1.Mai
2008: EuroMayday-Parade
Vorfeldaktionen und Repolitisierung des 1.Mai ziehen
7000 DemonstrantInnen
Nun
ist es schon wieder vorbei: Der dritte Mayday in Berlin fand mit bis zu
7000 Teilnemer_innen statt. Natürlich gibt es unzählige Eindrücke
vom 1. Mai, aber um es kurz zu halten: Es war toll!
Eine erste Einschätzung könnt ihr auf indymedia
lesen.Und wie üblich: Während einige dem 1. Mai ein Politisches
Comeback bescheinigen und offenbar die Diskussion
über Proteste gegen die zunehmenden prekären Arbeitsverhältnisse
begonnen hat, wagt der Politologe und Aktivist Peter Grottian Verbesserungsvorschläge
für die Mayday-Parade im nächsten Jahr vorzubringen.
Im Vorfeld des Mayday gabe es in diesem Jahr nicht nur eine fette
Zeitung und den Anspruch in Konflikte zu intervenieren sondern auch
konkrete Aktionen. So wurde am 25. April das Jobcenter
in Kreuzberg besucht und der Ablauf gestört (Video),
am 26. April wurden Immobiliennvestoren
an ihrem Treiben in Kreuzberg gehindert, zusammen mit der Globale
gab es wieder eine Videokundgebung
am 21. April, zum 40igsten Jahrestag des Dutschke-Attentats wurde
die Endeignung
des Springer-Verlagshauses gefordert mnein und im Nachgang der Parade
einen Workshop zum Streiken
in prekären Zeiten. Das Maydaybündnis beteiligte sich an
den Aktionen
gegen Media-Spree und am Protest der Besucherbetreuer
im Deutschen Technikmuseum.
Bilder: Umbruch
Bildarchiv | Indymedia
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Videos: Freundeskreis
videoclips | Samba-Band
| Interview
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Aufruf: be.STREIK.berlin
*Organisiert das schöne Leben!*
“Zu viel Scheiße - zu wenig Geld!“(Frau
Weber – toilet assistant, Berlinale)
Streik bei der Bahn, bei der BVG, in den Kaufhäusern…
Streiks bringen den Alltagstrott durcheinander. Dieses “ich spiel
euer Spiel nicht mehr mit” finden wir klasse, genau so wie ein klares
“Nein” zur richtigen Zeit ein Befreiungsschlag vom alltäglichen
Stress sein kann. Nach Jahren des Verzichts und der Abwehrkämpfe
werden hier endlich mal wieder Ansprüche gestellt. In den Kämpfen
taucht die alte frage auf: Wie wollen wir leben und arbeiten, und wie
ist der Reichtum in der Gesellschaft verteilt?
Wir wollen gar nicht drüber streiten ob soundsoviel Prozent mehr
Gehalt gerechtfertigt sind oder nicht. Uns ist klar, dass hier was nicht
stimmt: eben zu viel Scheiße für zu wenig Geld. Zu wenig Kuchen
für alle… Aber wer kann überhaupt streiken?
don’t be berlin, be mayday
Deine Kräfte reichen gerade dazu aus, um den Balanceakt zwischen
Praktikum/Ausbildung/Job/Ämterstress/Studium/Kindern und Freunden
zu bewältigen. Streikgeld zahlen Dir weder Deine Kinder noch Dein
Chef und schließlich brauchst Du das Geld zum Überleben. Und
wenn Du doch mal ne freie Minute hast und Dich an der Spree entspannen
willst, ist das ganze Ufer mit Bürogebäuden zugeschissen, Kultur
passt da nur noch als kommerzielles Spektakel rein.
Überhaupt Geld und Spektakel: Seit Berlin seine öffentlichen
Einrichtungen privatisiert, um Hauptstadtzauber und Bankenskandalschulden
zu finanzieren, steigen die Preise für Mieten, BVG, Strom, Gas, Wasser,
KiTas, Schwimmbad etc. Wie soll man dagegen streiken? Kalt duschen und
Licht ausschalten? Klauen, schwarzfahren, aneignen?
“Be Berlin? Ick glaub ick spinn. Wie kann man 10 Millionen
für ne Kampagne ausgeben und in den Jugendzentren pfeifts durch die
nicht reparierten Fenster?“ (Henning, Imagekampagnenopfer)
Wir alle schlagen uns täglich mit solchen und ähnlichen
Problemen herum. Beim Mayday wollen wir diese Alltäglichkeiten, die
Konflikte darin und unsere Gemeinsamkeiten sichtbar machen. Zusammen suchen
wir nach Wegen, uns gegen die allgegenwärtigen Zumutungen des Kapitalismus
zu wehren. Fröhlich, bunt und voller Zorn feiern wir am 1. Mai mit
Lust an der Utopie unsere täglichen Widerständigkeiten, Widersprüchlichkeiten
und Wir-AGs.
“Manchmal wird mir von Freunden vorgeworfen, deine
Karriere ist dir sowieso viel wichtiger als deine Beziehung oder als deine
Freunde. Aber die verstehen das nicht, ich habe keine Karriere, ich hab
nur Jobs, ich muss nur irgendwie an Geld rankommen und das ist für
mich hart.“ (Bühnenbildnerin)
Lasst die Poesie der Straße erklingen!
