Aufruf
des AntifaAntira Bündnisses
1.Mai
Naziaufmarsch verhindern!
Am 1. Mai 2004 rufen NPD und "freie
Kameradschaften" gemeinsam zu einem Aufmarsch unter dem Motto "Volksgemeinschaft
statt Globalisierungswahn" in Berlin auf. Damit greifen sie in diesem
Jahr die in der Linken breit diskutierte Kritik an der kapitalistischen
Globalisierung auf und nutzen dieses Thema, um ihre rassistischen, antisemitischen
und völkischen Inhalte auf die Strasse zu tragen. Im Gegensatz zu
den letzten Jahren schafften es NPD und große Teile der "freien
Kameradschaften", sich auf eine zentrale Demonstration zu einigen.
Die gemeinsame Mobilisierung zu einem zentralen Aufmarsch liegt besonders
im Interesse der NPD, die versucht, ihre geschwächte Position aufzuwerten.
Der gemeinsame Aufruf von NPD und "Aktionsbüro Norddeutschland"
soll Einigkeit demonstrieren. Daher ist in diesem Jahr mit einem Aufmarsch
mehrerer Tausend Alt- und Neonazis in Berlin zu rechnen. Bereits seit
dem Jahr 2000 ist der NPD-Aufmarsch am 1. Mai in Berlin für die Nazis
zum festen Bestandteil ihrer jährlichen Rituale geworden. Wurden
die Aufmärsche in den Jahren 2000 bis 2002 noch per Gerichtsbeschluss
in die Berliner Randbezirke verbannt, konnten die Nazis im letzten Jahr
erstmals durch den Berliner Westen marschieren und mit einer Teilnehmerzahl
von über zweitausend einen weiteren Erfolg in der wachsenden Reihe
rechtsextremer Großveranstaltungen verbuchen.
Antifaschistischer Widerstand
Seit vielen Jahren rufen Berliner AntifaschistInnen dazu auf, den Naziaufmarsch
am 1. Mai zu stören, zu blockieren und natürlich zu verhindern.
Unser Ziel war und ist es, den Faschisten die Straße zu nehmen.
Denen, die die faschistischen Aufmärsche schützen und für
deren reibungslosen Ablauf sorgen, den Berliner Politikern und der Berliner
Polizei, möchten wir den Tag möglichst sauer machen. Deshalb
rufen wir auch dieses Jahr wieder am Vormittag zu einer antifaschistischen
Demonstration und zu dezentralen Aktionen an der Naziroute und bei der
Anreise der Nazis auf. Den Gegenmobilisierungen ist es immer wieder gelungen,
den logistischen und politischen Preis für die Durchsetzung der Naziaufmärsche
hochzutreiben. Tausende Polizisten wurden eingesetzt, ganze Stadtteile
wurden in den Ausnahmezustand versetzt, die öffentlichen Verkehrsvertriebe
mussten Bahnhöfe für den Publikumsverkehr sperren, um die Nazis
in Sonderzügen sicher zu ihrem Aufmarschort zu transportieren.
Es gelang immer wieder, den Naziaufmarsch mit Transparenten und Sprechchören
zu stören und auch zahlreiche potentielle Nazimarschierer schon vor
der Demonstration wieder nach Hause zu schicken. Immer wieder hat sich
gezeigt, dass es trotz des massiven Polizeiaufgebots, Straßensperren,
Personalienkontrollen und Platzverweisen für AntifaschistInnen, für
die Polizei und die Neonazis nicht möglich war, eine ungestörte
"Demonstration" durchzuführen. Wir wollen an die Gegenaktivitäten
der letzten Jahre anknüpfen, antifaschistisch intervenieren und den
Nazis diesen Tag so unangenehm wie möglich machen.
Einigkeit bei NPD und
Kameradschaften
Seit am 1. Mai 1992 der Versuch einer Demonstration der inzwischen verbotenen
FAP im Steinhagel der antifaschistischen GegendemonstrantInnen nach wenigen
Augenblicken in Prenzlauer Berg aufgelöst wurde, hat die Neonaziszene
sich organisatorisch weiterentwickelt. Als Anfang der Neunziger mehrere
Neonaziorganisationen verboten wurden, traten viele Kader der NPD bei,
um dort eine neue Plattform für ihre politische Arbeit zu finden.
Die NPD versteht sich als Sammelbecken für diverse rechte Strömungen,
von radikal-gewaltverherrlichend bis zu
rechts-konservativ. Neben der erstarkten NPD bildeten sich neue Strukturen,
sogenannte "Freie Kameradschaften", um der staatlichen Überwachung
und Repression zu entgehen. Bei den "Freien Kameradschaften"
handelt es sichum Zusammenschlüsse von Neonazis, die nur teilweise
eine Satzung oder einen vereinsmäßigen Aufbau besitzen. Auch
wenn sie einer Partei angehören sollten, fühlen sie sich zunächst
dem Kampf für "Volk und Vaterland" verpflichtet, und die
Organisation spielt eine untergeordnete Rolle. Die freien Kameradschaften
sehen sich als gewaltbereite Nationalrevolutionäre; ihnen ist die
NPD zu hausbacken, zu systemkonform, zu legalistisch. Einige der radikalen
Kameradschaften wandten sich deshalb von der NPD ab. Mittlerweile wird
Einigkeit , wie auch dieses Jahr am 1. Mai, wieder vermehrt in den Vordergrund
gestellt. Um die "nationale Bewegung" nicht durch Spaltung zu
schwächen, werden strukturelle Widersprüche zurückgestellt.
Der 1. Mai muss links
bleiben!
Zum ersten Mal wurde am 1.Mai 1886 von Arbeiten in Chicago zur Durchsetzung
des Achtstundentages demonstriert. Traditionell demonstriert an diesem
Datum die internationale Arbeiterschaft, um für ihre Rechte zu kämpfen.
Ziel war und ist es, die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen
durch Reformen auf der einen Seite und der radikale Umsturz des Systems
für eine befreite Gesellschaft. Auch in Deutschland demonstrierten
am 1.Mai sozialdemokratische und kommunistische ArbeiterInnen für
ein besseres Leben. Unter der NSDAP wurde der "Kampftag der Arbeiterklasse"
zum "Tag der nationalen Arbeit" erklärt, um damit die Kämpfe
zwischen Arbeitern und Kapitalisten auszuräumen. Alle "Arier"
sollten am gemeinsamen "Aufbauwerk" Deutschland mithelfen. ArbeiterInnen-
Forderungen wie höhere Löhne, Sozialversicherungen,
und kürzere Arbeitszeit galten als Sabotage am gemeinsamen Ziel "Großdeutschland".
Die Konsequenz war das Verbot aller Gewerkschaften und die Organisierung
ihrer Mitglieder in der "Deutschen Arbeitsfront". Das Aufgreifen
von Traditionen der linken ArbeiterInnenbewegung, um sie in einen nationalsozialistischen
Diskurs einzubinden, ist historischer Bestandteil nationalsozialistischer
Politik. Dieses Erbe treten NPD und Kameradschaften an, wenn sie sich
heute linke Parolen und Traditionen zu eigen machen wollen. Trotz all
dieser Anlehnungen an linke Politik bleibt ihr Inhalt doch klar erkennbar.
