Silvio-Meier-Demo
2004: Keine Homezone für Faschisten! Antifa heißt Angriff!
Am 21. November 1992 wurde der Hausbesetzer
und Antifaschist Silvio Meier von Neonazis erstochen. Im U-Bahnhof Samariterstraße
in Berlin-Friedrichshain trafen er und zwei Freunde auf eine Gruppe von
rechtsextremen Jugendlichen. Einer von ihnen trug einen Aufnäher
"Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein". Silvio und seine Freunde
stellten die Nazis zur Rede und entfernten den Aufnäher. Als die
drei kurze Zeit später erneut auf die Nazis trafen, zogen diese Messer
und stachen auf die Antifas ein. Der 27-jährige Silvio wurde durch
mehrere Stiche getötet, zwei seiner Begleiter schwer verletzt. Silvio
wurde ermordet, weil er sich gegen Nazis und ihre menschenverachtende
Ideologie zur Wehr setzte.
Nur zwei von sieben am Mord beteiligte Nazis wurden darauf zu geringen
Haftstrafen verurteilt, die restlichen Mittäter kamen sogar ohne
Anklage davon. Am Wochenende von Silvios Tod wurde in Mölln (Schleswig-Holstein)
ein von türkischen MigrantInnen bewohntes Haus von Nazis angezündet,
wobei vier Menschen den Tod fanden. Rechtsextreme und rassistische Gewalttaten
erreichten im Jahr 1992 ihren Höhepunkt und halten sich seitdem auf
hohem Niveau in der gesamten Bundesrepublik.
Den Todestag Silvios nehmen wir seitdem zum Anlass, um auf die gesellschaftlichen
Hintergründe von Neofaschismus und dessen Ideologie aufmerksam zu
machen. Wir wollen verdeutlichen, dass antifaschistische Arbeit gegen
Nazis und ihre Ideologie, gegen ihre Strukturen auch heute noch aktuell
ist, aber auch eine umfassende Auseinandersetzung mit der allgemeinen
gesellschaftlichen Rechtsentwicklung notwendig ist.
Rechte Politikmuster und die ihnen zugrunde liegenden Wertvorstellungen,
Menschenbilder und Gesellschaftsideale prägen schließlich den
Alltag in dieser Gesellschaft. Die Wahlerfolge der DVU in Brandenburg
und der NPD in Sachsen sind eine neue Dimension in der Entwicklung des
Rechtsextremismus in Ostdeutschland. Es wäre absurd den Wahlerfolg
ausschließlich auf eine Proteststimmung zurückzuführen.
Seit Jahren agiert die NPD an der Schnittstelle zwischen Jugendkultur
und Politik und kooperiert mit den neonazistischen Kameradschaften. Der
Erfolg bei den ErstwählerInnen zeigt, dass es sich nicht nur um einen
Ausdruck von über Jahre gewachsener Frustration in Bezug auf die
"etablierten" Parteien handelt. Es handelt sich vielmehr bei
dieser WählerInnengruppe um die Erfolge der "Jugendarbeit"
der NPD. Rassismus und Antisemitismus wurden über Jahre hinweg bei
Jugendlichen geschürt und verfestigt. Durch die jetzigen finanziellen
Möglichkeiten der NPD in Sachsen dürfte sich dieses Problem
noch weiter zuspitzen.
Die NPD erhält mit ihrem Einzug in ein Landesparlament privilegierten
Zugang zu materiellen Ressourcen und Informationen. Dies wird zu einer
organisatorischen und politischen Stärkung der NPD und neonazistischer
Gruppen bundesweit führen. Bereits jetzt haben NPD und DVU angekündigt,
mit einer gemeinsamen Liste zur Bundestagswahl 2006 anzutreten.
Unter diesen Umständen heißt linke Politik für uns einerseits
konkrete Aktionen gegen Nazis vor Ort zu organisieren, den Nazis ihre
Räume zu nehmen und andererseits linke Freiräume und Strukturen
zu erkämpfen und langfristig zu etablieren. Dieses Jahr rufen wir
zu einer antifaschistischen Demonstration durch Berlin-Lichtenberg auf.