Wie im Mai 1968: Damals brach sich die Begierde nach einem anderen Leben
Bahn. 14 Millionen ArbeiterInnen bestreikten und besetzten in Frankreich
ihre Betriebe, im Prager Frühling forderte man einen Kommunismus
ohne selbsternannte Führer, ohne graue Arbeitsstätten und ohne
gefühllose Bürokratien. StudentInnen gingen auf die Barrikaden.
Für einen Moment schien die Utopie einer anderen Welt greifbar: Weltweit
wurde der alten Schufterei und Disziplin etwas entgegen gesetzt. Die Herrschenden
wurden verunsichert.
„Diese Mischung ist wirkungsvoll, denn diese Mischung
knallt ganz doll“(Slime)
Autoritäre Strukturen aufbrechen, das Patriarchat untergraben,
Rassismus bekämpfen, Platz für die Verwirklichung neuer Ideen
schaffen, selbstbestimmt leben und arbeiten - darum geht es bis heute.
Die Individualisierung der Lebenswelten, Flexibilisierung und Selbstverantwortung
wurden jedoch auch die Grundlage einer neoliberalen, ellenbogenbasierten
Konkurrenzgesellschaft.
Macht der Prekarisierung?
Die Verinnerlichung der Vorstellung, dass alle ihres Glückes eigener
Schmied seien, ist heute darin gemündet dass wir alle Unternehmer
unserer selbst sein müssen, die permanente Selbstvermarktung inklusive.
Wir arbeiten jetzt immer und überall, mit Haut und Haaren!
In zahllosen Kleinbetrieben hoffen prekär Beschäftigte beim
Tellerwaschen oder Grafikdesignen auf die Einlösung des Heilsversprechens
der “sozialen Marktwirtschaft”: Für die einen wäre
dies ein sicherer Aufenthaltsstatus, für die anderen eine Festanstellung
mit Sozialversicherung. Daneben ist die Drohung mit Prekarisierung und
Verarmung ein Motor zur eifrigen Unterordnung an die “Erfordernisse
des Marktes”: unbezahlte Praktika, Lohnverzicht in Tarifrunden,
Konkurrenz, Vereinzelung….
Auch wenn die Lebensrealitäten von Illegalisierten in der Niedriglohnbranche
und der digitalen Boheme sich unterscheiden, so laufen alle dennoch in
demselben Hamsterrad um Anerkennung und einem Versprechen der Selbstverwirklichung.
Die Zone, in der dieses Glücksversprechen existiert, wird durch innere
und äußere Zäune begrenzt.
Prekarisierung der Macht!
Mit dem Mayday sind wir auf der Suche nach Widerstandsformen, die unsere
Gemeinsamkeit erlebbar machen sollen. Mit dem Mayday wollen wir eine Organisierung
in Bewegung bringen um das beschissene Hamsterrad zu zertrümmern.
Heraus zum Euromayday! Komm mit uns zur Maydayparade 2008: Bewegen, tanzen,
demonstrieren - für die Prekarisierung der Macht, die Lust auf Solidarität,
eine Stadt für alle und den organisierten Ichstreik gegen den Markt
in unseren Köpfen. Wir sind die von der Wir-AG, unsere Börse
ist die Straße und der Küchentisch. Die Batterie ist geladen,
der Ipod ist schrott. Who cares? Wir sehen uns! In diesem Sinne –
be.STREIK.berlin- be mayday!
*Maydayparade//1. Mai ‘08//14 Uhr//Boxhagener Platz//Berlin*
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Die Route bot sich an
Anders als in Kreuzberg und Neukölln,
wo der Euromayday in den letzten zwei Jahren stattfand, konnte diesmal
auch aktiv bei Privatisierungsgewinnern, Stadtplanern und Zeitarbeitsfirmen
Kritik geübt werden. Wer wollte konnte mit Kreide und massenweise
Stickern (Aneignen!, Solidarität!, Bestreikbar!, Privatisiert!) seinen
Unmut an die Glasfassaden bringen. Leider ging das bei der Größe
des Umzugs etwas unter.
Zuerst ging es am Drogerie-Discounter Rossmann vorbei, der zu den wenigen
Gewinnern des hart umkämpften Marktes mit Schlecker gehört.
Hier wurden Arbeitsbedingungen und Monopolisierung in dem Bereich thematisiert.
An der nächsten Ecke war die Wedekind-Polizeiwache, die politische
Aktivisten im Osten Berlins nur allzu gut kennen dürften. An der
Stelle postierten sich denn auch massig Polizei, um Stärke zu demonstrieren.
Tatsächlich hat sich auch niemand an den imposanten Altbau herangewagt.
An der Ecke Torellstraße kam das erste ordentliche Bürogebäude
in den Blick. Die private Managerausbildung FAW und DIG-Immobilien haben
dort ihren Sitz.
An der Warschauerstraße angekommen wurden die dort ansässigen
Leiharbeit-Vermittler JOB AG, Nexus, Scheerbaum, Personalmanagement e.K.
und Rolf-Plümer fokussiert. Zeitarbeitsfirmen florieren bei Streiks,
da die schlecht bezahlten und auf hohe Flexibilität getrimmten Leiharbeiter
als Streikbrecher eingesetzt werden, um herkömmliche Beschäftigte
bei Arbeitskämpfen kurzfristig zu ersetzen. Die Arbeitsvermittler
verdienen an jeder gearbeiteten Stunde mit. In die Betriebe übernommen
wird selten einer der geliehenen Arbeitnehmer.
