er als Linker eingeschätzt wurde. Es hätte auch viele andere hier treffen können." Kitter spricht von einer "extrem brutalen Tat, die es in dieser Stadt selten gab". Das Areal um den Bahnhof Frankfurter Allee und das "Jeton" ziehe aber bereits seit Längerem auch Rechte an. Erst im vergangenen März gab es einen fremdenfeindlichen Vorfall an fast gleicher Stelle: Eine Frau hatten einen Afrikaner auf dem Bahnsteig rassistisch beschimpft und ins Gleisbett gestoßen. Passanten zogen den Mann zurück auf den Bahnsteig. Die Frau wurde zu 3,5 Jahren Haft verurteilt. Laut Kitter gab es in Friedrichshain in diesem Jahr bereits sechs rechtsextreme Übergriffe. Berlinweit zählte der Verfassungsschutz 2008 1.377 rechtsextreme Straftaten, darunter 91 Gewaltdelikte. Im Vorjahr waren es 74 Gewalttaten.
Die vier Täter selbst sind hingegen keine Berliner. Sie kommen vom Berliner Stadtrand, aus Dörfern rund um das brandenburgische Königs Wusterhausen. "Das verwundert mich nicht", sagt Andrea Nienhuisen vom Mobilen Beratungsteam Brandenburg. "Die rechte Szene hat in der Gegend eine lange Tradition und ist sehr aktiv." Die Tat in Friedrichshain weckt Erinnerungen an einen Fall im brandenburgischen Potzlow: Dort wurde 2002 der 16-Jährige Marinus Schöberl von Neonazis mit einem Nackentritt getötet.

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14.07.2009 Taggesspiegel
Mord ist das Wort
Peter von Becker über die Neonazi-Attacke in Berlin-Friedrichshain

Berlin - Gewalt in der Großstadt oder Aggressionen auf dem Land, sie treffen Obdachlose, Ausländer, Mitschüler, S- Bahnfahrer, Busreisende oder eben ganz einfach, ganz zufällig nur: Mitmenschen. Ob rechte Brutalität oder alkoholisierte Rohheit, man hat sich an die laufenden Meldungen schon fast gewöhnt. Bis es wieder passiert, und ein Fall plötzlich heraussticht aus dem alltäglichen Horror, gleich hier. Fast vor der eigenen Haustür. Zu Recht regt man sich in Berlin nun auf über die barbarische, nur durch Zufall nicht tödliche Misshandlung eines 22-jährigen Studenten durch vier junge Brandenburger nachts beim S-Bahnhof Frankfurter Allee in Friedrichshain.
Am Montagabend erging gegen die Festgenommenen Haftbefehl. Aber die Haftgründe lauten: "versuchter Totschlag" und "schwere Körperverletzung". Das macht einen stutzig. Denn es wäre erstaunlich und gar empörend, wenn die Berliner Staatsanwaltschaft nicht sehr schnell und ausdrücklich wegen versuchten Mordes ermitteln würde.
Die Schläger haben nach Zeugenaussagen und den blutigen Indizien ihr bereits bewusstloses Opfer über den Gehweg bis zum Rinnstein geschleift, ihn mit dem Gesicht nach unten auf die Bordsteinkante gelegt und auf seinen Hinterkopf getreten. Dieser Akt, der auf Schädel- und Genickbruch zielt, ist aus Filmen und Gewaltpornos bekannt. So wurde vor einigen Jahren ein Sechzehnjähriger im brandenburgischen Potzlow von Neonazis getötet.
Vom gemeinen Totschlag unterscheidet sich das Mord-Delikt des § 211 Strafgesetzbuch unter anderem durch "Mordlust" oder sonstige "niedrige Beweggründe" sowie objektive Umstände wie beispielsweise Grausamkeit und Heimtücke. In Fall von Friedrichshain geht es um versuchten Mord. Mord ist das Wort, das auch der dumpfbackigste Hilfsschüler, die hinterletzte Glatze versteht. Es hat Jahre und Jahrzehnte gedauert, bis die Justiz in einigen ostdeutschen Bundesländern begriffen hatte, dass es mehr ist als "gefährliche Körperverletzung", wenn einem Menschen mit etwas dunklerer Hautfarbe der Kopf mit Baseballschlägern traktiert wurde und das Opfer nicht starb, sondern als lebenslänglich Schwerbehinderter überlebte.
Deshalb ist es keine bloß prozedurale oder prozesstaktische Frage, ob extreme, mordlustigste Gewalt von der Justiz auch sofort beim Namen genannt wird. Auch gegen den Messerstecher von Dresden wird jetzt nicht mehr wegen Totschlags ermittelt. Und die bayerische Justiz plädiert spätestens seit der video-bekannten S-Bahnattacke von München in solchen Fällen auf Mord oder Mordversuch. Das sollten auch Berlins Justiz und ihre Senatorin Gisela von der Aue begreifen.

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14.07.2009 Firmenpresse
Die Betreiberfirma von „Thor Steinar“ distanziert sich von Gewalttat
Die Firma Mediatex GmbH distanziert sich entschieden von allen Gewalt- und Straftaten.

Insbesondere von der Gewalttat in Berlin-Friedrichshain, bei der Sonntag früh ein 22-Jähriger von vier jungen Männern aus Brandenburg zuerst bewußtlos geschlagen und danach fast totgetreten worden war.
Im Zusammenhang mit dieser Tat wurde in verschiedenen Medien immer wieder unsere Marke „Thor Steinar“ in Verbindung mit den mutmaßlichen Tätern gebracht.
Besonders der ständig, in negativer Weise, nutzbringend angewandte Rückschluß, das Tragen unserer Kleidung sein ein Beleg für die rechtsextremistische Gesinnung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, entbehrt jeder Grundlage und diffamiert unsere Kundschaft.
Gerade in diesem Fall ist diese Taktik besonders perfide, da die abscheuerregende Brutalität der Tat mit unserer Marke und unserer Kundschaft in Verbindung gebracht wird.
Hiermit distanzieren wir uns erneut von politischem Extremismus jeglicher Couleur sowie von Gewalt- und Straftaten. Rainer Schmidt für die Mediatex GmbH

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14.07.2009 Endstation Rechts
Haftbefehle nach Überfall in Friedrichshain
Haupttäter ärgert sich, dass es nicht richtig geknackt hat

Bei den brutalen Schlägern von Berlin-Friedrichshain soll es sich nach Informationen der „Bild“ um vier Brandenburger handeln, die wegen „rechtsradikaler Straftaten polizeibekannt“ sind. Gegen alle vier ist Haftbefehl wegen versuchten Totschlags erlassen worden. In Rostock gab es eine Demonstration.
Bundespolizisten seinen zufällig Zeugen des brutalen Fußtritts geworden sein, konnten dem Opfer aber nicht mehr helfen. Derweil soll sich der Haupttäter ärgern, dass er nicht brutal genug zugetreten habe. So schreibt die „Bild“: „Angeblich sagte er, wenn er den Kopf des Opfers auf die Bordsteinkante gelegt hätte, dann hätte es wenigstens richtig geknackt."
Die Schläger sind gestern dem Haftrichter vorgeführt worden. Zwei von ihnen hätten die Vorwürfe bestritten, die anderen beiden verweigerten die Aussage. Gegen alle vier ist Haftbefehl wegen versuchten Totschlags erlassen worden.
In Rostock kam es gestern Abend zu einer Spontandemonstration, die über den Vorfall aufklären und Sympathie mit dem Opfer bekunden sollte. Hier soll es aber auch zu Zwischenfällen gekommen sein, wie die „Ostseezeitung“ berichtet. So sollen mehrere Mülltonnen in Brand gesteckt und Polizisten mit Steinen beworfen worden sein.

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14.07.2009 NPD-Blog
Neonazi-Überfall in Berlin: Haupttäter kommt offenbar aus Brandenburg
Nach Informationen von NPD-BLOG.INFO handelt es sich bei dem Haupttäter des Überfalls auf einen 22-Jährigen in Berlin um einen Neonazi aus Brandenburg. Es soll sich dabei um den 26-Jährigen Oliver K. handeln, der aus einem Dorf südöstlich von Berlin kommt. K. soll zudem bereits polizeilich bekannt sein.

Auf den Kopf eingetreten
In Friedrichshain-Kreuzberg ist am 12. Juli 2009 ein 22-Jähriger schwer verletzt worden, als er von vier Männern im Alter von 20, 22, 24 und 26 Jahren brutal zusammengeschlagen wurde. Er erlitt mehrere Brüche und Gehirnblutungen. Nach Polizeiangaben sind die mutmaßlichen Täter “offensichtlich der rechten Szene zuzuordnen”. Diese waren demnach gegen 5:45 Uhr auf einem Verbindungsweg zwischen dem U-Bahnhof und dem S-Bahnhof Frankfurter Allee zunächst mit etwa 10 jungen Männern aus dem linken Spektrum in Streit geraten, es gab eine Schlägerei. Dabei erlitt ein 26-Jähriger aus der vierköpfigen Gruppe eine Platzwunde. Ursprung des Streites war nach ersten Ermittlungen die einschlägige Kleidung von einem der vier Männer.
Nachdem die etwa zehn Linken verschwunden waren, suchten ersten Polizeierkenntnissen zufolge die vier Schläger grundlosen Streit mit Passanten. Vier Unbekannte junge Männer wurden von ihnen mit Schlägen und Tritten angegriffen. Sie flüchteten vor den aggressiven Angreifern, die in dem 22-Jährigen ein weiteres Opfer fanden. Auf ihn traten und schlugen die Männer so lange ein, bis er das Bewusstsein verlor. Der 26-Jährige Täter zog den wehrlosen Neuköllner auf den Gehweg, legte ihn mit dem Gesicht nach unten ab und trat mit dem rechten Bein auf dessen Hinterkopf. Von unbeteiligten Passanten alarmierte Polizisten nahmen die vier Schläger noch am Tatort fest. Der 22-jährige Mann kam mit einem Jochbeinbruch, schweren Prellungen und Hirnblutungen in ein Krankenhaus.

Haftbefehle sollten erlassen werden
Da von einer politischen Tatmotivation auszugehen sei, habe der Polizeiliche Staatsschutz beim Landeskriminalamt die Ermittlungen zu dem versuchten Totschlag übernommen. Wichtige Zeugenaussagen erhoffen sich die Ermittler insbesondere von den vier Unbekannten, die von den Schlägern angegriffen wurden und dann flüchten konnten. Die vier mutmaßlichen Täter sollten am Montag einem Ermittlungsrichter zum Erlass eines Haftbefehls vorgeführt werden.

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14.07.2009 Märkische Allgemeine
Brutale rechtsextreme Tat in Berlin

KÖNIGS WUSTERHAUSEN - Die vier jungen Männer, die Sonntag früh in Berlin-Friedrichshain einen ihnen unbekannten 22-jährigen Passanten wahllos überfallen und fast zu Tode getreten haben, stammen aus Brandenburg und sind Angehörige der rechtsextremen Szene. Der 26-jährige Hauptverdächtige Oliver K. wohnt nach MAZ-Information bei Königs Wusterhausen (Dahme-Spreewald).
Die 20 bis 26 Jahre alten Tatverdächtigen seien „in Brandenburg einschlägig bekannt“, und zwar nicht nur wegen rechtsextremer Delikte, teilte Miriam Tauchmann von der Berliner Polizei mit. Einer Organisation gehören die vier jedoch offenbar nicht an. Drei Tatverdächtige kommen aus dem Raum Königs Wusterhausen, einer stammt aus Storkow (Oder-Spree).
Über die von der Staatsanwaltschaft Berlin beantragten Haftbefehle wegen versuchten Totschlags wollte das Bereitschaftsgericht Tempelhofer Damm noch am Abend entscheiden, so der Sprecher der Anklagebehörde, Martin Steltner.
Der Gesundheitszustand des schwer verletzten 22-jährigen Opfers gilt als kritisch.
Der junge Mann aus Neukölln war zufällig in die Fänge der aggressiven Brandenburger geraten. Zunächst waren sie gegen 5 Uhr mit etwa zehn jungen Männern aus dem linken Spektrum in einen Streit geraten, der in einer Schlägerei endete, wie die Berliner Polizei bekanntgab. Oliver K. erlitt dabei eine Platzwunde.
Nach dieser Niederlage suchten die vier Märker grundlos Streit mit etlichen Passanten. Vier Personen wurden mit Fausthieben und Tritten attackiert, konnten jedoch rechtzeitig fliehen.
Dem 22-Jährigen Neuköllner glückte die Flucht nicht. Die Bande prügelte und trat ihn, bis er bewusstlos wurde. Dann soll Oliver K. das Opfer auf den Gehweg geschleift, dessen Gesicht nach unten gelegt und mit dem rechten Fuß auf den Hinterkopf getreten haben. Das Opfer kam mit Jochbeinbruch, schweren Prellungen und Hirnblutungen ins Krankenhaus.

