Friedrichshain
- bunt und hip!?
Friedrichshain
gilt als hip, alternativ, bunt. Yuppies wohnen im Einklang mit Punks,
Alteingesessene neben hinzugezogenen Studierenden, TouristInnen trinken
in der Simon-Dach-Straße, es gibt viele RenterInnen, junge Familien
treffen sich im Volkspark... Doch wer genauer hinsieht, merkt, dass die
Idylle trügerisch ist. Die vermeintlich bunte Schar der FriedrichshainerInnen
lebt nicht in solcher Harmonie. Zunehmend entstehen Angsträume für
Menschen, die nicht ins Bild deutscher Spießbürgerlichkeit
und rassistischen Denkens passen.
Es gibt Kneipen, in denen sich bekennende NPD-Kader
aufhalten (z. B. Happy Station Petersburger Straße / Straßmannstraße),
in denen insbesondere Männer es offensichtlich mögen, Kleidung
zu tragen, die deutliche Aussagen transportiert: KuKlux-Klan-Sweatshirts,
in der rechtsextremen Szene beliebte nordische Mythensymbolik und ähnliches.
Immer wieder gibt es Übergriffe auf als "nicht-deutsch"
Eingestufte - einige davon dokumentiert wie etwa der Übergriff auf
vier vietnamesische Jugendliche im Juli 2003, ausgegangen von Franks Relaxbar
in der Pettenkofer Straße. AntifaschistInnen werden auch in jüngster
Zeit mehrfach im Umfeld des Frankfurter Tors attackiert - am 11. Januar
2004 wird ein junger Mann bis zur U5, U-Bahnhof Frankfurter Tor, gejagt,
hinter ihm zwei Nazis, die dem Mann in der abfahrenden U-Bahn "Du
scheiß Jude" hinterherbrüllen und gegen die Fenster trommeln,
am 6. Februar 2004 werden zwei Linke durch vier Nazis erheblich verletzt,
ebenfalls am U-Bahnhof Frankfurter Tor, im Februar finden sich dort Schmierereien
mit SS-Runen, dem Nazi-Spruch "Arbeit macht frei" und einem
Hakenkreuz, an einem Eingang des U-Bahnhofs Weberwiese prangt lange Zeit
der Spruch "Rache für Heß". Am Krankenhaus Friedrichshain
versuchen am 22. Februar 2004 Mitglieder der in Friedrichshain gegründeten,
rechten und gewaltbereiten Kameradschaft Tor Horst Wessel zu gedenken,
jüngst macht die NPD Infostände am Ringcenter.
Berühmt-berüchtigt ist auch die Biermeile im August auf der
Karl-Marx-Allee, bei der sich insbesondere am Stand Odins Trunk immer
wieder ausgemachte Nazikader sammeln und treffen. Nicht zu vergessen die
allgemeine aggressive und bedrohliche Grundatmosphäre, die durch
die Massen betrunkener Männer die gesamte Umgegend für drei
Tage dominiert.
Und auch der ganz alltägliche Rassismus mißtrauischer Nachbarn,
die stets wachsam andere Nachbarn beäugen, deren Hautfarbe ihnen
zu dunkel ist, die ihnen zu türkisch, zu asiatisch oder zu russisch
oder schlichtweg zu anders sind, ist präsent in so manchem Mietshaus
Friedrichshains.
Vatertag ist Herrentag ist Himmelfahrt...
...ist rassistisch ist sexistisch
Alljährlich am sogenannten Herrentag
können sich die beschriebenen rassistischen und sexistischen Tendenzen
entladen, denn da ist Vati richtig frei. Am Herrentag ziehen landauf landab
besoffene Männer und Nazis durch die Städte und über die
Felder. Auch in Friedrichshain werden sie herumwanken und für alle
Nichtdeutschen, Nichtweißen und NichtMÄNNER das Leben an Himmelfahrt
zur Hölle machen. Es entstehen Angsträume für all diejenigen,
die nicht ihr Bild passen (wollen).
Der Herrentag oder Vatertag geht auf religiöse Wurzeln zurück-
manche HistorikerInnen gehen auch von germanischen Ritualen aus. Bereits
seit dem Mittelalter ist er eigentlich nur eine Sauftour grölender
Männer. Seit 1914 als Gegenstück zum Muttertag begangen, eignet
er sich heute vortrefflich als Aktionstag für Nazis. Auch wenn saufende
und grölend umherziehende Männer nicht gleich Nazis sind, so
finden diese doch in deren partriachalen, männlich-heterosexuellem
Weltbild beste Anknüpfungspunkte. Und so wundert es nicht, dass Letztere
im Schutz der herumziehenden Männerbanden ihre Angriffe gegen Menschen
durchführen.
So machten in Magdeburg 1994 ca. sechzig Deutsche am "Herrentag"
Jagd auf MigrantInnen und Flüchtlinge. Nur Ausländer und wenige
Deutsche wehren sich. Mehrere Verfolgte werden brutal geschlagen, erleiden
Verletzungen und werden sogar von der Polizei weiter misshandelt. Dieses
Ereignis wird später besonders bekannt. Doch jedes Jahr gibt es Meldungen
aus verschiedensten Regionen Deutschlands: Behinderte werden angefallen.
Frauen bedroht. Vor allem AusländerInnen werden krankenhausreif geprügelt.
Es kommt zu Morden wie etwa 1997 an dem 60jährigen deutschen, arbeitslosen
Alkoholiker Augustin Blotzki, der in seiner Wohnung in Königs Wusterhausen
unter Zurufen wie "Scheißausländer", "Bulgarensau"
von fünf stadtbekannten Rechten zu Tode geprügelt wird. Viele
verlassen daher an jenem Tag besser nicht das Haus oder wählen sehr
umsichtig unter Angsteinfluss ihren Weg.
Solcherlei Vorkommnisse sind insbesondere auch wieder am 20. Mai 2004
zu befürchten. Am diesjährigen Himmelfahrtstag werden wie überall
auch in Friedrichhain Nazis und rechte Männer saufend und grölend
durch die Strassen ziehen.
Wir wollen an diesem Tag in Friedrichshain präsent sein, um den öffentlichen
Raum nicht Nazis, Rassisten und Sexisten zu überlassen. Es wird am
20. Mai 2004 ab 14 Uhr daher eine Kundgebung und ein Picknick am Petersburger
Platz (an der Ecke Petersburger Straße/Straßmannstraße)
stattfinden. Alle die, die Lust haben, an diesem Tag den Nazis ins Bier
zu spucken, aber auch die, die Angst haben oder einfach kein Bock auf
die üblichen Pöbeleien haben, seien eingeladen! Lasst uns zusammen
einen angstfreien öffentlichen Platz ohne Sexismus und Rassismus
beanspruchen an diesem Tag! Kommt zahlreich!!
www.schoenerfriedrichshain.de
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