Die Menschheit wird entlang von konstruierten Identitäten, wie Rasse,
Nation, Volk, Geschlecht und Kultur aufgespalten und bewertet.
Globalisierungskritische
Nazis...
"Volksgemeinschaft statt Globalisierungswahn". Das Motto des
diesjährigen Naziaufmarsches ist bezeichnend für die Versuche
der Nazis, ein nationalsozialistisches Gesellschaftsmodel mit aktuellen
Diskussionen der Linken zu verknüpfen. In der "Volksgemeinschaft"
wird eine Gesellschaft konstruiert, die mittels doppelter Ausgrenzung,
nach Außen und nach Innen, Homogenität herstellen soll. Die
Nazis sehen in der Globalisierung eine antisemitische Verschwörung,
die Deutschland der Macht ausländischer Firmen ausliefern will. Deutschlands
einzige Chance besteht nach Ansicht der NPD in der Abschottung der Grenzen
und wirtschaftlicher Unabhängigkeit.
Die globalisierungskritische Bewegung, die sich aus der internationalistischen
Bewegung der Linken entwickelt hat, erregt seit Seattle 1999 weltweites
Interesse. Auch die großen Demonstrationen in Prag, Göteborg,
Davos und Genua fanden ein weltweites Medienecho. Die linke globalisierungskritische
Bewegung richtet sich gegen die Liberalisierung unter kapitalistischen
Vorzeichen, bei gleichzeitig immer undurchlässiger werdenden Grenzen,
z.B. der Festung Europa, da sie zu mehr Ausbeutung und nicht zur sozialen
Gerechtigkeit führt. Kritik an der Globalisierung darf nicht darin
bestehen, den Nationalstaat zu stärken. Die Antwort der Nazis auf
die Globalisierung lautet, Abschottung des Nationalstaates.
Unsere
Antwort heißt, Globalisierung des Widerstandes gegen den Kapitalismus.
Alles für alle! Keine Freiräume für Nazis! Den Widerstand
raus auf die Straßen, kreativ und offensiv!
AntifaDemo: 10.30 Uhr U-Bhf. Strausberger
Platz (Berlin-Friedrichshain) Achtet auf aktuelle Ankündigungen:
www.mai-berlin.de.vu
Globale Solidarität statt deutscher Volkswahn!
Nazis als schwarzer Block, Nazis auf Friedensdemos,
Nazis mit globalisierungskritischen Phrasen: In letzter Zeit bedienen
sich Nazis verstärkt linker Symbolik und Rhetorik. Auch bei ihrem
Aufruf zum 1. Mai 2004 Volksgemeinschaft statt Globalisierungswahn
versuchen sie ihren Rassismus und Antisemitismus mit einem sozialkritischen
Anstrich zu versehen. Unter dem antiglobalisierten Schafspelz stecken
jedoch noch immer fremdenfeindliche, patriarchale und antisemitische Nazis.
Selbst der Schafspelz entpuppt sich bei genauer Betrachtung als wölfisches
Dinner-Jacket: Nazis sind keine AntikapitalistInnen, sondern sie treiben
kapitalistische Prinzipien wie Leistungsideologie, Herrschaft der Menschen
über Menschen und kollektiven Egoismus auf die Spitze und verbinden
sie mit ihren rassistischen und sexistischen Denkbildern. Hier soll gezeigt
werden, wie eine herrschaftsfreie, antikapitalistische Globalisierungskritik
sich von nationalsozialistischem Mosern über die Globalisierung unterscheidet:
1. Weltweiter Widerstand
statt völkischer Deutschwahn!
Die Kritik der Nazis an der Globalisierung ist Ausdruck der Angst, dass
ihr schönes Deutschland sich auflöst und dass evtl. Deutsche
bald vielleicht sogar indische Literatur lesen statt Goethe. Damit stehen
die Nazis nicht allein: Auf der einen Seite Brandanschläge, auf der
anderen Abschiebeknäste und geschlossene Grenzen. Das Prinzip Nation
ist der Baseballschläger der anständigen Leute.
Die linke Kritik an der Globalisierung richtet sich dagegen, dass sie
die Menschen weltweit ärmer und unfreier macht: Das mobile Kapital
kann sich unmobile ArbeiterInnen unter unmenschlichen Lohn- und Arbeitsbedingungen
weltweit aussuchen. Die Drohung mit dieser Option führte bereits
dazu, dass sich die Wirtschafts- und Finanzpolitik in den 90`er Jahren
zunehmend als neoliberaler Dienstleister für Unternehmen verstand:
die Gewinne wurden nach oben und die Löhne wurden nach unten getrieben.
Dieses Prinzip führt auch international zu einer antisozialen Abwärtsspirale,
bei der Menschen als Standortfaktoren gegeneinander ausgespielt werden.
2. Alles für Alle
statt Arbeit für Deutsche!
Nazis sind gläubige Jünger eines riefenstählernen Arbeiterideals
das Arbeit zum Maß aller Dinge erhebt. Die Vergötterung des
schweißglänzenden, kraftvollen Arbeitermannes ist körpernormbildend
und trägt zur Geschlechterhierarchie bei. Der Mythos Arbeit muss
entzaubert werden. Ausbeuterische Lohnarbeit sollte kein erstrebenswertes
Gut sein. Wir müssen den Zwang zur fremdbestimmten Lohnarbeit bekämpfen
und nicht alle Menschen in Lohnarbeit hineinzwängen. Alles für
alle und zwar umsonst! Wenn der Kapitalismus an dieser Stelle sparen will,
sollten wir seine Abschaffung ernsthaft in Erwägung ziehen!
3. Den Kapitalismus als
Herrschaftsform beenden statt seine Führungsschicht zu verdeutschen!
Die Nazis wollen den Kapitalismus irgendwie deutscher machen und dort
sozialistische Elemente einbauen, wo er sich nicht nach dem
Prinzip der Volksgemeinschaft richtet. Sie wollen einen Kapitalismus,
der rassistischer ist. So soll das deutsche Wesen am Elend der Welt genesen.
Linke wollen den Kapitalismus deshalb bekämpfen, weil er nach Prinzipien
der Ausbeutung funktioniert. Einfach nur mehr Wohlstand für Deutschland
fordern, ist keine Politik, sondern kollektiver Egoismus. Wir wollen keine
Welt, in der wir zu NutznießerInnen oder Opfer kapitalistischer,
sexistischer oder rassistischer Herrschaftsformen gemacht werden!
4. Analyse des Kapitalismus
statt antisemitischer Sündenbockjagd!
Die Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Wertschöpfung
(z.B. Verwertungsorientierung- und Gewinnmaximierung) werden von der Nazis
individualisiert. Verschwörungstheorien oder Antisemitismus werden
angeboten, da ja irgendwer Schuld sein muss, wenn alles so schlimm ist.
