16.11.2010 Schluss mit der Lagerunterbringung für Flüchtlinge!
Demo spricht mit Sozialsenat

„Die Bemühungen intensivieren“ will die Berliner Sozialsenatorin Carola Bluhm (LINKE), laut Aussage ihres Staatssekretärs Fritsch (LINKE) am Rande der Demo „Wohnungen für alle“ am 16.11. in Berlin-Mitte. Rund 150 AktivistInnen hatten sich um 14 Uhr trotz Regen und Kälte am Touri-Magnet Checkpoint Charlie versammelt um die menschenunwürdige Unterbringung von Flüchtlingen in Lagern in der Hauptstadt direkt bei den politisch Verantwortlichen anzuprangern.
Der Demonstrationszug zog unter lauten Sprechchören den kurzen Weg Rudi-Dutschke-Straße zur Oranienstraße 106, zum Amtssitz der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales. Redebeiträge von The Voice und dem Bündnis gegen Lager kritisierten die konkreten Zustände in den Lagern und das „Wegducken“ der Verwaltungen in den rot-rot geführten Bundesländern Berlin und Brandenburg. Die Gruppen FelS und Out of Control Berlin fokussierten mehr die europäischen Lager- und Ausgrenzungsregime, Antifas aus Friedrichshain die unsägliche Integrationsdebatte.
Vor dem Amtssitz angekommen wurde ein Gesprächsangebot seitens der Senatsverwaltung angeboten, welches von der Demonstration angenommen wurde. Frau Bluhm sei wohl verhindert, aber ihr direkter Stellvertreter Fritsch stehe zur Verfügung. Im Regen durfte dieser sich nun knapp 10 Minuten lang die Forderungen der Flüchtlinge und Unterstützer vor Pressevertretern geduldig anhören.
Staatssekretär Fritsch äußerte sich erwartungsgemäß professionell und positiv über die Arbeit der Berliner Sozialverwaltung. Es gäbe Gespräche mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften und auch auf Bundesebene über dieses Thema. Für Berlin sei das Problem der fehlenden Mietkautionen, die Möglichkeit, ein „geschütztes Marktsegment“ für Flüchtlinge zu organisieren, im Gespräch usw. quasi schon fast geregelt. Eine der wenigen konkreten Äußerungen von Fritsch war, dass kleine Wohnungen für Flüchtlinge wegen der aktuellen Mietpreise wohl nicht gefunden werden könnten. Ob wenigstens der Umkehrschluss Familien werden in Wohnungen untergebracht’ wahr gemacht wird, werden wir sehen. Bislang und besonders im Jahr 2010 kann auch davon keine Rede sein. Uns ist egal, wie der Berliner Senat Flüchtlingslager (zugunsten von Wohnungen) abschafft. Wir wissen, dass nicht nur die Berliner Sozialverwaltung Verantwortung an der Situation trägt. Wir wissen aber auch, dass das Land Berlin fahrlässig keine Verbesserung herbei führt.
Die Kritik an der Lagerunterbringung von Flüchtlingen ist nicht neu. Lager machen krank, Lager isolieren, Lager ersticken jede Hoffnung auf einen selbstbestimmten Alltag. Unter der permanenten Kontrolle von Lagerbetreibern, die der Senat einsetzt, soll für Flüchtlinge gar nicht erst der Eindruck von Alltag und Perspektive entstehen. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) ist so ein Betreiber, der überall in Deutschland Lagerplätze bietet. Die AWO Berlin sah sich genötigt vor der Demo per mail mitzuteilen, dass ihr Engagement in der Erstaufnahme Motardstraße und einem Lager in der Köpenickerstraße mit dem Begriff „Lager“ diffamiert wird, da sie sich sehr wohl eindringlich mit der Verbesserung der Unterbringung beschäftigen. Die AWO hat ein Modellprojekt zur Wohnungsbeschaffung in diesen Tagen abgeschlossen und lädt das Bündnis gegen Lager zur Evaluation ein. Was davon zu halten ist wenn ein Betreiber daran arbeitet seine Einnahmequelle selbst zu beseitigen, wird sich zeigen. Doch warum wird überhaupt wieder verstärkt in Lager investiert und eingewiesen?
Nach sechs Wochen in dem Erstaufnahmelager Motardstraße dürfen Flüchtlinge in Berlin in Wohnungen ziehen, vorausgesetzt sie finden welche die das Sozialamt bezahlt – die Mietobergrenzen wurden seit Jahren nicht an die steigenden Mieten angepasst. Weitere Hindernisse, wie fehlendes Kapital für Kaution, rassistische Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt usw. werden von der Berliner Verwaltung ignoriert. Stattdessen rühmt sich die Sozialsenatorin damit die Leute kurzfristig in Hostels unterzubringen. Frau Bluhm hatte bereits drei Wochen nach bekannt werden des Aufrufs zur Demo in der Presse vorsorglich angemerkt: "Wir halten an unserem Ziel fest: Menschen, die hierher kommen und Asyl suchen, sollen möglichst in eine eigene Wohnung ziehen und sich schnell in ihr neues Leben eingewöhnen können. Bei über 50 Prozent gelingt das auch, es ist angesichts knapper werdender kostengünstiger Wohnungen aber immer schwieriger.“
Kurzum: Frau Bluhm ist wenig engagiert und weiß offenbar nicht, was sie alles tun könnte. Deshalb werden ihr regelmäßig Häppchenforderungen gereicht: Mietobergrenzen anheben, Kaution grundsätzlich übernehmen, ein geschütztes Marktsegment am Wohnungsmarkt für Flüchtlinge, Unterstützung vom Amt bei der Wohnungssuche und natürlich die Mietkostenübernahme auch bei den Flüchtlingen die nur reduzierte Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen. Klingt für Frau Bluhm alles überaufwendig, müsste irgendwer machen, kostet Arbeit. Dass die Sozialsenatorin genau für so was da ist sollte sie vielleicht noch in dieser Legislatur begreifen und ihre Prioritäten dahingehend anpassen. Um ihr auf die Sprünge zu helfen werden wir den Druck weiter erhöhen.