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13.07.2009 Morgenpost
Neonazis prügeln Passanten fast zu Tode

Vier mutmaßliche Neonazis haben in Friedrichshain einen jungen Mann überfallen und lebensgefährlich verletzt. Als das Opfer bereits bewusstlos am Boden lag, trat einer der Täter auf dessen Kopf herum. Der Polizeiliche Staatsschutz ermittelt nun wegen versuchten Totschlags und sucht Zeugen.
Ein 22-jähriger Mann ist am Sonntagmorgen von vier mutmaßlichen Rechtsextremen in Friedrichshain zusammengeschlagen und schwer verletzt worden. Wie die Polizei mitteilte, schlugen die Männer im Alter von 20 bis 26 Jahren so lange auf den Mann ein, bis er das Bewusstsein verlor.
Daraufhin habe der 26-jährige Täter den wehrlosen Berliner auf den Gehweg gezogen, ihn mit dem Gesicht zum Boden abgelegt und sei dann mit dem rechten Bein auf dessen Hinterkopf getreten. Der 22-Jährige wurde den Angaben zufolge mit einem Jochbeinbruch, schweren Prellungen und Hirnblutungen ins Krankenhaus gebracht.
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sprach von einem schrecklichen Vorgang, der zu verurteilen sei. Das Geschehen zeige, wohin es führen könne, wenn Gewalt zur politischen Auseinandersetzung gebraucht wird, erklärte der Senator.
Der Gewalttat ging nach Polizeiangaben ein Streit mit etwa zehn jungen Männern aus dem linken Spektrum voran. Es sei zu einer Schlägerei gekommen, bei denen der 26-Jährige aus der vierköpfigen Gruppe eine Platzwunde erlitten habe. Als die Männer aus der linken Szene verschwunden waren, hätten die vier Schläger im Alter von 20, 22, 24 und 26 Jahren grundlos Passanten angegriffen.
Zunächst seien vier unbekannte junge Männer von ihnen mit Schlägen und Tritten attackiert worden, erklärte die Polizei. Als die vier vor den aggressiven Angreifern flohen, hätten sie den 22-Jährigen als weiteres Opfer gefunden. Nach der Gewalttat seien die vier Männer noch am Tatort festgenommen worden. Der Polizeiliche Staatsschutz hat die Ermittlungen zu dem versuchten Totschlag übernommen.
Der genaue Tathergang ist bislang aber noch unklar. Daher bittet der Polizeiliche Staatsschutz Augenzeugen des Vorfalls, sich unter der Telefonnummer (030) 4664-909 040 oder bei jeder anderen Polizeidienststelle zu melden. Wichtige Zeugenaussagen erhoffen sich die Ermittler insbesondere von den vier Unbekannten, die von den Schlägern angegriffen wurden und dann flüchten konnten. Die vier mutmaßlichen Täter werden morgen einem Ermittlungsrichter zum Erlass eines Haftbefehls vorgeführt.

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12.07.2009 RBB
Rechte schlagen 22-Jährigen bewusstlos

In Berlin-Friedrichshain ist am Sonntagmorgen ein 22-jähriger Mann von vier mutmaßlichen Rechtsextremen zusammengeschlagen und schwer verletzt worden.
Wie die Polizei mitteilte, schlugen die Männer im Alter von 20 bis 26 Jahren so lange auf den Mann ein, bis er das Bewusstsein verlor. Das Opfer musste mit Hinrblutungen ins Krankenhaus gebracht werden.
Die Polizei nahm die vier Gewalttäter noch am Tatort fest. Inzwischen hat der Staatsschutz die Ermittlungen aufgenommen.
Erst am Samstagabend war es in Berlin-Hellersdorf zu einem fremdenfeindlichen Zwischenfall gekommen. Ein unbekannter Täter beleidigte einen 46 Jahre alten Mann und schlug ihm eine Bierflasche gegen den Kopf, wie die Polizei am Sonntag mitteilte. Der Staatsschutz ermittelt.
Der Mann war mit seinem Fahrrad in der Hellersdorfer Straße unterwegs, als ihn der Unbekannte angriff und wegen seiner Hautfarbe beschimpfte. Der Täter flüchtete. Das Opfer wurde nach eigenen Angaben nicht verletzt.

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12.07.2009 BZ
Neonazis prügeln Passanten fast tot
Unfassbare Brutalität: Vier Neonazis prügelten einen Mann erst bewußtlos, traten ihn dann fast tot.

Ein 22-jähriger Mann ist am Sonntagmorgen gegen 5.45 Uhr von vier mutmaßlichen Rechtsextremen in Friedrichshain zusammengeschlagen und schwer verletzt worden. Laut Polizei schlugen die Männer im Alter von 20 bis 26 Jahren so lange auf den Mann ein, bis er das Bewusstsein verlor. Doch damit hatten die brutalen Angreifer noch nicht genug. Als das Opfer bewusstlos dalag, zog der 26-jährige Haupttäter den wehrlosen Berliner auf den Gehweg, legte ihn mit dem Gesicht zum Boden ab und trat dann mit dem rechten Bein auf dessen Hinterkopf. Unfassbar, anscheinend nahmen die Täter den Tod des Opfers einfach in Kauf. Im Anti-Neonazi-Film "American History X" wird in einer ähnlichen Szene ein Mann getötet, als ihm ein Neonazi auf den Kopf tritt, als das Opfer wehrlos auf dem Bürgersteig liegt.
Der 22-Jährige aus Neukölln wurde den Angaben zufolge mit einem Jochbeinbruch, schweren Prellungen und Hirnblutungen ins Krankenhaus gebracht.
Der Gewalttat ging nach Polizeiangaben ein Streit mit etwa zehn jungen Männern aus dem linken Spektrum voran. Es sei zu einer Schlägerei gekommen, bei denen der 26-Jährige aus der vierköpfigen Gruppe eine Platzwunde erlitten habe. Als die Männer aus der linken Szene verschwunden waren, hätten die vier Schläger grundlos Passanten angegriffen.
Zunächst seien vier unbekannte junge Männer von ihnen mit Schlägen und Tritten attackiert worden, erklärte die Polizei. Als die vier vor den aggressiven Angreifern flohen, hätten sie den 22-Jährigen als weiteres Opfer gefunden. Nach der Gewalttat seien die vier Männer noch am Tatort festgenommen worden. Der Polizeiliche Staatsschutz hat die Ermittlungen zu dem versuchten Totschlag übernommen. Die mutmaßlichen Täter sollten noch am Montag einem Haftrichter vorgeführt werden.
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sprach von einem schrecklichen Vorgang, der zu verurteilen sei. Das Geschehen zeige, wohin es führen könne, wenn Gewalt zur politischen Auseinandersetzung gebraucht wird, erklärte der Senator.

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28.03.2009 Morgenpost
20 Personen attackieren Thor-Steinar-Geschäft

Die Serie von Anschlägen auf Geschäfte der bei Rechtsextremen beliebten Marke Thor Steinar reißt nicht ab. Rund 20 Personen versuchten Samstagabend in das Geschäft in Friedrichshain zu gelangen. Als sie daran gehindert wurden, warfen sie mit Flaschen.
Unbekannte haben gestern Abend zwei Bierflaschen gegen das Thor-Steinar-Geschäft in der Petersburger Straße in Friedrichshain geworfen. Nach ersten Erkenntnissen der Polizei wollten gegen 19 Uhr etwa 20 Personen das Geschäft betreten, was ihnen aber nicht gestattet wurde. Danach warfen sie die Flaschen gegen die Eingangstür, wodurch die Scheibe beschädigt wurde. Die Täter flüchteten in unbekannte Richtung. Da eine politische Tatmotivation nicht auszuschließen ist, hat der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamtes die Ermittlungen übernommen.
Zuletzt waren am Donnerstag zwei Thor-Steinar-Läden in Berlin angegriffen worden. Maskierte hatten Schaufensterscheiben und Kleidungsstücke der bei Rechtsextremen beliebten Marke beschädigt. Die Polizei geht von politisch motivierten Anschlägen vermutlich aus der linksextremen oder autonomen Szene aus. Die Maskierten hatten das Geschäft in der Petersburger Straße unter anderem mit Steinern beworfen, das andere mit Farbe bespritzt.
Die Marke „Thor Steinar“ gilt als Kennzeichen von Neonazis und Rechtsextremisten. Seit der Eröffnung der Geschäfte gab es immer wieder Proteste, Demonstranten zogen vor den Laden in Friedrichshain, Steine und Farbbeutel wurden gegen die Fassade geworfen. Inzwischen wurde dem Geschäft von der Hausverwaltung gekündigt.

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27.03.2009 Morgenpost
Berliner Thor-Steinar-Läden zeitgleich attackiert

Maskierte haben die beiden umstrittenen Thor-Steinar-Läden in Berlin angegriffen: den in Friedrichshain mit Pflastersteinen, den in Mitte mit Farbe - und das zur gleichen Zeit. Verletzt wurde bei den Anschlägen gegen die bei Rechtsextremen beliebten Geschäfte niemand ernsthaft.
Zwei Thor-Steinar-Läden in Berlin sind von maskierten Männern angegriffen worden. Dabei wurden Schaufensterscheiben und Kleidungsstücke der bei Rechtsextremen beliebten Marke beschädigt, aber kein Mensch verletzt. Die Polizei geht von einem politisch motivierten Anschlag vermutlich aus der linksextremen oder autonomen Szene aus.
Laut Polizei hielten gegen 11 Uhr vier maskierte Radfahrer vor dem Geschäft in der Petersburger Straße in Friedrichshain und warfen Pflastersteine in die Schaufenster. Danach flogen „stark qualmende Gegenstände“ durch die Tür bis in den hinteren Bereich des Ladens. Die Täter flüchteten.
Fast zur gleichen Zeit betraten vier Maskierte das andere Thor- Steinar-Geschäft in der Rosa-Luxemburg-Straße in Mitte und verspritzten Farbe im Verkaufsraum. Anschließend flüchteten sie. Eine 23-jährige Verkäuferin wurde ambulant behandelt, weil sie über Atemnot klagte.
Die Marke „Thor Steinar“ gilt als Kennzeichen von Neonazis und Rechtsextremisten. Seit der Eröffnung der Geschäfte gab es immer wieder Proteste, Demonstrationen zogen vor den Laden in Friedrichshain, Steine und Farbbeutel wurden gegen die Fassade geworfen. Inzwischen wurde dem Geschäft von der Hausverwaltung gekündigt. Auch gegen den ersten Laden liefen Kündigungsklagen.