Die kapitalistische Globalisierung ist kein Plan irgendwelcher finsteren
Individuen, sondern eine Folge der technischen und politischen Entwicklungen.
Kapital will sich nicht unter möglichst sozialen Bedingungen innerhalb
nationaler Grenzen vermehren. Sozial gerecht geführte Unternehmen
gehen ein in einer falschen Welt. Auch wenn AkteurInnen persönliche
Verantwortung haben, die Anknüpfungspunkt für sozialen Widerstand
sein kann: kapitalistische Wirtschaft ist keine Erfindung der CIA oder
einiger Wirtschaftsbosse. Eher umgekehrt.
5. Politik für und
mit Personen statt Soße sein in der braunen Volksmasse!
Bei den Nazis gilt der Einzelne erst etwas, wenn er sich in die nationale
Volksgemeinschaft eingliedert, wenn er etwas für sein
Land tut, wenn er nützlich und verwertbar ist. Dieses kapitalistische
Grundprinzip der Selektion führt zu der Aufteilung in wertvolles
und wertloses Leben. Das ist das Prinzip der Rampe in Auschwitz. Die Frage
ist nicht, was ihr für euer Land tun könnt, die
Frage ist eher, was euer Land anderen antut. Menschenrechte
stehen allen Menschen zu, ohne dass sie sich erst dafür qualifizieren
müssen! Die Emanzipation der Menschen setzt bei den Bedürfnissen
der einzelnen Menschen an, auch wenn diese manchmal seltsam sind.
Auswertung
Der
Aufmarsch von NPD und "freien Kameradschaften" am 1. Mai 2004
in Berlin musste nach einigen hundert Metern abgebrochen werden. Mehrere
tausend AntifaschistInnen hatten die Route blockiert und Barikaden errichtet.
Der Beginn des Nazi-Aufmarsch war zuvor etwa fünf Stunden ganz verhindert
worden. Am Vormittag demonstrierten über 5000 AntifaschistInnen gegen
den Nazi-Aufmarsch und versuchten zum Treffpunkt der Faschisten am Bahnhof
Berlin-Lichtenberg vorzudringen. Alles was mensch zum Naziaufmarsch
am 1. Mai 2004 wissen muss: www.mai-berlin.de.vu
Bilder:
1. adf-berlin
2. Umbruch-bildarchiv
3. KanalB
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REPRESSION
Am 1. Mai 2004 wurden im Gegensatz zu den
Vorjahren um die Hälfte weniger Straftaten im Zuge der Antifa-Proteste
gegen den Naziaufmarsch in Lichtenberg/Friedrichshain und den Revolutionären
Mai-Demonstrationen in Kreuzberg verübt. Gleichzeitig stieg die Zahl
der Verhaftungen um das Doppelte und die Zahl der ausgesprochenen Haftbefehle
verdreifachte sich sogar gegenüber dem 1. Mai 2003. Mindestens 70
Personen blieben zunächst in der Haftanstalt Moabit-Berlin. Zur Zeit
(Juli2004) sitzen immer noch 38 Personen, die nun auf ihre Prozesse warten.
Bei der Verhängung von Untersuchungshaft ist die Schwere der vorgeworfenen
Straftaten und sonstige Begleitumstände in diesem Jahr scheinbar
völlig unrelevant. Dieser verstärkten staatlichen Repression
muss die Linke ihre Solidarität mit den Inhaftierten entgegensetzen!
Am 1. Mai 2004 wollten 3000 Alt- und Neonazis
jeglicher Couleur von Lichtenberg aus durch Friedrichshain marschieren.
Ihre rassistische Forderung "Volksgemeinschaft statt Globalisierungswahn"
mit positivem Bezug zum Nationalsozialismus und offenem Antisemitismus
musste kein Friedrichshainer an diesem Tag ertragen. Der Aufmarsch wurde
nach langem Hin und Her von der Polizei aufgrund der starken Gegenproteste
aufgelöst und nach nur einem Kilometer Wegstrecke zurück zum
Bahnhof Lichtenberg geleitet.
Die antifaschistischen Proteste in Lichtenberg und später dann in
Friedrichshain waren nur möglich durch die Zusammenarbeit von vielen
tausend Menschen, welche die Lichtenberger- Brücke und die Frankfurter
Allee blockiert hielten. Obwohl die Polizei noch am frühen Nachmittag
verlautbaren ließ den Nazi-Aufmarsch gegen jeden Widerstand durchzuprügeln,
musste zwei Stunden später, als ein paar Barrikaden in Friedrichshain
brannten, und Leute auf den Dächern Steindepots anlegten doch eingerückt
werden und die 3000 Nazis unter Polizeischutz nach hause fahren.
Vier Personen, die bei diesen Protesten von der Polizei festgenommen wurden,
saßen noch mehrere Monate danach wegen Landfriedensbruch in Untersuchungshaft.
Landfriedensbruch, ein Vergehen welches in seiner juristischen Handhabe
eher einem Bungeejumping-Seil entspricht als einer Straftat im herkömmlichen
Sinne, beschreibt in diesem Fall das vermeintlich undemokratische Handeln,
von Menschenansammlungen, die sich mit allen nötigen Mitteln gegen
die Durchsetzung des Naziaufmarsches gewehrt haben.
Wenn Demokratie bzw. der Frieden des Pluralismus nur dann funktioniert
wenn auch bekennende Nationalsozialisten offen ihre autoritären und
menschenfeindlichen Meinungen propagieren können, dann sollte dieser
Pseudo-Frieden öfters als nur am 1. Mai gebrochen werden!
Deshalb: Unterstützt
die Gefangenen, spendet Geld und engagiert euch gegen Repression! Spendenkonto:
Rote Hilfe Berlin | KtoNr. 7189590600 | BLZ 100 200 00 | Stichwort: 1.Mai
04
Freiheit
für die Gefangenen des 1. Mai! Freiheit für alle politischen
und sozialen Gefangenen! Widerstand lässt sich nicht verbieten!
Drei Jahre Haft für Barrikadenbau:
Am 3. und 16. Dezember fand im Amtsgericht Tiergarten der Prozess gegen
einen Antifaschisten wegen Landfriedensbruch und versuchter Brandstiftung
statt. Er hatte am 1. Mai 2004 das Vordringen des Naziaufmarsches von
Lichtenberg nach Friedrichshain, durch gezielten Barrikadenbau und Umkippen
eines Mercedes A-Klasse verhindert und dafür knapp sechs Monate in
Untersuchungshaft gesessen.
Bericht zum Prozess am 03.12.04: http://de.indymedia.org/2004/12/100676.shtml
Bericht vom 16.12.04: http://de.indymedia.org/2004/12/101767.shtml
Prozesserklärung Christian
S. vom 03.12.2004 | Vorwurf: schwerer Landfriedensbruch und Brandstiftung
am 1. Mai 2004 Berlin
Bevor ich auf den eigentlichen
Tatvorwurf zu sprechen komme, muss ich etwas weiter ausholen und den Hintergrund
des NPD Aufmarsches am 1.Mai 2004 beleuchten und meine Motivation beschreiben.