Die kleine No!Lager-Demo reiht sich ein in den Protest unterschiedlicher Flüchtlingsgruppen gegen die Innenministerkonferenz ab heute in Hamburg. (z.B. 2010.jogspace.net).

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>>>Bündnis gegen Lager Berlin/Brandenburg

Vorbereitung: 14.11., 12 Uhr, Infoladen Daneben (Liebigstr. 34), Bastelworkshop
Für die No!Lager-Demo basteln wir allerlei Schilder, Sprechblasen, Transparente und was uns sonst noch einfällt. Kreative Ideen erwünscht.

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Aufruf: Whnungen für alle!

Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen […].“ Artikel 25, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
Theoretisch haben die meisten Flüchtlinge in Berlin das Recht in privaten Wohnungen zu leben. Doch in der Realität wird ihnen dieses Recht häufig verwehrt. Stattdessen müssen sie in Sammellagern leben.

Es ist zynisch, das Leben in Flüchtlingslagern als Wohnen zu bezeichnen, dennLager machen krank, körperlich wie seelisch: Oft sind die Flüchtlinge in maroden Plattenbauten oder Containerunterkünften untergebracht, die abseits vom Zentrum in Industriegebieten liegen. Bis zu vier Personen müssen sich ein viel zu kleines Zimmer teilen. Die Lagerleitung, Hausmeister und anderes Personal haben uneingeschränkten Zugang zu den Zimmern, Privatsphäre gibt es nicht. Auch Duschen, Toiletten und Küchen müssen sich die Bewohner teilen. Die Situation ist in besonderer Weise für Frauen belastend, denn im Lager sind sexualisierte Übergriffe keine Seltenheit.

Wir fordern: Wohnungen statt Lager!
Wir wissen, dass auch Menschen, die ALG II beziehen, zunehmend Probleme haben eine Wohnung in Berlin zu finden. Das Leben in Berlin wird für alle immer teurer und viele können ihre Miete nicht mehr zahlen.
Wir wissen aber auch, dass es für Flüchtlinge (= EmpfängerInnen von Leistungen nach dem AsylbLG) besonders schwer ist, eine Wohnung zu finden, weil die vom Sozialamt festgelegten Mietobergrenzen viel zu niedrig sind, das Sozialamt die Mietkautionen für Flüchtlinge nur in Ausnahmefällen übernimmt, wegen des unsicheren Aufenthaltsstatus viele Hauseigentümer und Genossenschaften nicht an Flüchtlinge vermieten und Flüchtlinge auf dem Wohnungsmarkt erheblich diskriminiert werden.
Statt Bedürftige zu unterstützen, privatisiert der Berliner Senat städtische Wohnungen und fördert dadurch Mieterhöhungen. Flüchtlinge werden zunehmend in Lagern untergebracht, neue Lager werden eröffnet.

