Anti-Repressionsratgeber
Mit Festnahmen bei Demonstrationen und anderen
Aktionen, mit Beschlagnahme von Flugblättern, Zeitungen usw., mit
Hausdurchsuchungen, Strafbefehlen und Prozessen muss heute jede/r rechnen,
der/die aktiv politisch tätig ist, gegen Ausbeutung und Unterdrückung
kämpft, egal ob als AntifaschistIn, AKW-GegnerIn, AntimilitaristIn,
KommunistIn oder AnarchistIn.
Mit
immer neuen Gesetzen wird selbst das Wenige, was der kapitalistische Staat
an Meinungsfreiheit, Organisationsfreiheit und Demonstrationsrecht gewährt,
ständig eingeschränkt.
Die staatliche Repression nimmt noch lange nicht deswegen ab, weil die
Linke immer schwächer wird - im Gegenteil, weil die staatlichen Stellen
mit wenig organisierter Gegenwehr rechnen (müssen), können sie
sich Kriminalisierungsversuche erlauben, die in Zeiten starker Massenbewegungen
nicht durchsetzbar wären.
Ihre Einschüchterungsversuche und Kriminalisierungsstrategien verfangen
grundsätzlich nur in dem Maße, wie es uns nicht gelingt, unsere
Vereinzelung aufzuheben und uns gemeinschaftlich zu organisieren.
Eine gute Voraussetzung, um die erste Grundregel im "Ernstfall"
wirklich beherzigen zu können, ist Vertrauen. Nicht in die göttliche
Allmacht, des Schicksals Weg oder die Unzertrennlichkeit von Ying und
Yang, sondern Vertrauen auf Genossinnen und Genossen, die sich um einen
kümmern, wenn mensch in der Scheisse sitzt - und die bei Polizei
und Staatsanwaltschaft genauso die Schnauze halten wie du!
Demo-Einmaleins
Klar, es gibt riesige Unterschiede zwischen einer Demo und einer Demo.
Oft sagen wir uns, dass bei der Demo sowieso nix passiert und haben auch
oft recht damit. Dennoch sollten einige Grundregeln auch auf einer "Spaziergangs-"Demo
beherzigt werden, weil auch solche schon Objekt polizeilicher Aktionen
geworden sind.
Auf dem Weg zur Demo
Gehe nach Möglichkeit nie alleineauf eine Demo oder zu einer anderen
Aktion. Es ist nicht nur lustiger mit Menschen unterwegs zu sein, die
Du kennst und denen Du vertraust, sondern auch sicherer. Profimäßig
ist es, zusammen hinzugehen und zusammen den Ort des Geschehens wieder
zu verlassen. Sinnvoll ist es auch, in der Gruppe vorher das Verhalten
in bestimmten Situationen abzusprechen. Dabeisollte Raum für Ängste
und Unsicherheiten einzelner sein. Während der Demo sollte die Gruppe
möglichst zusammen bleiben.
Achte auf angemessene Kleidung inkl. Schuhe, in denen Du bequem und ggf.
schnell laufen kannst. Steck einen Stift und ein Stück Papier ein
um wichtige Details zu notieren (siehe unten: Das Gedächtnisprotokoll).
Nimm eine Telefonkarte und ein paar Groschen mit, die Polizei ist zwar
nach einer Festnahme verpflichtet, Dir auch dann 2 Telefonate zu gewähren,
wenn Du kein Geld dabei hast, aber sicher ist sicher. Nimm Medikamente,
die Du regelmäßig einnehmen musst, in ausreichender Menge mit.
Besser Brille als Kontaktlinsen. Lass persönliche Aufzeichnungen,
besonders Adressbücher zu Hause. Überleg gut, was Du unbedingt
brauchst. Alles andere kann im Falle einer Festnahme der Polizei nützen.
Drogen jeglicher Art sollten weder vorher konsumiert, noch auf die Demo
mitgenommen werden; schliesslich musst Du einen klaren Kopf bewahren und
jederzeit in der Lage sein können, Entscheidungen zu treffen. Einen
Fotoapperat brauchst Du auch nicht, Deine Fotos helfen im Falle einer
Festnahme nur der Gegenseite!