Auf der Häuserzeile ist außerdem der Sitz des Liegenschaftsfond
Berlin, der seit seiner Gründung 2001 mit der Verwertung öffentlicher
Gebäude beauftragt ist. In den letzten Jahren hat der Fond zwar 500
Mio Euro in die Kassen Berlins gebracht, doch damit auch die Möglichkeiten
beschränkt als Bezirksregierungen aktiv mit Immobilien bei der Stadtgestaltung
zu intervenieren. So manches bedrohtes Hausprojekt bekam von der Stadt
keine Ersatzobjekte angeboten, weil der öffentlichen Hand keine Gebäude
mehr zur Verfügung stehen. Sie alle sind dem Liegenschaftsfond übertragen
worden, stehen leer und müssten kostspielig zurückgekauft werden.
Schon auf dem Boxi, bei der Auftaktveranstaltung wurde in einem Beitrag
auf die Aktualität von Hausprojekten als kollektiven Widerstand gegen
Vereinzelung und Prekarisierung hingewiesen. Beim Liegenschaftsfond konnte
direkt bei den Wegbereitern der Verdrängung Kritik artikuliert werden.
Die schöne Aussicht von der Warschauer
Brücke wurde leider von der O2-Arena verstellt. Hier kam die Kritik
an der Mainstreamkultur etwas zu kurz. Die Umbauten am Bahnhof Warschauerstraße
und entlang der Mühlenstraße weisen daraufhin, dass sich Friedrichshain
in den nächsten Jahren auf eine Klientel einstellen muss, die wenig
am alternativen Flair teil haben will. Vielmehr wird diese den Massenveranstaltungen
in der größten Mehrzweckhalle Berlins weichen müssen.
Zur Umgestaltung der Mühlenstraße und des Spreeufers sprach
an der Stelle die Initiative Media-Spree-Versenken
Am Ende der Warschauerstraße bei der Zwischenkundgebung wurde kurzzeitig
die Zentrale des selbsternannten Quartiersmanagers
Tragsdorf heimgesucht. Hier sitzt das Büro für Wirtschafts-
und Projektberatung, die Hausverwaltung Factor, die Gewerberaumbörse
und zahlreiche Briefkastenfirmen, die, zeitweise vom Bezirk unterstützt,
den Friedrichshain in den letzten zehn Jahren durch Entmietung, Luxussanierung
und Initiierung von Wirtschaftsbündnissen maßgeblich zum Wohn-
und Arbeitsort privilegierter Schichten umgestaltet haben. An dieser Stelle
passte der Redebeitrag der Internationalen Kommunisten zu verkürzter
Kapitalismuskritik.
Die PIN AG hat in dem Objekt ebenfalls ein Ladengeschäft. Hier wurde
auf den Niedriglohn der Zusteller eingegangen. Seit der Einführung
des gesetzlichen Post-Mindestlohn muss sich die PIN AG was einfallen lassen,
um nicht unterzugehen. Die Springer-AG, die einen Großteil der Anteile
hielt, hat diese nunmehr verkauft, nachdem die Kampagne in der BILD gegen
den Mindestlohn gescheitert war.
Danach ging es am Universal-Haus vorbei nach Kreuzberg wo die schlechten
Arbeitsbedingungen bei MCDonalds und LIDL in der Wrangelstraße angeprangert
wurden. Kurz vor sechs erreichte der Zug den Spreewaldplatz, wo noch Musik
und Redebeiträgen von einigen Wägen gehalten wurden.
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Redebeiträge auf dem Mayday am
1. Mai in Berlin
Be.Streik.Berlin
Beitrag der Gruppe FelS
Willkommen zur Mayday Parade!
Überall auf der Welt begehen
die Menschen den 1. Mai – den internationalen Kampf- und Feiertag
gegen das Profitstreben des Kapitals, gegen Armut und Ausbeutung. Doch
mit dem Wandel der Produktions- und Arbeitsbedingungen verändert
sich auch die Bedeutung des 1. Mai: Die ursprüngliche Botschaft,
sich in Gewerkschaften zu organisieren und am Arbeitsplatz in der Fabrik
für ein besseres Leben zu kämpfen, reicht nicht aus: Sie trifft
nicht mehr die Situation der meisten Menschen rund um den Globus, und
auch nicht hier in Berlin.
Wo flexible Arbeitsverhältnisse, befristete Jobs, Niedriglohn und
Überstunden normal werden, geht die Lebensqualität den Bach
runter. Die Unternehmen testen stets aufs Neue, wie weit sie gehen können
im Wettrennen um die niedrigsten Kosten und höchsten Profite. In
dieser Rechnung kommen die Menschen, die die Arbeit machen, nur als Kostenfaktor
vor.
Das Traurige ist: Für die Wenigsten gibt es eine Lösung innerhalb
dieses Settings. Wer eine Chance haben will, muss mitmachen beim täglichen
Konkurrenzkampf. Muss super-flexibel sein, mega-effizient und am besten
ohne Pause arbeiten. Muss Niedriglohn, Befristung und unsichere Bedingungen
akzeptieren. Muss diesem Wettkampf auch noch etwas Gutes abgewinnen und
sich den Gedanken zu eigen machen, dass jeder nur das bekommt, was er
verdient. Wer dabei bleiben will, darf die Hoffnung nicht verlieren, dass
eines fernen Tages der gut bezahlte, unbefristete, erfüllende Job
winkt, der dazu noch genug Zeit lässt für Freizeit, Freunde
und Familie.
