1.Mai 2008: EuroMayday-Parade
Vorfeldaktionen und Repolitisierung des 1.Mai ziehen 7000 DemonstrantInnen

Nun ist es schon wieder vorbei: Der dritte Mayday in Berlin fand mit bis zu 7000 Teilnemer_innen statt. Natürlich gibt es unzählige Eindrücke vom 1. Mai, aber um es kurz zu halten: Es war toll!
Eine erste Einschätzung könnt ihr auf indymedia lesen.Und wie üblich: Während einige dem 1. Mai ein Politisches Comeback bescheinigen und offenbar die Diskussion über Proteste gegen die zunehmenden prekären Arbeitsverhältnisse begonnen hat, wagt der Politologe und Aktivist Peter Grottian Verbesserungsvorschläge für die Mayday-Parade im nächsten Jahr vorzubringen.

Im Vorfeld des Mayday gabe es in diesem Jahr nicht nur eine fette Zeitung und den Anspruch in Konflikte zu intervenieren sondern auch konkrete Aktionen. So wurde am 25. April das Jobcenter in Kreuzberg besucht und der Ablauf gestört (Video), am 26. April wurden Immobiliennvestoren an ihrem Treiben in Kreuzberg gehindert, zusammen mit der Globale gab es wieder eine Videokundgebung am 21. April, zum 40igsten Jahrestag des Dutschke-Attentats wurde die Endeignung des Springer-Verlagshauses gefordert mnein und im Nachgang der Parade einen Workshop zum Streiken in prekären Zeiten. Das Maydaybündnis beteiligte sich an den Aktionen gegen Media-Spree und am Protest der Besucherbetreuer im Deutschen Technikmuseum.

Bilder: Umbruch Bildarchiv | Indymedia | Flickr1 | Flickr2 | Flickr3 | Flickr4
Videos: Freundeskreis videoclips | Samba-Band | Interview

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Aufruf: be.STREIK.berlin
*Organisiert das schöne Leben!*

“Zu viel Scheiße - zu wenig Geld!“(Frau Weber – toilet assistant, Berlinale)

Streik bei der Bahn, bei der BVG, in den Kaufhäusern… Streiks bringen den Alltagstrott durcheinander. Dieses “ich spiel euer Spiel nicht mehr mit” finden wir klasse, genau so wie ein klares “Nein” zur richtigen Zeit ein Befreiungsschlag vom alltäglichen Stress sein kann. Nach Jahren des Verzichts und der Abwehrkämpfe werden hier endlich mal wieder Ansprüche gestellt. In den Kämpfen taucht die alte frage auf: Wie wollen wir leben und arbeiten, und wie ist der Reichtum in der Gesellschaft verteilt?
Wir wollen gar nicht drüber streiten ob soundsoviel Prozent mehr Gehalt gerechtfertigt sind oder nicht. Uns ist klar, dass hier was nicht stimmt: eben zu viel Scheiße für zu wenig Geld. Zu wenig Kuchen für alle… Aber wer kann überhaupt streiken?

don’t be berlin, be mayday
Deine Kräfte reichen gerade dazu aus, um den Balanceakt zwischen Praktikum/Ausbildung/Job/Ämterstress/Studium/Kindern und Freunden zu bewältigen. Streikgeld zahlen Dir weder Deine Kinder noch Dein Chef und schließlich brauchst Du das Geld zum Überleben. Und wenn Du doch mal ne freie Minute hast und Dich an der Spree entspannen willst, ist das ganze Ufer mit Bürogebäuden zugeschissen, Kultur passt da nur noch als kommerzielles Spektakel rein.
Überhaupt Geld und Spektakel: Seit Berlin seine öffentlichen Einrichtungen privatisiert, um Hauptstadtzauber und Bankenskandalschulden zu finanzieren, steigen die Preise für Mieten, BVG, Strom, Gas, Wasser, KiTas, Schwimmbad etc. Wie soll man dagegen streiken? Kalt duschen und Licht ausschalten? Klauen, schwarzfahren, aneignen?

“Be Berlin? Ick glaub ick spinn. Wie kann man 10 Millionen für ne Kampagne ausgeben und in den Jugendzentren pfeifts durch die nicht reparierten Fenster?“ (Henning, Imagekampagnenopfer)

Wir alle schlagen uns täglich mit solchen und ähnlichen Problemen herum. Beim Mayday wollen wir diese Alltäglichkeiten, die Konflikte darin und unsere Gemeinsamkeiten sichtbar machen. Zusammen suchen wir nach Wegen, uns gegen die allgegenwärtigen Zumutungen des Kapitalismus zu wehren. Fröhlich, bunt und voller Zorn feiern wir am 1. Mai mit Lust an der Utopie unsere täglichen Widerständigkeiten, Widersprüchlichkeiten und Wir-AGs.