Der Ermittlungsausschuss
Meist gibt es einen EA (Ermittlungsausschuss) dessen Telefonnummer durchgesagt
oder per Handzettel verbreitet wird. Der EA kümmert sich vor allem
um Festgenommene, besorgt für sie Anwält- Innen. Wenn jemand
festgenommen wurde, sollte sie/er sich beim EA melden. Wenn Du ZeugIn
einer Festnahme wirst, versuch den Namen der/des Festgenommenen zu erfahren.
Melde die Festnahme dem EA, damit ihr/ihm geholfen werden kann. Menschen,
die nach einer Festnahme wieder freigelassen werden, sollten sich sofort
beim EA zurückmelden und ein Gedächtnisprotokoll anfertigen.
So ein Gedächtnisprotokoll kann sehr nützlich sein, wenn nach
einigen Monaten noch ein Verfahren eröffnet wird. (Auch die Polizei
hält alles in ihren Unterlagen fest!) Auch ZeugInnen von Übergriffen
sollten ein Gedächtnisprotokoll anfertigen. Beinhalten sollte ein
Gedächtnisprotokoll auf jeden Fall: Ort, Zeit und Art (Festnahme,
Prügelorgie, Wegtragen) des Übergriffs, Namen der/des Betroffenen,
Zeug- Innen sowie Anzahl, Diensteinheit und Aussehen der Schläger
(Oberlippenbart reicht nicht!). Dieses Gedächtnisprotokoll ist nur
für den EA bestimmt, so es einen gibt, andernfalls erstmal sicher
aufbewahren.
Bei Übergriffen
Nicht in Panik geraten. Tief Luft holen, stehen bleiben und auch andere
dazu auffordern. Spätestens jetzt heisst es, schnell Ketten zu bilden
und wenn's gar nicht anders geht, sich langsam und geschlossen zurückzuziehen.
Oftmals können Übergriffe der Freunde und Helfer allein durch
das geordnete Kettenbilden und Stehenbleiben abgewehrt, das Spalten der
Demo, Festnahmen und das Liegenbleiben von Verletzten verhindert werden.
Bei Verletzungen
Kümmere Dich um Verletzte und hilf mit, deren Abtransport gegenüber
Greiftrupps abzusichern. Wende Dich an die Demo- Sanis, soweit vorhanden,
oder organisiere mit FreundInnen selbst den Abtransport oder die Versorgung
der Verletzten. Wenn Ihr ein Krankenhaus aufsuchen müsst, dann möglichst
eins, das nicht mit der Veranstaltung in Verbindung gebracht wird. Wichtig
ist, auch dort keine Angabenzum Geschehen zu machen - oft schon haben
Krankenhäuser mit der Polizei zusammengearbeitet und Daten weitergegeben.
Deine Personalien musst Du, allein schon wegen der Krankenversicherung,
korrekt angeben - aber darüberhinaus nix oder "Unfall im Haus"
o.ä.
Bei Festnahmen
Mache auf Dich aufmerksam ( "Scheisse" brüllen kann jedeR
am lautesten!), rufe Deinen Namen, ggf. den Ort, aus dem Du kommst, damit
Deine Festnahme dem EA mitgeteilt werden kann. Wenn Du merkst, dass kein
Entkommen mehr möglich ist, versuche möglichst bald die Ruhe
wiederzugewinnen und vor allem: ab diesem Moment sagst Du keinen Ton mehr!Nach
der Freilassung sofort beim EA melden. Wieder zuhause angekommen, schreib
Dir so genau wie nur möglich die Umstände Deiner Festnahme auf
und alles, an das Du Dich sonst in diesem Zusammenhang erinnern kannst,
insbesonderemögliche ZeugInnen des Vorfalls. Nimm Kontakt auf zum
EA, zu einer eventuellen Prozeßgruppe, einer Bunten Hilfe oder zur
Roten Hilfe.