Den ersten Kontakt mit Rechtsextremisten hatte ich 1982 im Dortmunder
Westfalenstadion, wo ich bis dahin regelmäßiger Besucher von
Fußballspielen war. Es tauchten dann immer öfter Leute auf,
die sich als "Borussenfront" bezeichneten und die gezielt Ausländer
angriffen, aber in alkoholisiertem Zustand auch alle anderen Menschen
belästigten. Nachdem ich im Stadion mit Flaschen und Fahnenstangen
angegriffen wurde, bin ich nicht mehr hingegangen.
Der Anführer der "Borussenfront" war der als SS-Siggi bekannte
Siegfried Borchardt. Die "Borussenfront" übernahm auch
den Saalschutz für NPD Veranstaltungen. Nachdem ein Landesverband
der später verbotenen FAP gegründet wurde, traten die Mitglieder
der "Borussenfront" in die FAP ein. Dortmund und Umgebung war
in den 80er Jahren eine Hochburg der FAP, weshalb dann auch 1985 die Bundesgeschäftsstelle
hier eingerichtet wurde. Bereits zuvor hatten "Borussenfront"
und FAP-Leute bei NPD Veranstaltungen Punks und Gegendemonstranten angegriffen
und schwer verletzt z. B. am 28.3.84 in Wiehl und am 1.9.84 in Bonn. Ab
1985 verstärkten FAP Mitglieder in Dortmund und den Nachbarstädten
ihre Angriffe auf missliebige Personen. Ihr Chef, Siegfried Borchard,
wurde am 5.4.85 nach einem Überfall auf Ausländer festgenommen.
Diese Leute haben es bei ihren Aktionen
auch in Kauf genommen, dass ihre Opfer ums Leben kommen: eine Freundin
von mir wurde dabei niedergestochen.
Als ich 1997 nach einer Haftentlassung nach Berlin kam, wurde mir von
der Freien Hilfe eine Wohnung vermittelt. Die Sozialarbeiter haben mich
aber gewarnt. Weil die Wohnung in Marzahn lag, sollte ich nachts öffentliche
Verkehrsmittel meiden, wo Skinheads Stress machen. Tatsächlich habe
ich in der Folgezeit ständig Leute kennen gelernt, die in den östlichen
Bezirken in der S-Bahn von Nazis zusammengeschlagen wurden. Einmal wurde
ich auch am Bahnhof Ostkreuz von besoffenen Nazis mit Bierdosen beworfen.
Wegen der ständigen Gewalttaten der
Rechten und ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit habe ich mich auch
für die Aufmärsche der NPD interessiert. Mit Großdemos
will die NPD nach innen ein stabilisierendes Gemeinschaftserlebnis schaffen
und ihre rechtsextreme Propaganda ungestört verbreiten. In den letzten
Jahren war es am 1. Mai immer zu mehreren, teilweise miteinander konkurrierenden
Nazidemos gekommen, weil NPD und Kameradschaften sich nicht auf ein gemeinsames
Konzept einigen konnten.
Das war in diesem Jahr anders. Bereits Monate vorher begann die Mobilisierung
von NPD und "Freien Kameradschaften" zu einer gemeinsamen Mai-Demo.
In den Aufrufen wurde die Gemeinsamkeit des nationalen Widerstandes beschworen,
es wurde die größte Nazi-Demo in Berlin seit 1945 angekündigt.
Für die Kameradschaften gehörte Thomas Wulff vom "Aktionsbüro
Norddeutschland" und Ralf Tegethoff von der "Kameradschaft Rhein
Sieg" zu den Aufrufern. Beide sind inzwischen im September in die
NPD eingetreten. Die NPD war durch eine Reihe von Austritten wegen Verbotsverfahren
und ideologischer Streitigkeiten geschwächt und hat deshalb einen
betont inhaltslosen Aufruf verfasst, der auch Neonazis die Teilnahme ermöglichte.
Der geplante Verlauf der Demoroute war nicht zufällig. Der Startpunkt
in Lichtenberg gilt als Hochburg der rechten Szene, während diese
Friedrichshain als feindliches Gebiet betrachten, was von Linken zu säubern
ist.
Die Versammlungsbehörde hatte in den Jahren 2000-2002 die Maidemos
der NPD nach Hohenschönhausen und Hellersdorf verlegt, unter anderem
weil auf diesen Demostrecken die Rechten kaum Menschen sehen würden,
die ihrem Feinbild entsprechen. Durch eine angenommene gleichgültige
oder zustimmende Haltung der Bevölkerung sollte den rechten Demonstranten
kein Grund zu Gewalttaten gegeben werden.
Als am 1. Mai 2000 die NPD durch Hellersdorf zog, standen trotzdem 3 Personen
mit einem Transparent gegen Rassismus neben der Aufmarschroute. Diese
wurden sofort von einer Gruppe Skinheads angegriffen und niedergetreten.
Die Täter waren in Begleitung von Oliver Schweigert, einem ehemaligen
FAP-Mitglied und Multifunktionär der Berliner Naziszene. Schweigert
ist auch häufig als Ordner bei NPD-Demos aufgefallen. 1999 wurde
anlässlich einer Hausdurchsuchung bei ihm eine Liste mit Namen, Adressen
und Fotos gefunden, die für Anti-Antifa-Aktionen erstellt wurde.
Auf diesen Feindlisten waren auch Namen von Staatsanwälten, Richtern
und Journalisten. Das BKA erklärte dazu: " Es liegen keine Erkenntnisse
vor, dass es in Zusammenhang mit derartigen Schriften bzw. Sammlungen
von Daten potentieller Gegner der rechtsextremistischen Szene zur Verübung
von schweren Straftaten gekommen ist. Die seit einigen Jahren immer wieder
erschienen Sammlungen
haben lediglich zu Straftaten auf lokaler Ebene zum Nachteil von Personen
des linken Spektrums geführt. "
In dem Aufruf der NPD heißt es zwar, dass ein Ordnungsdienst für
die Einhaltung der Auflagen sorgen werde, an anderer Stelle wird aber
klargestellt, dass auch gewaltbereite Teilnehmer willkommen sind. Zitat:
" Was für eine Angst müssen
die Verantwortlichen in Politik, Verwaltung und Polizeiführung haben,
wenn sie sich in ihrer Hilflosigkeit nicht anders als mit der Verfügung
kleinkarierter Auflagen zu helfen wissen? Wie verblendet müssen sie
sein, wenn sie glauben, den revolutionären Widerstand mit Bekleidungsvorschriften,
dem Verbot von Zahlen- und Buchstabenkombinationen oder Parolen brechen
zu können? Eines ist klar: Gegen uns Nationalisten müssen sie
andere Geschütze auffahren, um den Widerstand der revolutionären
Jugend brechen zu können."
