Berlinwahlen 2011: Was sind das nur
für Leute?
Rechte KandidatInnen in Friedrichshain-Kreuzberg
Einiges musste mensch sich im Wahlkampf
2011 gefallen lassen. Die NPD will wieder „Gas geben“, die
neue rechtspopulistische Partei „Pro Deutschland“ spricht
von einer „Hauptstadt der Angst“ und instrumentalisiert den
SPD-Rechtsabweichler Sarrazin für sich; und die v.a. islamfeindliche
Partei „Die Freiheit“ bietet ihren einzigen Trumpf, den ehemaligen
CDUler und noch Mitglied des Abgeordnetenhauses Rene Stadtkewitz an. Drei
rechte Parteien mit großem Geltungsdrang, die sich auch öfters
in Friedrichshain-Kreuzberg blicken ließen.
Der erste große Run begann bei der
Sammlung von Unterschriften für den Wahlantritt. Vor allem mit Wahlkampfständen
am SEZ (Landsberger Ecke Danziger), RingCenter und am Mehringdamm machte
„Pro Deutschland“ auf sich aufmerksam. Außerdem führte
die Partei eine Kundgebung am Frankfurter Tor (Motto „Kreuzberg:
Demokratiefreie Zone?“) durch - ausgerechnet am 17. Juni - von 300
Gegendemonstranten bedrängt und von der Polizei eingegittert. Eine
durchgeklagte Wahlkampfveranstaltung im Kreuzberger Rathaus am 30. Juni
musste ausfallen weil hunderte GegnerInnen den Eingang blockiert hielten.
Bereits im Februar und März hatte „Pro-Deutschland“ islamfeindliche
Postkarten in Friedrichshain gesteckt.
„Die Freiheit“ hatte zu wenige Mitstreiter um solch eine Tour
auf die Beine zu stellen und schaffte es nicht in Friedrichshain genügend
Unterschriften einzusammeln. Angeblich hat sich im März der Ortsverband
der Partei gegründet. Für Erstaunen sorgte der FDP-Bezirksverordnete
Edgar Glatzel aus Friedrichshain-Kreuzberg der im April zur „Die
Freiheit“ überlief und auch bei kleineren Verteilaktionen auf
der Skalitzerstraße anzutreffen war.
„Pro Deutschland“ und „Die Freiheit“ plakatierten
intensiver an der Landsberger Allee, Karl Marx Allee, auf der Oberbaumbrücke
und am anderen Spreeufer in der Köpenicker Straße.
Und die NPD? Bei der groß angekündigten NPD-Plakatieraktion
in der Nacht auf den 8. August blieb Friedrichshain, bis auf die Landsberger
Allee, verschont. Außerdem provozierte die NPD in Kreuzberg mit
Plakaten in der Stresemannstraße, bei der Moschee am Columbiadamm
(„Guten Heimflug“) und vor dem Jüdischen Museum. Eine
Häufung von NPD-Aufklbern war um den Strausberger Paltz zu verzeichnen.
Ein weiterer Aspekt sind nicht-legale Aktionen, die den NPD-Wahlkampf
unterstützen sollten. Darunter fällt z.B. der Angriff auf das
Büro der Linken-Abgeordneten Halina Wawzyniak im Mai, sowie ein Aufmarsch
von „Autonomen Nationalisten“ unter dem Motto „Ausländer
raus“ ebenfalls im Mai am Mehringdamm. Schon im April hatten Neonazis
am RingCenter eine spontane Kundgebung abgehalten und Flyer zur sog. „Ausländer-Raus-Kampagne“
verteilt.
Die KandidatInnen in Friedrichshain-Kreuzberg
NPD (keiner der Bezirkskandidaten
steht auf der Landesliste der Partei)
1.
Matthias Faust, 1971, wohnt angeblich in der NPD-Bundeszentrale in Köpenick.