Gewerkschaften vertreten eine immer kleiner werdende Zahl von Beschäftigten
mit festen Arbeitsverträgen, die die Möglichkeit haben, Druck
auf die Unternehmen auszuüben. Wir unterstützen solche Kämpfe,
wenn sie stattfinden, denn die Standards, die hier gesetzt werden, haben
Einfluss auf die Arbeitsbedingungen im Rest des Arbeitsmarktes.
Aber wie sieht’s im Lager der Prekären aus – bei den
Gebäudereinigerinnen und Gebäuderreinigern ohne gültigen
Aufenthalt oder bei denen, die als Digitale Bohème bezeichnet mit
dem Laptop im Café arbeiten? Wie können sie sich organisieren?
Wie können wir uns organisieren und für ein besseres Leben kämpfen?
Wie streike ich als Taxifahrerin oder als
freiberuflicher Übersetzer?
Ist meine Streikkasse der Dispo? Ist mein Streiklokal das Bett?
Wer ist unsere Gewerkschaft? Die Familie? Oder die WG?
Ist Krankheit unser einziger Arbeitsschutz?
Wir sind heute hier, nicht weil wir Antworten
auf all diese Fragen haben. Wir sind hier, um diese Fragen zu stellen!
Gerade weil wir uns im Alltag nicht einfach außerhalb der Zwänge
der Arbeitswelt stellen können, suchen wir nach Wegen, uns zu organisieren,
gemeinsame Probleme aufzuspüren und gemeinsame Ziele zu finden. Und
wir wollen von euch hören, welche Strategien ihr entwickelt habt,
um über die Runden zu kommen. Wir suchen nach neuen Ideen und neuen
Utopien. Darum geht’s beim Mayday!
Feiern wir also zusammen diese Suche nach Strategien, mit denen wir das
prekäre Hamsterrad zertrümmern! Demonstrieren, Tanzen, bewegen
– für die Prekarisierung der Macht, die Lust auf Solidarität,
eine Stadt für alle und den organiserten IchStreik gegen den Markt
in unseren Köpfen! Wir hoffen, wir sehen uns wieder, auch nach dem
1. Mai.
Alles klar? Don’t just be Berlin!
Be – Strike – Berlin!!
Seid Mayday!!!
Warum Hausprojekte immer
noch aktuell sind
Beitrag der Antifa Friedrichshain
In den letzten Monaten wurde viel über
den Erhalt der Köpi und des Bethanien, der Hausprojekte in der Rigaer
Straße und in Mitte geschrieben und dazu demonstriert. Doch warum
sind uns diese unsanierten Bruchbuden so wichtig? Kurzum: Weil sie Raum
bieten für unsere Ideen, für unsere Politik, für Soli-Partys,
Veranstaltungen und für soziales Miteinander, dass wir nirgends sonst
finden. Die üblichen Zwei-Zimmer-Wohnungen und Mini-WG-Küchen
reichen einfach nicht aus, um sozialen Ausgleich für die Zumutungen
des Kapitalismus zu bekommen. Eine solidarische Hausgemeinschaft, ist
eine Alternative zum individuellen Sich-Durch-Wursteln.
Die meisten Freiräume sind Wagenburgen und Hausprojekte, die in ihrer
Umgebung alle möglichen kommunikationsfreudigen Weltverbesserer,
Bastler, Außenseiter und idealistische Politprofis anziehen. Manche
leben in Hausprojekten, weil angeblich die Miete billiger ist. Die meisten
aber, weil sie keine Lust haben ein durchstrukturiertes karriereorientiertes
Leben zu führen, in der grauen Masse mitzuschwimmen und gegen das
Leben, das sie führen, zu schimpfen. In jedem Fall sind es politische
Beweggründe, welche die Menschen in Freiräumen zusammenführen.
In den selbstverwalteten Häusern und Projekten soll es möglich
sein, sich ohne rassistische oder sexistische Angriffe bewegen zu können.
Freiräume sollen unsere Kritik an der Ellenbogengesellschaft ein
stückweit Realität werden lassen, indem wir solidarisch miteinander
umgehen und entgegen der kapitalistischen Rang- und Hackordnung handeln.
„Kollektiv handeln statt vereinzelt untergehen“ ist das Credo
jedes linken Freiraums.
Von Hausprojekten gehen die meisten linksradikalen Aktionen aus. Ob nun
spontane Mobilisierungen gegen Neonazis, gegen G8-Treffen oder rassistische
Sonderbehandlung von Flüchtlingen – die Vorbereitung und Durchführung
macht sich in großen Gruppen einfach besser. Die Möglichkeit
innerhalb einiger Minuten viele Leute für eine Aktion aus der Wohnung
auf die Straße zu treiben ist nur in Hausprojekten möglich.
Die Nachbarschaft hat meist sogar konkrete Vorteile von der Existenz der
Hausprojekte. Durch den ständigen Aufruhr, Besuch aus aller Welt,
Spontandemos und Fassadenverschönerungen in den angrenzenden Straßen,
gelten Gebäude in den Gebieten als risikoreiche Investitionen. Die
von vielen Stadtplanern hervorgehobene Kiezkultur entsteht eben nicht
durch Luxus-Cafes und Verdrängung Sozial-Schwacher. Hausprojekte
und Leute, die scheinbar grundlos die Straße bevölkern sorgen
dafür und nicht die Bauherren. Nicht zuletzt verhindert diese Kiezöffentlichkeit
aktiv Angriffe durch Neonazis, die Friedrichshain in den letzten Monaten
wieder verstärkt aufgesucht haben.