Bei Thomas Wulff handelt es sich um ein
ehemaliges Mitglied der "FAP", später war er Chef der verbotenen
"Nationalen Liste".
Bei Ralf Tegethoff handelt es sich um den ehemaligen stellvertretenden
Landesvorsitzenden der "FAP" in Nordrhein-Westfalen. Er war
auch Mitglied der "Wiking Jugend". 1983 wurde er mit anderen
WJ-Mitgliedern bei Sprengversuchen mit einer Rohrbombe festgenommen. In
seiner Wohnung wurden Waffen gefunden.
1986 gab Tegethoff in Bonn den Befehl für ein Femegericht, in dessen
Verlauf ein FAP'ler von einem Kameraden erstochen wurde. Eine politische
Vorreiterrolle nahmen die Bonner FAP'ler in der Verbreitung der Anti-Antifa
Kampagne ein. Sie gingen im September 1992 als erste mit einer Anti-Antifa
Erklärung und dem damit verbundenen Outing von Antifas an die Öffentlichkeit.
1994 war er an Ausschreitungen anlässlich des Rudolf Hess Gedenkmarsches
vor der deutschen Botschaft in Luxemburg beteiligt.
Die Personen, die vor 20 Jahren als Straßenschläger
der FAP begonnen haben, sind also inzwischen die Kader, die die gewaltbereite
Naziszene zu Aufmärschen mobilisiert.
Bei diesem Aufruferkreis fühlten sich auch die "Kameradschaft
Tor" und die "Autonomen Nationalisten Berlin" angezogen.
Schon weit vor dem ersten Mai warben sie auf verschiedenen Internetseiten
für einen schwarzen Block auf der Demo.
Der Berliner Verfassungsschutz beurteilt
in einem Lagebericht diese Gruppen folgendermaßen:
" Nach Jahren der Stagnation trat die
Berliner Kameradschaftsszene 2003 erstmals wieder durch eigenständige
und öffentlichkeitswirksame Aktionen in Erscheinung. Neben Aktivitäten
der bereits bekannten "Kameradschaft Tor Berlin" und der "Autonomen
Nationalisten Berlin "(ANB) konnten ambitionierte Neugründungen
beobachtet werden: Hierbei handelt es sich um die "Berliner Alternative
Süd-Ost" (BASO) und die " Kameradschaft Reinickendorf".
Die " Berliner Alternative Süd-Ost" hat ihren Aktionsschwerpunkt
im Bezirk Treptow-Köpenick. Treibende Kraft der "Berliner Alternative
Süd-Ost" dürfte der ehemalige NPD-Vorsitzende des Kreisverbandes
Treptow-Köpenick, Rene Bethage, sein, der bereits in der Vergangenheit
als Anmelder von Demonstrationen und durch seine Kontakte zum aktionsorientierten
Rechtsextremismus in Erscheinung getreten ist.
Der Versuch der BASO, ihre Themen durch provokantes Auftreten in die Öffentlichkeit
zu tragen, zeigt sich auch in der Anmeldung einer rechtsextremistischen
Demonstration in Rudow für Samstag, den 6. Dezember 2003. Bei der
Versammlung gab BETHAGE 500 als zu erwartende Teilnehmer an. Als Veranstaltungsthema
benannte BETHAGE: " Freiräume schaffen- Jugendzentrum für
Deutsche erkämpfen ". Die Demonstration könnte der Auftakt
einer langfristig geplanten Kampagne sein. Wie die " Kameradschaft
Tor" auf ihrer Hompage verkündet, hat sie bereits am 19. Oktober
2003 im brandenburgischen Schönfließ gemeinsam mit der BASO
eine symbolische Hausbesetzung durchgeführt.
Im Gegensatz zum Vorjahr ist bei den Gewaltstraftaten eine deutliche Verschiebung
der geografischen Schwerpunkte festzustellen. Wurden 2002 ca. 30 Prozent
der Gewaltstraftaten in Marzahn/Hellersdorf begangen, so waren dies im
ersten Halbjahr 2003 nur noch ca. 9 Prozent. Am stärksten sind jetzt
die Bezirke Treptow-Köpenick, Pankow und Neukölln betroffen.
Allein ca. 34 Prozent der Gewaltstraftaten entfallen auf Treptow-Köpenick
und Neukölln. Die Gewaltstraftaten in Neukölln wurden fast ausschließlich
von einer Personengruppe begangen, die mehrfach im Ortsteil Rudow in Erscheinung
getreten ist. Hervorzuheben ist ein schwerer Landfriedensbruch am 04.
April 2003, als diese am U-Bahnhof Rudow ausländische Jugendliche
angriff und eine Massenschlägerei entstand.
Ein Teil der Personengruppe, die in Rudow
in Erscheinung getreten ist, besitzt auch enge Beziehung nach Treptow-Köpenick
und war an dortigen Gewaltstraftaten beteiligt. Die geplante Demonstrationsroute
ist ein weiteres Anzeichen dafür, dass die BASO beabsichtigt, ihre
Aktivitäten nach Neukölln auszuweiten und das dortige Potenzial
von gewaltbereiten und ideologisch weniger gefestigten Jugendlichen an
sich zu binden. So ist es seit der Gründung der BASO im Berliner
Südosten vermehrt zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen
Rechts- und Linksextremisten gekommen, an denen auch Personen beteiligt
waren, die bereits durch Gewalttaten in Rudow in Erscheinung getreten
sind.
Neben den genannten Kameradschaften ist vor allem das 2002 von Berliner
Kameradschaftsaktivisten gegründete Projekt der "Autonomen Nationalisten
Berlin" (ANB) in Erscheinung getreten. Die ANB thematisierten im
Jahr 2003 vor allem den Kampf gegen die "Antifa" und propagierten
ein gewaltsames Vorgehen gegen politische Gegner. Nachdem die ANB bereits
im Jahr 2002 auf einem Transparent dazu aufforderten, örtliche "Anti-Antifa
"-Gruppen zu bilden und "zurückzuschlagen ", sind
sie im ersten Halbjahr 2003 dazu übergegangen, unverhohlen Drohungen
gegen namentlich genannte politische Gegner auszusprechen. Durch diese
Aktionen soll eine Drohkulisse aufgebaut werden, um Personen einzuschüchtern.
So wurde im Februar 2003 die Hauswand des Kinos " Kiste" in
Marzahn-Hellersdorf mit einem Hakenkreuz und der Parole " wir kriegen
dich! ANB" beschmiert. Mitte November 2003 ist die ANB erstmals dazu
übergegangen, konkret Gewalt gegen politische Gegner auszuüben:
Zwei Personen warfen einen Stein auf eine Person in einer Straßenbahn.
Der Geschädigte gab an, dass er in der Tat einen gezielten Angriff
gegen sich sehe, da er in der Vergangenheit Aufkleber der ANB entfernt
habe.