Schluss damit! Wir fordern:
· Keine neuen Lager in Berlin, Schließung aller bestehenden Lager.
· Mietobergrenzen für EmpfängerInnen von ALG II und AsylbLG an die Marktrealitäten anpassen.
· Mietkautionen grundsätzlich auch für Flüchtlinge übernehmen.
· Ein geschütztes Marktsegment zusätzlich für Flüchtlinge.
· Endlich Unterstützung vom Amt bei der Wohnungssuche (z.B. durch konkrete Hilfe in den zahllosen Fällen verdeckter und offener Diskriminierung von Flüchtlingen auf dem Wohnungsmarkt, durch vorab Ausstellen eines Mietübernahmebescheids usw.).
· Mietkostenübernahme für alle.

Verantwortlich und zuständig sowie Adressatin unserer Forderungen ist die Sozialsenatorin Carola Bluhm. Wir werden Frau Bluhm an ihrem Amtssitz in der Oranienstraße 106 besuchen und ihr laut und deutlich unsere Forderungen mitteilen.

Wir rufen auf zur Demonstration am 16. November 2010, 14 Uhr, Checkpoint Charly. Innere und äußere Grenzen einreißen!

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Redebeiträge

Warum wir Flüchtlinge gegen Lager demonstrieren
Liebe Freundinnen und Freunde, Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, Mein Name ist Bruno Watara und ich möchte Ihnen im Namen aller Flüchtlinge, die im Bündnis gegen Lager mitarbeiten erzählen, warum wir gegen Lager kämpfen: Wissen Sie, wie Lager in der offiziellen deutschen Sprache genannt werden? Sie werden „Gemeinschaftsunterkünfte“ genannt. Wir sagen, dieser Begriff ist eine Lüge!
Ich weiß wovon ich spreche, ich habe selbst 7 Jahre in einem Lager gelebt und eine „Gemeinschaft“ war das nicht. „Gemeinschaft“ das klingt nach „Wohngemeinschaft“. Genau das ist ein Lager nicht: Man lebt dort, weil man dazu gezwungen wird. Man lebt dort, mit Menschen die man nicht kennt. Die Regeln in einem Lager machen die Heimleitung und die Behörden.
Wissen Sie, was das für uns Flüchtlinge bedeutet? Es bedeutet wir werden wie Kinder behandelt: Wir dürfen nichts selbst entscheiden, Wir können nicht entscheiden mit wem wir unser Zimmer, unsere Küche und unsere Toilette teilen. Wir dürfen nicht entscheiden wann wir kochen, wann wir unsre Wäsche waschen. Wir dürfen nicht entscheiden wann wir Besuch bekommen und auch nicht von wem. Und natürlich kann das Personal im Lager jederzeit in unsre Zimmer kommen.
Wissen Sie, was das für uns Flüchtlinge bedeutet? Es bedeutet: Im Lager wiederholt sich das Trauma unserer Flucht. Wir können jederzeit von den so genannten „Sicherheitsdiensten“ und den Heimleitungen kontrolliert werden. Kontrollen wann wir kommen, Kontrollen wann wir gehen, Anwesenheitskontrollen- „Zimmerkontrollen“ Kontrolle hier – Kontrolle da…. In vielen Lagern wird sogar die Post kontrolliert und geöffnet. Niemand informiert uns, was eine Heimleitung darf und was nicht.
Oft droht die Heimleitung uns damit, dass wir Probleme mit den Ausländerbehörde und in unserem Asylverfahren bekommen, wenn wir nicht mit der Heimleitung kooperieren. Das alles erinnert uns an den Alltag in den Diktaturen und totalitären Regimen aus denen wir geflohen sind. Das alles soll uns klein machen und uns zeigen, dass wir kein Recht auf ein besseres Leben haben. Dazu sagen wir „Nein, wir lassen uns nicht klein machen! Wir haben ein Recht auf Asyl und ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben! Wir sagen: Lager müssen weg!
Wissen Sie, wie das Leben im Lager für Frauen ist? Die Frauen müssen zur Dusche und zur Toilette lange Flure entlanggehen. Meistens kann man die Duschen nicht abschließen, oft benutzen Männer und Frauen die gleichen Waschräume. Frauen haben deshalb keinen Schutz vor sexueller Gewalt. Manchmal sind es sogar die Angestellten im Lager, die Unwissenheit und Abhängigkeit von Frauen ausnutzen.
Wer das Leben im Lager kennt, weiß: Lager machen krank. Wenig Möglichkeiten selbst für Hygiene zu sorgen, schlechte Heizungen, Lärm zu jeder Tageszeit, Erzwungenes Nichtstun, Stress, Streit, Kontrollen, Angst vor Abschiebung und Übergriffen… Das alles macht körperlich und psychisch krank.
Lager sollen uns von der Bevölkerung isolieren. Man will uns die Möglichkeit nehmen mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen. Das lassen wir nicht zu! Wir lassen uns nicht isolieren! Wir kämpfen für unsere Rechte! Und: wir kämpfen gemeinsam mit anderen Menschen, die mit uns zusammen für Menschenrechte auch für Flüchtlinge kämpfen. Kein Lager hier und nirgendwo! Pas de Camps ici, pas de Camps n‘importe où!