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23.03.2009 Neues Deutschland
Kein Bock auf den rechten Mob
In Friedrichshain demonstrierten erneut 1500 Menschen gegen den »Thor-Steinar«-Outlet

Von Martin Kröger

»Der Mann sieht aber lustig aus.« Die fünfjährige Smilla Hartmann muss lachen, als ein Jugendlicher im Elchkostüm mit Hörnern auf dem Kopf vorbeigetanzt kommt. Rund um das kleine Mädchen, die mit ihrer Mutter zur Parade »Kein Kiez für Nazis!« in Friedrichshain gekommen ist, tanzen und laufen am Sonnabend rund 1500 Demonstranten. Im Vergleich zu den anderen Aufzügen, die sich an den vergangenen Wochenenden gegen den Laden, der die bei Neonazis beliebten Klamottenmarke »Thor Steinar« verkauft, richteten, ist das Bild der Kiezparade deutlich bunter: Luftballons und Seifenblasen kreisen über den Protestierenden, von denen viele wie der Elch-Jungendliche kostümiert sind oder sich angemalt haben. Aus den Boxen von fünf verzierten Lkw wummert basslastige elektronische Musik.
Der Protest ist immer am stärksten, wenn sich alle zusammentun: Skater, Verwaltungsbeamte, Politiker, Künstler, Nachtschwärmer, Linke, Anwohner und alternative Jugendliche«, meint Erik Pikur von der Hedonistischen Internationale. Die Gruppe, bei der auch viele Clubbetreiber aus dem Nachtleben mitmachen, hatte bereits 2006 erfolgreich zwei solcher Kiezparaden organisiert. Der Grund war damals wie heute derselbe: Auch nach den jüngsten Zahlen der Opferberatungsstelle Reach Out liegt Friedrichshain weiter mit Abstand an der Spitze der rechtsextremen Übergriffe in Berlin. »Organisierte Neonazis und ihr rechter Hooligananhang haben sich den eher alternativen Bezirk am Wochenende für ihre Überfälle auserkoren«, sagt Erik Pikur. Mit der Eröffnung des Thor-Steinar-Outlets am Frankfurter Tor würde sich diese gefährliche Tendenz noch verschärfen, befürchten wie er viele, die auf die Parade gekommen sind.
Dass der Vermieter dem »Tromsø« in der vergangenen Woche gekündigt hat, wird auf der Kiezparade indes ausführlich gefeiert. Nur gibt sich niemand der Illusion hin, dass der Laden damit wirklich in kurzer Zeit verschwinden wird. Wie in Mitte, wo ein ähnliches Geschäft in der Rosa-Luxemburg-Straße existiert, wird es zu einem langen Rechtsstreit kommen, vermuten dagegen viele. Dennoch: »Es ist ein Erfolg, dass jetzt auch juristisch gegen den Laden vorgegangen wird«, sagt der Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele (Grüne). Ein Fortschritt, der seiner Meinung nach ohne den permanenten Druck auf der Straße undenkbar gewesen wäre. Inzwischen wird gegen den Ladenbetreiber auch wegen der »Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener« ermittelt. Ein SPD-Lokalpolitiker hatte die Anzeige gestellt, da sich das Geschäft in unmittelbarer Nähe zum SA-Sturmlokal »Keglerheim« befindet, in dem 1933 Hunderte Antifaschisten von den Nazis gefoltert und drangsaliert wurden.
Wie auch immer die juristischen Prozesse ausgehen mögen, für die Friedrichshainer Initiative gegen Rechts etwa, die sich seit drei Jahren ebenfalls maßgeblich gegen die Neonazis vor Ort stemmt, steht fest, dass der Widerstand weitergehen muss. »Die Kündigung ist kein Grund, mit dem Protest aufzuhören«, sagt die SPD-Abgeordnete Canan Bayram, die die Parade angemeldet hat. Der größte Erfolg der vergangenen Wochen dürfte jedoch sein, dass inzwischen Zehntausende in der Stadt wissen, was sich hinter der Modemarke »Thor Steinar« eigentlich verbirgt.

Die Bekleidungsmarke »Thor Steinar«
»Thor Steinar« gilt als ein Erkennungszeichen rechtsextremer Kreise. Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes steht die Marke der Neonazi-Szene nahe. »Thor Steinar« gehört zur Firma Mediatex, die im brandenburgischen Zeesen nahe Berlin sitzt und die Marke 2002 registrieren ließ. Thor ist der germanische Donnergott, der Name Steinar spielt nach einigen Deutungen auf einen General der Waffen-SS, Felix Steiner, an.
Das Symbol von »Thor Steinar« ist eine germanische Rune, die aussieht wie ein Andreaskreuz. Ein älteres Symbol der Firma, das aus zwei Runen bestand, wurde in einigen Bundesländern verboten, da es Nazi-Symbolen ähnelte. Untersagt wurde Mediatex auch, die norwegische Flagge auf ihren Textilien abzubilden, weil sie als staatliches Hoheitszeichen geschützt ist.
Die Firma Mediatex und ihre bisherigen Besitzer distanzieren sich nicht von der rechtsextremen Szene, die ihre Kleidung trägt. Das unterscheidet sie von anderen Herstellern wie »Lonsdale« oder »Fred Perry«, die mit Neonazis nichts zu tun haben wollen. Offenbar gibt es seit neuestem eine Beteiligung eines Investors aus Dubai an »Thor Steinar«, was Rechtsextreme kritisieren. dpa/ND

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23.03.2009 Die ZEIT
Berlin: 700 Menschen protestieren gegen "Thor Steinar"-Laden

Kiezparade gegen Nazis: Im Berliner Bezirk Friedrichshain haben mehrere hundert Menschen gegen ein Bekleidungsgeschäft der umstrittenen Modemarke "Thor Steinar" protestiert.
Nach Angaben einer Sprecherin verlief die Protest-Veranstaltung ohne Zwischenfälle. Die Organisatoren hatten ursprünglich mit lediglich 200 Teilnehmern gerechnet. Die überwiegend linksgerichteten Demonstranten hatten sich am Mittag am Boxhagener Platz versammelt und zogen dann zu dem Geschäft in der Petersburger Straße, wo die Veranstaltung gegen 16 Uhr 30 endete. Sie hielten Schilder hoch mit Aufschriften wie "Kein Bock auf Nazis" und "Lieber nackt als Thor Steinar".
Seit der Eröffnung des Ladens am 28. Februar hat es nahezu jedes Wochenende Proteste gegeben. Am 7. März demonstrierten rund 2000 Teilnehmer gegen das Geschäft, das ausschließlich "Thor Steinar"-Kleidung vertreibt. Die Marke ist wegen ihrer völkischen Symbolik vor allem in der rechten Szene beliebt. (mpr/ddp)

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23.03.2009 Junge Welt
Nackt gegen Nazis
In Berlin protestierten über 1000 Menschen gegen eine bei Rechten beliebte Bekleidungsmarke. Gleichzeitig kündigte die Firma an, ins Ausland expandieren zu wollen

Der Protest gegen den Thor-Steinar-Laden im Berliner Stadtteil Friedrichhain hält an. Rund 1500 Menschen – nach Polizeiangaben sollen es 600 gewesen sein – protestierten am Samstag mit einer »Kiezparade« gegen ein Bekleidungsgeschäft der bei Neonazis beliebten Modemarke. »Unser Ziel ist es zu zeigen, daß wir rechte Strukturen in unserem Viertel nicht dulden«, sagte Erich Pikur vom linken Netzwerk »Hedonistische Internationale«.
Die Demonstranten hatten sich am Boxhagener Platz versammelt und zogen dann zu dem Geschäft in der Petersburger Straße, wo die Abschlußkundgebung stattfand. Auf Schildern stand unter anderem »Kein Bock auf Nazis« und »Lieber nackt als Thor Steinar«. Einige Demoteilnehmer zeigten, was sie von »Thor Steinar« halten und zeigten ihre entblößten Hintern. Seit der Eröffnung des Ladens am 28. Februar hat es nahezu jedes Wochenende Proteste gegeben. So demonstrierten am 7. März ebenfalls rund 1500 Menschen gegen das Geschäft.
Unterdessen erklärte der Immobi­lieneigentümer, daß er »alle rechtlichen Maßnahmen ausschöpfen« will, um den Vertrieb von »Thor Steinar« in dem Objekt zu unterbinden. Mittlerweile soll der Mietvertrag wegen »arglistiger Täuschung« fristlos gekündigt worden sein. Der Hausverwaltung sei nicht bekannt gewesen, daß Bekleidung dieser Marke verkauft werden sollte, hieß es.
Gleichzeitig stellte Lorenz Postler von der SPD-Fraktion der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg Strafanzeige gegen den Ladenbetreiber wegen »Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener«. In dem Haus, in dem sich das Geschäft befindet, wurden 1933 Hunderte Antifaschisten von den Nazis grausam mißhandelt und ermordet. Noch heute erinnert eine Gedenktafel an diese Ereignisse.
»Wir begrüßen die Kündigung, doch rechtliche Schritte allein können uns nicht viel weiterhelfen«, sagte ein Redner während der »Kiezparade«. Andere Fälle hätten gezeigt, daß einer Kündigung oft monatelange juristische Auseinandersetzungen folgen. Man werde daher weiter gegen das Geschäft mobilisieren.
Nach Angaben der Berliner Morgenpost wurde die Bekleidungsmarke, die von der »Media Tex GmbH« vertrieben wird, bereits Ende vergangenen Jahres von einem arabischen Investor übernommen. Wie der bisherige Geschäftsführer Uwe Meusel dem Blatt sagte, will das Unternehmen aus Königs Wusterhausen nun weltweit expandieren. Geplant seien in Deutschland 20 zusätzliche Geschäfte sowie Neueröffnungen in Nordamerika, Rußland, Asien und dem Baltikum.

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22.03.2009 TAZ
Thor von Arabien

700 Linke protestieren gegen einn Laden in Berlin-Friedrichshain, der "Thor Steinar"-Klamotten verkauft. Doch das Label soll einem Araber gehören - und nun sind auch die Rechten sauer. VON KRISTINA PEZZEI

Die Proteste nehmen kein Ende - sondern zu: Bei einer "Kiezparade" in Friedrichshain haben am Samstag laut Polizei etwa 700 Menschen gegen den Bekleidungsladen "Tromsø" demonstriert, in dem Klamotten der bei Rechten beliebten Marke "Thor Steinar" verkauft werden. Die Organisatoren hatten mit lediglich 200 Teilnehmern gerechnet. Es war bereits die dritte Kundgebung gegen das umstrittene Geschäft seit der Eröffnung vor drei Wochen.
Die Demonstranten trafen sich am Mittag am Boxhagener Platz und zogen zu dem Geschäft in der Petersburger Straße, wo die Veranstaltung gegen 16.30 Uhr endete. Auf Schildern waren Aufschriften wie "Kein Bock auf Nazis" und "Lieber nackt als Thor Steinar" zu lesen. Zu dem erneuten Protest hatte die "Initiative gegen Rechts Friedrichshain" aufgerufen; daneben beteiligten sich Gruppen wie die Hedonistische Internationale (HI) und die Antifa Friedrichshain sowie Vertreter der Linken und der Grünen.
Der Polizei zufolge blieb die Veranstaltung friedlich - anders als noch vor einer Woche. Damals stürzten Protestierer bei den sogenannten Freiraum-Aktionstagen am Frankfurter Tor einen Polizeiwagen um; außerdem wurden die Scheiben eines Fastfood-Restaurants zerstört. Am Wochenende zuvor hatten laut damaligem Veranstalter 2.000 Menschen gegen das Ende Februar eröffnete Geschäft demonstriert.
Dem Laden droht indes ohnehin das Aus. Der Vermieter hat den Vertrag mit der Skytec Outlets GmbH fristlos gekündigt, da er sich arglistig getäuscht sah, wie Jan Bamberger von der Hausverwaltung sagte. Der Marke "Thor Steinar", die wegen ihrer früheren Symbolik vor allem in der rechten Szene beliebt ist, drohen darüber hinaus empfindliche Umsatzeinbußen: Nach Medienberichten und Blogs ist bei dem Label Ende vergangenen Jahres ein arabischer Investor eingestiegen, die Rechten fühlten sich nun getäuscht.
Hinter "Thor Steinar" steckt die Firma Mediatex aus Königs Wusterhausen. Laut dem Handelsregister des Amtsgerichtes Potsdam ist als Geschäftsführer nicht mehr nur Uwe Meusel, sondern auch der in Dubai geborene Mohammed M. Aweidah aufgeführt. Ein Gerichtssprecher bestätigte der Süddeutschen Zeitung, dass entsprechende Dokumentkopien im Internet echt seien. Weitere Änderungen im Handelsregister seien beantragt. Uwe Meusel habe inzwischen die Geschäftsführertätigkeit niedergelegt, sagte der Sprecher weiter. Als Gesellschafter fungiere inzwischen die International Brands General Trading mit Sitz in Dubai, Geschäftsleiter sei Faisal al Zarooni. Der Berliner Morgenpost sagte Meusel, das Unternehmen wolle nun weltweit expandieren und in Deutschland 20 weitere Geschäfte eröffnen.
"Bei den Neonazis könnte es bald zu Kleider- statt Bücherverbrennungen kommen", feixte prompt ein Schreiber im "NPD-Blog.Info". In rechtsextremen Foren werde bereits zum Boykott der Marke aufgerufen. Geschäftsführer Meusel habe seine Klientel - die rechten Käufergruppen - verraten.


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19.03.2009 Morgenpost
Thor Steinar: Anzeige gegen Ladeninhaber

Lorenz Postler, SPD-Bezirksverordneter und ehemaliger Stadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg, hat bei der Polizei Strafanzeige gegen den seit Wochen heftig umstrittenen Thor-Steinar-Laden in Friedrichshain gestellt.
Der Vorwurf lautet auf "Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener". Hintergrund der Anzeige laut Postler: Das Geschäft, das Kleidung der in der rechtsradikalen Szene beliebten Marke Thor Steinar vertreibt, befindet sich in einem Gebäude, in dem 1933 mehr als 100 Antifaschisten von Nazis gefoltert und einige ermordet wurden. Wenige Schritte neben dem Ladeneingang erinnert eine Gedenktafel an den sogenannten "Mörderkeller".
Die Marke Thor Steinar ist wegen der Verwendung bestimmter Symbole bei Neonazis beliebt. Das Tragen der Kleidung ist in vielen öffentlichen Gebäuden verboten. Seit Eröffnung des Ladens in Friedrichshain Anfang März ist es - wie berichtet - wiederholt zu Protesten linker Gruppen gekommen.