In der Gesamtentwicklung sind diese Neuentwicklungen in der Kameradschaftsszene
Berlins vor dem Hintergrund einer längeren Stagnationsphase zu sehen.
Sie sind bemerkenswert, da sich erstmals seit zwei Jahren wieder eine
Führungsszene herauszubilden scheint."
Dieser schwarze Block von rechts sollte
vermummt im NPD-Aufzug mitlaufen und unterwegs Linke oder andere unerwünschte
Personen angreifen.
Von militanten Nazis aus diesen Gruppen wird seit längerer Zeit eine
gewalttätige Eskalation in Friedrichshain verbreitet und propagiert.
Im für den 1. Mai geplanten Aufmarschgebiet kam es dabei zu folgenden
Aktionen:
Im Januar 2002 sprühten Mitglieder
der "Kameradschaft Tor" an der Route der Luxemburg-Liebknecht
Demonstration Hakenkreuze, wobei sie verhaftet wurden.
Im Januar 2003 tauchten Aufkleber der "Autonomen Nationalisten Berlin"
am U-Bahnhof Samariterstrasse auf. Darauf stand: "C4 for Reds",
was wohl ihre Vernichtungsphantasien gegen Linke ausdrücken soll.
Am U-Bahnhof Frankfurter Allee sprühten sie Hakenkreuze.
Am 12.11.2003 wurde ein Jugendlicher in der Straßenbahn von außen
mit einem Stein beworfen, weil er zuvor Aufkleber der "Autonomen
Nationalisten Berlin" entfernte.
Am 20.11.2003 wurden in der Frankfurter Allee, im Vorfeld der alljährlichen
Silvio Meier Demo, Aufkleber der "Autonomen Nationalisten Berlin"
verklebt, auf denen der Mord an dem Antifaschisten Silvio Meier auf dem
U-Bahnhof Samariterstrasse als gerechtfertigt und nachahmenswert dargestellt
wird.
Am 30.l.2004 hängten Mitglieder der "Kameradschaft Tor"
in Friedrichshain ein Transparent auf, mit dem sie Hitlers Machtergreifung
1933 glorifizierten. Die gleichen Personen trafen sich am 22.02.2004 vor
dem Krankenhaus Friedrichshain um den NS-Märtyrer Horst Wessel zu
ehren.
Von diesen Leuten und ihrem Umfeld, das
sie am 1. Mai motivieren wollten, gehen ständig Angriffe auf tatsächliche
oder vermeintliche Linke und Nicht-Deutsche aus.
Am 10.7.2003 wurden in der Pettenkofer Str. vier Vietnamesen von vier
Nazis mit Billiardqueus angegriffen und schwer verletzt. Einer der Nazis
hatte kurz zuvor eine Strafe wegen eines Tötungsdelikts abgesessen.
Am 12.07.2003 griff ein Nazi in der Frankfurter Allee einen türkischen
Imbiss mit Steinen an. Nach dem Internationalen Bierfestival auf der Frankfurter
Allee, Anfang August 2003, zogen 15 Nazis durch die Rigaer Strasse um
Linke zu jagen. Wie gefährlich es ist, wenn sich auf der Frankfurter
Allee Rechtsradikale in größeren Gruppen zusammenrotten können,
wie bei dem jährlichen Bierfestival, hat inzwischen auch die Polizei
erkannt. In der Berliner Zeitung vom 07.08.2004 sagt ein Polizeisprecher,
dass es in den vergangenen Jahren so viele Schlägereien und Landfriedensbrüche
der Rechten gegeben habe, dass die Beamten mit der Arbeit nicht nachgekommen
seien und ihre Kräfte nicht ausreichten.
Am 20.09.2003 wurde in der Jessener Str. ein Punk aus einem Auto heraus
von mehreren Nazis angegriffen und schwer verletzt.
Am 02.10.2003 wurde ein Jugendlicher auf dem S-Bahnhof Ostkreuz wegen
seines linken Aussehens angegriffen.
Am 03.10.2003 wurden aus dem gleichen Grund vier Jugendliche an der Ecke
Waldeyerstr./Frankfurter Allee von besoffenen Nazis angegriffen.
Am 18.10.2003 wurden zwei Afrikaner in der Tram in der Warschauer Str.
von vier Nazis geschlagen.
Am 31.10.2003 wurden zwei Linke an der Ecke Eberty-/Straßmannstr.
aus Autos heraus von mehreren Nazis angegriffen und verletzt.
Am 11.11.2003 wurde ein Punk in der Nähe der U-Bahn Weberwiese von
Nazis mit einem Messer verletzt.
Am 11.12.2003 fuhren Nazis in der Revalerstraße mit ihrem Auto einen
Fahrradfahrer um, den sie für einen Antifa hielten.
Aus dem gleichen Grund wurde am 19.12.2003 ein Radfahrer am Frankfurter
Tor von Nazis angegriffen.
Am 28.12.2003 wurden am Rudolphplatz mehrere Linke angepöbelt und
bedroht. Am gleichen Tag wurde jemand in seinem Wohnhaus von vermummten
Nazis zusammengeschlagen. Sie hatten ihn beim Verlassen einer linken Kneipe
verfolgt.
Am 06.02.2004 verprügelten vier Nazis zwei Jugendliche, die sie für
Linke hielten, am Frankfurter Tor.
Am 14.02.2004 griff eine Gruppe von 25 Nazis, die von einer Nazidemo in
Dresden kamen, im Ostbahnhof mehrere Antifaschisten an.
Am 01.04.2004 pöbelten 8 Nazis mit "KS-Tor T-Shirts" Passanten
in der Frankfurter Allee an.
Am 6.4.2004 griff ein Nazi in der Rigaer Str. einen Punk an.
Am 18.4.2004 wurde der Nazi Eckard Bräuninger aus Friedrichshain
zusammen mit anderen bei einer Wehrsportübung in Brandenburg festgenommen.
Der Bezirk Friedrichshain ist für militante
Nazis besonders wichtig geworden, weil sich hier seit dem Mauerfall die
sonst in östlichen Bezirken vorherrschende rechte Jugendkultur nicht
durchsetzen konnte. Obwohl hier viele rechte Aktivisten leben, wurde diese
Gegend zu einem Synonym für Hausbesetzung und einen relativ hohen
Anteil nicht deutscher Wohnbevölkerung. Viele Nazis wähnen sich
deshalb in einer Situation, ähnlich der Endphase der Weimarer Republik,
nur dass sie jetzt keine jüdischen Geschäfte angreifen, sondern
Döner-Imbisse oder vietnamesische Zigarettenhändler. Statt des
damaligen Straßenkampfes gegen die KPD greifen sie inzwischen alles
an, was nicht der rechten Subkultur entspricht. Mit der Verehrung für
Horst Wessel zeigen sie den historischen Hintergrund für ihr Handeln
auf.