Redebeitrag Bündnis gegen Lager – Situation in Berlin
Im Jahr 2003 hat die damalige Berliner Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner eine längst überfällige Verordnung erlassen: EmpfängerInnen von Leistungen nach § 3 AsylbLG sollten fortan nicht mehr in Lagern leben, sondern in private Wohnungen ziehen dürfen. Trotz restriktiver Ausschlussgründe konnten daraufhin viele Flüchtlinge privaten Wohnraum beziehen.
Im bundesweiten Vergleich steht Berlin damit immer noch gut da. Seit einiger Zeit lässt sich das Recht auf privaten Wohnraum aber nur noch schwer verwirklichen. Immer mehr Flüchtlinge leben im Lager, weil sie keine Wohnung finden.

Woran liegt das?
Zum einen an den völlig unrealistischen Mietobergrenzen: Das Sozialamt übernimmt die Miete nämlich nur, wenn sie als sozialhilferechtlich angemessen gilt. Für eine Alleinstehende Person müssen 378 Euro (Warmmiete) demnach ausreichen. Wie schwer es ist, Wohnraum in dieser Preisklasse zu finden, haben die meisten von uns selbst schon erfahren.
Noch schwerer ist es aber, eine Wohnung zu finden, die diesen Vorgaben entspricht und dazu auch noch kautionsfrei ist. Flüchtlinge, die vom AsylbLG leben, also von bis zu 37% weniger als Hartz-IV , haben kein Geld, um selbst für die Kaution aufzukommen. Und das Sozialamt übernimmt die Kautionskosten nur in absoluten Ausnahmefällen. Wo bitte gibt es aber in Berlin kautionsfreie Wohnungen für Menschen, die einen prekären Aufenthalt haben und ihrem Vermieter keinerlei Sicherheiten bieten können?
Dazu kommt, dass Flüchtlinge auf dem Wohnungsmarkt erheblich diskriminiert werden. Oft heißt es: Die Wohnung ist schon vergeben, wenn klar wird, dass der Interessent nicht-deutscher Herkunft ist. Für weiße deutsche Interessenten ist die Wohnung kurz darauf aber noch zu haben.
Weil die Menschen keinen eigenen Wohnraum finden, sind die Berliner Lager völlig überfüllt. Vor allem in der Erstaufnahmeeinrichtung in der Motardstraße ist die Situation katastrophal. Statt der vertraglich vereinbarten 400 Personen leben dort derzeit über 600 Menschen auf engsten Raum in maroden Containerbauten.
Der Berliner Senat ist sich all dieser Probleme durchaus bewusst. Doch er schiebt die Verantwortung dafür ab: Der Wohnungsmarkt ist schuld, günstiger Wohnraum sei einfach nicht mehr vorhanden, heißt es, was solle man da schon tun. Trotzdem behauptet die Sozialsenatorin Carola Bluhm, ihr Ziel sei es, Flüchtlingen auch weiterhin den Bezug von privatem Wohnraum zu ermöglichen. Das nehmen wir Ihnen aber nicht ab, Frau Bluhm!
Denn anstatt konkrete Anstrengungen zu unternehmen, um dieses Ziel umzusetzen, macht ihre Senatsverwaltung genau das Gegenteil: Sie öffnet neue Lager, wie zuletzt in Marzahn-Hellersdorf, in Weißensee, am Schöneberger Ufer und in der Lehrter Straße. Gleichzeitig kommt es bei Sozialwohnungen zu exorbitanten Mieterhöhungen, weil die Stadt die Subventionen streicht, dringend benötigter städtischer Wohnraum wurde privatisiert.
Frau Bluhm soll sich ihre Heuchelei sparen und endlich handeln! Lager entmündigen die Menschen die dort leben und unterwerfen sie einer ständigen Kontrolle. Lager sind menschenunwürdig, Lager machen krank, körperlich wie seelisch.
Darum fordern wir die Sozialsenatorin auf, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen für alle Menschen, die in Berlin leben wollen. Für Flüchtlinge fordern wir außerdem aktive Unterstützung bei der Wohnungssuche, um ihre spezifischen Benachteiligung auf dem freien Wohnungsmarkt zu kompensieren.
Wir fordern: Mietobergrenzen rauf, Kautionsübernahme für alle, Hilfe bei der Wohnungssuche und ein geschütztes Marktsegment nur für Flüchtlinge.
Nicht nur in Berlin, sondern überall in Deutschland wenden sich Menschen gegen die Lagerunterbringung. In Denkendorf in Bayern, in Gerstungen in Thüringen, in Augsburg bei München, in Meinersen in Niedersachsen, und in vielen anderen Orten finden derzeit Lagerkämpfe statt. Wir schließen uns unseren Freunden und FreundInnen an, die gegen die Lager kämpfen und fordern: Wohnungen für alle, Schluss mit der menschenunwürdigen Lagerunterbringung! Innere und äußere Grenzen einreißen!