Beim Abtransport
Auf der Fahrt zu Gefangenensammelplätzen oder Revieren sprich ggf.
mit den anderen Festgenommenen über Eure Rechte, aber mit keinem
Wort über das, was Ihr oder Du gemacht habt/hast. Das wäre nun
wirklich nicht das erste mal, dass da ein Spitzel unter Euch ist, auch
wenn Du ein gutes Gefühl zu allen hast. Achte auf andere und zeige
Dich verantwortlich, wenn sie mit der Situation noch schlechter klar kommen
als Du, das beruhigt auch Dich. Redet darüber, dass es Sinn macht,
ab sofort konsequent die Schnauze zu halten. Tausche mit Deinen Mitgefangenen
Namen und Adressen aus, damit der/die zuerst Freigelassene den EA informieren
kann.
Auf der Wache
Gegenüber der Polizei bist Du nur verpflichtet, Angaben zu Deiner
Person zu machen, das sind ausschliesslich:
* Name, Vorname, ggf. Geburtsname
* (Melde-)Adresse
* allgem. Berufsbezeichnung (z.B. "Student", "Angestellte"
o.ä.)
* Geburtsdatum und Ort
* Familienstand (z.B. "ledig"), Staatsangehörigkeit
(auch diese Angaben kannst Du natürlich verweigern, nur lieferst
Du ihnen damit einen billigen Vorwand, Dich zu fotografieren, Dir Fingerabdrücke
abzunehmen und Dich bis zu 12 Stunden festzuhalten - was sie aber, wenn
sie wollen, ohnehin machen können. Ansonsten ist die Verweigerung
der Personalien nur eine Ordnungswidrigkeit und kostet Dich ein paar Hunderter
Bußgeld)
Und das war's dann aber auch maximal! Keinen
Ton mehr! Nichts über Eltern, Schule, Firma, Wetter
; einfach:
Nach der Festnahme hast Du das Recht, zwei Telefongespräche zu führen.
Nerv die PolizistInnen so lange, bis sie Dich telefonieren lassen, droh
mit einer Anzeige. Bei Verletzungen einen Arzt verlangen, von diesem ein
Attest fordern. Nach der Freilassung weiteren Arzt aufsuchen und ein zweites
Attest anfertigen lassen. Bei beschädigten Sachen schriftliche Bestätigung
verlangen. Bei erkennungsdienstlicher Behandlung (Fotos, Fingerabdrücke)
Widerspruch einlegen und protokollieren lassen. Selbst aber nichts unterschreiben!
Im Verhör
Auf der Wache Lass Dich nicht einwickeln. Lass Dich weder von Brutalos
einschüchtern, noch von verständnisvollen Onkel-Typen weichlabern.
Glaube nicht, die Beamten austricksen zu können. Jede Situation ist
günstiger, um sich was Schlaues zu überlegen, als die, wenn
Du auf der Wache sitzt, und alles - wirklich alles - ist auch nach Absprache
mit GenossInnen und AnwältIn noch möglich, auch wenn Dir die
PolizistInnen erzählen, dass es besser für Dich wäre, jetzt
sofort Aussagen zu machen: das ist gelogen! Auch keine "harmlosen"
Plaudereien, "ausserhalb" des Verhörs, z.B. beim Warten
auf dem Flur o.ä., keine "politischen Diskussionen" mit
den Wachteln: Jedes Wort nach Deiner Festnahme ist eine Aussage!
Auch wenn Du meinst, Dir werden Sachen vorgeworfen, mit denen Du garnix
zu tun hast, möglicherweise auch Sachen, die Du nie tun würdest
- halte bitte trotzdem die Klappe. Was Dich entlastet, kann jemanden anderen
belasten, hat von zwei Verdächtigen einer ein Alibi, bleibt einer
übrig. Auch Informationen darüber, was Du nicht getan hast,
helfen dem Staatsschutz, ein Gesamtbild gegen Dich und andere zu konstruieren.