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16.03.2009 Tagesspiegel
Thor-Steinar-Laden gekündigt

Zeichen gegen Rechts:Dem Friedrichshainer Thor-Steinar-Laden "Tromsø" wurde die Kündigung geschickt. Derweil arbeiten Juristen an Vorlagen für Gewerbemietverträge, mit denen sich Hauseigentümer rechtslastige Ladenmieter vom Hals halten könnten.
Berlin - Erst sind die Schaufensterscheiben zerschlagen worden, dann protestierte die linke Szene gegen das Geschäft, nun soll der Laden „Tromsö“ in der Petersburger Straße 94 schließen. Zwei Wochen nach Eröffnung wurde den Betreibern des Friedrichshainer Kleidungsgeschäfts gekündigt. Der Vermieter, die SF-Immobilienfonds-Gruppe, fühle sich getäuscht, weil in dem Laden vor allem Kleidung der bei Neonazis beliebten Marke „Thor Steinar“ verkauft wird, sagte ein Mitarbeiter der zuständigen Hausverwaltung dem Tagesspiegel.
Die Brandenburger Firma Mediatex, der Hersteller der Marke, könnte bald grundsätzliche Schwierigkeiten haben, Mietverträge zu unterschreiben. Derzeit werden von Juristen der „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus“ (MBR) spezielle Klauseln für Gewerbemietverträge ausgearbeitet: Diese sollen Nutzer von Ladenflächen dazu verpflichten, kein Verkaufssortiment zu führen, das rechtsextreme, rassistische oder antisemitische Inhalte fördert.
Wie wirksam solche Verträge sein können, musste am vergangenen Wochenende die rechtsextreme NPD erfahren: In einem Nutzungsvertrag für Bezirksräume in Lankwitz stand die Klausel, der Mieter sei nicht berechtigt, die Räume „zur Durchführung von Veranstaltungen zu nutzen, auf denen rechtsextremes, rassistisches, antisemitisches oder antidemokratisches Gedankengut dargestellt und/oder verbreitet wird“. Das betrifft nicht nur die mietende Partei, sondern auch deren Besucher. Die NPD wollte diesen Vertrag „nur unter Vorbehalt“ unterschreiben – und bekam die Räume vergangenes Wochenende deshalb nicht.
Das Verwaltungsgericht hatte einen Eilantrag der Partei gegen den Mietvertrag abgelehnt. Die NPD äußerte den Verdacht, der Mietvertrag des Bezirksamts sei mithilfe der staatlich geförderten MBR entstanden. Die Experten hatten vor wenigen Monaten ein Heft veröffentlicht, um rechtsextreme „Anmietungsversuche“ unter anderem mit Mustermietverträgen zu verhindern. „Eine Hilfe für Ladenvermieter wird es voraussichtlich schon diesen Sommer geben“, sagte Bianca Klose von der MBR. Mediatex wollte sich dazu am Montag auf Nachfrage nicht äußern.
Da sich Pullover, Jacken und T-Shirts von „Thor Steinar“ gut verkaufen, ist davon auszugehen, dass demnächst ein ähnlicher Laden eröffnen wird – so wie in der Vergangenheit derartige Geschäfte geschlossen und später woanders aufgemacht worden sind.
„Thor Steinar“ hat seit Jahren Probleme mit der Justiz: 2004 hatten Staatsanwälte Kleidungsstücke der Marke beschlagnahmen lassen – wegen Verdachts der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Die Runen ähnelten Nazisymbolen, hieß es. Erst im Herbst 2008 wurden die Inhaber des Ladens „Tönsberg“ in Mitte dazu verurteilt, das Geschäft zu räumen. Sie legten Widerspruch ein. Die Vermieter der Ladenfläche in der Petersburger Straße stellen sich deshalb auf einen langen Rechtsstreit ein.

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15.03.2009 TAZ
"Tromsø" soll dichtmachen

Dem Friedrichshainer "Thor Steinar"-Laden wird fristlos gekündigt. Der Eigentümer sieht sich vom Mieter "arglistig getäuscht" und will ihn schnell loswerden. Anwohner wollen weiter protestieren. VON KONRAD LITSCHKO

Nur zwei Wochen nach seiner Eröffnung hat der Friedrichshainer Thor-Steinar-Laden "Tromsø" in der Petersburger Straße die Kündigung auf dem Tisch. "Der Vermieter hat den Mietvertrag mit der Skytec Outlets GmbH aufgrund arglistiger Täuschung angefochten und eine fristlose Kündigung ausgesprochen", teilte Jan Bamberger von der Hausverwaltung der taz mit. Die SF-Immobilienfonds-Gruppe, der das Gebäude gehört, sei von Skytec nicht über den geplanten Verkauf der bei Rechtsextremen beliebten Modemarke Thor Steinar informiert worden. "Der Eigentümer wird alle rechtlichen Maßnahmen ausschöpfen, um den Vertrieb von Thor Steinar in dem Objekt zu unterbinden", so Bamberger.
Seit der Eröffnung des "Tromsø" Ende Februar gibt es Proteste gegen das Geschäft. Zwei Demonstrationen zogen vor den Laden, Steine und Farbbeutel flogen an die Fassaden. Auch der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg lehnt das Geschäft ab. "Wir begrüßen daher das schnelle Vorgehen des Vermieters", freute sich am Sonntag Marianne Burkert-Eulitz (Grüne), Vorsteherin der Bezirksverordnetenversammlung. Ausdrücklich habe der Bezirk die Initiativen gegen das Geschäft unterstützt. Auch hatte Bezirksbürgermeister Franz Schulz das Gespräch mit dem Eigentümer gesucht.
"Da der Mieter weiß, wie auf seine Thor-Steinar-Läden reagiert wird, muss er vor der Vertragsentscheidung auf das Sortiment und die mögliche Gefährdung des Gebäudes durch Gegenprotest hinweisen", erklärte Canan Bayram. Die SPD-Abgeordnete und Sprecherin der Initiative gegen Rechts Friedrichshain begrüßte die Kündigung.
Auch Holger Förster, Geschäftsführer des Verbands für interkulturelle Arbeit, zeigte sich erleichtert. Sein Verein kümmert sich um Sozialbetreuung für Migranten und ist direkter Nachbar des "Tromsø". "Das Geschäft und seine rechtsextremen Kunden stellen eine Provokation dar, gerade für unsere afrikanische Klientel", so Förster. Er berichtet von Drohungen von Objektschützern des Thor-Steinar-Ladens gegen seine Mitarbeiter. Die Kündigung sei daher eine "absolut gute Nachricht".
Richtiger Jubel erklang dennoch nicht. Förster verweist auf die beiden anderen Thor-Steinar-Läden in Berlin: Erst im November letzten Jahres gab es eine Räumungsklage gegen das Sportgeschäft Doorbreaker im Friedrichshainer Ringcenter. Der Inhaber des Ladens in der Rosa-Luxemburg-Straße wurde schon im Oktober vom Berliner Landgericht zur Räumung des Geschäfts verurteilt. Beide Läden sind immer noch geöffnet.
"Unser Protest wird daher weitergehen", kündigte Canan Bayram an. Am Samstag wird es eine große Kiezdemo gegen "Tromsø" geben. Gegenwehr droht dem Laden auch von anderer Seite: Laut Medienberichten habe die gleichnamige norwegische Stadt das Modelabel aufgefordert, den Namen Tromsø niederzulegen.

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09.03.2009 MUT
Berlin: 40 Prozent mehr rassistische Gewalt

In Berlin ist 2008 die Zahl rassistisch motivierter Angriffe massiv um insgesamt 40 Prozent gestiegen. Insgesamt registrierte die Berliner Opferberatungsstelle 'ReachOut ' 148 rechte, rassistisch, antisemitisch und homophob motivierte Übergriffe - im Jahr 2007 waren dies 'nur' 112. Nicht alle diese Fälle wurden öffentlich bekannt. Einige der Opfer lehnen aus Angst vor weiteren Gewalttaten jede Form der Veröffentlichung des Angriffs ab, teilte 'Reach Out' auf einer Pressekonferenz mit. In 65 (2007:39) Fällen wurden Menschen aus rassistischen Motiven angegriffen. Diese stellten mit Abstand die größte Opfer-Gruppe dar. 26 Gewalttaten trafen Linke (2007: 30), vor allem AntifaschistInnen, gegen nicht-rechte, alternative Jugendliche und Erwachsene richteten sich 30 (2007: 28) Angriffe, 4 Angriffe waren antisemitisch motiviert.
Erfahrungsgemäß handelt es sich bei diesen Fällen nicht um klar eingrenzbare Tätergruppen. Angreifer, die der rechtsextremen Szene oder deren Umfeld zu zurechnen sind, greifen in erster Linie Linke oder alternative Jugendliche an. 86 (2007: 70) Angriffe fanden im öffentlichen Raum statt. Insgesamt 39 (2007: 25) Gewalttaten wurden in öffentlichen Verkehrsmitteln und Bahnhöfen verübt. Die meisten Angriffe geschahen an Wochenenden.
Im Stadtbezirk Friedrichshain wurde mit 30 (2007: 24) Gewalttaten die höchste Angriffszahl registriert. 15 (2007: 14) Attacken wurden für Lichtenberg) dokumentiert. Es folgen Pankow mit 14 (2007: 11), Marzahn mit 12 (2007. 7), Treptow (4) und Neukölln (2007: 5) mit je 9 Angriffen. Während in Friedrichhain die Angriffe gegen nicht rechte, alternative Jugendliche überwiegen, sind in Lichtenberg die meisten Angriffe rassistisch motiviert gegen vermeintliche 'Ausländer' (7) oder richten sich gegen Linke bzw. gegen AntifaschistInnen (5). Auch in Marzahn und Neukölln ist der größte Teil der Angriffe rassistisch motiviert.

Ein Ost-West-Problem?
„Rassistisch motivierte Übergriffe haben mit 65 Fällen eine besorgniserregende Größe erreicht“, betonte die Sprecherin von ReachOut Sabine Seyb. Nach Erfahrungen der Initiative gehen im Laufe eines Jahres immer noch zahlreiche Nachmeldungen für das Vorjahr ein. Seyb glaube aber nicht, dass es entsprechend solcher Taten Unterschiede zwischen Ost und West gebe. Gerade aus Neukölln oder Spandau seien rassistisch, antisemitisch und homophob motivierte Taten bekannt. Sie sprach sich für eine Ausweitung der Erhebung auf ganz Berlin aus und sicherte interessierten Bürgerforen Unterstützung zu.
Seyb kritisierte in diesem Zusammenhang Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Von ihm liege noch keine offizielle Kriminalitätsstatistik für 2008 vor, alle Anfragen von ReachOut habe Körting „scheitern lassen“. Zudem wäre es in Ländern wie Brandenburg oder Sachsen-Anhalt möglich, einen monatlichen Abgleich mit dieser Statistik vorzunehmen. Eine Sprecherin Körtings zeigte sich über die Vorwürfe „erstaunt“. Für Berlin sei eine Vorlage der polizeilichen Kriminalstatistik im März üblich.

In Pankow ein Drittel mehr Vorkommnisse

Zusätzlich zu den Erhebungen von ReachOut stellten am Montag verschiedene Anti-Gewalt-Initiativen von ihnen selbst erstellte Register für die Bezirke vor. Sie erfassen - basierend auf eigenen Recherchen und Bürgerhinweisen - auch Vorfälle wie extremistische Veranstaltungen, Aufkleber oder Plakate mit extremistischen Inhalten, Pöbeleien sowie Graffiti-Schmierereien. Einbezogen sind auch die gewalttätigen Übergriffe.
In Treptow-Köpenick wurden 2008 allein 149 überwiegend sogenannte Propagandadelikte registriert. „Schwerpunkte sind die Stadtteile Schöneweide, Altglienicke und das Gebiet um den S-Bahnhof-Köpenick“, sagte Kati Becker vom Register des Bezirks. Lichtenberg registrierte einen leichten Rückgang auf 106 Fälle, wovon 35 Fälle Angriffe auf Personen waren.
Im Bezirk Pankow wurde mit 133 Vorfällen ein Drittel mehr Vorkommnisse als im Jahr 2007 erfasst. Hier haben sich Pankow-Zentrum, Prenzlauer Berg und Weißensee als Gewalt-Hochburgen herauskristallisiert. Für Marzahn-Hellersdorf wurden seit Start des Registers im Jahr 2008 95 vorwiegend rechtsextreme Aktivitäten vermerkt. Es gab allein zehn Konzerte von extrem Rechten.