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Redebeitrag Bündnis gegen Lager – Situation in Berlin (englisch)
In 2003, Heidi Knake-Werner, Senator for Social Affairs at the time, introduced a long-needed regulation, which gave asylum seekers receiving benefits under Article 3AsylbLG the right to move into private flats. Even though the regulation included a number of restrictions, it gave many refugees the opportunity to move out of degrading camps into private accommodation.
Compared to other states in Germany, Berlin is still doing quite well in regards to the numbers of asylum seekers living in private accommodation. However, in the last few months it has become increasingly difficult. More and more refugees have to live in Lagers, because they are unable to find any other kind of housing.

How come? /Why is it like that?
One reason for this development is a totally unrealistic restriction on rent expenditure. The Social Welfare Office only pays the rent up to a certain amount. For a single adult, for example, the rent, including bills, must not exceed 378 Euros per month. Almost every one of us will know that it is nearly impossible to find a flat for that price.
Another problem are deposits. Refugees receiving benefits under the terms of the AsylbLG have even less money than people receiving Hartz-IV. With up to 37% less than someone on social benefits, it is impossible to pay a rent deposit. However, apart from very few occasions, the Social Welfare Office won?t pay it neither. But where will you find a landlord that rents out a flat without deposit to someone who can?t offer any security and, on top of that, has an uncertain residence status?
Additionally, refugees are severely discriminated against on the housing market. Very often they are told: ?Sorry, the flat has already been rented out?, while the same flat is still available for white German people.
Due to these problems, all the Lagers in Berlin are completely overcrowded. In the notorious first reception centre in Motardstraße, the situation is particularly bad. The centre is supposed to accommodate 400 people, but currently more than 600 are living there under horrible conditions.
The Senate of Berlin is well informed about the problems. Nonetheless, it does not take responsibility, but blames other factors: ?It?s all due to the tense situation on the housing market, there are simply no cheap flats left, we can?t do anything about it.? And at the same time the Senator of Social Affairs, Carola Bluhm still claims that she wants to give refugees the opportunity to live in private flats. We don?t believe you, Mrs. Bluhm!
Instead of taking concrete action to achieve this aim, the senate administration does the exact opposite and opens new lagers, like the ones in Marzahn-Hellersdorf, in Weißensee, at Schöneberger Ufer and in Lehrte Straße. Parallel, the Senate has privatized urgently needed housing space and has stopped subsidies for low cost accomodation.
Frau Bluhm, we do not need your hypocrisy. What we need is an active housing policy!
Lagers deprive people of the right to self-determination and submit their residents to permanent control. Lagers are degrading, they make people
sick, physically and emotionally.
Therefore, we expect the Senate administration to create low cost housing for everybody who wants to live in Berlin. For refugees we demand active support when searching for a flat in order to compensate the specific disadvantages they are facing on the housing market.
We demand: an increase in rent allowances, deposits have to be paid for by the Social Welfare Office, asylum seekers have to be supported when searching for accommodation and a certain number of flats should be available for refugees only.
Not only in Berlin but all over Germany people are struggling against lagers. In Denkendorf in Bayern, in Gerstungen in Thüringen, in Augsburg near München, in Meinersen in Niedersachsen, and a lot of other places anti lager actions are taking place. We join these struggles and demand: Private flats for everybody, shut down all lagers, let?s open all internal and external borders!