Damit bezahlbarer Wohnraum, eine Gegenkultur zum kapitalistischen Normalzustand
und eine solide linke Infrastruktur weiterhin erhalten bleiben, müssen
Freiräume wie das Bethaninen, die Köpi, der Schwarze Kanal,
die Rigaer94, die Liebig34 und Brunnenstraße 183 mit aller Kraft
unterstützt werden. Räumungen und andere Angriffe abzuwehren
ist nicht ausschließlich die Aufgabe der Menschen, die in den Häusern
leben, sondern sollte in der Verantwortung aller liegen, die an einer
emanzipatorischen Gesellschaft interessiert sind. Denn der Wegfall jedes
weiteren Projektes bedeutet einen großen Verlust für die gesamte
Linke. Soziale Treffpunkte, Veranstaltungsräume und Zufluchtsorte
für Betroffene von Sexismus und Rassismus gehen meist unwiederbringlich
verloren. Also haltet die Augen auf und achtet auf Ankündigungen
zur Verteidigung linker Projekte.
Action-Days 28. Mai bis 1. Juni in Berlin
Wir bleiben alle! Infos unter: Wba.blogsport.de
Keine Arbeit ohne Lohn
Redebeitrag der FAU Berlin
Nach monatelanger Eiszeit sind die Straßen
der Stadt endlich wieder belebt. Die Menschen sitzen an einem Sonntag
im April, bei angenehmen 20 Grad im Freien und trinken Café. Relaxen
in der warmen Sonne. Genießen die wiedergewonnene Freiheit. Zwischen
den Gästen, im Café an der Straße, bewegt sich Steffi
von einem Tisch zum nächsten, nimmt Bestellungen entgegen, räumt
Tische ab, kassiert. Seit fünf Stunden macht sie dies nun schon.
Rücken und Füße schmerzen. Lieber würde sie im Park
liegen. Doch sie muss arbeiten. Ohne Lohn. Dies ist nun schon ihre sechste
unbezahlte Probeschicht in den letzten Tagen. Die zweite in diesem Etablisement.
Sie braucht diesen Job unbedingt, um das Geld für die Mai-Miete aufbringen
zu können. Deshalb lässt sie sich ihre Müdigkeit nicht
anmerken, arbeitet weiter bis die Schicht beendet ist und liefert ihr
Trinkgeld beim Chef ab.
Es ist der erste Tag des neuen Semesters. Die Studierenden strömen
in den völlig überfüllten Seminarraum. Agnes steht vor
dem Overheadprojektor und teilt den Studierenden mit, welche Leistungsanforderungen
der Professor festgelegt hat. Diese stöhnen. Die Stimmung ist gedrückt,
denn viele wissen nicht wie sie die Aufgabe bewältigen sollen. Agnes
rechtfertigt ihren Prof, dabei kann sie die Studierenden gut verstehen,
denn auch sie weiß nicht, wie sie das Geld für sich und ihren
2 jährigen Sohn in den nächsten Monaten, neben dem Job in der
Uni, aufbringen soll. Denn sie arbeitet ohne Lohn. Sie hofft im nächsten
Semester einen bezahlten Lehrauftrag zu ergattern, wenn sie sich in diesem
Semester bewährt.
Es ist 7 Uhr morgens. Paul steigt aus der U-Bahn aus, verlässt den
Bahnhof und steuert das herrschaftliche Gebäude an, welches das berühmte
Varieté-Theater der Stadt beherbergt. Seine Laune ist mies, es
graut ihm vor dem Tag, den er nun mit seiner tyrannischen und inkompetenten
Vorgesetzten verbringen muss. Seit 6 Monaten arbeitet er schon hier. Ohne
Lohn. Als „Traumrolle hinter den Kulissen“ machte ihm sein
Sachbearbeiter im Job-Center das Praktikum schmackhaft. Nun schuftet er
jeden Tag hinter den Kulissen für die, die die vermeintlichen Traumrollen
ausfüllen. Von der Perspektive einer festen Übernahme am Schauspielhaus,
war schon seit seinem ersten Arbeitstag nicht mehr die Rede. „Er
solle froh sein überhaupt Arbeit zu haben“, wurde ihm entgegengehalten.
Davon kann allerdings keine Rede sein, denn Paul weiß nicht woher
er das Geld nehmen soll, um seine Freundin in London besuchen zu können,
wo er den Beruf den er nun unbezahlt ausübt gelernt hat. Er hat sie
schon seit Monaten nicht mehr gesehen.
Unbezahlte Lohnarbeit ist ein um sich greifendes Phänomen. In Zeiten
in denen das Selbsbewußtsein der Lohnabhängigen gering ist,
lassen sich Arbeitgeber immer perfidere Strategien einfallen um ArbeiterInnen
gegeneinander auszuspielen. Sowieso schon extrem mies bezahlte Jobs in
der Gastronomiebranche, werden in Spitzenzeiten durch unbezahlte Probeschichtler
ergänzt, welche von vorne herein keine Chance auf eine feste Anstellung
haben. Universitäten beuten Studierende aus, die sich Hoffnungen
auf eine akademische Karriere machen, in dem sie ihre knappen Kassen entlasten
und unbezahlte Lehraufträge zur Normalität werden lassen. Gleichzeitig
beuten Kultureinrichtungen junge qualifizierte Arbeitslose als PraktikantInnen
aus, während immer mehr Festangestellte entlassen werden. Aufgezeigt
werden könnte auch, wie immer mehr Job im sozialen Bereich durch
ehrenamtliche Stellen ersetzt werden oder wie die Wirtschaft zunehmend
auf die Angst der ArbeiterInnen vor dem Verlust ihres Job´s setzt
und sie immer mehr unvergütete Überstunden machen lässt.