Es ist jedoch nicht nur ein Gebot der Solidarität gegenüber
anderen und der Vernunft im Hinblick auf ein mögliches eigenes künftiges
Strafverfahren, sondern darüberhinaus auch schlichtweg am einfachsten,
am (relativ) "bequemsten", am (relativ) "schmerzlosesten"
für Dich in dieser Situation, total und umfassend garnix zu sagen
und von vorneherein den VernehmerInnen klar zu machen, dass Du umfassend
die Aussage verweigerst. Nach den Fragen zur Person kommen oft erstmal
ganz "unverfängliche" Fragen: "Wie lange wohnen Sie
denn schon in
"; "Sind Sie mit dem Auto hergekommen?";
"Im wievielten Semester sind Sie?"... Und wenn sie merken, dass
Du darauf, vielleicht auch widerwillig, noch eingehst und antwortest,
werden sie ihre Chance wittern und gnadenlos weiterbohren, wenn Du auf
andere Fragen nicht mehr antworten willst: "Was ist denn dabei, wenn
Sie mir sagen, ob Sie mit xy zusammenwohnen?"; "Warum wollen
Sie mir denn das nicht sagen?"; "Das lässt sich doch feststellen,
wem das Auto gehört, das hält doch jetzt nur auf, wenn Sie es
nicht von sich aus sagen" usw, usw
Sie werden keine Ruhe geben,
solange Du überhaupt auch nur auf das Gespräch eingehst.
Völlig anders ist die Situation in dem Augenblick, in dem Du unmissverständlich
klar machst, und zwar so eindeutig und monoton wie möglich, daß
es jeder Schimanski kapiert, dass Du die Aussage verweigerst: Auf jede,
aber auch jede Frage, eintönig wie eine kaputte Schallplatte: "Ich
verweigere die Aussage!". "Regnet es draussen?" - "Ich
verweigere die Aussage!"; "Wollen Sie eine Zigarette/einen Kaffee?"
- "Ich verweigere die Aussage!"; "Wollen Sie vielleicht
mit jemandem anders sprechen?" - "Ich verweigere die Aussage!"...
Keine Angst, niemand hält Dich für blöde, auch wenn Dein
Gegenüber so tun wird. Er/sie wird im Gegenteil sehr schnell kapieren,
dass es Dir ernst ist und Du nicht zu übertölpeln bist, dass
Du genau weisst, was Du zu tun hast, und wird aufgeben. Das heisst für
Dich auf jeden Fall erstmal raus aus der Verhörmühle und im
besten Fall, daß Du nach hause gehen kannst.
Freilassen müssen sie
Dich
* bei Festnahmen zur Identitätsfeststellung:
nachdem Du Deine Personalien angegeben hast und wenn Du einen Ausweis
dabei hast eigentlich sofort; um zu überprüfen, ob Deine Angaben
auch stimmen, können sie Dich jedoch bis zu 12 Stunden festhalten.
* bei Festnahmen als Tatverdächtiger:
spätestens um 24:00 Uhr des auf die Festnahme folgenden Tages (also
maximal 48 Stunden), es sei denn, sie führen Dich einem Richter vor
und dieser verhängt entweder Untersuchungshaft (nur bei schweren
Straftaten und Flucht- oder Verdunklungsgefahr - bis zu 6 Monaten, aber
auch länger) oder ordnet ein "Schnellverfahren" an (dazu
mehr weiter unten, dann maximal eine Woche).
* bei Vorbeugehaft ("Unterbindungsgewahrsam"):
wenn nach Auffassung der Polizei die Gefahr besteht, Du könntest
Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begehen: bis zum Ende der Aktion,
zu der Du wolltest (Demo, Widerstandstage,...), maximal je nach Bundesland
zwischen 24 Stunden (so zur Zeit in Berlin) und 2 Wochen (Bayern, Sachsen
).
Da die Polizeigesetze, in denen das festgelegt ist, ständig verschärft
werden, solltest Du Dich vor einer Aktion in einem anderen Bundesland
immer kundig machen, um keine Überraschungen zu erleben.
Hausdurchsuchungen
Nicht ungewöhnlich sind im Zusammenhang mit grösseren Aktionen
oder nach Festnahmen oder im Rahmen offensiver staatlicher Razzien Hausdurchsuchungen.
Auf die eigentlich notwendige richterliche Durchsuchungsanordnung wird
oft wegen behaupteter "Gefahr im Verzug" verzichtet.