Mit dieser Demonstration wollen wir Nazistrukturen im Bezirk öffentlich
machen und den Faschisten ihre "sicheren Rückzugsgebiete"
streitig machen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass breites antifaschistisches
Engagement nötig ist, um die Dominanz von Nazis vor Ort zurückzudrängen.
Lichtenberg nicht in
Nazihand
Lichtenberg gehört heute zu einem der Schwerpunktgebiete der Berliner
Naziszene. Allein in diesem Jahr fanden vier Aufmärsche von NPD und
freien Kameradschaften in diesem Bezirk statt. Im Januar diesen Jahres
beteiligten sich Neonazigruppen, wie zum Beispiel die "Kameradschaft
Tor", die "Berliner Alternative Süd-Ost" und der "Märkische
Heimatschutz" an einem von Christian Worch angemeldeten Aufmarsch
in Lichtenberg aus Anlass eines Prozess' gegen die rechtsextreme Naziband
"Landser".
Auch die diesjährige 1. Mai-Demo der Neonazis mit ca. 2.300 Teilnehmenden
startete am S-Bhf. Lichtenberg. Die Kameraden kamen jedoch aufgrund des
massiven antifaschistischen Widerstandes nicht weit und mussten ihre Demonstration
nach wenigen Hundert Metern auflösen. Auch wenn diese Demo als herbe
Niederlage der Nazis zu werten ist, war die Wahl der Aufmarschkulisse
Lichtenberg nicht zufällig.
Aber auch für Spontanaktionen von rechter Seite wird Lichtenberg
immer wieder favorisiert. So veranstalteten Nazis kurzerhand eine Spontandemo
am 21. August 2004, nachdem sie erfahren hatten, dass eine Feier der Rechtsrocker
"Vandalen" verboten wurde. Am Abend des 19. September 2004 fand
in Lichtenberg eine spontane Demonstration der Kameradschaften statt,
um den Einzug ins sächsische bzw. brandenburgische Parlament von
NPD bzw. DVU zu feiern.
Berlin-Lichtenberg ist einer der Bezirke mit den meisten Übergriffen
auf MigrantInnen und VertreterInnen alternativer Jugendkulturen oder auch
einfach nur Nicht-Rechte durch Nazis. An vielen Stellen des Bezirkes ist
ständig Propaganda der Nazis, wie beispielsweise Spuckis und Plakate
zu finden. Dies alles ist keine neue Entwicklung. Bereits früher
war Lichtenberg einer der Schwerpunkte der Nazis gewesen. Nach der "Wiedervereinigung"
wurden in der Weitlingstrasse mehrere Häuser von Nazis besetzt und
als Schaltzentrale für den Aufbau von Nazistrukturen in Ostdeutschland
genutzt. Nach einer breiten antifaschistischen Kampagne mussten die Nazis
schließlich die Häuser aufgeben. Einige Jahre später eröffnete
in der Normannenstrasse das "Café Germania" als Treffpunkt
von Nazis für Nazis. Auch dieses musste nach antifaschistischem Widerstand,
Demonstrationen und militanten Angriffen schließlich dicht machen.
Heute haben zahlreiche Berliner Nazikader ihren Wohnsitz nach Lichtenberg
verlegt. So wohnt zum Beispiel Oliver Schweigert, langjähriger Aktivist
in diversen Neonazi-Organisationen, in der Marie-Curie-Allee. Schweigert
zählt zu den führenden Anti-Antifa-Aktivisten Berlins. Bei einer
Hausdurchsuchung wurde eine "schwarze Liste" mit über 60
Namen und Adressen, teilweise auch Fotos von politischen GegnerInnen,
gefunden. Nicht weit von Schweigert entfernt wohnt Nicole Strugala. Sie
ist Aktivistin der "Mädelgruppe KS Tor", die regelmäßig
auf diversen Naziaufmärschen und -aktionen auftaucht.
Antifaschistische linke
Freiräume erkämpfen!