Ein Redebeitrag zum Thema Integration
Wer in den letzten zwei Monaten die Zeitung aufgeschlagen hat, konnte täglich allerlei Unsinn zur sogenannten Integrationsdebatte verfolgen.
Wenn in diesen Debatten von Integration die Rede ist, kann dies in allen möglichen Arten und Weisen geschehen. Vom rassistischen Pöbeleien á lá Thilo Sarazin, über die Familienministerin Kristina Schröder, bis hin zur Integrationssenatorin Carola Bluhm, erfreut sich der Begriff in der Politik großer Beliebtheit.
Und trotz der auf den ersten Blick so unterschiedlichen Verwendungen, zeichnet er sich stets durch ein paar gemeinsame Vorannahmen aus: Integrieren muss sich die Gruppe der jeweils ‚Anderen‘ an das nationale Kollektiv, an die deutsche, ach so „freiheitlich-demokratische“ Gesellschaft. Absurder Weise wird diese selbst in Zeiten von Hartz 4 und systematischer Ausgrenzung aller Arbeitslosen als homogene Masse dargestellt.
Integration, bedeutet individualisierte Anpassungsleistungen statt gleicher Rechte. Pass dich an, aber bleib exotisch. Integration ist damit ein von Anfang an hoffnungsloses Unterfangen, denn so gut integrieren, dass nicht mehr gefragt wird, wo mensch denn eigentlich herkommt, geht nicht.
Mit dem Begriff Integration wird stets ein gewünschtes Verhältnis zwischen den Volksdeutschen und den ‚Anderen‘ hergestellt. Er dient der Klassifizierung in ‚die ‚gebildeten, nützlichen‘ und die minderwertigeren Migrant_innen. Denn was der Maßstab für eine gelungene Integration ist, setzt dabei in erster Linie an der Verwertbarkeit von Menschen an. Nach dem Motto „wir brauchen mehr die uns nützen, und weniger die uns ausnützen“, wie der bayerische Innenminister Günther Beckstein zusammenfasste.
Die dieser Debatte zu Grunde liegenden Ideen von deutscher Leitkultur, die hier allzu offensichtlich werden, unterscheiden sich von althergebrachten Formen des Rassismus nicht sonderlich. Das nationale Kollektiv- ist das schützenswerte Gut, „Wir“, das ist die aufgeklärte, sekulare, tolerante Gesellschaft. „Die“, das sind die Anderen, weniger aufgeklärt, weniger gebildet und weniger emanzipiert.
Wenn dann vor kurzem beim Integrationsgipfel in Berlin die Möglichkeiten der Abschiebung von sog. „Integrationsverweigern“ ausgelotet werden, ist dies kein Zufall, sondern führt den Integrations-Begriff seiner eigentlichen Bestimmung zu – einem Instrument des Staates zur Kennzeichnung, Kontrolle, und Ausgrenzung von Migrant_innen. Es ging dabei noch nie um Integration im Sinne gleicher Rechte und gleicher Chancen.
Wir demonstrieren hier heute für offene Grenzen, für das Recht selber zu wählen, wo mensch leben will. Gegen die systematische Diskriminierung von Menschen, denen der Anspruch auf eigene Wohnungen verweigert wird und die statt dessen in Lagern wohnen müssen. Die jahrelang mit unsicherem rechtlichen Status hier leben und staatlichem Psychoterror durch die ständige Gefahr der Abschiebung ausgesetzt sind! Vor diesem Hintergrund ist es mehr als scheinheilig, wenn im selben Staat, der diese Gesetze macht, von Integration gesprochen wird.
Für eine konsequent anti-rassistische Politik sind Nationalismus, Rassismus und Integrations-Gefasel folglich zwei Seiten derselben Scheiß-Medaille. Wir sagen Nein zu einem System, dass Menschen auf ihre beliebig definierte Nicht-Zugehörigkeit festlegt, um dann zu sortieren, wer überhaupt zu gebrauchen ist, allen anderen mit rassistischen Gesetzen jegliche Rechte zu verweigern oder sie abzuschieben!