Die Liste ließe sich fortsetzen.
Für diese Entwicklung sind wir alle verantwortlich. Denn es ist keine
neue Erkenntnis, das es der einen Klasse daran gelegen ist möglichst
viel Mehrwert aus der anderen herauszupressen. Und auch wenn die Grenzen
zwischen diesen beiden Klassen heutzutage nicht mehr ganz so klar zu zeichnen
sind wie in früheren Zeiten, so funktioniert das miese Spiel namens
Kapitalismus nichts desto trotz immer noch nach den gleichen Regeln wie
damals. Der Klassenkampf von oben wurde über all die Jahre weitergeführt,
während sich große Teile der lohnabhängigen Bevölkerung
von den marktradikalen Parolen haben einschläfern lassen. Wenn wir
unsere eigenen Interessen wieder wahrnehmen, uns organisieren, die Strategien
den heutigen Verhältnissen anpassen und Klassenkämpfe entwickeln,
kann es uns gelingen die Kontrolle über unser Leben zurückzugewinnen.
Wenn es Steffi, Agnes und Paul schaffen mit unserer Hilfe ihren Chefs
den Fuck-Finger zu zeigen, können wir dies als Grundlage nehmen,
um uns das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wieder anzueignen
und gemeinsam weitergehende Perspektiven zu entwickeln. Der Kampf für
Freiheit UND Gleichheit beginnt in unserem Alltag.
www.keine-arbeit-ohne-lohn.de
1. Mai: Vergewisserung
der eigenen Fitness
Beitrag des AK moB
10,9,8,7, ….
Verwertungslogik und Normierungszwänge bestimmen unseren Alltag,
die Arbeitsverhältnisse und Beziehungen. Ob auf Arbeit oder in der
Clique - wir sind immer auch das, was die anderen nicht sind: männlich,
deutsch, leistungsfähig, angepasst, unabhängig, schick und fit.
Tragen Carhartthosen und gehen in die Muckibude. Sogenannte Problemfelder
interessieren da nicht.
Steh´ mir nicht im Weg rum
Behinderung dagegen kennzeichnet eine lebenslange Abhängigkeit von
Wohlfahrt und Zugeständnissen. Ein Arrangieren mit Barrieren. Jenseits
von innen und außen, bemitleidet, unsichtbar und ausgesondert.
Galt noch in den achtziger Jahren in der Krüppelbewegung der Krückstock
als Waffe, wird heute die Versorgungslage von Lobbyist_innen und Expert_innen
auf kostspieligen Kongressen ohne die Betroffenen diskutiert. Nach wie
vor haben die Bullen das unwidersprochene Monopol, die Knüppel zu
schwingen. Wir stellen uns dieser Opferlogik quer. Wir wollen auch was
von der Torte und stehen da im Weg rum, wo uns es passt.
Der erste Mai auf der Straße dient der Vergewisserung der eigenen
Fitness und Coolness. Wir wollen Teil einer Bewegung sein, die keine Behinderungsängste
bedient und Gesundheit nicht als persönliches Problem betrachtet.
Wir haben keinen Bock mehr auf gängiges Verhalten und Schick. Wir
sind nicht dankbar, wir sind äußerst unangenehm. Wenn alle
wegrennen, bleiben wir stehen und halten zusammen.
Völlig entsichert und moB
Unser Leben gerät in Gefahr, von Nichtarbeit und prekären Beschäftigungsbedingungen
geprägt zu sein. Wir alle bewegen uns in gesellschaftlichen Widersprüchen
und Abhängigkeiten. Wir würden auch für garantierte acht
Euro neunzig und weniger rund um die Uhr in vier Projekten gleichzeitig
arbeiten, bis die neue Kollegin vorbeikommt, um uns abzuklatschen, weil
der Preis nun stimmt und die Motivation ja keine Rolle spielt.
Andere arbeiten lebenslänglich in völliger Abhängigkeit
in der „geschützten Werkstatt für behinderte Menschen“(WfbM).
Sorgen für profitable Geschäfte von Siemens und VW und bekommen
dafür ein Taschengeld. Der Ausschluss beginnt jedoch viel früher:
im Kindergarten, in der (Sonder-) Schule und trifft andere Leute nicht
weniger. Wir stellen uns gegen die Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen
und andere Selektionskriterien wie Geschlecht, Klasse und Nation.
Wir sind Menschen mit und ohne Behinderungen.
Wir sind der ak moB.
Wir gehen raus aus der Isolation. Für einen barrierefreien Zugang
zu den Torten. Her mit dem schönen Lift und weg mit der Drecksarbeit.
Für ein solidarisches Miteinander statt Vereinzelung. Für Barrikaden
statt Barrieren.
Liebe Freundinnen und Freunde des gepflegten Protests!
Liebe Revolutionäre und solche, die es erst noch werden wollen!