Hausdurchsuchungen gehören zu den gemeinsten Übergriffen des
Staatsapperats: neben dem vordergründigen Ziel, etwas zu finden,
mit dem sie Dir was anhängen können, ist das Eindringen in Deine
Wohnung auch immer ein Versuch, Dich zu demütigen, zu demoralisieren
und "Allmacht" über Dich zu demonstrieren. Dem kannst Du
am besten widerstehen, wenn Du einen ruhigen Kopf bewahrst! Wenn sie Dich
morgens geweckt haben, werde erstmal richtig wach, setz Dir einen Kaffee
auf, geh erstmal aufs Klo...
Wenn sie erst einmal in Deiner Wohnung stehen, kannst Du die Durchsuchung
nicht mehr verhindern. Aber Du kannst einiges tun, damit sie nicht zur
Katastrophe wird:
Das Wichtigste: Keine Aussage, kein Wort von Dir, z.B. zu dem Vorwurf,
aufgrund dessen die Durchsuchung stattfindet. Du solltest ja ohnehin nie
mehrere Exemplare von "brisanten" Flugblättern im Haus
haben (Dir könnte "Verbreitung" vorgeworfen werden), vor
Demos oder grösseren Ereignissen, z.B. Revolutionen, räumst
Du Deine Bude ohnehin gründlich auf (auch das Piece und die Quittung
vom letzten Versicherungsbetrug!) - falls sie trotzdem was "belastendes"
bei Dir finden: kein Wort von Dir dazu! Auch nicht: "Das gehört
mir nicht" o.ä., einfach garnix!
Versuche ZeugInnen herbeizuholen, rufe FreundInnen an und lass den Hörer
daneben liegen, damit der/die Angerufene so ungefähr mitbekommt,
was abgeht. Wenn möglich, informiere Deine RechtsanwältIn. Lass
Dir die Durchsuchungsanordnung zeigen, verlange eine Kopie; bei "Gefahr
im Verzug" lass Dir zumindest den Grund der Durchsuchung genau sagen
und die Sachen, nach denen gesucht wird und schreib Dir das auf. Schreib
Dir Namen und Dienstnummern der Beamten auf. Verlange, dass Deine Beschwerde
(ohne inhaltliche Begründung!) zu Protokoll genommen wird. Du hast
das Recht, bei jedem einzelnen durchsuchten Raum dabeizusein, verlange
deshalb, dass ein Raum nach dem anderen durchsucht wird. Wird etwas mitgenommen,
Beschlagnahmeverzeichnis verlangen, aber nicht unterschreiben! Wenn nichts
beschlagnahmt wurde, lass Dir das bescheinigen.
Wenn sie wieder weg sind, detailliertes Gedächtnisprotokoll anfertigen,
EA, Prozessgruppe, Bunte Hilfe oder Rote Hilfe und die AnwältIn informieren.
Dann lade Dir Deine beste Freundin, Deinen besten Freund ein, denn nach
einer solchen Sache bist Du mit den Nerven erstmal fertig und hast jedes
Recht, Dich auszuquatschen, auszuheulen und/oder verwöhnt zu werden!
Vorladungen
Wochen oder Monate nachdem Du Dich an einer Aktion/Demo beteiligt hast,
bekommst Du Post von den Bullen oder der Staatsanwaltschaft, manchmal
rufen sie auch an.
Egal, ob Du ZeugIn oder BeschuldigteR in ihrem Spielchen sein sollst,
spätestens jetzt ist es Zeit, Dich an EA oder Rote Hilfe zu wenden
und eine AnwältIn zu suchen. In den meisten Fällen ist jetzt
der Zeitpunkt, die Sache öffentlich zu machen, politischen Protest
zu organisieren und Solidarität einzuwerben.