“Manchmal wird mir von Freunden vorgeworfen, deine Karriere ist dir sowieso viel wichtiger als deine Beziehung oder als deine Freunde. Aber die verstehen das nicht, ich habe keine Karriere, ich hab nur Jobs, ich muss nur irgendwie an Geld rankommen und das ist für mich hart.“ (Bühnenbildnerin)

Lasst die Poesie der Straße erklingen!
Wie im Mai 1968: Damals brach sich die Begierde nach einem anderen Leben Bahn. 14 Millionen ArbeiterInnen bestreikten und besetzten in Frankreich ihre Betriebe, im Prager Frühling forderte man einen Kommunismus ohne selbsternannte Führer, ohne graue Arbeitsstätten und ohne gefühllose Bürokratien. StudentInnen gingen auf die Barrikaden. Für einen Moment schien die Utopie einer anderen Welt greifbar: Weltweit wurde der alten Schufterei und Disziplin etwas entgegen gesetzt. Die Herrschenden wurden verunsichert.

„Diese Mischung ist wirkungsvoll, denn diese Mischung knallt ganz doll“(Slime)

Autoritäre Strukturen aufbrechen, das Patriarchat untergraben, Rassismus bekämpfen, Platz für die Verwirklichung neuer Ideen schaffen, selbstbestimmt leben und arbeiten - darum geht es bis heute. Die Individualisierung der Lebenswelten, Flexibilisierung und Selbstverantwortung wurden jedoch auch die Grundlage einer neoliberalen, ellenbogenbasierten Konkurrenzgesellschaft.

Macht der Prekarisierung?
Die Verinnerlichung der Vorstellung, dass alle ihres Glückes eigener Schmied seien, ist heute darin gemündet dass wir alle Unternehmer unserer selbst sein müssen, die permanente Selbstvermarktung inklusive. Wir arbeiten jetzt immer und überall, mit Haut und Haaren!
In zahllosen Kleinbetrieben hoffen prekär Beschäftigte beim Tellerwaschen oder Grafikdesignen auf die Einlösung des Heilsversprechens der “sozialen Marktwirtschaft”: Für die einen wäre dies ein sicherer Aufenthaltsstatus, für die anderen eine Festanstellung mit Sozialversicherung. Daneben ist die Drohung mit Prekarisierung und Verarmung ein Motor zur eifrigen Unterordnung an die “Erfordernisse des Marktes”: unbezahlte Praktika, Lohnverzicht in Tarifrunden, Konkurrenz, Vereinzelung….
Auch wenn die Lebensrealitäten von Illegalisierten in der Niedriglohnbranche und der digitalen Boheme sich unterscheiden, so laufen alle dennoch in demselben Hamsterrad um Anerkennung und einem Versprechen der Selbstverwirklichung. Die Zone, in der dieses Glücksversprechen existiert, wird durch innere und äußere Zäune begrenzt.

Prekarisierung der Macht!
Mit dem Mayday sind wir auf der Suche nach Widerstandsformen, die unsere Gemeinsamkeit erlebbar machen sollen. Mit dem Mayday wollen wir eine Organisierung in Bewegung bringen um das beschissene Hamsterrad zu zertrümmern.
Heraus zum Euromayday! Komm mit uns zur Maydayparade 2008: Bewegen, tanzen, demonstrieren - für die Prekarisierung der Macht, die Lust auf Solidarität, eine Stadt für alle und den organisierten Ichstreik gegen den Markt in unseren Köpfen. Wir sind die von der Wir-AG, unsere Börse ist die Straße und der Küchentisch. Die Batterie ist geladen, der Ipod ist schrott. Who cares? Wir sehen uns! In diesem Sinne – be.STREIK.berlin- be mayday!

*Maydayparade//1. Mai ‘08//14 Uhr//Boxhagener Platz//Berlin*

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Die Route bot sich an

Anders als in Kreuzberg und Neukölln, wo der Euromayday in den letzten zwei Jahren stattfand, konnte diesmal auch aktiv bei Privatisierungsgewinnern, Stadtplanern und Zeitarbeitsfirmen Kritik geübt werden. Wer wollte konnte mit Kreide und massenweise Stickern (Aneignen!, Solidarität!, Bestreikbar!, Privatisiert!) seinen Unmut an die Glasfassaden bringen. Leider ging das bei der Größe des Umzugs etwas unter.
Zuerst ging es am Drogerie-Discounter Rossmann vorbei, der zu den wenigen Gewinnern des hart umkämpften Marktes mit Schlecker gehört. Hier wurden Arbeitsbedingungen und Monopolisierung in dem Bereich thematisiert.
An der nächsten Ecke war die Wedekind-Polizeiwache, die politische Aktivisten im Osten Berlins nur allzu gut kennen dürften. An der Stelle postierten sich denn auch massig Polizei, um Stärke zu demonstrieren. Tatsächlich hat sich auch niemand an den imposanten Altbau herangewagt.
An der Ecke Torellstraße kam das erste ordentliche Bürogebäude in den Blick. Die private Managerausbildung FAW und DIG-Immobilien haben dort ihren Sitz.
An der Warschauerstraße angekommen wurden die dort ansässigen Leiharbeit-Vermittler JOB AG, Nexus, Scheerbaum, Personalmanagement e.K. und Rolf-Plümer fokussiert. Zeitarbeitsfirmen florieren bei Streiks, da die schlecht bezahlten und auf hohe Flexibilität getrimmten Leiharbeiter als Streikbrecher eingesetzt werden, um herkömmliche Beschäftigte bei Arbeitskämpfen kurzfristig zu ersetzen. Die Arbeitsvermittler verdienen an jeder gearbeiteten Stunde mit. In die Betriebe übernommen wird selten einer der geliehenen Arbeitnehmer.
Auf der Häuserzeile ist außerdem der Sitz des Liegenschaftsfond Berlin, der seit seiner Gründung 2001 mit der Verwertung öffentlicher Gebäude beauftragt ist. In den letzten Jahren hat der Fond zwar 500 Mio Euro in die Kassen Berlins gebracht, doch damit auch die Möglichkeiten beschränkt als Bezirksregierungen aktiv mit Immobilien bei der Stadtgestaltung zu intervenieren. So manches bedrohtes Hausprojekt bekam von der Stadt keine Ersatzobjekte angeboten, weil der öffentlichen Hand keine Gebäude mehr zur Verfügung stehen. Sie alle sind dem Liegenschaftsfond übertragen worden, stehen leer und müssten kostspielig zurückgekauft werden. Schon auf dem Boxi, bei der Auftaktveranstaltung wurde in einem Beitrag auf die Aktualität von Hausprojekten als kollektiven Widerstand gegen Vereinzelung und Prekarisierung hingewiesen. Beim Liegenschaftsfond konnte direkt bei den Wegbereitern der Verdrängung Kritik artikuliert werden.