Redebeitrag der Berliner Sektion der hedonistischen Internationale
Normalerweise redet die Hedonistische Internationale
ja immer von Freiräumen die verschwinden, von Subkultur, die verdrängt
wird, von Freiheiten, die uns weggenommen werden - und vom schönen
Leben neben dem normalen Leben. Aber heute, denn heute ist der 1. Mai,
heute ist der Tag der Arbeiterinnen und Arbeiter, heute reden wir mal
davon, wie wir dem Kapitalismus in die Fresse treten.
Wir stehen hier vor Lidl. Lidl steht für beschissene Arbeitszeiten,
für die Verhinderung von Betriebsräten, Lidl steht für
Dumping-Essen aus Massenproduktion – und Lidl steht für die
Überwachung seiner Mitarbeiterinnen.
Man kann jetzt sagen: Lidl, das ist Kapitalismus. Und das stimmt ja auch.
Aber man kann auch sagen: Kapitalismus, das ist die ganze Scheisse. Und
Lidl nur ein Teil davon.
Schauen wir uns diese Scheisse doch mal genauer an.
Kapitalismus ist, wenn du die ganze Woche arbeitest und kaum Kohle dafür
siehst.
Kapitalismus ist, wenn sie dir irgendwelche Betonklötze und Konsumtempel
a la Mediaspree in den Kiez setzen ohne dich zu fragen.
Kapitalismus ist, wenn ständig deine Miete erhöht wird.
Kapitalismus ist, wenn dein Arbeitskollege seine Ellenbogen ausfährt
um sich gegen dich durchzusetzen.
Kapitalismus ist, wenn sie dir ständig Deutschlandfähnchen verkaufen
wollen.
Kapitalismus ist, wenn alle Parteien von sozialer Verantwortung reden
– und gleichzeitig das Sozialsystem kaputtschlagen.
Kapitalismus ist es, wenn du immer und überall überwacht wirst,
damit du dich systemkonform verhältst.
Kapitalismus ist, wenn die Politik von Vollbeschäftigung redet, und
am Ende dann alle zwei unversicherte Minijobs haben.
Kapitalismus ist, wenn wirtschaftliche Interessen mit Gewalt und Krieg
durchgesetzt werden.
Kapitalismus ist, wenn wir Nahrungsmittel zu Biosprit verarbeiten –
und deswegen woanders Leute verhungern.
Kapitalismus ist, wenn Leute streiken – und alle anderen sagen,
dass der Streik auf ihrem Rücken ausgetragen wird.
Kapitalismus ist, wenn wir Mauern um Europa bauen, damit die Menschen,
die noch weniger haben, nicht reinkommen.
Kapitalismus ist es, wenn du ausgebeutest wirst – und dich machtlos
fühlst. Wenn du von einem unbezahlten Praktikum zum nächsten
gehst, wenn deine Überstunden nicht bezahlt werden, wenn du Hartz4
beziehst und die Kohle nichtmal reicht um mit Freunden tanzen zu gehen.
Wir stecken also bis zum Hals im Kapitalismus. Das ist die prekäre
Normalität für viele von uns. Häusle bauen und Mittelschicht,
das war einmal. Das war die Realität der 68er-Generation.
Wir leben also in einer Zeit, wo es für viele, vielleicht die Mehrheit,
keine materielle Sicherheit mehr gibt. Und das in einem der reichsten
Länder der Erde.
Das ist scheisse. Und deswegen ist Lidl scheisse, Aldi scheisse, diese
Politik scheisse und der Kapitalismus, dieses ewige ungerechte Schweinesystem,
sowieso.
Was machen wir also um den Kapitalismus zu ändern - oder besser noch
– ihn ganz abzuschaffen?
Wir müssen uns verbünden. Wir müssen reden. Wir müssen
uns zusammentun. Denn letztlich sitzen der Lidl-Kassierer, die BVG-Busfahrerin,
der erwerbslose Nachbar, das Rütli-Kind, du Mittelschicht-Student
da hinten und ich in einem Boot.
Wir sind also gar nicht so weit auseinander. Das müssen wir uns klarmachen,
damit wir nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden. Und das große
Motto des Kapitalismus ist: Gegeneinander statt miteinander.
Wir sagen: miteinander gegen – den Kapitalismus.
Und wie geht das?
Redet mit Leuten, die in ähnlichen Situationen sind, wie ihr.
Sucht nach neuen Ideen zusammen mit Leuten, die Alternativen denken wollen.
Organisiert euch mit Leuten, die für ähnliche Ziele kämpfen.
Solidarisiert euch mit Leuten, die streiken, protestieren oder sich für
ein schönes Leben einsetzen.
Wenn das gelingt, wird es schwieriger für die Arbeitgeberverbände,
Konzerne und Politiker dieser Welt ihr schäbiges Mantra - „Es
gibt keine Alternative“ - zu verbreiten und uns zu Mutlosigkeit
und Stillhalten zu verdammen.
Wenn es uns gelingt Alternativen aufzuzeigen, werden wir dem Staat, der
uns mit immer mehr Kontrolle, Überwachung und Bullen versucht in
Schach zu halten, endlich mal zeigen, was wir draufhaben.
Wenn uns das gelingt, dann wird es bald überall wieder mehr Freiheit
und Freiräume geben. Dann wird das schöne Leben, das wir uns
schon heute abseits vom Alltag versuchen zu schaffen, irgendwann wirklich
für alle möglich sein.
Jetzt kann man natürlich rufen: Ist doch alles unrealistisch, eure
ganze schöne Revolution ist doch total utopisch, ihr redet von Anarchie
und kauft bei Lidl ein, kommt mal klar ihr Träumer und seht der Realität
ins Auge.