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09.03.2009 Morgenpost
Gewalttätiger Demonstrant wurde festgenommen

Bei der Samstag-Demonstration gegen die geplante Eröffnung einer "Thor Steinar"-Boutique an der Petersburger Straße ist es zu Ausschreitungen gekommen. Ein Demonstrant warf eine Flasche in Richtung Polizei. Er wurde festgenommen. Verletzt wurde niemand.

Rund 750 Demonstranten haben am Samstag weitgehend friedlich gegen das neue „Thor Steinar“-Geschäft in Berlin-Friedrichshain protestiert. Wie die Polizei am Sonntag mitteilte, wurden sechs Teilnehmer unter anderem wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und Körperverletzung festgenommen. Gegen einen 26-jährigen Pankower wurde Haftbefehl erlassen, nachdem er eine Flasche in Richtung der Beamten geworfen hatte. Verletzt wurde niemand. Insgesamt wurden zwölf Strafermittlungsverfahren unter anderem wegen des Verstoßes des Versammlungsgesetzes, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, schweren Landfriedensbruchs und Beleidigung eingeleitet.
Die Demonstranten waren am Nachmittag von der Warschauer Brücke bis vor den Laden in die Petersburger Straße gezogen. Die Kundgebung war von der Berliner SPD-Politikerin Canan Bayram organisiert worden. Erst am vergangenen Samstag hatten etwa 170 Teilnehmer gegen die Eröffnung des Geschäfts in Friedrichshain demonstriert. Die Modemarke „Thor Steinar“ gilt als Kennzeichen von Rechtsextremisten. Im Oktober vergangenen Jahres musste ein Laden in Berlin-Mitte nach einer Räumungsklage geschlossen werden.

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09.03.2009 Berliner Zeitung
"Thor Steinar als Putzlappen"

Trotz Kälte und Nieselregen protestierten rund 1000 Berliner gegen rechte Mode.
Berliner wehren sich gegen ein neues Bekleidungsgeschäft für rechte Jugendmode. Oslo geht gegen Namensmissbrauch vor

Als der Protestmarsch das Ziel erreicht, drängeln sich rund 1000 Demonstranten um das Bekleidungsgeschäft "Tromsö". Musik der Toten Hosen dröhnt über die Petersburger Straße. Ein schwarzer Block stimmt Sprechchöre an, junge Familien reihen sich mit ihren Kindern hinten ein. Eine Frau stemmt ein Plakat hoch in die Luft. Darauf steht: "Thor Steinar als Putzlappen." Die Wut richtet sich gegen das Bekleidungsgeschäft "Tromsö". Seit anderthalb Wochen werden dort Artikel der Marke Thor Steinar verkauft. Die Pullover mit den aufgestickten Runen und gotischen Lettern kaufen Neonazis und auch immer mehr Jugendliche, die die Marke schick und provokativ finden. Ausgerechnet in Friedrichshain, im linksalternativsten aller Bezirke, will die rechte Szene einen neuen Vertriebszweig etablieren. Pünktlich zum Protest ließen die kahlgeschorenen Betreiber die Rollläden runter.
Bereits in den letzten Tagen wurde der Verkauf gestört: Es gab Farbbeutel-Anschläge, unter anderem ein "Kakao-Attentat", Steinwürfe zertrümmerten die Schaufensterscheibe, inzwischen fährt die Polizei in der Petersburger Straße mehrmals täglich Streife. Am Samstagnachmittag wehrt sich ein Bündnis aus Vereinen, Politikern und Initiativen gegen Rechts. Aus den anliegenden Hochhäusern hängen Banner, auf denen man den neuen Mietern den Wegzug aus der Gegend nahe legt. Direkt neben dem "Tromsö" empfängt ein Verein für interkulturelle Arbeit (VIA) Migranten zur Sozialberatung.
An diesem Nachmittag prallen Demonstranten nur auf Polizeibeamte, die das Bekleidungsgeschäft mit Gittern absperren. Sie tragen Helme, Schlagstöcke und einen Mundschutz. Insgesamt sind 150 Polizisten im Einsatz. Bis auf kleinere Vorkommnisse, etwa der Verstoß gegen das Vermummungsverbot oder ein paar Flaschenwürfe, bleibt die Kundgebung friedlich.
Schon seit einigen Jahren weisen Rechtsextremismusexperten darauf hin, dass sich Rechte in Deutschland nicht mehr im gewohnt martialischen Skinheadlook kleiden, sondern die diskreteren und modischeren Kleidungsstile der Marke Thor Steinar bevorzugen. 2008 bekräftigte der Verfassungsschutz erneut, dass die Modemarke ein identitätsstiftendes Erkennungszeichen der rechten Szene sei. Und dass über die Mode auch bewusst Anknüpfungsmöglichkeiten zu Jugendszenen geschaffen werde. Dabei ist die völkische Symbolik der Markenlogos so codiert, dass nur Anhänger und Sympathisanten ihre Bedeutung entschlüsseln können.
Das "Tromsö" ist nicht der einzige Laden in Berlin, der die umstrittene Marke verkauft. Erst im November 2008 gab es eine Räumungsklage gegen das Bekleidungsgeschäft Doorbreaker im Ringcenter an der Frankfurter Allee, was den Betreiber nicht davon abhält die Marke noch immer anzubieten.
Der erste Thor-Steinar-Laden wurde 2005 unter dem Namen "Tönsberg" im Berlin-Carré eröffnet. Vermieter verlängerten den Vertrag nicht, so zog der Laden Anfang 2008 pikanterweise in die Rosa-Luxemburg-Straße 18. Die Zahl 18 ist in rechten Kreise ein bekannter Code für "Adolf Hitler". Trotz massiver Proteste von Anwohnern und Gewerbetreibenden wird dort ebenfalls noch immer Thor-Steinar-Kleidung verkauft.
"Dass sie sich jetzt auch noch in Friedrichshain ausbreiten, ist blanke Provokation", sagt die Grünen-Abgeordnete Clara Herrmann. Sie verteilt Broschüren, die darauf hinweisen, dass sich in dem Haus des neuen Geschäfts während des Nationalsozialismus ein Folterkeller der SA befand. Noch heute hängt neben dem Eingang eine Gedenktafel. Diese erinnert an die Opfer, die in dem berüchtigten "Keglerheim" gefoltert und ermordet wurden.
Franz Schulz, Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, hält einen offenen Brief der Hausverwaltung in der Hand. Offenbar haben die Vermieter jetzt erst herausbekommen, wer sich dort eingemietet hat. Derzeit gebe es Gespräche, wie in diesem "Problemfall" vorgegangen werden soll. "Wir appellieren an die Vermieter, den Ladenbesitzern schnellstmöglich zu kündigen", sagt er.
Unterstützung im Kampf gegen Thor Steinar kommt nun auch aus Norwegen: Das Osloer Außenministerium will gegen Missbrauch des Namens der Hafenstadt Tromsö vorgehen und hat das Modelabel deshalb aufgefordert, den Namen sofort niederzulegen.
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Rechte Mode

Die Marke: Thor Steinar gibt es seit 2002, Vertreiber ist die Protex Gmb, die in Königs Wusterhausen sitzt. Neben den Filialen in Mitte und Friedrichshain wird die Marke auch in Sportgeschäften vertrieben. Inzwischen gibt es Damen-, Herren- und Kinderkollektionen, Accessoires und Internet-Verkauf.

Verbot: Bei den ersten Logos von Thor Steinar sahen Staatsanwälte den Verstoß gegen den Paragraf 86a als gegeben an. Dieser verbietet das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Völkischer Bezug: Experten erkennen in den neuen Aufdrucken noch immer einen völkischen Bezug. Runen und gotische Letter bringen sie mit dem NS-Regime in Verbindung, Inhaltlich beziehen sich einige Schriftzüge auf einen Germanen-Kult und glorifizieren die Taten der Wehrmacht.

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07.03.2009 Morgenpost
750 Berliner demonstrieren gegen "Thor Steinar"

750 Demonstranten wehren sich weiter gegen einen Laden in ihrer Nachbarschaft, der Mode der Marke „Thor Steinar" verkauft. Die Kleidung ist bei Neonazis besonders beliebt. Am Sonnabend demonstrierten erneut Anwohner gegen das Geschäft.

Demonstranten haben in Friedrichshain am Sonnabend erneut gegen den neuen „Thor Steinar“-Laden im Stadtteil protestiert. Das Geschäft für die bei Neonazis beliebte Kleidermarke „Thor Steinar“ ist seit seiner Eröffnung am vergangenen Sonnabend in der Kritik eines Bündnisses aus Antifa-Gruppen, Gewerbetreibenden und Anwohnern. Zu dem von diesem Bündnis initiierten Protestzug kamen nach Polizeiangaben etwa 750 Demonstranten. Zwischenfälle gab es nach Angaben einer Polizeisprecherin nicht, alles sei „ruhig und friedlich“ verlaufen.
Die Marke „Thor Steinar“ ist wegen des Verwendens umstrittener Symbole vor allem bei Neonazis beliebt. Auch gilt sie in der Szene als identitätsstiftendes Erkennungszeichen. Die Veranstalter bewerteten es am Samstag als Erfolg, dass das Geschäft früher als geplant schließen musste. „Bedauerlich“ sei es gewesen, dass die Demonstranten nicht nah genug an den Laden herangekommen seien, da es von der Polizei geschützt wurde, sagte ein Sprecher. Die Gegner des Ladens fordern nach seinen Worten vom Vermieter, dass er den Betreibern den Mietvertrag kündigt.
In Berlin hat es bereits mehrfach Proteste gegen Läden gegeben, die die Marke „Thor Steinar“ führen. Der Inhaber eines Kleidungsgeschäfts in Mitte wurde im Oktober 2008 dazu verurteilt, das Geschäft in der Rosa-Luxemburg-Straße zu räumen. Der Laden wurde mehrfach Ziel von Farbanschlägen.
Das Land Norwegen hatte die "Thor-Steinar"-Produzenten bereits 2008 wegen widerrechtlicher Verwendung staatlicher Hoheitszeichen angezeigt. Doch auch über das neue Geschäft namens "Tromsö" ist das Land nicht erfreut: Tromsö ist eine Hafenstadt im Norden Norwegens. Ob man strafrechtlich gegen die Verwendung des Städtenamens vorgehen werde, will die Botschaft mit dem Außenministerium beraten.

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07.03.2009 WELT
Erneut Protest in Friedrichshain gegen Thor-Steinar-Laden

Ein Bündnis aus verschiedenen Antifa-Gruppen, Gewerbetreibenden und Anwohnern will heute (14 Uhr) in Friedrichshain erneut gegen die Eröffnung eines neuen Ladens für die bei Neonazis beliebte Kleidermarke "Thor Steinar" demonstrieren. Der Protestzug soll vom S-Bahnhof Warschauer Straße zu dem Geschäft an der Petersburger Straße führen. Bereits bei der Eröffnung des Ladens am vergangenen Samstag hatten bei einer Kundgebung rund 200 Menschen weitgehend friedlich dagegen protestiert. Die Marke "Thor Steinar" ist wegen des Verwendens umstrittener Symbole vor allem bei Neonazis beliebt. Auch gilt sie in der Szene als identitätsstiftendes Erkennungszeichen.
In Berlin hat es bereits mehrfach Proteste gegen Läden gegeben, die die Marke "Thor Steinar" führen. Der Inhaber eines Kleidungsgeschäfts in Mitte wurde im Oktober vergangenen Jahres dazu verurteilt, das Geschäft in der Rosa-Luxemburg-Straße zu räumen. Der Laden wurde mehrfach Ziel von Farbanschlägen. Derzeit ist er jedoch noch geöffnet. Räumungsklagen gab es auch in Leipzig, Magdeburg und Hamburg.
Gegen den neu eröffnete Thor-Steinar-Laden haben Hausnachbarn gestern an der Fassade des benachbarten Hauses mehrere Protestplakate angebracht. Mit der Aktion unter dem Motto "Gesicht zeigen" forderten die im Nachbarhaus ansässigen interkulturellen Vereine die Schließung des Ladens. Die beiden Plakate tragen die Slogans "Augen auf beim Kleiderkauf - Neue Nazis tarnen sich!" sowie "Friedrichshain für Vielfalt, Demokratie und Respekt". Die Aktion sei nicht befristet, sagte die Geschäftsführerin der Paul-Singer-Gesellschaft, Susanne Kitschun. ddp/epd

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06.03.2009 Neues Deutschland
Tromsø wehrt sich gegen Tromsø
Norwegische Stadt verbittet sich Namensmissbrauch durch »Thor Steinar«
Von Martin Kröger