Die schöne Aussicht von der Warschauer Brücke wurde leider von der O2-Arena verstellt. Hier kam die Kritik an der Mainstreamkultur etwas zu kurz. Die Umbauten am Bahnhof Warschauerstraße und entlang der Mühlenstraße weisen daraufhin, dass sich Friedrichshain in den nächsten Jahren auf eine Klientel einstellen muss, die wenig am alternativen Flair teil haben will. Vielmehr wird diese den Massenveranstaltungen in der größten Mehrzweckhalle Berlins weichen müssen. Zur Umgestaltung der Mühlenstraße und des Spreeufers sprach an der Stelle die Initiative Media-Spree-Versenken
Am Ende der Warschauerstraße bei der Zwischenkundgebung wurde kurzzeitig die Zentrale des selbsternannten Quartiersmanagers Tragsdorf heimgesucht. Hier sitzt das Büro für Wirtschafts- und Projektberatung, die Hausverwaltung Factor, die Gewerberaumbörse und zahlreiche Briefkastenfirmen, die, zeitweise vom Bezirk unterstützt, den Friedrichshain in den letzten zehn Jahren durch Entmietung, Luxussanierung und Initiierung von Wirtschaftsbündnissen maßgeblich zum Wohn- und Arbeitsort privilegierter Schichten umgestaltet haben. An dieser Stelle passte der Redebeitrag der Internationalen Kommunisten zu verkürzter Kapitalismuskritik.
Die PIN AG hat in dem Objekt ebenfalls ein Ladengeschäft. Hier wurde auf den Niedriglohn der Zusteller eingegangen. Seit der Einführung des gesetzlichen Post-Mindestlohn muss sich die PIN AG was einfallen lassen, um nicht unterzugehen. Die Springer-AG, die einen Großteil der Anteile hielt, hat diese nunmehr verkauft, nachdem die Kampagne in der BILD gegen den Mindestlohn gescheitert war.
Danach ging es am Universal-Haus vorbei nach Kreuzberg wo die schlechten Arbeitsbedingungen bei MCDonalds und LIDL in der Wrangelstraße angeprangert wurden. Kurz vor sechs erreichte der Zug den Spreewaldplatz, wo noch Musik und Redebeiträgen von einigen Wägen gehalten wurden.

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Redebeiträge auf dem Mayday am 1. Mai in Berlin

Be.Streik.Berlin
Beitrag der Gruppe FelS

Willkommen zur Mayday Parade!

Überall auf der Welt begehen die Menschen den 1. Mai – den internationalen Kampf- und Feiertag gegen das Profitstreben des Kapitals, gegen Armut und Ausbeutung. Doch mit dem Wandel der Produktions- und Arbeitsbedingungen verändert sich auch die Bedeutung des 1. Mai: Die ursprüngliche Botschaft, sich in Gewerkschaften zu organisieren und am Arbeitsplatz in der Fabrik für ein besseres Leben zu kämpfen, reicht nicht aus: Sie trifft nicht mehr die Situation der meisten Menschen rund um den Globus, und auch nicht hier in Berlin.
Wo flexible Arbeitsverhältnisse, befristete Jobs, Niedriglohn und Überstunden normal werden, geht die Lebensqualität den Bach runter. Die Unternehmen testen stets aufs Neue, wie weit sie gehen können im Wettrennen um die niedrigsten Kosten und höchsten Profite. In dieser Rechnung kommen die Menschen, die die Arbeit machen, nur als Kostenfaktor vor.
Das Traurige ist: Für die Wenigsten gibt es eine Lösung innerhalb dieses Settings. Wer eine Chance haben will, muss mitmachen beim täglichen Konkurrenzkampf. Muss super-flexibel sein, mega-effizient und am besten ohne Pause arbeiten. Muss Niedriglohn, Befristung und unsichere Bedingungen akzeptieren. Muss diesem Wettkampf auch noch etwas Gutes abgewinnen und sich den Gedanken zu eigen machen, dass jeder nur das bekommt, was er verdient. Wer dabei bleiben will, darf die Hoffnung nicht verlieren, dass eines fernen Tages der gut bezahlte, unbefristete, erfüllende Job winkt, der dazu noch genug Zeit lässt für Freizeit, Freunde und Familie.
Gewerkschaften vertreten eine immer kleiner werdende Zahl von Beschäftigten mit festen Arbeitsverträgen, die die Möglichkeit haben, Druck auf die Unternehmen auszuüben. Wir unterstützen solche Kämpfe, wenn sie stattfinden, denn die Standards, die hier gesetzt werden, haben Einfluss auf die Arbeitsbedingungen im Rest des Arbeitsmarktes.
Aber wie sieht’s im Lager der Prekären aus – bei den Gebäudereinigerinnen und Gebäuderreinigern ohne gültigen Aufenthalt oder bei denen, die als Digitale Bohème bezeichnet mit dem Laptop im Café arbeiten? Wie können sie sich organisieren? Wie können wir uns organisieren und für ein besseres Leben kämpfen?