A Speech on the topic of ‚Integration‘
Reading the papers in the past two months, one could almost every day encounter these unbearable debates on integration. When there is talk of integration, it can be used in many different ways. Starting with the vulgar remarks á la Thilo Sarrazin, followed by the minister for families Kristina Schröder or whether it is the senator for integration Carola Blum, the term is well liked amongst politicians.
And despite the different ways the term is used, there are always several common assumptions:
It is always the ‚others‘ who have to assimilate themselves to [integrate themselves into] the national collective, the german oh so ‚liberal-democratic‘ society. In times of Hartz IV and systematic social segregation of the unemployed, it is more than absurd, when german society is presented as a homogenous mass [group].
Being integrated is used in the meaning of individual efforts to assimilate instead of holding equal rights. Adapt yourself, but stay exotic. So integration will always be a hopeless endeavour, as it is impossible to adapt so well that you won‘t be questioned where you originally come from.
The term integration always defines the wished relations between the ethnic germans and the others. It is used to classify and divide immigrants into the ‚educated, useful‘ on the one hand and the inferior and useless on the other. The standard of what characterises a successful integration is thereby above all defined by the usability of a person. True to the motto ‚more of those who are a use to us, less of those who abuse us‘, as the bavarian Home Secretary Günther Beckstein summarised.
The fundamental ideas of a german Leitkultur, that become more than obvious in this debate, do not differ much from the traditional ways of racism. The national collective is the greatest good, worth of protection. ‚We‘ that is the sophisticated, secular and tolerant society. ‚Them‘, that are the others, the less educated, less sophisticated and less emancipated ones.
When, as recently happened at the integration summit in Berlin, the possibilities of a deportation in case that somene rejects the so-called offers to integration are discussed, it is no mere coincidence but leads to the original purpose of the term – a governmental tool to brand, control and segregate migrants. Never was it the aim to integrate migrants in the sense of giving them the same rights and chances.
Today we rally for open borders and the right to decide by oneself where to live. We demonstrate against the systematic discrimination against the people who are prohibited to rent a flat on their own and instead have to live in refugee camps. Who live here for years in an unsecure legal status, being constantly exposed to the governmental psychic terror of fearing to be deported at any time. Against this background it is more than hypocritic, when the same government that passes these legislation speaks of integration. To consistent anti-racist politics, nationalism, racism and ramblings of integration are nothing more than two sides of the same shitty coin. We say No to a system that determines people by their any desired defined extraneousness, just to then sort out the ones that are of use and to reject all the others any rights by racist laws or to deport them!

Redebeitrag: Fels Intersol
"Ziel ist, den Zuwanderern die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Leben in Deutschland zu ermöglichen." Das schreibt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf seiner Homepage. Der Kontrast zu den realen Lebensbedingungen, die genau jene Behörde maßgeblich mitzuverantworten hat, könnte kaum größer sein. Asylsuchende und Menschen mit einer sogenannten "Duldung" werden in Deutschland seit 1982 in lagerartigen Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. Flankiert wird diese entwürdigende Art der Unterbringung von anderen diskriminierenden Maßnahmen wie etwa der Residenzpflicht, der systematischen Mangelversorgung durch das Asylbewerberleistungsgesetz, Arbeitsverboten, usw. Zentrale Aufnahmestellen, dezentrale Gemeinschaftsunterkünfte, sogenannte "Ausreisezentren" oder Abschiebeknäste - es gibt unterschiedliche Arten von Lagern, aber sie alle verfolgen den gleichen Zweck: die Entrechtung, die Kontrolle, die Isolation und die Abschreckung von Migrant_innen. Der damalige baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth hat in den 80er Jahren den abschreckenden Nutzen von Lagern mit den rassistischen Worten beschrieben: "Die Buschtrommeln sollen schon in Afrika signalisieren: Kommt nicht nach Baden-Württemberg, dort müsst ihr ins Lager."
Ausgrenzung, Perspektivlosigkeit und ein Leben unterhalb des Existenzminimums sind kalkuliert und politisch gewollt. Auch der Berliner Senat verfolgt genau diese Politik. Erst kürzlich hat er ein weiteres Flüchtlingslager eröffnet, anstatt den Menschen Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Dabei verschanzt sich der Senat hinter Argumentationen wie etwa die von einem "schwierigen Wohnungsmarkt". Dazu passt, dass der Senat die Übernahme von Mietkautionen für Flüchtlinge verweigert, die jahrelang mit Absicht mittellos gehalten werden. Die politisch gewollte Entrechtung von Migrant_innen wird durch vermeintliche ökonomische "Sachzwänge" gerechtfertigt.
In Bezug auf die Residenzpflicht wurden die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg nach langem politischem Druck antirassistischer Gruppen zu Änderungen bewegt; auf Antrag kann die Residenzpflicht von Flüchtlingen zwischen beiden Ländern nun aufgehoben werden. Allerdings handelt es sich hierbei nur scheinbar um eine wirkliche Verbesserung, denn die Residenzpflicht bleibt gegen diejenigen, die in den Augen der Behördenmitarbeiter_innen ihren sogenannten "Mitwirkungspflichten" nicht nachkommen - d.h. nicht genügend an ihrer eigenen Abschiebung mitwirken - als Druck- und Sanktionsinstrument weiter bestehen. Ob Residenzpflicht oder Lagersystem - es gilt, nicht locker zu lassen. Stattdessen müssen wir den politischen Druck auf die Verantwortlichen erhöhen und deutlich machen, dass staatlicher Rassismus als vermeintliches Mittel gegen knappe Haushaltskassen nicht toleriert wird.
Gerade im Kontext der rassistisch aufgeladenen "Integrationsdebatte" gilt es, die Doppelzüngigkeit der Berliner Politik öffentlich an den Pranger zu stellen. Einerseits werden Migrant_innen dazu aufgefordert, sich doch gefälligst zu "integrieren". Andererseits wird Menschen, die keinen deutschen Pass besitzen, die Teilhabe am sozialen, politischen und kulturellen Leben systematisch verweigert. Die Internierung von Menschen in Lagern und ihr Ausschluss von gesellschaftlicher Teilhabe durch Mauern und Zäune sind unerträglich! Also: Staatlichen Rassismus bekämpfen! Innere und äußere Grenzen einreißen! Wohnungen für alle!

