November 2009: Prozess nach Nazi-Outing platzt
Zusammenarbeit von LKA und Neonazis fliegt auf. Nazi-Outing bleibt Wildplakatieren

Ursprünglich sollte das Verfahren am Berliner Amtsgericht der Staatsanwaltschaft dazu dienen endlich eine Leitentscheidung im Umgang mit Outing-Plakaten zu haben. Eine Entscheidung konnte in dieser Sache aber nicht verhängt werden, da der Sachverhalt nach Kunsturheberrechtsgesetz bereits verjährt war. Stattdessen verhängte das Gericht heute Geldstrafen wegen Wildplakatierens. Demnach ist es auch strafbar an bereits verunstaltete Häuserwände zu kleben. Entscheidend sei nicht der entstandene Schaden durch immer weitere Plakatschichten („Schönheit“), sondern dass vom Eigentum anderer, „die Leute ihre Finger lassen“. Für diese regressive Auslegung des §303 Abs. 2 StGB (Sachbeschädigung) hat die vorsitzende Richterin immerhin vier Verhandlungstage gebraucht und insgesamt zehn Zeugen hören müssen.
Die Angeklagten wurden beschuldigt am Abend des 4. April 2008 ein Plakat „Achtung! Neonazis im Kiez“ an der Friedrichshainer Straßenecke Rigaerstr/Proskauerstr. angebracht zu haben. Entdeckt wurden sie durch LKA-Beamte (Codenummer 99100260 + 99100276), die am Ende ihrer „Donnerstagsabend-Streife“ gegen 21.30 Uhr mehrere dieser Plakate entdeckt hatten und aufgrund des Inhalts (Abbildung und Namensnennung von zehn Neonazis) in Alarmbereitschaft waren. Das V.i.s.d.P. (IG „Hol dir den Kiez zurück. Kein Fußbreit den Faschisten“, Straße Pariser Kommune 181, 10247 Berlin) kam ihnen verdächtig vor und sie gingen von einer Straftat § 22 (KUG/KunstUrhG – „Recht aufs eigene Bild“) aus. Die abgebildeten Neonazis waren ihnen bekannt und so ging das LKA davon aus, dass die Bilder ohne deren Einwilligung an Häuserwänden veröffentlicht wurden.
Eine Stunde lang folgten sie zwischen Ostkreuz und Bersarinplatz der „relativen Trocknung der Kleberfeuchtung“ und fuhren die „szenetypischen Objekte und Straßenzüge“ ab. In der „Gefahrenzone“ Rigaerstraße trafen sie dann die Plakatierer. Nachdem die Beamten nunmehr einen Fahndungserfolg zu verzeichnen hatten, riefen sie zivile und uniformierte Unterstützungskräfte des Polizeiabschnitt 57/58 (Friedrichshain) herbei und nahmen die Verdächtigen eine Ecke weiter an der Zellestraße fest. Die Bereitschaftspolizei sicherte das Gebiet gegen eintreffende Schaulustige.
Ermittelt und angeklagt wurde zunächst wegen Kunsturhebergesetz, wonach ohne Einwilligung der abgebildeten Personen, diese nicht in der Öffentlichkeit dargestellt werden dürfen. Um ermittlungstechnisch überhaupt tätig werden zu können mussten die Neonazis Strafantrag stellen. David Gudra aus Lichtenberg ließ sich vom LKA dazu breitschlagen. Die Anklage musste aber jetzt wegen Verjährung fallengelassen werden. Schade eigentlich, da eine gerichtliche Klärung, ob es sich bei den abgebildeten Neonazis um „Personen der relativen Zeitgeschichte“ (Leute die aufgrund ihrer Handlungen „vorrübergehend in das Auge der Öffentlichkeit geraten“) handelt, spannend gewesen wäre. Die am ersten Verhandlungstag vorgebrachten Beweisanträge der Verteidigung ließen darauf hoffen hier endlich mal eindeutige Aussagen zu bekommen.