Gegen den neuen »Thor Steinar«-Outlet »Tromsø« in Friedrichshain regt sich auf immer mehr Ebenen Widerstand. Zu Wochenbeginn gab es auch die ersten Anschläge auf das umstrittene Geschäft, das die bei Neonazis beliebte Klamottenmarke verkauft.
Neben einem Steinwurf, bei dem die Scheibe des Geschäfts zu Bruch ging, kam es zudem zu einem Kakao-Attentat: Ein junger Schüler wollte offenbar mit der Farbe Braun suggerieren, was die Geschäftsbetreiber seiner Meinung nach für eine Gesinnung hegen. Nebenan, im Haus Nummer 92, ist man im besonderen Maße besorgt über die neuen Nachbarn. »Unsere Ratsuchenden, unter anderem afrikanische Migranten, die zur Sozialberatung kommen, haben Angst, dass mit diesem Laden Rechtsextreme angezogen werden«, berichtet Holger Förster, Geschäftsführer des Verbandes für interkulturelle Arbeit (VIA).
Der Verband sowie weitere Migrantenorganisationen, die ebenfalls in dem Haus residieren, wollen jetzt »Gesicht zeigen«. Um potenziell ahnungslose Käufer, aber auch Anwohner zu sensibilisieren, will man ab heute ein riesiges Transparent an der Fassade installieren. Überdies versuchen die verschiedenen Vereine, den Vermieter des »Tromsø« herauszubekommen, damit er das Mieterverhältnis auflöst, sagt Förster.
In Friedrichshain beschäftigten sich jedoch nicht nur die direkten Nachbarn mit dem problematischen Geschäft. Am Sonnabend rufen erneut die Initiative gegen Rechts sowie mehrere Antifa-Gruppen dazu auf, gegen den Laden auf die Straße zu gehen. Unter dem Motto »Kein Kiez für Nazis! Weg mit dem Thor Steinar-Laden aus Friedrichshain!« beginnt der Aufzug um 14 Uhr am S-Bahnhof Warschauer Straße. Die Demo soll danach zum Geschäft in der Nähe des Frankfurter Tores gehen.
Die Initiative gegen Rechts plant zudem am kommenden Mittwoch ab 20 Uhr eine Diskussionsveranstaltung in der Galiläa-Kirche. »Mit dem Podium wollen wir die Nachbarschaft über das Modelabel aufklären«, sagt Markus Roth von der Initiative. Diese hat überdies auch einen offenen Brief an den Vermieter des »Tromsø« geschickt. Auch das Bezirksamt versucht derzeit, Kontakt zum Vermieter aufzunehmen. Gute Nachrichten gibt es unterdessen aus Norwegen: Die Stadt Tromsø wehrt sich gegen den Missbrauch ihres Namens durch »Thor Steinar« – und hat das Modelabel deshalb aufgefordert, den Namen sofort niederzulegen.

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05.03.2009 TAZ
Kiez bekämpft rechtes Einkaufsparadies
Friedrichshainer machen gegen Laden "Tromsø" mobil

Bürger und Politiker wollen ein neues Geschäft, das die bei Nazis beliebte Modemarke "Thor Steinar" verkauft, nicht im Bezirk dulden. Polizei schützt den Laden vor Steinwürfen und Farbbeuteln.

Farbbeutel und Steine von den Autonomen, friedlicher Protest von Anwohnern und Politikern. Wenige Tage nach der Eröffnung des Ladens "Tromsø" in der Petersburger Straße in Friedrichshain herrscht rund um das Frankfurter Tor Ausnahmezustand. Tag und Nacht sichern Polizisten in Uniform und zivil das umstrittene Geschäft, das Kleidung der bei Neonazis beliebten Marke "Thor Steinar" anbietet. Im Halbstundentakt fahren Streifenwagen vorbei. "Nazi-Scum fuck off" ist an die Hauswand gesprüht, das große Schaufenster durch Steinwürfe gesplittert. Für Samstag ruft ein breites Bündnis von Antifa, SPD, Grüne, Linke und Anwohnern zur Demo gegen den Laden auf.
Warum ausgerechnet im Szenebezirk Friedrichshain ein solches Geschäft eröffnet, versteht niemand. "Vielleicht geht es einfach darum, den Mythos vom links-alternativen Friedrichshain zu brechen", sagt Maik Baumgärtner von der Initiative gegen rechts. Die Bürgerinitiative koordiniert die Proteste - unterstützt vom Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne). "Wir werden alles in unseren Kräften Stehende tun, damit dieser Laden schließt", so Schulz zur taz. Ob dem Vermieter bekannt ist, was für eine Firma er sich ins Haus geholt hat, konnte der Bezirk noch nicht herausfinden. In den nächsten Tagen soll es ein Gespräch mit der Hausverwaltung geben.
Matthias Müller von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus kann die Sorgen der Anwohner verstehen. "Das Geschäft zieht eine entsprechende Klientel an, wodurch natürlich die Gefahr für potenzielle Opfergruppen rechtsextremer Gewalt erhöht wird." Besonders wütend sind die Anwohner, weil "Thor Steinar" sich ausgerechnet ein Haus ausgesucht hat, in dem sich während der Zeit des Nationalsozialismus ein Folterkeller der SA befand. Im berüchtigten "Keglerheim" wurden hunderte Gegner der Nationalsozialisten gefoltert und ermordet.
2008 bekräftigte der brandenburgische Verfassungsschutz, Rechtextremisten sehen in der Marke "Thor Steinar" ein "identitätsstiftendes Erkennungszeichen". Im Gegensatz zu Marken wie "Lonsdale" oder "Fred Perry", die es ursprünglich nur in normalen Sportgeschäften gab und langsam von der Nazi-Szene vereinnahmt wurden, verhält es sich bei "Thor Steinar" andersherum. Die Marke hat es allmählich geschafft, nicht mehr nur in einschlägigen Nazi-Läden verkauft zu werden, sondern auch in nichtrechten Geschäften.
Die Bewohner der norwegischen Stadt Tromsø sind entsetzt über die Vereinnahmung ihres Ortsnamens. Einer Lokalzeitung sagte Bürgermeister Aril Hausberg: "Es ist fürchterlich, dass Tromsø mit Neonazis und Rechtsextremismus auf so eine Art und Weise in Verbindung gebracht wird." Er sorge sich um den Ruf der Stadt im Ausland. "Die Frage der Nutzung der norwegischen Flagge und Städtenamen durch ,Thor Steinar' betrachten wir als ernst", sagte der Gesandte der norwegischen Botschaft in Berlin, Dag Stangnes, der taz. Man prüfe in Absprache mit dem Außenministerium in Oslo rechtliche Möglichkeiten, dagegen vorzugehen.
Tromsø ist nicht der erste Laden in Friedrichshain, der die umstrittene Marke verkauft. Erst im November letzten Jahres gab es eine Räumungsklage gegen das Sportgeschäft Doorbreaker im Friedrichshainer Ringcenter, das ebenfalls "Thor Steinar"-Klamotten im Angebot hat. Umso größer ist jetzt die Wut über Tromsø. Lars Laumeyer, Sprecher der Antifaschistischen Linken Berlin, lässt keinen Zweifel daran, welche Protestformen er für sinnvoll hält. "Gegen dieses Geschäft ist uns jedes Mittel recht. Wer meint, einen ,Thor Steinar'-Laden in Friedrichshain eröffnen zu können, muss sich über kaputte Scheiben nicht wundern."
Inzwischen gibt es kaum eine Straße in Friedrichshain, in der nicht Plakate gegen den Laden geklebt sind. "Unser Kiez bleibt Nazi-frei! Weg mit der Nazi-Marke Thor Steinar" ist darauf zu lesen. Darunter eine Faust, die das Markenlogo zerschlägt. Für den heutigen Freitagvormittag haben Bewohner des Nachbarhauses von Tromsø eine Plakatieraktion angekündigt. Sie wollen zeigen, dass sie sich von der "Thor Steinar"-Kundschaft nicht einschüchtern lassen werden.

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05.03.2009 Berliner Zeitung
Tarnanzüge für Neonazis
Ein neuer Laden verkauft Kleidung, die bei Rechten beliebt ist. Die Anwohner wehren sich dagegen

FRIEDRICHSHAIN. Der Laden ist neu. Erst am Wochenende wurde er in der Petersburger Straße eröffnet. Tromsø steht in großen dunklen Buchstaben an der Fassade. Das Schaufenster darunter ist bereits zersplittert. Aus Protest gegen das Geschäft, das Kleidung der bei Neonazis beliebten Marke Thor Steinar verkauft, hat jemand einen Stein gegen die Scheibe geworfen, ein anderer spuckte Kakao an das Glas. Holger Förster hält nicht viel von solchen Methoden. Er will friedlich gegen den Laden vorgehen. Er hat Anwohner zusammengeholt und ein Transparent malen lassen.

Förster ist Geschäftsführer des Verbandes für interkulturelle Arbeit und hat sein Büro im Nachbargebäude. Auch das afrikanische Samariterwerk, eine afrikanisch-ökumenische Kirche und ein chilenischer Kulturverein sitzen in dem Haus. "Die Kundschaft dieses Ladens ist ein Sicherheitsrisiko für unsere Klientel, es gab ja bereits Übergriffe von Rechten am Frankfurter Tor", sagt Förster. Er empfindet es als gezielte Provokation, dass sich die Thor-Steinar-Verkäufer im Friedrichshainer Kiez und obendrein in diesem Haus niedergelassen haben. Denn an dieser Stelle befand sich einst das berüchtigte Faschistenlokal Keglerheim. 1933 wurden dort Friedrichshainer Antifaschisten misshandelt und gefoltert. Eine Gedenktafel erinnert heute daran.
"Augen auf beim Kleiderkauf. Neue Nazis tarnen sich", haben die Anwohner auf ihr riesiges Transparent geschrieben. Sie verhandeln jetzt mit ihrem Vermieter, dass sie es an ihr Haus hängen dürfen. Doch dabei soll es nicht bleiben. "Wir wollen einen offenen Brief an den Hauseigentümer schreiben und ihn auffordern, dem Laden zu kündigen", sagt Förster. Die Immobilie, in der sich zahlreiche Büros und einige Wohnungen befinden, gehört der SF-Immobilienfonds-Gruppe, die auch den Mietvertrag unterzeichnete. Ihr Rechtsanwalt teilte mit, dass dem Eigentümer bis zur Öffnung des Geschäfts nicht bekannt war, dass dort Kleidung von Thor Steinar verkauft werden soll. Man sei bestürzt und werde alle rechtlichen Maßnahmen ausschöpfen, um den Verkauf von Thor-Steinar-Kleidung in dem Objekt zu unterbinden.
Cenan Bayram, Sprecherin der Initiative gegen Rechts (IGR) Friedrichshain hat für den kommenden Sonnabend erneut eine Demonstration angemeldet. Sie wird wie schon am vergangenen Wochenende vor dem Laden stattfinden. Der Protestzug startet um 14 Uhr an der Warschauer/Ecke Revaler Straße. Am nächsten Mittwoch ab 20 Uhr will die Initiative eine Podiumsdiskussion in der Galiläa-Kirche in der Rigaer Straße veranstalten, um die Anwohner über Thor Steinar zu informieren. Zudem sollen am Frankfurter Tor Flyer verteilt werden.
Man habe Kontakt zur Initiative "Mitte gegen Rechts" aufgenommen, sagt Bayram. Diese hatte unter anderem mit Containern gegen den Thor-Steinar-Laden in der Rosa-Luxemburg-Straße protestiert, der im Februar vergangenen Jahres aufmachte. Das Landgericht gab der Räumungsklage des Vermieters statt, die Ladenbetreiber haben Berufung eingelegt. Auch das Centermanagement des Ring-Centers versucht, einen Thor-Steinar-Laden loszuwerden. Über die Räumungsklage wird am 12. März verhandelt.