Wie streike ich als Taxifahrerin oder als freiberuflicher Übersetzer?
Ist meine Streikkasse der Dispo? Ist mein Streiklokal das Bett?
Wer ist unsere Gewerkschaft? Die Familie? Oder die WG?
Ist Krankheit unser einziger Arbeitsschutz?

Wir sind heute hier, nicht weil wir Antworten auf all diese Fragen haben. Wir sind hier, um diese Fragen zu stellen! Gerade weil wir uns im Alltag nicht einfach außerhalb der Zwänge der Arbeitswelt stellen können, suchen wir nach Wegen, uns zu organisieren, gemeinsame Probleme aufzuspüren und gemeinsame Ziele zu finden. Und wir wollen von euch hören, welche Strategien ihr entwickelt habt, um über die Runden zu kommen. Wir suchen nach neuen Ideen und neuen Utopien. Darum geht’s beim Mayday!
Feiern wir also zusammen diese Suche nach Strategien, mit denen wir das prekäre Hamsterrad zertrümmern! Demonstrieren, Tanzen, bewegen – für die Prekarisierung der Macht, die Lust auf Solidarität, eine Stadt für alle und den organiserten IchStreik gegen den Markt in unseren Köpfen! Wir hoffen, wir sehen uns wieder, auch nach dem 1. Mai.

Alles klar? Don’t just be Berlin! Be – Strike – Berlin!!
Seid Mayday!!!

Warum Hausprojekte immer noch aktuell sind
Beitrag der Antifa Friedrichshain

In den letzten Monaten wurde viel über den Erhalt der Köpi und des Bethanien, der Hausprojekte in der Rigaer Straße und in Mitte geschrieben und dazu demonstriert. Doch warum sind uns diese unsanierten Bruchbuden so wichtig? Kurzum: Weil sie Raum bieten für unsere Ideen, für unsere Politik, für Soli-Partys, Veranstaltungen und für soziales Miteinander, dass wir nirgends sonst finden. Die üblichen Zwei-Zimmer-Wohnungen und Mini-WG-Küchen reichen einfach nicht aus, um sozialen Ausgleich für die Zumutungen des Kapitalismus zu bekommen. Eine solidarische Hausgemeinschaft, ist eine Alternative zum individuellen Sich-Durch-Wursteln.
Die meisten Freiräume sind Wagenburgen und Hausprojekte, die in ihrer Umgebung alle möglichen kommunikationsfreudigen Weltverbesserer, Bastler, Außenseiter und idealistische Politprofis anziehen. Manche leben in Hausprojekten, weil angeblich die Miete billiger ist. Die meisten aber, weil sie keine Lust haben ein durchstrukturiertes karriereorientiertes Leben zu führen, in der grauen Masse mitzuschwimmen und gegen das Leben, das sie führen, zu schimpfen. In jedem Fall sind es politische Beweggründe, welche die Menschen in Freiräumen zusammenführen.
In den selbstverwalteten Häusern und Projekten soll es möglich sein, sich ohne rassistische oder sexistische Angriffe bewegen zu können. Freiräume sollen unsere Kritik an der Ellenbogengesellschaft ein stückweit Realität werden lassen, indem wir solidarisch miteinander umgehen und entgegen der kapitalistischen Rang- und Hackordnung handeln. „Kollektiv handeln statt vereinzelt untergehen“ ist das Credo jedes linken Freiraums.
Von Hausprojekten gehen die meisten linksradikalen Aktionen aus. Ob nun spontane Mobilisierungen gegen Neonazis, gegen G8-Treffen oder rassistische Sonderbehandlung von Flüchtlingen – die Vorbereitung und Durchführung macht sich in großen Gruppen einfach besser. Die Möglichkeit innerhalb einiger Minuten viele Leute für eine Aktion aus der Wohnung auf die Straße zu treiben ist nur in Hausprojekten möglich.
Die Nachbarschaft hat meist sogar konkrete Vorteile von der Existenz der Hausprojekte. Durch den ständigen Aufruhr, Besuch aus aller Welt, Spontandemos und Fassadenverschönerungen in den angrenzenden Straßen, gelten Gebäude in den Gebieten als risikoreiche Investitionen. Die von vielen Stadtplanern hervorgehobene Kiezkultur entsteht eben nicht durch Luxus-Cafes und Verdrängung Sozial-Schwacher. Hausprojekte und Leute, die scheinbar grundlos die Straße bevölkern sorgen dafür und nicht die Bauherren. Nicht zuletzt verhindert diese Kiezöffentlichkeit aktiv Angriffe durch Neonazis, die Friedrichshain in den letzten Monaten wieder verstärkt aufgesucht haben.
Damit bezahlbarer Wohnraum, eine Gegenkultur zum kapitalistischen Normalzustand und eine solide linke Infrastruktur weiterhin erhalten bleiben, müssen Freiräume wie das Bethaninen, die Köpi, der Schwarze Kanal, die Rigaer94, die Liebig34 und Brunnenstraße 183 mit aller Kraft unterstützt werden. Räumungen und andere Angriffe abzuwehren ist nicht ausschließlich die Aufgabe der Menschen, die in den Häusern leben, sondern sollte in der Verantwortung aller liegen, die an einer emanzipatorischen Gesellschaft interessiert sind. Denn der Wegfall jedes weiteren Projektes bedeutet einen großen Verlust für die gesamte Linke. Soziale Treffpunkte, Veranstaltungsräume und Zufluchtsorte für Betroffene von Sexismus und Rassismus gehen meist unwiederbringlich verloren. Also haltet die Augen auf und achtet auf Ankündigungen zur Verteidigung linker Projekte.