Am 06.04.2004 griffen 3 Mitglieder der BASO
in Köpenick einen vietnamesischen Imbissbetreiber an und verletzten
in schwer. Der Haupttäter, Markus Loszinski, kam nach zwei Wochen
U-Haft wieder frei und konnte deshalb am 01. Mai wieder zur Nazidemo antreten.
Eine weitere Gruppierung dieser Art sind
die "Vereinten Nationalisten Nordost" (VNN). Die "VNN"
führten am 01. Mai ein eigenes Transparent mit. Sie ist eine Sammlungsorganisation
von NPD-Mitgliedern und sogenannten Freien Nationalisten. Die Funktion
der "BASO" in Treptow-Köpenick und Rudow übernimmt
die "VNN" in Pankow, wo sie ganze Straßenzüge mit
Aufklebern wie: "National Befreite Zone", "Deutsche kauft
bei Deutschen", "Pankow bleibt deutsch" oder "Kurt
Lade-Club dichtmachen - kein Geld für Asoziale und Linksradikale"
beklebt.
In der Nacht vom 01. zum 02.07.04 verklebten "VNN"-Anhänger
diese Aufkleber in Niederschönhausen und legten sich auf die Lauer.
Als zwei Antifas die Aufkleber entfernen wollten, schlugen die Nazis mit
Teleskopschlagstöcken auf sie ein.
Dieser Personenkreis hatte vorher zweimal auf Kameradschaftsdemos einen
schwarzen Block organisiert. Sowohl am 06.12.03 in Rudow als auch am 10.01.04
in Lichtenberg wäre das fast gescheitert, weil die Polizei sie für
Linke hielt und zunächst nicht durchlassen wollte. Nach einer Aktion
gegen das Holocaustmahnmal äußerte sich am 14.07.04 ein Staatsschützer
in der Morgenpost zu diesen Leuten. Von der Kleidung her, Kapuzen und
Jeans, hätten sie eher Angehörigen der linksautonomen Szene
geähnelt. Diese Form der Tarnung würde in letzter Zeit häufiger
registriert.
"Die Leute wollen so lange wie möglich unerkannt bleiben. Das
gibt ihnen bei ihren Aktionen die Möglichkeit, sich zu größeren
Gruppen zu sammeln ohne sofort die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich
zu ziehen.", sagte ein Staatsschützer.
Der Anmelder der Nazidemo vom 06.12.03, Rene BETHAGE, versuchte am 09.12.03
mit etwa 20 Mitgliedern verschiedenster rechtsextremer Gruppierungen,
den alternativen Jugendclub "Lade" in Pankow zu überfallen.
Nach der Demo vom 10.01.04, bei der zur Solidarität mit der als kriminelle
Vereinigung verbotenen Naziband "Landser" aufgerufen wurde,
griffen 20 BASO-Leute am S-Bahnhof Baumschulenweg drei Punks an und verletzten
sie schwer.
Am Abend des 1. Mai 2004 versuchten betrunkene Teilnehmer der beendeten
Nazi-Demo am Markgrafendamm in Friedrichshain ein Veranstaltungs- und
Werkstattgelände anzugreifen, weil sie dort Linke vermuteten.
Auch das Potential, das nicht von den Kameradschaften, sondern von der
NPD mobilisiert wird, hatte sich kurz zuvor als gefährlich erwiesen.
Bei einer Demonstration von 40 NPD-Anhängern am 13.03.2004 im niedersächsischen
Rotenburg schlug einer von diesen seine hölzerne Plakatstange einem
Jugendlichen mit voller Wucht an den Kopf, so dass dieser schwer verletzt
wurde. Der Schläger marschierte auch am 1. Mai in Berlin wieder mit
der NPD auf. Der NPD-Stützpunkt in Verden/Rotenburg, zu dem er gehört,
ist extrem gewalttätig.
Am 21.4.2004 überfielen diese Leute mit 30 Mann eine GEW Veranstaltung
in Verden, wobei sie von Nazis aus Berlin unterstützt wurden. Dabei
wurden einige Nazis festgenommen, was sie aber nicht daran hinderte, einige
Tage später in Berlin zu "demonstrieren".
Einer der Demonstranten am 1. Mai war der Materialwart der NPD, Andre
Harnisch. Weil er an diesem Tag nicht mehr dazu kam, seine Flugblätter
in Friedrichshain zu verteilen, tat er das am 31.07.04 in Prenzlauer Berg
an einem von "KS-Tor" und "BASO" beschützten
Infostand. Als ein Passant das ihm überreichte Flugblatt wieder wegwarf,
stürzte Andre Harnisch sich auf in und würgte ihn. Von der anwesenden
Polizei ließ er sich nicht abhalten.
Was mir außerdem noch bedrohlich erschien
war das terroristische Potential, dass bei den
vorherigen Mai-Demos der NPD mobilisiert wurde und teilweise als Redner
auftrat. Das war z. B. Manfred Roeder, der 1983 als Rädelsführer
der "Deutschen Aktionsgruppen" für Sprengstoffanschläge
zu 13 Jahren Haft verurteilt wurde. Bei einem Anschlag auf ein Asylbewerberheim
in Hamburg kamen 1980 zwei Vietnamesen ums Leben.
Oder Peter Naumann, der 1988 wegen versuchter
Gründung einer terroristischen Vereinigung und Bombenanschlägen
zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt wurde. Oder Manfred Börm, der
als Funktionär der Wiking-Jugend 1979 für den Überfall
auf ein Munitionsdepot der Bundeswehr verurteilt wurde.
Der NPD-Kreisvorsitzende von Greifswald,
Maik Spiegelmacher, wurde wegen Anstiftung zum Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim,
versuchtem Mord an einem marokkanischen Studenten mittels Baseballschläger
und mehrfach wegen Körperverletzung verurteilt.
Weitere Teilnehmer in den Vorjahren waren Martin Wiese und Christoph Schulte.
Anlässlich einer Geburtstagsfeier von Wiese im Januar 2001 in München
griff eine Gruppe Nazis einen Griechen an und schlug in fast tot. Als
Haupttäter wurde Christoph Schulte festgenommen. Martin Wiese soll
als Anführer der "Kameradschaft Süd" ein Sprengstoffattentat
auf die Grundsteinlegung des Jüdischen Kulturzentrums in München
im November vorbereitet haben.
Ebenfalls von der NPD immer gern eingebunden
sind die Mitglieder der Band "Landser". Diese wurden als kriminelle
Vereinigung verurteilt, weil sie auf ihren CD's zum Mord an Ausländer
und politischen Gegnern aufrufen.
Die Mischung der hier beschriebenen Gruppen
und Einzelpersonen, die in dieser Konstellation und Masse bislang noch
nicht aufgetreten war, erschien mir als Zeitbombe. Der Berliner Verfassungsschutz
schreibt in seinem Bericht für 2003 zu den rechten Gewalttaten dieses
Jahres:
" Gegenüber dem Jahr 2002 ist eine deutliche Steigerung der
Fallzahlen politisch motivierter Gewaltkriminalität zu verzeichnen.
Den Schwerpunkt machten dabei die Körperverletzungsdelikte aus."