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02.03.2009 Junge Welt
Berlin: 250 Menschen auf Protestkundgebung gegen »Thor Steinar«

Berlin. Etwa 250 Menschen haben am Samstag morgen gegen ein neues »Thor-Steinar«-Geschäft in Berlin-Friedrichshain demonstriert. Dessen Eröffnung in der Petersburger Straße war erst am Freitag bekanntgeworden. Entsprechend wenig Zeit blieb den Organisatoren des Protests. Dennoch sprach sich die Provokation nicht nur unter Antifagruppen herum; auch Vertreter der Grünen, der Linkspartei und einer lokalen Anwohnerinitiative protestierten.
Ursprünglich war die Kundgebung unter dem Motto »Keine Naziinfrastruktur« von der Versammlungsbehörde auf die Straßenseite gegenüber dem Geschäft verbannt worden. Allerdings besetzten die Nazigegner in einer spontanen Aktion den Mittelstreifen der Petersburger. Die Polizei postierte ihre Einsatzfahrzeuge daraufhin direkt vor dem Laden. Eine Eskalation wurde durch die Antifaschisten sowie durch die diesmal eher defensiv agierende Polizei verhindert.
Zum Firmenkonzept der in der Neonaziszene äußerst beliebten Bekleidungsmarke gehört unter anderem die Verbreitung nordisch verklärter Mythen und Symbole. Die Eröffnung immer neuer Geschäfte sehen Antifaschisten als Versuch, rechtsextreme Ideologien zu verbreiten, und als Teil einer »Normalisierungsstrategie«. Darüber hinaus suche sich »Thor Steinar« gezielt Orte für neue Geschäfte aus, die schon durch ihre Lage eine Provokation für die Bewohner der Gegend darstellen. Direkt neben dem am Samstag eröffneten Shop ist eine Gedenktafel mit der Aufschrift »Zu Ehren der Opfer des Mörderkellers Keglerheim« angebracht, die an einen früheren SA-Folterkeller erinnert, der sich während der Nazizeit in dem Haus befand.

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02.03.2009 Neues Deutschland
Kleiderkammer im SA-Sturmlokal
Gegen den »Thor-Steinar«-Laden in Friedrichshain regt sich heftiger Widerstand der Anwohner

Zu Beginn gab es einen Test, wer schneller ist. Kurz nach Kundgebungsbeginn gegen den neuen »Thor Steinar«-Laden »Tromsø« in Friedrichshain rannten Antifas über die Petersburger Straße. Die Polizei, die mit 140 Beamten im Einsatz war, konnte die Menge jedoch vor der Stürmung des umstrittenen Geschäfts an den Straßenbahnschienen stoppen. Rund 250 Menschen hatten sich am Samstagmorgen versammelt, um gegen die Eröffnung des Klamottengeschäfts der bei Neonazis beliebten Marke »Thor Steinar« zu protestieren.
Sie trafen sich um 9.30 Uhr auf der gegenüberliegenden Straßenseite des Hauses Petersburger Straße 94. Dort, wo sich Neonazis jetzt mit Klamotten eindecken, befand sich in den 1930er Jahren das »Keglerheim«, ein Sturmlokal der faschistischen SA, in der nach der Machtergreifung 1933 hunderte Antifaschisten misshandelt oder ermordet wurden. Nur wenige Meter neben der Gedenkplakette zur lokalen Naziterror-Zentrale befindet sich der Eingang zum Bekleidungsgeschäft. Das war am Samstag zwar geöffnet, bloß fanden sich keine Käufer.
Denn die Polizei hatte das Geschäft mit zwei Mannschaftswagen, die vor den Schaufenstern Stoßstange an Stoßstange parkten, blockiert. Das »Tromsø« ist neben der Filiale in der Rosa-Luxemburg-Straße 18 und dem »Doorbreaker« im RingCenter an der Frankfurter Allee der dritte derartige Laden in Berlin. Die Grünen-Abgeordnete Clara Herrmann hatte Donnerstag kurzfristig zur Kundgebung aufgerufen, nachdem sich die Gerüchte über die Eröffnung bewahrheitet hatten.
Auch die Friedrichshainer Initiative gegen Rechts mobilisierte zur Kundgebung. »Für die Rechten ist das hier eine schlechte Nachbarschaft«, sagte die Initiativen-Sprecherin, die SPD-Abgeordnete Canan Bayram gegenüber ND. Die Nazis sähen die Eröffnung eines Ladens, »der hier nur Miese machen wird«, als politische Aktion, ergänzte Markus Roth von der Initiative. Friedrichshain sei bereits jetzt stadtweit Nummer Eins bei rechten Übergriffen. Die Situation könnte sich noch verschlimmern, wenn braune Kameraden zum Einkaufen herkämen und im linksalternativen Kiez Ärger suchten.
Auch Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) nahm an der Kundgebung teil. Gleich am Wochenanfang werde er das Gespräch mit dem Hauseigentümer suchen, kündigte er an. »Nach den Protesten in Mitte, hätte der Vermieter wissen können, auf was er sich hier einlässt.« Für Schulz ist die Ladeneröffnung der Versuch der rechten Szene, »ein Stück Infrastruktur« im linken Kiez einzurichten. »Die Normalisierungsstrategie, die ›Thor Steinar‹ fährt, darf man nicht tolerieren und muss sie mit langem Atem begleiten«, betonte Sabine Kritter von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR).
Grünen-Urgestein Hans-Christian Ströbele forderte die Anwohner zum Handeln auf. Nur gemeinsam gelänge es, den Laden wieder zu schließen. Als die Polizei die Protestierenden von den Straßenbahnschienen verweisen wollte, spitzte sich die Situation kurz zu. Die Aufregung währte jedoch nicht lange: Ein BVG-Angestellter erklärte, die M 10 sei umgeleitet, die Kundgebung könne bleiben, wo sie ist. Nach zwei Stunden war die Veranstaltung beendet. Es gab mindestens eine Festnahme, vermutlich wegen Beamtenbeleidigung. Am morgigen Dienstag lädt die Initiative gegen Rechts um 19 Uhr in den Mieterladen, Kreutziger Straße 23, zum offenen Treffen, um das weitere Vorgehen zu planen. Eine Demonstration und Flugblätter für die Anwohner soll es geben, so Canan Bayram. Darin jedoch, dass es nicht bei Mahnwachen bleiben kann, war man sich am Samstag unter allen Protestierenden ebenfalls einig.

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28.02.2009 RBB-Abendschau
Demo gegen "Thor Steinar"-Laden

Rund 150 Demonstranten haben am Samstagvormittag gegen die Eröffnung eines "Thor Steinar"-Ladens in Berlin-Friedrichshain protestiert. Der Protest verlief nach Polizeiangaben ohne Zwischenfälle. "Thor Steinar" gilt als eine bei Neonazis beliebte Kleidermarke. Bündnis 90/Die Grünen hatte zu der Protestaktion aufgerufen. Die Politische Jugendsprecherin der Partei, Clara Herrmann, ist zu Gast im Studio.
In Berlin hatte es bereits mehrfach Proteste gegen die Eröffnung von Läden gegeben, die die Marke "Thor Steinar" führen. Erst im Oktober vergangenen Jahres war eine Räumungsklage gegen ein "Thor-Steinar"-Geschäft in Mitte ergangen. RBB-BLOG mit 22 Kommentaren

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28.02.2009 Morgenpost
Hunderte demonstrieren gegen Thor-Steinar-Laden

Aus Mitte wurde Thor Steinar schon verjagt. Nun wollte das bei Rechtsextremen beliebte Modelabel ein neues Geschäft in Friedrichshain-Kreuzberg eröffnen. Und wieder gibt es Proteste. Befürchtete Krawalle blieben aus. Die Demonstration verlief ohne Zwischenfälle.
Am Vormittag haben rund 200 Demonstranten gegen die Eröffnung eines Ladens der bei Rechtsextremen beliebten Modemarke Thor Steinar protestiert. Zu der Demonstration vor dem „Thor-Steinar-Outlet“ in der Petersburger Straße 94 im Stadtteil Friedrichshain hatten die Berliner Grünen aufgerufen. Unter den Demonstranten waren auch der Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), sowie der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele. Polizei hatte die Fensterscheiben des Ladens vorsorglich gesichert. Der Protest verlief nach Polizeiangaben ohne Zwischenfälle.
Thor Steinar ist ein bei Rechtsradikalen beliebtes Modelabel und dient nach Erkenntnis der Sicherheitsbehörden in der rechten Szene als Erkennungszeichen. In Berlin hat es bereits mehrfach Proteste gegen die Eröffnung von Geschäften gegeben, die die Marke “Thor Steinar„ führen. Der Inhaber eines Kleidungsgeschäfts in Mitte wurde im Oktober 2008 dazu verurteilt, das Geschäft in der Rosa-Luxemburg-Straße zu räumen. Ähnlich entschieden auch Richter über Läden in Leipzig, Magdeburg und Hamburg.
Auch verschiedene Institutionen verweigern inzwischen Besuchern mit Thor-Steinar-Kleidung den Zugang zu ihren Einrichtungen: so etwa die Fußballvereine Hertha BSC, Werder Bremen und der FC St. Pauli sowie der Deutsche Bundestag und der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Die Berliner Polizei leitete mehrfach Disziplinarverfahren gegen Polizisten ein, die im Dienst Thor-Steinar-Kleidung trugen.

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28.02.2009 Tagesspiegel
Demonstration vor neuem "Thor Steinar"-Geschäft
Rund 250 Menschen haben am Samstagvormittag in Friedrichshain gegen die Eröffnung eines neuen Ladens für die bei Neonazis beliebte Kleidermarke "Thor Steinar" protestiert. Die Grünen hatten zur Demo aufgerufen.

Berlin - Der Protest verlief nach Polizeiangaben ohne Zwischenfälle. Die Partei Bündnis 90/Die Grünen hatte zu der Demonstration aufgerufen.
Die Grünen-Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus, Clara Herrmann, sagte, für das Geschäft sei in Friedrichshain kein Platz und es müsse "so schnell wie möglich verschwinden".
In dem Laden in der Petersburger Straße unweit des Frankfurter Tors wird laut Herrmann nur die Marke "Thor Steinar" vertrieben. Diese Kleidung sei in rechten Kreisen sehr beliebt und mit völkischer Symbolik beladen. Weiter führte sie an, dass die rechte Szene in Friedrichshain "immer weiter vordringt". Dies zeige auch ein Blick in die Statistiken rechter Übergriffe der Opferberatung "Reachout". Laut Polizei verlief die Kundgebung weitgehend friedlich.
In Berlin hat es bereits mehrfach Proteste gegen die Eröffnung von Geschäften gegeben, die die Marke "Thor Steinar" führen. Der Inhaber eines Kleidungsgeschäfts in Mitte wurde im Oktober 2008 dazu verurteilt, das Geschäft in der Rosa-Luxemburg-Straße zu räumen. Ähnlich entschieden auch Richter über Läden in Leipzig, Magdeburg und Hamburg. (nal/ddp) 30 Kommentare

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28.02.2009 DDP
Demonstration gegen «Thor Steinar»-Laden in Friedrichshain
Insgesamt war die Polizei mit 170 Mann im Einsatz

Berlin (ddp-bln). Zahlreiche Menschen haben am Samstagvormittag in Berlin-Friedrichshain gegen die Eröffnung eines neuen Ladens für die bei Neonazis beliebte Kleidermarke «Thor Steinar» protestiert. Die Veranstalter sprachen von 250 Teilnehmern, die Polizei von 170. Nach Angaben eines Polizeisprechers verlief die Kundgebung weitgehend friedlich. Einzelne Demonstranten versuchten, in das Geschäft in der Petersburger Straße einzudringen, was Beamte aber verhinderten. Insgesamt war die Polizei mit 170 Mann im Einsatz.
Die Grünen-Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus, Clara Herrmann, sagte, für das Geschäft sei in Friedrichshain kein Platz und es müsse «so schnell wie möglich verschwinden». In dem Laden in der Petersburger Straße unweit des Frankfurter Tors wird nach Angaben der Grünen-Politikerin nur die Marke «Thor Steinar» vertrieben. Diese Kleidung sei in rechten Kreisen sehr beliebt und mit völkischer Symbolik beladen.
In Berlin hat es bereits mehrfach Proteste gegen Geschäfte gegeben, die die Marke »Thor Steinar« führen. Der Inhaber eines Kleidungsgeschäfts in Mitte wurde im Oktober 2008 dazu verurteilt, das Geschäft in der Rosa-Luxemburg-Straße zu räumen. Der Laden wurde mehrfach Ziel von Farbanschlägen.
Laut Polizei wurde auch bei dem neuen Geschäft in Friedrichshain versucht, ein Farbei gegen die Schaufensterscheibe des Geschäftes zu werfen. Der Mann verfehlte jedoch das Ziel. Beamte nahmen den 27-Jährigen vorläufig fest.