Action-Days 28. Mai bis 1. Juni in Berlin
Wir bleiben alle! Infos unter: Wba.blogsport.de

Keine Arbeit ohne Lohn
Redebeitrag der FAU Berlin

Nach monatelanger Eiszeit sind die Straßen der Stadt endlich wieder belebt. Die Menschen sitzen an einem Sonntag im April, bei angenehmen 20 Grad im Freien und trinken Café. Relaxen in der warmen Sonne. Genießen die wiedergewonnene Freiheit. Zwischen den Gästen, im Café an der Straße, bewegt sich Steffi von einem Tisch zum nächsten, nimmt Bestellungen entgegen, räumt Tische ab, kassiert. Seit fünf Stunden macht sie dies nun schon. Rücken und Füße schmerzen. Lieber würde sie im Park liegen. Doch sie muss arbeiten. Ohne Lohn. Dies ist nun schon ihre sechste unbezahlte Probeschicht in den letzten Tagen. Die zweite in diesem Etablisement. Sie braucht diesen Job unbedingt, um das Geld für die Mai-Miete aufbringen zu können. Deshalb lässt sie sich ihre Müdigkeit nicht anmerken, arbeitet weiter bis die Schicht beendet ist und liefert ihr Trinkgeld beim Chef ab.
Es ist der erste Tag des neuen Semesters. Die Studierenden strömen in den völlig überfüllten Seminarraum. Agnes steht vor dem Overheadprojektor und teilt den Studierenden mit, welche Leistungsanforderungen der Professor festgelegt hat. Diese stöhnen. Die Stimmung ist gedrückt, denn viele wissen nicht wie sie die Aufgabe bewältigen sollen. Agnes rechtfertigt ihren Prof, dabei kann sie die Studierenden gut verstehen, denn auch sie weiß nicht, wie sie das Geld für sich und ihren 2 jährigen Sohn in den nächsten Monaten, neben dem Job in der Uni, aufbringen soll. Denn sie arbeitet ohne Lohn. Sie hofft im nächsten Semester einen bezahlten Lehrauftrag zu ergattern, wenn sie sich in diesem Semester bewährt.
Es ist 7 Uhr morgens. Paul steigt aus der U-Bahn aus, verlässt den Bahnhof und steuert das herrschaftliche Gebäude an, welches das berühmte Varieté-Theater der Stadt beherbergt. Seine Laune ist mies, es graut ihm vor dem Tag, den er nun mit seiner tyrannischen und inkompetenten Vorgesetzten verbringen muss. Seit 6 Monaten arbeitet er schon hier. Ohne Lohn. Als „Traumrolle hinter den Kulissen“ machte ihm sein Sachbearbeiter im Job-Center das Praktikum schmackhaft. Nun schuftet er jeden Tag hinter den Kulissen für die, die die vermeintlichen Traumrollen ausfüllen. Von der Perspektive einer festen Übernahme am Schauspielhaus, war schon seit seinem ersten Arbeitstag nicht mehr die Rede. „Er solle froh sein überhaupt Arbeit zu haben“, wurde ihm entgegengehalten. Davon kann allerdings keine Rede sein, denn Paul weiß nicht woher er das Geld nehmen soll, um seine Freundin in London besuchen zu können, wo er den Beruf den er nun unbezahlt ausübt gelernt hat. Er hat sie schon seit Monaten nicht mehr gesehen.
Unbezahlte Lohnarbeit ist ein um sich greifendes Phänomen. In Zeiten in denen das Selbsbewußtsein der Lohnabhängigen gering ist, lassen sich Arbeitgeber immer perfidere Strategien einfallen um ArbeiterInnen gegeneinander auszuspielen. Sowieso schon extrem mies bezahlte Jobs in der Gastronomiebranche, werden in Spitzenzeiten durch unbezahlte Probeschichtler ergänzt, welche von vorne herein keine Chance auf eine feste Anstellung haben. Universitäten beuten Studierende aus, die sich Hoffnungen auf eine akademische Karriere machen, in dem sie ihre knappen Kassen entlasten und unbezahlte Lehraufträge zur Normalität werden lassen. Gleichzeitig beuten Kultureinrichtungen junge qualifizierte Arbeitslose als PraktikantInnen aus, während immer mehr Festangestellte entlassen werden. Aufgezeigt werden könnte auch, wie immer mehr Job im sozialen Bereich durch ehrenamtliche Stellen ersetzt werden oder wie die Wirtschaft zunehmend auf die Angst der ArbeiterInnen vor dem Verlust ihres Job´s setzt und sie immer mehr unvergütete Überstunden machen lässt. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Für diese Entwicklung sind wir alle verantwortlich. Denn es ist keine neue Erkenntnis, das es der einen Klasse daran gelegen ist möglichst viel Mehrwert aus der anderen herauszupressen. Und auch wenn die Grenzen zwischen diesen beiden Klassen heutzutage nicht mehr ganz so klar zu zeichnen sind wie in früheren Zeiten, so funktioniert das miese Spiel namens Kapitalismus nichts desto trotz immer noch nach den gleichen Regeln wie damals. Der Klassenkampf von oben wurde über all die Jahre weitergeführt, während sich große Teile der lohnabhängigen Bevölkerung von den marktradikalen Parolen haben einschläfern lassen. Wenn wir unsere eigenen Interessen wieder wahrnehmen, uns organisieren, die Strategien den heutigen Verhältnissen anpassen und Klassenkämpfe entwickeln, kann es uns gelingen die Kontrolle über unser Leben zurückzugewinnen. Wenn es Steffi, Agnes und Paul schaffen mit unserer Hilfe ihren Chefs den Fuck-Finger zu zeigen, können wir dies als Grundlage nehmen, um uns das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wieder anzueignen und gemeinsam weitergehende Perspektiven zu entwickeln. Der Kampf für Freiheit UND Gleichheit beginnt in unserem Alltag.