Der Hamburger Matthias Faust war bis zur Fusion von DVU und NPD der Bundesvorsitzende
der DVU und machte sich mit dem Pakt in den eigenen Reihen ziemlich unbeliebt
(von Korruptionsvorwürfen, Zivilklagen bis hin zur Klage gegen die
Parteifusion). Seine politische Karriere begann er bei der Jungen Union,
war dann bei der CDU und wechselte mit 30 Jahren zu den Republikanern.
2005 trat er der NPD und 2007 der DVU bei. Zur Europawahl 2009 trat er
in Friedrichshain für die DVU an und erhielt 189 Stimmen. Derweil
ist er stellvertretender NPD-Bundesvorsitzende und damit Redner auf allen
größeren Aufmärschen. Aber auch in der NPD ist er umstritten
weil er seine Privatinsolvenz durch die NPD auffangen lässt. Im Mai
2011 trat er erfolglos als Spitzenkandidat der NPD zur Bremer Bürgerschaftswahl
an.
2.
Enrico Domroese, 1972, wohnt in der Delbrückstraße in Neukölln
Domroese kommt wohl aus Mecklenburg-Vorpommern und lebt schon länger
in Berlin. Er bezeichnet sich als Ex-Hammerskin („Berliner Bruderschaft“)
und hat 2006 angeblich versucht über Exit auszusteigen. Er hat den
Kontakt dann aber wieder abgebrochen und ist nunmehr für die NPD
aktiv. Markant: Seine Arme und Oberkörper sind übersät
mit Tattoos (unter anderem die verbotene Odal-Rune, Hammerskin-Zeichen
usw.). Seine Freundin Simona Moser wohnt mit ihm zusammen und betreibt
einen Friseursalon in Mitte.
3. Leo Hauger, 1946, Mechaniker, wohnt in
der Grünthaler Straße im Wedding.
„Pro-Deutschland“
1.
Helmut und Ingried Richter; 1934/1936, Bauingenieur/Kauffrau, wohnen zusammen
in der Pintschstr. in Friedrichshain.
Das Ehepaar tritt auf den Listen zur BVV-Wahl an. Helmut war zunächst
Vorsitzender des Friedrichshainer Kreisverbandes und sprach am 17. Juni
am Frankfurter Tor als Redner.
2.
Claus-Peter Blank, 1972, Industriemechaniker, wohnt in der Obstallee in
Spandau
Peter Blank hat einen Vater, der den gleichen Namen trägt. Dieser
ist Rentner und hat bei der letzten Berlin-Wahl 2006 immerhin 4,8% für
die Republikaner in Reinickendorf geholt. Daran will der der Sohn anscheinend
anknüpfen und übernahm kurz nach der Kreisverbandsgründung
den Friedrichshainer Verband als Vorsitzender.
4. Manfred Holländer, 1936, Dipl.-Ing.; Lemkestraße in Mahlsdorf
Einer der aktiven Wahlkämpfer. Wenig Stände bei denen er nicht
dabei war.
5. Wolfgang Slobidnyk, 1946, Bauunternehmer
aus dem Treppendorfer Weg in Grünau,
Wurde von der CDU 1998 fast als Baustadtrat von Köpenick nominiert.
Sein Unternehmen ist in der Kiefholzstraße in Baumschulenweg.
6.
Harald Hofbauer, 1956, Schauspieler, wohnhaft in der Waldemarstraße
in Kreuzberg,
Hofbauer hat in Wien Schauspiel studiert und war in zahlreichen Hauptrollen
(Agentur AMT) und in Filmen zu sehen. In Berlin (Agentur ZAV) scheint
es aber nicht so gut zu laufen. Seine Eigentumswohnung in Kreuzberg will
er gerade wieder loswerden und betätigt sich dafür als Makler.
7.
Cornelius Berghout, Treskowstr. in Tegel Jahrgang 1961, Altenpfleger.