Es blieb dann nur noch die offenbar in Tateinheit begangene Sachbeschädigung (das Kleben eines Plakats an ein Haus Rigaer/Proskauerstr.). Um die erhebliche Veränderung/ Verunstaltung einer Sache und damit die Strafbarkeit des Plakatierens eines A3-Plakats feststellen zu können brauchte es all die Polizeizeugen, die etwas zur Beschaffenheit des Hauses Rigaer/ Proskauerstr. aussagen sollten. Keiner der Zeugen der Anklage konnte dazu sachdienliches beitragen, da sie alle erst zur Festnahme rund 200 Meter weiter dazugestoßen sind. Auch das LKA konnte sich nicht genau an das Haus erinnern. Eins ist aber unstrittig – sauber war das Haus wohl die letzten 20 Jahre nicht. Hierzu lag kein Strafantrag des Hauseigentümers nicht vor, was nicht zwingend notwendig ist, wenn es ein „besonderes öffentliches Interesse gibt, da der Rechtsfrieden erheblich gestört wird“. Das wurde wegen diesen Plakaten von der Staatsanwaltschaft offensichtlich bejaht (TAGs Antifa, Nazis, Rigaerstr. is doch klar).
Nach jedem weiteren Prozesstag wurde vom Gericht die Einstellung gegen Geldstrafe angeboten und von den Angeklagten regelmäßig abgelehnt. Die Staatsanwaltschaft 81 wollte verhindern, dass die beiden freigesprochen werden und führte immer weitere Belastungszeugen ein, die möglicherweise etwas zu den Verunreinigungen an dem Haus sagen könnten. Tatsächlich hatte man den Eindruck, dass hier Leuten wegen nichts Ärger gemacht wird – eben nur aus Verfolgungsinteresse. Mit jedem weiteren Zeugen stiegen auch die Verfahrenskosten und damit die Chancen auf einen ordentlichen Freispruch auf Staatskasse. Die Stoßrichtung war also schon vor den Plädoyers klar.
In der Urteilsbegründung hatte es die Richterin sichtlich schwer diese Verunstaltung („erheblich und dauerhaft“) glaubhaft zu machen und daraus das zu ahnende kriminelle Verhalten der Angeklagten mittels Geldstrafe zu rügen. Der heutige Richterspruch von 15 Tagessätzen zu jeweils 15 Euro für jeden der beiden Angeklagten, liegt zwar weit unter den 40 von der Staatsanwaltschaft geforderten, legt den Angeklagten aber die Kosten dieses absurden Verfahrens auf. Hier nicht in Berufung zu gehen, wäre, unabhängig von der offensichtlichen Falschauslegung des §303 (2), schon aus finanziellen Gründen geboten.

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Antifaschismus ist nicht kriminell, sondern notwendig!
Prozesse wegen Nazi-Outings ohne Verständnis für antifaschistisches Engagement!

Seit dem 16. Januar 2009 läuft ein Verfahren gegen drei Antifaschist_innen vor dem Berliner Amtsgericht, die sich wegen Klebens von antifaschistischen Plakaten verantworten müssen. Vorgeworfen wird ihnen „Sachbeschädigung“ und „Verstoß gegen das Künstlerurheberrecht“. Gegen zwei Angeschuldigte wurde das Verfahren abgetrennt, der Dritte musste am 16.01. vor Gericht erscheinen. Das Verfahren wurde gegen Zahlung einer Geldstrafe eingestellt. Der auf dem Plakat abgebildete und bekannte „Anti-Antifa-Fotograf“ David Gudra, hat in diesem Falle Strafantrag gestellt. Massiv plakatiert wurden diese Anfang des Jahres 2008 im Berliner Stadtteil Friedrichshain. Auf den Plakaten sind die Konterfeis von zehn Neonazis abgebildet. Alle Abgebildeten sind aufgrund ihres äusseren Erscheinungsbildes nicht immer auf den ersten Blick als Neonazis zu erkennen. Sie tragen mittlerweile modische Klamotten, überwiegend in schwarz. Viele sind vom klassischen linken Autonomenstil nicht mehr zu unterscheiden. Hinzu kommen Tattoos und Piercings, die den/der unwissende_n Beobachter_in den Eindruck vermitteln, als handelt es sich hier um subkulturell geprägte Jugendliche oder eben Linke. Diese Unwissenheit nutzen u.a. die auf den Plakaten abgebildeten Neonazis aber immer wieder dazu, sich unauffällig in linksdominierten Stadtteilen aufzuhalten, sich in linke Kneipen und Infoläden zu begeben oder vermeintlich sicher, neonazistische Propaganda zu verbreiten. Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass die Nazis sich immer dann sicher fühlen, wenn ihnen keine direkte Gefahr durch sofortiges erkennen mehr droht. Allzu oft wurden in der Vergangenheit linke Kneipen und Hausprojekte ausgespäht bzw. in einigen Fällen auch angegriffen. Nur der Intervention linker Strukturen und einem konsequenten antifaschistischem Selbstschutz ist es zu verdanken, dass bei den Angriffen selbst, nie größer Schaden entstanden ist. Man muss Nazis und rechten Ideologien klar entgegentreten. Ansonsten entwickelt sich im Kiez ein Klima, bei dem rechte Äußerungen salonfähig werden. Im schlimmsten Fall führt dies sogar dazu, dass Personen, die nicht in das Weltbild der Neonazis passen, tätlich angegriffen werden. Jüngstes Beispiel ist das Foltern eines Punks auf dem S-Bhf Ostkreuz. Nachdem es den Neonazis nicht gelungen war den 38-Jährigen anzuzünden, haben sie ihm das Gesicht mit einem Falschenhals zerschnitten und mit Schlägen und Tritten so stark traktiert, dass er schwerste innere Blutungen davontrug. Dass solche Gewalttaten nicht nur von organisierten Neonazis verübt werden, zeigt auch die Chronik der Übergriffe der Antifa Friedrichshain. Hier waren es häufig auch rechtsoffene Personen, teilweise auch im Freundeskreis vom Neonazispektrum, die immer wieder Übergriffe auf das alternative Publikum im Friedrichshainer Kiez verübt haben. Häufig wurden diese Übergriffe deswegen von der Polizei entpolitisiert und als reine Schlägereinen unter Jugendlichen relativiert. Wichtig ist ein offener Umgang mit dem Problem rechter Gedankenstrukturen, denn diese sind immer der Anfang für eine Ideologie, die unweigerlich in der "Vernichtung" von Menschen endet, die diesem Weltbild nicht gerecht werden. Deshalb ist es nicht nur notwendig antifaschistischen Selbstschutz zu organisieren um die eigenen Strukturen zu schützen, sondern die Neonazis im Stadtteil und darüber hinaus, konsequent auf allen Ebenen zu bekämpfen. Dazu ist es unablässlich in sogenannten „Angsträumen“, wie z.B. dem S-Bahnhof Ostkreuz, in dem sich immer wieder Neonazis aufhalten und wo es vermehrt zu Übergriffen kam, präsent zu sein und aktiv zu handeln wenn Neonazis auftauchen. Weiterhin arbeiten wir im Stadtteil mit anderen linken Initiativen zusammen, um die Bewohner_innen für die neonazistische Problematik im Kiez zu sensibilisieren. Hierzu laufen bereits unterschiedlichste Kampagnen, wie z.B. „Keine Happy-Hour für Nazis“ der Initiative gegen rechts-Friedrichshain. Um die Neonazis aber konsequent aus Friedrichshain raushalten zu können, ist es mehr als notwendig die Gesichter zu kennen. Deshalb halten wir es weiterhin für unablässlich Neonazis zu outen und ihnen somit die Sicherheit der Anonymität zu nehmen. Wir wollen damit auch ganz bewusst die Persönlichkeitsrechte der Nazis einschränken und sie ihrer Bewegungsfreiheit und sozialer Mobilität berauben. Denn sie stellen eine reelle Gefahr für viele Menschen in dieser Stadt dar. Das jetzt Antifaschist_innen für genau dieses Engagement angeklagt sind, ist ein weiterer Schlag ins Gesicht für alle Opfer neonazistischer Gewalt. Deswegen rufen wir zur Solidarität mit den angeklagten Antifaschist_innen auf. Informiert euch und unterstützt die Genoss_innen. Besucht ihre Prozesse! Darüberhinaus solidarisieren wir uns mit allen Opfern neonazistischer Gewalt! Werdet aktiv und handelt! Hinsehen – Eingreifen – Angreifen

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