www.keine-arbeit-ohne-lohn.de

1. Mai: Vergewisserung der eigenen Fitness
Beitrag des AK moB

10,9,8,7, ….
Verwertungslogik und Normierungszwänge bestimmen unseren Alltag, die Arbeitsverhältnisse und Beziehungen. Ob auf Arbeit oder in der Clique - wir sind immer auch das, was die anderen nicht sind: männlich, deutsch, leistungsfähig, angepasst, unabhängig, schick und fit. Tragen Carhartthosen und gehen in die Muckibude. Sogenannte Problemfelder interessieren da nicht.

Steh´ mir nicht im Weg rum
Behinderung dagegen kennzeichnet eine lebenslange Abhängigkeit von Wohlfahrt und Zugeständnissen. Ein Arrangieren mit Barrieren. Jenseits von innen und außen, bemitleidet, unsichtbar und ausgesondert.
Galt noch in den achtziger Jahren in der Krüppelbewegung der Krückstock als Waffe, wird heute die Versorgungslage von Lobbyist_innen und Expert_innen auf kostspieligen Kongressen ohne die Betroffenen diskutiert. Nach wie vor haben die Bullen das unwidersprochene Monopol, die Knüppel zu schwingen. Wir stellen uns dieser Opferlogik quer. Wir wollen auch was von der Torte und stehen da im Weg rum, wo uns es passt.
Der erste Mai auf der Straße dient der Vergewisserung der eigenen Fitness und Coolness. Wir wollen Teil einer Bewegung sein, die keine Behinderungsängste bedient und Gesundheit nicht als persönliches Problem betrachtet. Wir haben keinen Bock mehr auf gängiges Verhalten und Schick. Wir sind nicht dankbar, wir sind äußerst unangenehm. Wenn alle wegrennen, bleiben wir stehen und halten zusammen.

Völlig entsichert und moB
Unser Leben gerät in Gefahr, von Nichtarbeit und prekären Beschäftigungsbedingungen geprägt zu sein. Wir alle bewegen uns in gesellschaftlichen Widersprüchen und Abhängigkeiten. Wir würden auch für garantierte acht Euro neunzig und weniger rund um die Uhr in vier Projekten gleichzeitig arbeiten, bis die neue Kollegin vorbeikommt, um uns abzuklatschen, weil der Preis nun stimmt und die Motivation ja keine Rolle spielt.
Andere arbeiten lebenslänglich in völliger Abhängigkeit in der „geschützten Werkstatt für behinderte Menschen“(WfbM). Sorgen für profitable Geschäfte von Siemens und VW und bekommen dafür ein Taschengeld. Der Ausschluss beginnt jedoch viel früher: im Kindergarten, in der (Sonder-) Schule und trifft andere Leute nicht weniger. Wir stellen uns gegen die Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen und andere Selektionskriterien wie Geschlecht, Klasse und Nation.

Wir sind Menschen mit und ohne Behinderungen.
Wir sind der ak moB.
Wir gehen raus aus der Isolation. Für einen barrierefreien Zugang zu den Torten. Her mit dem schönen Lift und weg mit der Drecksarbeit. Für ein solidarisches Miteinander statt Vereinzelung. Für Barrikaden statt Barrieren.


Liebe Freundinnen und Freunde des gepflegten Protests!
Liebe Revolutionäre und solche, die es erst noch werden wollen!