Auf keinen Fall aber ist eine Vorladung Grund, in Panik zu geraten oder
plötzlich einem Anwalt mehr zu trauen als den eigenen politischen
Überzeugungen und auf irgendwelchen "Handel" mit der Staatsgewalt
zu spekulieren o.ä.! Hier gilt wie immer: Ruhe bewahren - Widerstand
organisieren! Bisher war der Repressionsapparat noch immer eher bereit,
seine Verfolgung zurückzunehmen, wenn in einem Fall grosser öffentlicher
Druck aufgebaut werden konnte, als wenn die Verfolgten sich einschüchtern
liessen!
Aussageverweigerung als
BeschuldigteR/AngeklagteR
Als BeschuldigteR (so heisst das im Ermittlungsverfahren) oder AngeklagteR
(im Strafprozess) hast Du jedes Recht, die Aussage zu verweigern, in jeder
Phase des Verfahrens. Das solltest Du zu Beginn der Verfolgung auf jeden
Fall tun, nie ein Wort "zur Sache" nach Festnahme, Hausdurchsuchung,
beim Verhör! Wirst Du von der Polizei vorgeladen, musst Du nichtmal
hingehen, zur Staatsanwaltschaft und zum Ermittlungsrichter (und natürlich
ggf. zu Deinem eigenen Prozesstermin) musst Du erscheinen, aber nichts
sagen. Ob Du später in Prozess eine Erklärung, "politisch"
oder "zur Sache", abgeben willst, kannst Du später immer
noch in Ruhe mit Genoss- Innen, Roter Hilfe und RechtsanwältIn besprechen.
Aussageverweigerung als
ZeugIn
Als ZeugIn ebenfalls kein Wort zu Polizei oder Staatsanwaltschaft! Auch
hier gilt: zur Polizei nicht hingehen, zur Staatsanwaltschaft und Richter
musst Du hin, sonst können sie Dich festnehmen und hinschleppen.
In der ersten Phase des Verfahrens, unmittelbar nach der Aktion, nach
Festnahme, Durchsuchung, im Verhör, bevor Du Dich mit Beschludigten,
Prozessgruppe, Roter Hilfe, Anwälten usw. besprechen konntest, ist
jede Zeugenaussage nur falsch und schädlich für Dich und für
andere, da solltest Du auf jeden Fall Deinen Mund halten, egal mit was
sie Dir drohen oder was sie Dir versprechen. Es gibt in dieser Phase keine
"Entlastungsaussagen" und auch keine "harmlosen Aussagen"!
Einfach kein Wort, das ist das einfachste und auch der schnellste Weg,
aus der Mühle wieder raus zu kommen (vgl. oben "Im Verhör").
Wirst Du später als ZeugIn von der Staatsanwaltschaft oder zum Gerichtsprozess
geladen, solltest Du Dich genau mit den anderen Beteiligten, vor allem
den Angeklagten, beraten, was welche Aussage von Dir bringen oder schaden
kann. Weil die Staatsschutzjustiz in politischen Prozessen immer mehr
veranstaltet, als die Überführung und Verurteilung Einzelner,
nämlich z.B. das Ausforschen von Widerstandszusammenhängen,
Entsolidarisierung durch Herausgreifen Einzelner, Spalten durch Fordern
von Unterwerfungsgesten usw. usw. - darum ist sehr oft auch im Gerichtsprozess
das einzige richtige ZeugInnen-Verhalten: konsequente und umfassende Aussageverweigerung.
Als ZeugIn besteht grundsätzlich, sofern kein Zeugnisverweigerungsrecht
(z.B. als Verwandter, hierzu zählen auch die/der Verlobte) besteht,
die Pflicht zur Aussage. Sie kann mit Ordnungsgeld und Beugehaft durchgesetzt
werden.
Der "§ 55"
Bei bestimmten Fragen hast Du das Recht diese nicht zu beantworten, wenn
Du Dich eventuell damit selbst belasten könntest, sog. Aussageverweigerungsrecht
(§ 55 StPO). Einige empfehlen dies als Mittel, nichts zu sagen und
trotzdem der Beugehaft zu entgehen. Da Du aber u.a. begründen musst,
warum die Antwort auf diese Frage Dich belasten würde, sagst Du meist
doch ähnlich viel aus, als würdest Du die Frage selbst beantworten.
Im Gegenteil lieferst Du damit der Gegenseite meist weitere Informationen.