Speech by the International Solidarity comission from FelS held at the No Lager demonstration on Nov 16th
„It is our goal to facilitate equal access for all immigrants to the social, economic, political and cultural spheres of German society.“ This statement by the Federal Office for Migration and Refugees stands in stark contrast to the actual living conditions of migrants in Germany, which in turn are being shaped by exactly this government agency. Since 1982, asylumseekers and migrants holding a so-called „Duldung“ -- a preliminary and highly precarious legal status -- a forced to live in camp-like facilities. This humiliating form of housing is accompanied by many other discriminating measures such as the so-called „Residenzpflicht“, the scarce provision of goods and services by the German social welfare law for asylum seekers, and the ban to work.
German camps have different names: Zentrale Aufnahmestelle, dezentrale Gemeinschaftsunterkünfte, Ausreisezentren and Abschiebeknäste. And there are also different types of camps. But they all pursue the same purpose: the deprivation of rights, spatial and social control, and the isolation and deterrence of migrants. In the 1980s, then-governor of Baden-Wuerttemberg Lothar Spät, described the daunting effects of camps with blatant racism. Quote: „We want the jungle drums to send the signal to Africa: Do not come to Baden-Wuerttemberg, because that’s were you will have to live in camps!“ Unquote.
Social exclusion, a total lack of perspective, and a life below the breadline are deliberately caused by official policies. The government of Berlin is no exception! Instead of providing normal apartments for migrants in need of shelter, the local government recently established another refugee camp. At the same time, the City Government is hiding behind economic arguments like the „difficult rental market“. It is fitting that the government also refuses to help migrants put down rental deposits, while keeping them intentionally in a destitute sitation over years. The disenfranchisement of migrants is being legitimized with alleged fiscal constraints.
Let’s talk about the „Residenzpflicht“ for a minute: After anti-racist groups and initiatives put lots of political pressure on the City Government, things have started to change. Migrants in Berlin and Brandenburg can now request to have their Residenzpflicht temporarily suspended and move freely between both Länder. However, the actual improvement is quite modest. The staff of the local government agencies can still use the Residenzpflicht as an instrument to sanction and pressure migrants who – in their eyes -- are not willing to cooperate; which means: they are not willing to encourage their own deportation. Whether concerning the Residenzpflicht or the system of camps -- we have to continue our struggle! We need to continue or protests and increase the political pressure, and we have to make clear that we won’t tolerate state racism and its pretext of empty public coffers.
Especially in the context of the current racist debate over „Integration“, it’s incredibely important to name and shame the double standards of the Berlin government. On one hand, politicians demand integration from migrants. On the other hand, people who don’t have a German passport are systematically excluded from social, political and cultural rights. It is unbearable that there are human beings in this city who have have to live in camps, and that walls and fences are built around them to exclude them from everyday live. Fight state racism! Destroy all borders! Decent living for everyone!

Redebeitrag zu Frontex: Out of control Berlin

 

 

 

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