Redebeitrag der Berliner Sektion der hedonistischen Internationale

Normalerweise redet die Hedonistische Internationale ja immer von Freiräumen die verschwinden, von Subkultur, die verdrängt wird, von Freiheiten, die uns weggenommen werden - und vom schönen Leben neben dem normalen Leben. Aber heute, denn heute ist der 1. Mai, heute ist der Tag der Arbeiterinnen und Arbeiter, heute reden wir mal davon, wie wir dem Kapitalismus in die Fresse treten.
Wir stehen hier vor Lidl. Lidl steht für beschissene Arbeitszeiten, für die Verhinderung von Betriebsräten, Lidl steht für Dumping-Essen aus Massenproduktion – und Lidl steht für die Überwachung seiner Mitarbeiterinnen.
Man kann jetzt sagen: Lidl, das ist Kapitalismus. Und das stimmt ja auch. Aber man kann auch sagen: Kapitalismus, das ist die ganze Scheisse. Und Lidl nur ein Teil davon.
Schauen wir uns diese Scheisse doch mal genauer an.
Kapitalismus ist, wenn du die ganze Woche arbeitest und kaum Kohle dafür siehst.
Kapitalismus ist, wenn sie dir irgendwelche Betonklötze und Konsumtempel a la Mediaspree in den Kiez setzen ohne dich zu fragen.
Kapitalismus ist, wenn ständig deine Miete erhöht wird.
Kapitalismus ist, wenn dein Arbeitskollege seine Ellenbogen ausfährt um sich gegen dich durchzusetzen.
Kapitalismus ist, wenn sie dir ständig Deutschlandfähnchen verkaufen wollen.
Kapitalismus ist, wenn alle Parteien von sozialer Verantwortung reden – und gleichzeitig das Sozialsystem kaputtschlagen.
Kapitalismus ist es, wenn du immer und überall überwacht wirst, damit du dich systemkonform verhältst.
Kapitalismus ist, wenn die Politik von Vollbeschäftigung redet, und am Ende dann alle zwei unversicherte Minijobs haben.
Kapitalismus ist, wenn wirtschaftliche Interessen mit Gewalt und Krieg durchgesetzt werden.
Kapitalismus ist, wenn wir Nahrungsmittel zu Biosprit verarbeiten – und deswegen woanders Leute verhungern.
Kapitalismus ist, wenn Leute streiken – und alle anderen sagen, dass der Streik auf ihrem Rücken ausgetragen wird.
Kapitalismus ist, wenn wir Mauern um Europa bauen, damit die Menschen, die noch weniger haben, nicht reinkommen.
Kapitalismus ist es, wenn du ausgebeutest wirst – und dich machtlos fühlst. Wenn du von einem unbezahlten Praktikum zum nächsten gehst, wenn deine Überstunden nicht bezahlt werden, wenn du Hartz4 beziehst und die Kohle nichtmal reicht um mit Freunden tanzen zu gehen.
Wir stecken also bis zum Hals im Kapitalismus. Das ist die prekäre Normalität für viele von uns. Häusle bauen und Mittelschicht, das war einmal. Das war die Realität der 68er-Generation.
Wir leben also in einer Zeit, wo es für viele, vielleicht die Mehrheit, keine materielle Sicherheit mehr gibt. Und das in einem der reichsten Länder der Erde.
Das ist scheisse. Und deswegen ist Lidl scheisse, Aldi scheisse, diese Politik scheisse und der Kapitalismus, dieses ewige ungerechte Schweinesystem, sowieso.
Was machen wir also um den Kapitalismus zu ändern - oder besser noch – ihn ganz abzuschaffen?
Wir müssen uns verbünden. Wir müssen reden. Wir müssen uns zusammentun. Denn letztlich sitzen der Lidl-Kassierer, die BVG-Busfahrerin, der erwerbslose Nachbar, das Rütli-Kind, du Mittelschicht-Student da hinten und ich in einem Boot.
Wir sind also gar nicht so weit auseinander. Das müssen wir uns klarmachen, damit wir nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden. Und das große Motto des Kapitalismus ist: Gegeneinander statt miteinander.
Wir sagen: miteinander gegen – den Kapitalismus.
Und wie geht das?
Redet mit Leuten, die in ähnlichen Situationen sind, wie ihr.
Sucht nach neuen Ideen zusammen mit Leuten, die Alternativen denken wollen.
Organisiert euch mit Leuten, die für ähnliche Ziele kämpfen.
Solidarisiert euch mit Leuten, die streiken, protestieren oder sich für ein schönes Leben einsetzen.
Wenn das gelingt, wird es schwieriger für die Arbeitgeberverbände, Konzerne und Politiker dieser Welt ihr schäbiges Mantra - „Es gibt keine Alternative“ - zu verbreiten und uns zu Mutlosigkeit und Stillhalten zu verdammen.
Wenn es uns gelingt Alternativen aufzuzeigen, werden wir dem Staat, der uns mit immer mehr Kontrolle, Überwachung und Bullen versucht in Schach zu halten, endlich mal zeigen, was wir draufhaben.
Wenn uns das gelingt, dann wird es bald überall wieder mehr Freiheit und Freiräume geben. Dann wird das schöne Leben, das wir uns schon heute abseits vom Alltag versuchen zu schaffen, irgendwann wirklich für alle möglich sein.
Jetzt kann man natürlich rufen: Ist doch alles unrealistisch, eure ganze schöne Revolution ist doch total utopisch, ihr redet von Anarchie und kauft bei Lidl ein, kommt mal klar ihr Träumer und seht der Realität ins Auge.
Klar, das kann man so sehen. Und dieser ganze Kapitalismus ist ja wirklich ein verdammt kompliziertes System, bei dem man gar nicht weiß, wo man mit dem Protest eigentlich anfangen soll.
Aber - wenn wir nicht an die Chance auf Veränderung glauben, dann wird es auch keine Veränderung geben. Wenn wir nicht daran glauben, dass jeder und jede einzelne von uns, etwas zusammen mit anderen bewegen kann, dann wird dieses System autoritärer werden.
Wir sind schon auf dem schleichenden Weg in den autoritären Kapitalismus. Er wird uns weder Freiheit, noch Gerechtigkeit bieten. Das ist dann wirklich die mieseste Lösung von allen.
Und genau deshalb sollten wir jetzt, hier und heute, anfangen diese Welt zu verändern, in dem wir reden, uns verbünden – und dann auch handeln.

