Keine
Panik...
Ratgeber gegen Neonaziübergriffe
(als
PDF)
Bedrohungen und Angriffe durch Neonazis
sind leider keine Seltenheit, sondern vor allem in Ostdeutschland und
Berlin fast alltäglich. Die Angriffe richten sich gegen MigrantInnen,
Menschen mit körperlicher Behinderung, Schwulen/ Lesben, Obdachlose,
Punks oder alternative Jugendliche. Auch in Friedrichshain kam es Anfang
2006 verstärkt zu Überfällen auf diese Gruppen durch z.T.
organisierte Neonazis. Die Täter kamen meist aus dem Umfeld der 2005
verbotenen „Kameradschaft Tor“.
Ein solcher Überfall ist nicht nur
für die Opfer traumatisch. Denn gemeint ist ja nicht der individuelle
Mensch, sondern die Gruppe, für die er oder sie steht. Deswegen wirkt
jeder Übergriff einschüchternd auf viele Menschen, die dann
zum Beispiel in ihrer Lebensqualität beschränkt werden, weil
sie aus Angst Orte meiden, wo sie Übergriffe befürchten müssen.
Gewalt und Einschüchterung durch Neonazis können jedoch nur
Erfolg haben, wo PassantInnen, SozialarbeiterInnen, Eltern und MitbürgerInnen
passiv bleiben und wegsehen. Meist ist der Grund die Unwissenheit über
die Handlungsoptionen bei Übergriffen.
Hinweise für Angegriffene
Seid ihr durch extrem rechte oder rassistische
Übergriffe gefährdet, solltet ihr euch möglicherweise auf
einen Ernstfall vorbereiten. Sinnvoll ist es, Angebote zu nutzen, die
Kenntnisse über Selbstverteidigung vermitteln. Diese werden unteranderem
von Volkshochschulen, Universitäten oder Vereinen angeboten.
Messer oder Gaspistole mögen sich cool anfühlen und dir das
Gefühl von Sicherheit geben, jedoch sind diese Waffen im Ernstfall
ein zusätzliches Risiko. Wir empfehlen deshalb insbesondere Gassprays
wie CS-Gas oder Pfefferspray. Diese sollten jedoch nicht in Innenräumen
oder bei Gegenwind eingesetzt werden. Hilfreich sind auch akustische Geräte,
die einen ohrenbetäubenden Lärm produzieren und Passanten alarmieren.
Auch beim Auftreten in der Öffentlichkeit gibt es einige Hinweise:
Neonazis suchen sich ihre Opfer in der Regel nicht willkürlich aus.
Wer hat schon Lust auf ein Opfer, das sich auch noch wehrt, um Hilfe schreit
oder einem gar körperlich überlegen ist? Gefragt ist also eine
Ausstrahlung, die anderen mitteilt: Nicht mit mir! Dazu ist es wichtig,
dass du Blickkontakt zum potentiellen Angreifer hältst. Nehme keine
Opferhaltung ein. Sei in jedem Fall vorbereitet – das nützt
dir in verschiedener Hinsicht. Du versteinerst nicht vor Schreck und kannst
dich auf einen möglichen Angriff einstellen. Bist du in einer Gruppe
unterwegs könnt ihr euch kurz über euer Vorgehen abstimmen.
Bei einem Übergriff
Je nach dem wie der Übergriff ausfällt, kann kluges Verhalten
unterschiedlich aussehen. In erster Linie gilt es Ruhe zu bewahren. Vermeide
Handlungen wie Flehen und Unterwürfigkeit, da diese die Angreifenden
ermutigen. Falls sich in der Umgebung andere Menschen befinden, versuche
diese in die Situation einzubeziehen und Hilfe einzufordern. Sprich die
Leute dazu direkt an.
Hinweise für ZeugInnen
Solltet ihr ZeugIn eines Übergriffes
von Neonazis auf MigrantInnen, Punks, Linke o.a. Personen werden, so ist
es zunächst einmal wichtig hinzuschauen. GewalttäterInnen rechnen
fast immer damit, dass Außenstehende aufgrund von Gleichgültigkeit
oder Angst nichts tun. Umso wichtiger ist es, nicht wegzuschauen, sondern
Aufmerksamkeit zu erzeugen, denn Öffentlichkeit wirkt immer abschreckend
auf TäterInnen.
Bevor ihr dem Opfer zur Hilfe eilt, solltet ihr jedoch genau überlegen,
was ihr eigentlich tun wollt und euch dabei vor allem nach euren Fähigkeiten
richten.