Klar, das kann man so sehen. Und dieser ganze Kapitalismus ist ja wirklich
ein verdammt kompliziertes System, bei dem man gar nicht weiß, wo
man mit dem Protest eigentlich anfangen soll.
Aber - wenn wir nicht an die Chance auf Veränderung glauben, dann
wird es auch keine Veränderung geben. Wenn wir nicht daran glauben,
dass jeder und jede einzelne von uns, etwas zusammen mit anderen bewegen
kann, dann wird dieses System autoritärer werden.
Wir sind schon auf dem schleichenden Weg in den autoritären Kapitalismus.
Er wird uns weder Freiheit, noch Gerechtigkeit bieten. Das ist dann wirklich
die mieseste Lösung von allen.
Und genau deshalb sollten wir jetzt, hier und heute, anfangen diese Welt
zu verändern, in dem wir reden, uns verbünden – und dann
auch handeln.
Beitrag im Arranca-Extra:
Aktuelles Naziproblem in Friedrichshain
Wer in den letzten Wochen Zeitung gelesen hat, vermag es schon zu wissen.
Es kam vor allem in Friedrichshain wieder
zu rechtsmotivierten Übergriffen gegen MigrantInnen und vor allem
linke Läden und politisch aktive. Zum Beispiel wurde im März,
um fünf Uhr morgens das Sama-Cafe, eine linke Kneipe in der Samariterstraße,
von 15 Neonazis angegriffen. Diese sind mit Pfeffergas in die dort stattfindende
Karaoke-Party eingedrungen um wahllos die Gäste zu verletzen.
Zwei Wochen später lauerten schwarzgekleidete Partygästen der
Großraumdisko Jeton linken Jugendlichen auf und verfolgten sie bis
auf die Gleise des S-Bahnhof Frankfurter Allee, wo es zur Auseinandersetzung
kam. Zwei Wochen vorher war an gleicher Stelle ein Schwarzer unter rassistischen
Beleidigungen ebenfalls auf die Gleise gestoßen worden. Nur ein
weiterer Schwarzer half ihm bevor ein Zug einrollte.
Die Polizei war in allen genannten Fällen immer zu spät und
zeigte geringes Interesse. Nicht nur aus den Angriffen der vergangenen
Wochen ist zu lernen, dass Betroffene eher Opferberatungsstellen wie „Reachout“
aufsuchen sollten, als auf die staatlichen Ordnungshüter zu hoffen.
Selbstschutz und Notwehr werden vor allem Linken als kriminelle Selbstjustiz
angelastet. So geschehen beim Überfall auf das "Sama-Cafe"
wo die sich wehrenden Opfer sogar noch verhaftet wurden, während
die Neonazis unbehelligt blieben.
Der Täterkreis lässt sich nach
Beobachtungen auf einige Lichtenberger Neonazis und deren Freunde aus
dem Fußballhooligan-Umfeld eingrenzen. Durch politische Bedeutungslosigkeit
nach dem Verbot der drei Berliner Kameradschaften, beschränken sie
ihre Aktionen auf Angriffe gegen Linke, deren Hausprojekte und andere
Personen, die ins Beuteschema passen. Friedrichshain mit einer erfreulich
großen sich als links definierende Szene und einer alternativen
Kneipen-Kultur ist somit Ausflugsziel Nummer eins.
Dennoch, klassische Naziskneipen gibt es schon lange nicht mehr. Es sind
eine Vielzahl von Bars und Clubs im Kiez, die keinerlei Probleme mit den
neuen schwarzgekleideten Neonazis haben. Die an der Frankfurter Allee
liegende Disko Jeton sticht allerdings als Extrembeispiel hervor. Hier
vergeht kein Wochenende, an dem die besondere Mischung in dem Laden, sich
nicht gegen offen auftretende Linke richtet. Die Disko zieht sich, wie
viele andere darauf zurück, dass sich die organisierten rechten Schläger
kaum mehr vom Look linker Autonomer unterscheiden. So sind diese erst
erkennbar, wenn sie ihrem Menschenhass per Faustrecht Bahn prügeln.
Die Angriffe der letzten Zeit in der Kiezöffentlichkeit
wahrnehmbar zu machen und die Anwohner für dieses Thema zu sensibilisieren,
ist momentan am wichtigsten um zumindest einen Grundstein gegen rechte
Übergriffe und mehr Solidarität im Kiez zu legen. Statt nun
eine alternative Polizei zu schaffen, sollten alle hier Lebenden und Ffeiernden
dazu befähigt werden Neonazis zu erkennen und im Falle des Falles
sinnvoll zu reagieren.
Die links-alternativen Hausprojekte haben sich in den letzten Jahren zu
sehr von der Nachbarschaft isolieren lassen. Nun fehlt bei Angriffen auch
die Solidarität der Nachbarschaft. Doch die faschistische Bedrohung
auf der Straße und den Köpfen lässt sich nur gemeinsam
auf allen Ebenen zurückdrängen.
Deshalb: Gemeinsam zum Mayday, gemeinsam
auf die Straße, gemeinsam gegen rechte Ideologie und Alltagsrassismus.
Wenn du selbst von rechten Angriffen
betroffen warst, oder Situationen beobachtet hast, melde dich bei der
Antifa Friedrichshain. Kontakt und Chronik rechter Aktivitäten unter
www.antifa-fh.de.vu
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