Beitrag im Arranca-Extra:
Aktuelles Naziproblem in Friedrichshain
Wer in den letzten Wochen Zeitung gelesen hat, vermag es schon zu wissen.

Es kam vor allem in Friedrichshain wieder zu rechtsmotivierten Übergriffen gegen MigrantInnen und vor allem linke Läden und politisch aktive. Zum Beispiel wurde im März, um fünf Uhr morgens das Sama-Cafe, eine linke Kneipe in der Samariterstraße, von 15 Neonazis angegriffen. Diese sind mit Pfeffergas in die dort stattfindende Karaoke-Party eingedrungen um wahllos die Gäste zu verletzen.
Zwei Wochen später lauerten schwarzgekleidete Partygästen der Großraumdisko Jeton linken Jugendlichen auf und verfolgten sie bis auf die Gleise des S-Bahnhof Frankfurter Allee, wo es zur Auseinandersetzung kam. Zwei Wochen vorher war an gleicher Stelle ein Schwarzer unter rassistischen Beleidigungen ebenfalls auf die Gleise gestoßen worden. Nur ein weiterer Schwarzer half ihm bevor ein Zug einrollte.
Die Polizei war in allen genannten Fällen immer zu spät und zeigte geringes Interesse. Nicht nur aus den Angriffen der vergangenen Wochen ist zu lernen, dass Betroffene eher Opferberatungsstellen wie „Reachout“ aufsuchen sollten, als auf die staatlichen Ordnungshüter zu hoffen. Selbstschutz und Notwehr werden vor allem Linken als kriminelle Selbstjustiz angelastet. So geschehen beim Überfall auf das "Sama-Cafe" wo die sich wehrenden Opfer sogar noch verhaftet wurden, während die Neonazis unbehelligt blieben.

Der Täterkreis lässt sich nach Beobachtungen auf einige Lichtenberger Neonazis und deren Freunde aus dem Fußballhooligan-Umfeld eingrenzen. Durch politische Bedeutungslosigkeit nach dem Verbot der drei Berliner Kameradschaften, beschränken sie ihre Aktionen auf Angriffe gegen Linke, deren Hausprojekte und andere Personen, die ins Beuteschema passen. Friedrichshain mit einer erfreulich großen sich als links definierende Szene und einer alternativen Kneipen-Kultur ist somit Ausflugsziel Nummer eins.
Dennoch, klassische Naziskneipen gibt es schon lange nicht mehr. Es sind eine Vielzahl von Bars und Clubs im Kiez, die keinerlei Probleme mit den neuen schwarzgekleideten Neonazis haben. Die an der Frankfurter Allee liegende Disko Jeton sticht allerdings als Extrembeispiel hervor. Hier vergeht kein Wochenende, an dem die besondere Mischung in dem Laden, sich nicht gegen offen auftretende Linke richtet. Die Disko zieht sich, wie viele andere darauf zurück, dass sich die organisierten rechten Schläger kaum mehr vom Look linker Autonomer unterscheiden. So sind diese erst erkennbar, wenn sie ihrem Menschenhass per Faustrecht Bahn prügeln.

Die Angriffe der letzten Zeit in der Kiezöffentlichkeit wahrnehmbar zu machen und die Anwohner für dieses Thema zu sensibilisieren, ist momentan am wichtigsten um zumindest einen Grundstein gegen rechte Übergriffe und mehr Solidarität im Kiez zu legen. Statt nun eine alternative Polizei zu schaffen, sollten alle hier Lebenden und Ffeiernden dazu befähigt werden Neonazis zu erkennen und im Falle des Falles sinnvoll zu reagieren.
Die links-alternativen Hausprojekte haben sich in den letzten Jahren zu sehr von der Nachbarschaft isolieren lassen. Nun fehlt bei Angriffen auch die Solidarität der Nachbarschaft. Doch die faschistische Bedrohung auf der Straße und den Köpfen lässt sich nur gemeinsam auf allen Ebenen zurückdrängen.

Deshalb: Gemeinsam zum Mayday, gemeinsam auf die Straße, gemeinsam gegen rechte Ideologie und Alltagsrassismus.

Wenn du selbst von rechten Angriffen betroffen warst, oder Situationen beobachtet hast, melde dich bei der Antifa Friedrichshain. Kontakt und Chronik rechter Aktivitäten unter www.antifa-fh.de.vu

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