Ausserdem gibt es immer Fragen, bei denen eine Selbstbelastung völlig
undenkbar ist, die Du bei dieser "Taktik" also beantworten müsstest
und schon bist Du im Reden und die Praxis zeigt, dass niemand mehr in
dieser Situation eine selbstbestimmte Grenze ziehen kann. Schliesslich
lieferst Du der Staatsschutzjustiz damit auch die von ihr geforderte Unterwerfungsgeste
und trägst ggf. zu einer Spaltung innerhalb der Gruppe der ZeugInnen
und Angeklagten bei, denn eine gemeinsame Prozessstrategie ist dann meist
nicht mehr möglich.
Daher warnen wir nachdrücklich vor dem Versuch, sich mit der Methode
"Aussageverweigerung wegen Selbstbelastung" aus der Affaire
ziehen zu wollen!
Beugehaft
Wer nicht als ZeugIn aussagt, obwohl er/sie müsste (also weder Zeugnis-
noch Aussageverweigerungsrecht hat), kann mit dem Zwangsinstrument der
Beugehaft belegt werden. Damit sollen in erster Linie Aussagen erzwungen
werden, es wird aber auch gegen Widerspenstige, bei denen die Ermittler
genau wissen, dass sie auch nach Beugehaft keine Aussagen bekommen werden,
als Schikaneund reine Repressions-Maßnahme genutzt. Es darf Beugehaft
von insgesamt 6 Monaten angeordnet werden, also auch mehrmals eine kürzere
Dauer, die zusammengerechnet maximal 6 Monate ergeben. Beugehaft wird
manchmal bereits von der Staatsanwaltschaft angedroht, aber auch hier
gilt: Ruhe bewahren: Nur der Richter darf Beugehaft anordnen, nicht der
Staatsanwalt! Vor einer eventuellen Beugehaft steht also in der Regel
die Möglichkeit, sich darauf vorzubereiten, eine Kampagne zu planen,
für die Miete u.ä. zu sorgen, die Folgen für Arbeitsplatz,
Schule u.ä. zu minimieren usw. Wem droht, in diese Situation zu kommen,
der/die muß sofort Kontakt zur Roten Hilfe aufnehmen.
Wir lassen keineN, der/die in Beugehaft sitzt, alleine!
Schnellverfahren
Seit 1994 bzw. 1997 gibt es das sog. "beschleunigte Verfahren"
und die "Hauptverhandlungshaft" - ausdrücklich eingeführt
um "reisenden Gewalttätern", also DemonstrantInnen, für
"kleinere Delikte" (Höchstrafe 1 Jahr) einen kurzen Prozess
zu machen. Du wirst festgenommen und gleich dabehalten (maximal 1 Woche),
bis einige Tage später Dir der Prozess gemacht wird, mit eingeschränkten
Verteidigungsrechten und ohne die Möglichkeit für Dich, Dich
angemessen vorzubereiten.
Schon daraus wird ganz klar: Am Schnellverfahren beteiligen wir uns niemals
aktiv! Keine Aussagen, keine Kooperation. Das kann mensch nur "durchstehen",
über sich ergehen lassen wie einen Regenschauer, da gibt es auch
keine Verteidigung! Da von extremen Ausnahmen abgesehen, im Schnellverfahren
nur Bewährungs- oder Geldstrafen verhängt werden können,
kommst Du sofort nach dieser Karikatur einer Gerichtsverhandlung wieder
auf freien Fuß, kannst durchatmen, überlegen, besprechen und
wenn Du innerhalb einer Woche Rechtsmittel einlegst, Dich in aller Ruhe
auf den "richtigen" Prozess vorbereiten.
In Hauptverhandlungshaft solltest Du versuchen, Deine AnwältIn zu
erreichen, schon damit diese das Schnellverfahren abzuwenden und Dich
rauszuholen versuchen kann.
Auch macht es natürlich Sinn, in einem Schnellverfahren eine AnwältIn
dabei zu haben, auch wenn eine sinnvolle Verteidigung in diesem Prozess
ganicht möglich ist. Auf garkeinen Fall aber solltest Du, wenn keine
AnwältIn dabei ist, irgendwelche Prozessanträge o.ä. selber
stellen, auch wenn Du vom Gericht belehrt werden wirst, dass Du das kannst!