Berghout ist mit 25 von Holland nach Süddeutschland und 1994 dann
nach Berlin gezogen. Er ist gläubiger Christ einer Freikirche und
arbeitet als Dauernachtwache in einer Senioren Wohngemeinschaft. Er betreibt
die Bekehrungsplattform „freizeitpark-neues-land.org“ und
schreibt Artikel für „glaube.de“. Er hat den Aufruf von
Stop-The-Bomb und „gegen die Zustimmung Deutschlands zur Verurteilung
Israels im UN-Sicherheitsrat“ unterschrieben.
8.
Dorothea Steffen, 1951, Lehrerin, Hönower Straße (Treptow-Köpenick)
Hat die Anti-Bildungs-Kampagne „Staatliche Sexualisierung der Kindheit
- Schützt uns davor!“ gestartet und kommt aus dem christlich-fundamentalistischen
Spektrum. Sie arbeitet in einer Grundschule des Kinderhilfswerkes „Die
Arche“. Ihr Mann Dieter Steffen war Landesvorsitzender der Partei
„Arbeit, Umwelt, Familie“ (AUF). Er taucht seit November 2010
bei Pro-Deutschland Veranstaltungen auf, fischte aber schon vorher als
Christ in den Gewässern des antimuslimischen Rassismus. 2005 stand
er auf der Bundestagsliste der Bibeltreuen Christen in Sachsen-Anhalt.
Dieter steht nun für „Pro-Deutschland“ in Pankow zur
Wahl und sprach auf der Kundgebung am 17. Juni am Frankfurter Tor. Auch
der gemeinsame Sohn David Steffen ist Kandidat für „Pro Deutschland“
in Reinickendorf.
Die Freiheit (treten
nur mit Bezirkswahlliste an, weil sie zu wenig Unterschriften gesammelt
haben)
1.
Markus Hoppe, Dr. der Physik, 1971, Direktkandidat, gemeldet in der Parteizentrale
der „Freiheit“ in der Storkowerstr. 158 in Lichtenberg
Hoppe ist der Mann hinter dem Schild „Danke Thilo! www.pi-news.net“,
dass er überall in die Kameras hält. Laut Angaben seiner Parteifreunde
ist er seit Jahren auf Hartz 4.
2.
Edgar Glatzel, 1945, Lehrer, gemeldet in der Parteizentrale von „Die
Freiheit“
Glatzel ist im April von der FDP zur „Freiheit“ übergelaufen.
Damit fiel auch sein BVV-Platz für den Rest der Legislatur weg. 2008
hat er ähnliches gebracht – das langjährige BVV-Mitglied
in Friedrichshain-Kreuzberg war als Fraktionsvorsitzender der CDU in der
BVV und wechselte unvermittelt zur FDP. Er war damals einer der großen
Kritiker des Bürgerhaushalts und von Entwicklungshilfe.
3.
Richard Weis, 1964, Grafiker, wohnt in der Simplonstraße in Friedrichshain
Weis betreibt das Grafikbüro Piccobello in der Möckernstraße.
In den letzten Jahren hat er den Sitz viermal gewechselt. Größere
Auftraggeber sind KLUWE, Siemens, Bertelsmann, Ärzte ohne Grenzen
und die FDP-Kampagne zur Bundestagswahl in Hessen 2009.
4. Frank Damköhler, 1965, Elektroniker,
Matternstraße in Friedrichshain
5.
Gernot Runge, 1949, Theaterregisseur, wohnt an der Hasenheide in Kreuzberg
Runge hat bis 2006 in rund 30 Fernseh- und Kinoproduktionen, vor allem
für öffentlich-rechtliche Auftraggeber als Regieassistent gearbeitet.
Seine Karriere liegt hinter ihm. Er macht noch kleinere Produktionen für
Hörfunk und Theater. Als Arbeitsorte gibt er München, Wien und
Berlin an.
Zum Weiterlesen:
Apabiz (August 2011): Personal, Programme und Wahlkampfaktivitäten
von NPD, Pro Deutschland und Die Freiheit Download
Indymedia (Juli 2011) „Hintergrund
zur Pro-Blockade in Xberg“
Indymedia (Juni 2011) „Pro
Deutschland vs. Friedrichshain“
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