Angesichts dieser Zustände in Lichtenberg gilt es die "Homezone
für Faschisten" dichtzumachen und das ruhige Rückzugsgebiet
für Nazis aufzumischen. Eine Möglichkeit gegen diese Verhältnisse
vorzugehen ist die Silvio-Meier-Demo. An diesem Tag wollen wir lautstark
unseren Protest gegenüber Nazis aber auch einer allgemeingesellschaftlichen
Rechtsentwicklung auf die Straße tragen, gleichzeitig aber auch
bereits bestehende linke Strukturen im Bezirk unterstützen. Wir wollen
diese Strukturen, wie beispielsweise die Initiative nach einem eigenen
alternativen Jugendzentrum in Lichtenberg stärken, damit sich eine
antifaschistische, alternative Jugendkultur in Lichtenberg entwickeln
bzw. gefestigt werden kann. Die aktuelle Rechtsentwicklung allgemein und
die Situation in Lichtenberg im speziellen zeigen, wie nötig ein
offensiver antifaschistischer Umgang mit Nazis ist und dass die beste
Waffe gegen Rechts immer noch eine starke Linke ist. Denn ohne Gegenwehr
wird sich nichts verändern.
In diesem Sinne: Keine Homezone für Faschisten, Antifa
heißt Angriff! Silvio-Meier-Demo: 20.11.2004,
15 Uhr U-Bahnhof Samariterstraße
Auswertung
Begleitet von von einem
Großaufgebot der Polizei demonstrierten am Samstag, den 20.11.04
rund 1.600 AntifaschistInnen gegen Nazi-Strukturen in Berlin-Lichtenberg.
Ausgehend vom U-Bahnhof Samariterstraße, wo 1992 der junge Hausbesetzer
Silvio Meier von Neonazis erstochen wurde, zogen die meisten jugendlichen
Demo-Teilnehmer zu Lichtenberger Brücke, die von mehreren Hundert
Polizisten abgeriegelt war. Hier wurde die Demo aufgelöst und die
Leute machten sich auf den Weg Richtung Nazi-Aufmarsch. Auf einer Zwischenkundgebung
am "Zoschke-Stadion" wurde ein Kranz für den antifaschistischen
Widerstandskämpfer Hans Zoschke niedergelegt.
An dem Aufmarsch der Neonazis im Viertel rund um die Weitlingstraße
nahmen nur etwa 120 Personen teil. Die Nazis berichten selber, dass mehrere
"nationale Jugendliche angegriffen" wurden.
Am Sonntag fand im Anschluss an eine Mahnwache für Silvio Meier eine
Spontan-Demo in Lichtenberg statt. Knapp 100 Personen zogen in den "Verbotenen-Kiez"
vom Vortag durch die Weitlingstraße zum Wohnort des Neonazi Oliver
Schweigert in der Marie-Curie-Allee.
Bilder:
http://www.krasse-zeiten.de/foto.php?dir=silvio2004
http://www.red-media.net/fotos/uebersicht.php?id=28
http://www.de.indymedia.org/2004/11/99721.shtml
http://www.de.indymedia.org/2004/11/99696.shtml
http://www.de.indymedia.org/2004/11/99682.shtml
http://de.indymedia.org/2004/11/99926.shtml
Outings Berliner Neonazis: http://www.nazibilder.tk/
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Zur Situation in Berlin-Friedrichshain
[Ein Redebeitrag der Antifa Friedrichshain]
Der Berliner Stadtbezirk Friedrichshain
gilt in der öffentlichen Wahrnehmung als tolerant und linksalternativ
dominiert. Im Südkiez sprießen Touristen- und Studi-Kneipen
wie Pilze aus dem Boden und geben dem Bezirk einen lebendigen, weltoffenen
Flair. Durch die nach außen über die ehemals besetzten Häuser
immer noch stark wahrnehmbare linksautonome Szene erscheint Friedrichshain
für viele als eine linke Hochburg, in der Rechtsextreme und Neonazis
ihre menschenverachtende Ideologie nicht ungeschoren öffentlich artikulieren
könnten.