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28.02.2009 Neues Deutschland
»Thor Steinar« in Friedrichshain

(ND-Kröger). Die Grünen rufen am heutigen Sonnabend zum Protest gegen die Eröffnung eines Ladens in Friedrichshain auf, der in seinem Sortiment die bei Rechtsextremen beliebte Kleidungsmarke »Thor Steinar« führt. Die Kundgebung wurde gestern kurzfristig von der Grünen-Abgeordneten Clara Hermann für heute um 9.30 Uhr vor dem Laden in der Petersburger Straße 94 angemeldet. »Wir sind erst davon ausgegangen, es handelt sich um ein Gerücht«, sagte Clara Hermann gegenüber ND. Doch dann habe sich bestätigt, dass das umstrittene Modelabel aus Königs Wusterhausen auch in Friedrichshain ein Geschäft eröffnen wolle. Vor Ort war am Freitag eine frisch renovierte Ladenfront und ein noch mit Pappe abgedecktes Schild zu erkennen. Mitglieder der Antifa wollen jedoch einschlägige Personen beim Ausladen der Ware beobachtet haben.
Die Friedrichshainer Initiative gegen Rechtsextremismus ruft derweil ebenfalls zu der Kundgebung auf. »Unsere größte Sorge ist, dass es für alle potenziellen Opfer von Neonazis noch gefährlicher wird, sich im Kiez zu bewegen«, meint Markus Roth von der Initiative. »Dadurch, dass in Friedrichshain ein Outlet-Store geplant ist«, weiß Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, »steht zu befürchten, dass wieder ältere Kollektionen des Modelabels mit dem alten Logo verkauft werden.« Das war in Brandenburg schon mal verboten. In Mitte läuft unterdessen ein Verfahren gegen einen ähnlichen Laden. Eine endgültige Gerichtsentscheidung steht jedoch aus, weil die Ladenmieter offenbar gewillt sind, durch alle Instanzen zu gehen.

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27.02.2009 DDP
Demonstration gegen Eröffnung von «Thor Steinar»-Laden

Berlin (ddp-bln). Die Grüne-Fraktion im Abgeordnetenhaus hat für Samstag (28. Februar) in Berlin-Friedrichshain zu einer Kundgebung gegen die Eröffnung eines neuen Ladens für die bei Neonazis beliebte Kleidermarke «Thor Steinar» aufgerufen. «Wir fordern alle demokratischen Kräfte auf, durch ihre Teilnahme ein Zeichen gegen Intoleranz und Hass zu setzen«, sagte die Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus der Grünen-Fraktion, Clara Herrmann, am Freitag. Die Kundgebung beginnt um 9.30 Uhr vor dem Geschäft in der Petersburger Straße zwischen Bersarinplatz und Frankfurter Tor.
Die Marke »Thor Steinar« ist wegen des Verwendens umstrittener Symbole vor allem bei Neonazis beliebt. Auch gilt sie in der Szene als Erkennungszeichen. Herrmann betonte, wer die Hintergründe von »Thor Steinar« nicht kenne, könne den Laden für ein norwegisches Outdoor-Geschäft halten. Genau das sei aber Teil der Normalisierungsstrategie der Betreiber.
In Berlin hat es bereits mehrfach Proteste gegen die Eröffnung von Läden gegeben, die die Marke »Thor Steinar« führen. Der Inhaber des »Tonsberg»-Ladens in Mitte wurde im Oktober 2008 dazu verurteilt, das Geschäft in der Rosa-Luxemburg-Straße zu räumen. Ähnlich entschieden auch die Richter in Leipzig, Magdeburg und in Hamburg.

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09.01.2009 Neues Deutschland
Der Bahnhof als Tatort
Nach Übergriff auf Punk am Ostkreuz: Initiative gegen Rechts kündigt Aktion an

Leute eilen hin und her – Menschen, die in verschieden aussehender Kleidung stecken. Einige tragen das Logo der »Antifaschistischen Aktion« an der Jacke oder andere linke Insignien, aber auch die bei Neonazis beliebte Marke »Thor Steinar« fällt ins Auge. Doch die meisten Menschen die mittags auf der Bahnhofsbaustelle Ostkreuz ihrer Wege eilen, sehen »normal« aus. Ein Ort, wie es in dieser Stadt hunderte gibt – ein Übergriff, wie er an solchen Orten über die Jahre immer wieder passiert.
Am Ausgang Markgrafendamm wurde am Dienstagmorgen gegen 4.45 Uhr ein 38-jähriger Punk mutmaßlich von Rechten zusammengeschlagen. Der alkoholisierte Mann sei nach eigenen Angaben mit »Scheiß-Punker« angesprochen und von drei unbekannten Tätern, die er als der »rechten Szene zugehörig« erkannte, geschlagen und getreten worden. Das teilte die Polizei auf Anfrage mit. Der Punk habe bei dem Angriff Kratzer, Prellungen und Hämatome erlitten und sei inzwischen aus dem Krankenhaus wieder entlassen worden. Im linken Nachrichtenportal »indymedia« haben vermutlich Freunde des Betroffenen ihre Version der Geschichte veröffentlicht. Die Täter hätten ihm, nachdem sie ihn bepöbelt haben, seine Flasche auf dem Kopf zertrümmert, ihn mit Wodka übergossen und ihm die Scherben in Gesicht gestochen. Der Betroffene und andere Punks seien schon öfter von Rechten am Ostkreuz angepöbelt worden, liest man dort.
Nach Angaben von Opferberatungsstellen gab es 2008 einen gewalttätigen Übergriff, nach Polizeiangaben keinen. Pöbeleien und auch Übergriffe sind nicht alltäglich am Ostkreuz, aber es gibt sie. »Man sieht immer wieder auch bekannte Rechtsextreme am Ostkreuz herumstehen, die dort ein-, aus- oder umsteigen«, erzählt Sabine Kritter von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR), die seit Jahren Projekte – privat oder öffentlich – berät, die sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus engagieren. »Am Ostkreuz werden auch Migranten oder Linke bepöbelt und bedroht«, weiß Kritter. Es sei eben so, dass sich rechtsextreme Vorfälle an Verkehrsknotenpunkten, an denen viele Menschen unterwegs sind, »verdichten«.
Schon 2005, als Friedrichshain die traurige Hitparade der gewalttätigen rechten Übergriffe anführte, geschahen die meisten Taten im öffentlichen Raum an Bahnhöfen. Die angesichts dessen 2006 gegründete Initiative gegen Rechts spricht davon, dass Angsträume entstehen, in denen sich Menschen, die nicht der »Normalität« entsprächen, bedroht fühlten. Bei der Polizei heißt es auf diese Frage: »Die Polizei kennt keine Angsträume«.
Markus Roth von der Initiative sagt, es sei schwer, gegen derartige Gewalt vorzugehen, weil sie aus einem unorganisierten rechten Spektrum stamme. Man müsse das Klima im Kiez verändern, findet Roth und kündigt an, dass die Initiative nun verstärkt Präsenz am Ostkreuz zeigen wolle.

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07.01.2009 Tagesspiegel
Ins Krankenhaus geprügelt

Drei Unbekannte haben gestern in Friedrichshain einen Punker schwer verletzt. Der betrunkene 38-Jährige war gegen 4.45 Uhr am Eingang zum S-Bahnhof Ostkreuz von ihnen zunächst angepöbelt und dann geschlagen und getreten worden. Anschließend flüchtete das Trio, das nach Angaben des Opfers der rechten Szene angehören soll. Ein Lkw-Fahrer, der in der Nähe gerade sein Fahrzeug belud, alarmierte Polizei und Feuerwehr. Der Verletzte kam zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus. Der Staatsschutz übernahm die Ermittlungen.

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4.12.2008 Jungle World
Kein Bier für Nazis!
Ein Kiez und seine Gewerbetreibenden dürfen Opfer rechter Gewalt nicht alleine lassen. Disko von Clara Herrmann

Der Stadtteil Friedrichshain ist über Berliner Gren­zen hinaus bei Einheimischen und Touristinnen und Touristen für seine eher alternative Ausgeh-Szene bekannt. Umso überraschender ist es, dass ausgerechnet Friedrichshain seit Jahren die traurige Liste rechtsextremer und rassistischer Übergriffe der Opferberatungsstelle »Reach­out« in Berlin anführt. Kneipen und Imbisse stellen häufig die Ausgangspunkte rechtsextremer Taten dar. Die Initiative gegen Rechts hat mit ihrer Mappe »Servicewüste für Nazis« eine Handreichung für Gewerbetreibende im Kiez konzipiert. Warum eigentlich und was soll das überhaupt bewirken?
Die Antwort ist simpel: Mit der Aktion sollen Gewerbetreibende über die Situation und die Zusammenhänge in Hinblick auf Rechtsextremismus aufgeklärt und es sollen ihnen Handlungsmöglichkeiten geboten werden, wie man seine Kneipe, sein Restaurant oder seinen Laden und dessen Besucherinnen und Besucher vor Nazis schützt und die braune Brut vom eigenen Gewerbe fernhält – gerade weil man Nazis im Jahr 2008 gar nicht mehr auf den ersten Blick erkennen kann. Sie tragen Che-Guevara-Shirts, Palitücher oder »Thor-Steinar«-Pullover und sind durchaus auch gepierced. Keineswegs der alte Einheitslook mit Glatze und Bomberjacke. Auch über solche neuen (Mode-)Entwicklungen und Erkennungszeichen in der rechtsextremen Szene klärt die Mappe auf. Im 21.?Jahrhundert muss man mehrmals hinsehen, und unter Umständen kann man Rechtsextreme nur an versteckten Symbolen oder Zeichen erkennen. Aber auch genau darauf zu achten, welchen Inhalt die Veranstaltung hat, für die man seine Räumlichkeiten vermietet, ist ratsam. Handelt es sich wirklich um eine harmlose Geburtstagsfeier, oder trifft sich gerade eine Kameradschaft?
Zudem wissen viele Inhaberinnen und Inhaber von Gastronomiebetrieben nicht, dass sie sich per Hausordnung und beim Abschluss von Verträgen gegen Rechtsextreme schützen können. Niemand muss dulden, dass seine Kneipe oder sein Laden zum Treffpunkt für Rechte wird, die dort nicht erwünscht sind, andere Kundschaft vertreiben und dem Betrieb neben einem schlech­ten Image auch einen wirtschaftlichen Schaden zufügen. Selbiges gilt auch für Täuschungen bei der Anmietung von Gewerberäumen – wie zum Beispiel geschehen bei den »Thor-Steinar«-Läden in Magdeburg und Berlin. Auch zu diesen Fragen gibt die Handreichung der Initiative gegen Rechts wertvolle Tipps.
Durch einen Aufkleber mit der Aufschrift »Für Nazis keine Happy Hour« kann jeder Gewerbetreibende deutlich im Schaufenster Stellung beziehen und zeigen, dass Nazis hier keinen Platz finden. Wer geht schon gerne in eine Location, in der man offensichtlich nicht willkommen ist – bei Betreibenden und bei den anderen Gästen? Das ist ein wichtiges Zeichen für Menschen, die wegen ihrer Hautfarbe oder ihrer offensichtlichen Zugehörigkeit zu einer Minderheit ganz besonders durch Rechtsextremismus bedroht sind. Hier gilt es, den Betroffenen Räume zu schaffen, in denen sie sich frei und ohne Angst aufhalten können. Ein Kiez und seine Gewerbetreibenden dürfen Opfer rechter Gewalt nicht alleine lassen. Dazu gehört auch: Sich einzumischen statt wegzuschauen, und weitere Informationen und Beratungshilfen aufzuzeigen.
Wenn Gastronomen und Händlerinnen und Händler in einem Kiez sich zusammenschließen und viele Gewerbetreibende einen Aufkleber im Fenster oder an der Tür haben, der zeigt, dass die Räumlichkeiten nazifrei sind, wird schnell ein Zeichen der Solidarität und der gemeinsamen Ablehnung von Menschenfeindlichkeit und Intoleranz gesetzt. So kann sich ein Stadtviertel oder gar ein ganzer Ort erfolgreich gegen die schleichende braune Invasion wehren und rückt zudem enger zusammen. Läden, Kneipen und Imbissbuden tra­gen entscheidend zum gesellschaftlichen Klima eines Viertels bei. Weltoffenheit und die Weigerung, mit Intoleranz Geschäfte zu machen, werten jeden Betrieb und jedes Viertel auf.
»Keinen Fußbreit den Faschisten« – für ein offe­nes und freundliches Zusammenleben im Kiez, dazu können alle beitragen, auch Gewerbetreibende. Die Aktion »Servicewüste für Nazis« schließt damit eine wichtige Lücke, denn auch Gastronomie und Gewerbe gehören zu einer aktiven, demokratischen Zivilgesellschaft und profitieren von einer nazifreien Umgebung, wirtschaftlich und inhaltlich.

Die Autorin ist aktiv in der Initiative gegen Rechts in Friedrichshain, Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin und Sprecherin für Strategien gegen Rechtsex­tremismus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

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