Vor allem keine "EntlastungszeugInnen" benennen oder ähnliches:
es hilft Dir nichts und Du reitest sie rein, es haben schon ZeugInnen,
die von unverteidigten Angeklagten benannt wurden, erstens selber dasselbe
Verfahren bekommen und zweitens noch eins wegen "Meineid" in
dem Verfahren, in dem sie ZeugInnen waren! Also: Keine Anträge stellen,
keine ZeugInnen benennen!
Strafbefehl
Statt eines Prozesses kann Dir als Beschuldigter/m nach einer Aktion auch
ein sog. Strafbefehl ins Haus flattern. Das ist quasi ein Urteil ohne
Verhandlung, legst Du dagegen innerhalb von zwei Wochen Widerspruch ein,
bekommst Du einen ganz normalen erstinstanzlichen Prozesstermin und der
Strafbefehl ist dann nur noch die Anklageschrift. Den Widerspruch brauchst
Du und solltest Du nicht begründen. Es gilt, wie nach einer Vorladung:
sofort Kontakt aufnehmen zu EA, Bunter oder Roter Hilfe, ggf. Prozessgruppe
oder anderen Beschuldigten wegen derselben Aktion und zur RechtsanwältIn.
Wichtig ist nur, dass Du die Zweiwochenfrist einhältst, sonst wird
der Strafbefehl rechtskräftig! Solltest Du dies wegen Abwesenheit
von Deiner Wohnung einmal nicht können, z.B. Urlaub, musst Du sofort
nach Deiner Rückkehr Dich beim Gericht melden und das mitteilen und
nachweisen (sog. "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand").
Mögliche ausländerrechtliche
Folgen politischer Strafverfolgung
Schon während eines Ermittlungsverfahrens (also vor der Verurteilung)
kann die Ausländerbehörde versuchen, Dich abzuschieben. Voraussetzung
ist der Vorwurf einer "schweren" Straftat, z.B. schweren Landfriedensbruchs.
Dagegen kann jedoch in den meisten Fällen erfolgreich durch die Einschaltung
einer AnwältIn vorgegangen werden. Für Menschen ohne deutschen
Pass ist die Hilfe durch UnterstützerInnen-Gruppen und durch AnwältInnen
noch viel wichtiger als ohnehin! Am grössten ist die Gefahr, dass
Du abgeschoben wirst, nach der Verurteilung.
Den relativ grössten Schutz gegen Abschiebung haben Flüchtlinge,
deren Asylantrag anerkannt ist oder die eine Duldung wegen drohender Folter
oder drohender Todesstrafe erhalten haben; sie stehen unter dem Schutz
der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Genfer Flüchtlingskonvention,
wonach in solchen Fällen eine Abschiebung verboten ist. Doch die
politische Zusammenarbeit, z.B. zwischen BRD und Türkischer Republik,
hat es auch in diesem Bereich schon zu praktischen und juristischen Aufweichungen
kommen lassen.
Am meisten bedroht durch eine Abschiebung sind Menschen, die sich illegal
in der BRD aufhalten, z.B. Flüchtlinge, deren Asylverfahren rechtskräftig
abgeschlossen ist und die auch keine Duldung erhalten haben. In solchen
Fällen sollte sofort nach einer Verhaftung durch die Polizei mit
anwaltlicher Hilfe ein (zweiter) Asylantrag gestellt werden, dadurch kann
die drohende Abschiebung zumindest verzögert werden und es wird Zeit
gewonnen, um weitere Schritte zu überlegen.
Einerseits droht bei politischer Aktivität zunehmend die strafrechtliche
Verurteilung, andererseits können dadurch auch neue Asylgründe
entstehen. So kann ein sog. Asylfolgeantrag damit begründet werden,
dass Du in einem Strafverfahren als Aktivist gegen den Staat, dessen Staatsangehörigkeit
Du hast, angeklagt wirst.
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