Und dennoch finden in Friedrichshain mit regelmäßiger Kontinuität
rechtsextrem motivierte Übergriffe statt, die in der Öffentlichkeit
allerdings selten als das wahrgenommen werden, was sie sind: rechte Gewalttaten.
Bei den Tätern handelt es sich nämlich in den seltensten Fällen
um Personen, die dem organisierten neonazistischen Spektrum angehören.
Dadurch lassen sich die Übergriffe nicht mehr in das klassische Bild
des rechtsextremen Angriffs einordnen, ein politisches Motiv wird als
Tatmotiv ausgeschlossen, die Übergriffe werden somit entpolitisiert.
Denn die Grundlagen und Denkmuster, die zu solchen Attacken führen,
sind fest in das "normale" gesellschaftliche Denken eingebettet:
das Einteilen von Menschen anhand ihrer Herkunft oder sozialen Stellung
wird als selbstverständlich sozialadäquat und als legitim begriffen.
Ergebnis einer solchen "normalen" Denkweise ist jedoch, dass
Menschen, die sich nicht einer gesellschaftlichen Normalität anpassen
können oder wollen, nicht nur ausgegrenzt werden, sondern auch als
Projektionsfläche für Aggressionen herhalten müssen. Verschiedenen
Beispiele aus der Chronik von Übergriffen in Friedrichshain zeigen,
dass diese in der öffentlichen Wahrnehmung entpolitisierten Vorfälle
nicht ziellos irgend jemanden treffen, sondern sehr wohl rechte Motive
haben. Die Betroffenen sind immer Personen, die entweder nicht der gesellschaftlichen
Normalität entsprechen, zum Beispiel Obdachlose oder Punks, oder
solche Personen, die als vermeintlich nicht-deutscher Herkunft identifiziert
werden. Es handelt sich hierbei also nicht um Einzeltaten, vielmehr sind
die Übergriffe Ausdruck eines strukturellen Verhältnisses.
Die bei genauerer Betrachtung als rechtsextrem motiviert zu bezeichnende
Angriffe gehen in vielen Fällen von Kneipen und Cafes aus, in denen
sich die rechten Täter zuvor getroffen haben. Zu nennen sind hier
zuallererst die "Kietz-Kneipe" in der Neuen Bahnhofstrasse,
die "Green Bar" am Wismarplatz, das "Jessner-Eck"
in der Jessner Strasse und "Frankies Relax-bar" in der Pettenkofer
Strasse. Während sich der Wirt der "Kietz-Kneipe" offen
zu seinem rechtsextremen Weltbild bekennt, dulden die anderen Kneipenbetreiber
lediglich die Anwesenheit eines eines rechten Klientels in ihren Läden
und tragen somit passiv zu rechtsextremistisch motivierten Übergriffen
bei. Aus diesem Grund müssen Kneipenbetreiber, Wirte und vor allem
das Kneipenpublikum sich ganz klar zu solchen Übergriffen und generell
rechten Verhalten positionieren.Tun sie dies nicht, bringen sie damit
unmissverständlich zum Ausdruck, dass sie diese Denkmuster mittragen.
Auch für alle AnwohnerInnen im Kiez muss es zur Verpflichtung werden,
sich zu rassistischen Angriffen und Pöbeleien zu verhalten, damit
Friedrichshain nicht zu einer Gefahrenzone für all diejenigen wird,
die sich einem autoritären, rassistischen und sexistischem Weltbild
nicht beugen.
Wir wenden uns gegen jegliche rassistische Auswüchse, in Kneipen,
auf der Straße, einfach überall! Wir werden KneipenbesitzerInnen,
WirtInnen und rassistischen KneipengängerInnen vor Augen führen,
dass in Zukunft solche Übergriffe nicht mehr stillschweigend hingenom-men
werden. Den Nazis keine öffentlichen Räume, weder in Friedrichshain,
noch anderswo!
In diesem Sinne: Organisiert den Antifaschistischen Selbstschutz!!! Keine
Ruhe den Rassisten und Faschisten!!! Keine Kneipen für Nazis!!!
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