Wichtig ist, erst mal Ruhe bewahren! GewalttäterInnen haben Angst
wiedererkannt zu werden. Deshalb kann bereits bloßes Beobachten
der Situation auf diese abschreckend wirken. Solltet ihr euch für
diese Option entscheiden, ist es notwendig genau hinzuschauen. Versucht
euch das Gesicht der TäterInnen genau einzuprägen. Achtet auf
markante Details aber auch auf Äußerlichkeiten wie Klamotten.
Sollten die AngreiferInnen die Flucht ergreifen, merkt euch, in welche
Richtung sie gelaufen sind!
Darüber hinaus solltet ihr zumindest Blickkontakt zum Opfer aufnehmen.
Zeigt ihm, dass es nicht allein ist und ihr anwesend seid, um zu helfen.
Das vermindert die Angst bei den Betroffenden.
Zudem solltet ihr euch umschauen und weitere Hilfsmöglichkeiten abschätzen.
Vielleicht gibt es ja irgendwo in der Nähe ein Telefon, von dem ihr
aus Hilfe rufen könnt. Geht auch auf andere Leute zu und fordert
sie auf, euch zu helfen. Eine Gruppe von Leuten hat meist mehr Einfluss
als eine Einzelperson und schreckt GewaltäterInnen oft ab. Wenn ihr
Verbündete gefunden habt (aber auch ohne diese), sprecht die TäterInnen
gezielt an. Seid dabei höflich aber bestimmt und lasst euch vor allem
nicht provozieren! Siezt die TäterInnen, das hebt erstens die Gewaltschwelle
und zweitens vermeidet ihr so den Eindruck, dass es sich lediglich um
einen privaten Konflikt handelt. Ebenso wichtig ist es, die AngreiferInnen
nicht zu provozieren- weder Messer noch andere gefährliche Waffen
haben hier etwas zu suchen. Faßt die TäterInnen nicht an und
kritisiert nicht sie sondern die Tat. Ansonsten sprecht mit dem Opfer.
Animiert es, zu euch zu kommen, falls das möglich ist. Bietet konkret
eure Hilfe an! Das bringt euch und dem Opfer Zeit, bestärkt die bedrohte
Person und kann gegebenfalls sogar deeskalierend wirken. Stellt euch auf
jeden Fall offensiv auf die Seite des Opfers und lasst die Betroffenen
nicht allein.
Nur wenn ihr euch ganz sicher seid, dass es was bringt, ist es ratsam,
die TäterInnen mit „einfacher körperlicher Gewalt“
zum Ablassen vom Opfer zu bewegen. Dazu reicht manchmal auch schon eine
Prise CS. Wichtig ist, dass ihr eure Fähigkeiten dabei realistisch
einschätzt, sonst hat niemand etwas davon.
Wenn alles vorbei ist, kümmert euch um die Betroffenden. Ruft gegebenenfalls
einen Krankenwagen. Meldet den Vorfall zusammen bei Reach Out oder anderen
lokalen Opferberatungsstellen für Opfer extrem rechter Gewalt! Dort
wird mensch euch weiter mit konkreter Hilfe z.B. anonym Anzeige erstatten
oder mit Beratungen zur Bewältigung solcher Erlebnisse zur Seite
stehen. Informiert auch eure lokale Antifa. Diese kann euch in vielen
Fällen auch mit weiterem Rat und evtl. Tat zur Seite stehen!
Da Neonazis meist aus einer Überzahl heraus angreifen, ist es besser
sich von den Angreifenden zu entfernen. Falls ihr in einer Gruppe unterwegs
seid, zieht euch geschlossen zurück und lasst niemanden dort.
Ein Rückzug ist auch angesagt, wenn die Angreifenden Waffen wie Messer
einsetzen wollen. Solltet ihr keinen Rückzugsraum haben solltet ihr
euch verteidigen.
Nach dem Überfall
Solltet ihr oder euch begleitende Personen verletzt sein, ruft einen Krankenwagen
oder geht in ein Krankenhaus. Seit ihr dann wieder zuhause ist eine Dokumentation
des Vorfalles sinnvoll. Schreibt ein Gedächtnisprotokoll, in dem
ihr genau aufzeichnet, was passiert ist, an welchem Ort und ob ihr Neonazis
wiedererkannt habt. Dieses solltet ihr eurer lokalen Antifagruppe oder
einer Opferberatung wie reachout zukommen lassen.
REACH OUT (Opferberatung) // Oranienstraße
159, 10969 Berlin
www.reachoutberlin.de
Friedrichshain > antifa-fh.de.vu
Hohenschönhausen > ah.antifa.de
Köpenick > aak.antifa.de
Marzahn/Hellersdorf > kein-verstecken.de
Pankow > antifa-pankow.tk
Prenzlauer Berg > aapb.de.vu
Treptow > treptowerantifa.de
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