Ich hielt deshalb schon im Vorfeld des 1.
Mai die Tatsache, dass Tausende gewaltbereiter Faschisten aus ihrer Hochburg
Lichtenberg in den Bezirk marschieren wollen, den sie seit längerem
mit einer militanten Kampagne überziehen, für eine Gefährdung
der Menschen, die traditionell im Fadenkreuz der Nazis stehen, also besonders
Nicht-Deutsche, Linke und soziale Randgruppen.
Es erschien mir ausgeschlossen, dass es dabei nicht zu Körperverletzungen
und anderen Taten kommen würde. Dabei hatte ich aber die Hoffnung,
dass der Aufmarsch nicht in dieser Form zugelassen würde, weil der
Polizeipräsident von Bochum kurz vorher eine ähnliche Demonstration
verboten hatte. Seine Begründung dafür war, die öffentliche
Ordnung sei unmittelbar und erheblich gefährdet, die rechtsextreme
Partei mache deutlich, dass sie "dem Brandschatzen der Synagogen
als Auftakt einer bürokratisch organisierten und mitleidlos durchgeführten
fabrikmäßigen Massenvernichtung von Juden in ganz Europa auch
heute noch im nationalsozialistischen Sinne historischen Bestand verliehen
wissen will: " es solle ein öffentliches und unverhohlenes Bekenntnis
zur Zerstörung der Synagogen und zum Holocaust abgelegt werden. "
Mir erschien es auch unwahrscheinlich, dass
die Polizei die Kontrolle über die rechten Demonstranten behalten
würde. Ihr Auftrag lautete, den NPD-Aufzug zu schützen und erfahrungsgemäß
hatte die Polizei dabei in der Vergangenheit die Taktik Übergriffe
der Nazis bei der An- und Abfahrt oder am Rande der Demo kaum wahr zu
nehmen und zu verfolgen. Das zeigte sich auch am 25.08.04 wieder, als
sich ca. 70 Angehörige der NPD und der Kameradschaftsszene vor der
britischen Botschaft zu einer Kundgebung für Rudolf Hess trafen.
Laut Polizeibericht kam es dabei zu Verstößen gegen die Auflagen.
Nach dem Ende der Kundgebung zogen die Rechtsextremisten völlig überraschend
und unbemerkt von der Polizei mit wehenden Fahnen durch das Brandenburger
Tor. Nachdem es am 29. Januar 2000 schon mal zu einem international beachteten
Durchmarsch gekommen war, sollte das unter allen Umständen verhindert
werden. Trotzdem hatte die Polizei an einem der am besten bewachten Orte
der Stadt die Kontrolle über einen Nazi-Aufzug verloren.
Außerdem ging ich davon aus, dass bei vielen Demonstranten keine
Hemmschwelle mehr vorhanden ist, die sie von Gewalttaten abhalten könnte.
Die ständigen Angriffe auf Ausländer oder Obdachlose werden
in dem Bewusstsein begangen, die vermeintliche Mehrheit der Bevölkerung
würde das gutheißen. Die Berichterstattung in den Medien über
Asylmissbrauch, Ausländerkriminalität oder Sozialschmarotzer
wird von Menschen mit rechtem Weltbild als Handlungsanweisung verstanden.
Schlagzeilen der Bildzeitung, wie z. B. : "Die Deutschen sind weder
ausländerfeindlich noch Rechtsextremisten. Aber wenn der ungehemmte
Zustrom der Asylanten weiter wächst, wird auch die Gewalt gegen sie
zunehmen." Oder: "Fast jede Minute ein neuer Asylant - Die Flut
steigt, wann sinkt das Boot?!" legitimieren das Handeln gewaltbereiter
Nazis genauso, wie im Februar 1999 der damalige Bürgermeister von
Spremberg, Klaus Wochatz, der nach dem Tod eines Algeriers bei einer Hetzjagd
in Guben verlauten ließ, dieser wäre selber schuld, weil er
nachts nichts auf der Straße zu suchen habe. Es hat sich auch gezeigt,
dass die rechte Gewalt, wenn sie durch eine spektakuläre Berichterstattung
zu einem Schlüsselereignis wird, wie z. B. in Hoyerswerda, weitere
Gewalttaten nach sich zieht. Das war am 01. Mai vielleicht nicht das Ziel
der NPD-Funktionäre, aber bestimmt das der organisierten Kameradschaftsszene.
Am 1. Mai ging ich davon aus, dass eine
größere Menschenmenge die geplante Wegstrecke der NPD-Demo
blockieren würde und dass die Polizei dann, um Konfrontationen zu
vermeiden, den Aufmarsch nur durch einige Straßen Lichtenbergs führen
würde. Weil bekannt ist, dass die Nazis ihre Gegner fotografieren,
hatte ich Halstuch und Mütze dabei, um nicht so einfach auf einer
ihrer Listen zu landen. Die relativ auffällige Jacke hatte ich dabei,
weil ich nicht von Ausschreitungen ausging.
Ich hatte gehört, dass die Antifa-Demo
am Boxhagener Platz aufgelöst wurde und bin deshalb um 14 Uhr zu
der Brücke am Bahnhof Lichtenberg gegangen. Von da war die vordere
Hälfte der Nazi-Demo, die vor dem Bahnhof stand, zu überblicken.
Einige Teilnehmer trugen ein Plakat mit dem Titel "Gute Heimreise"
und das Foto einer augenscheinlich ausländischen Familie, die mit
Taschen bepackt ist und nur noch von hinten zu sehen ist. Dieses Plakatmotiv
wurde von der NPD im Europawahlkampf eingesetzt. Die Staatsanwaltschaft
in Bremen hatte alle diese Plakate wegen Volksverhetzung beschlagnahmen
lassen.
Vom Lautsprecherwagen der NPD-Demo kam die
Durchsage, die Polizei würde zusammen mit dem linken Pöbel den
Weg versperren. Nach Angaben einer Polizeisprecherin verzögerte sich
der Demo-Start jedoch bis 16 Uhr, weil der Anmelder auf das Eintreffen
weiterer Busse mit Teilnehmern wartete. Die ersten Reihen der Nazis versuchten
daraufhin, die relativ dünne Polizeikette zu durchbrechen. Die Polizei
schlug halbherzig zurück.
Um zu sehen, aus welchen Gruppen sich die Nazi-Demo zusammensetzt und
ob bekannte Gesichter dabei sind, bin ich von der Brücke die Treppe
runtergegangen. Zwischen der Treppe und den Nazis standen ca. 50 Leute.
An dieser Stelle habe ich eine Freundin
getroffen. Als wir uns einige Tage zuvor über den bevorstehenden
Aufmarsch unterhalten hatten, hatte sie mir erzählt, was mit ihren
Angehörigen aufgrund ihres jüdischen Glaubens im 3. Reich passiert
ist. Jetzt war sie von diesem Aufmarsch schockiert. Ich hatte ein schlechtes
Gewissen, weil sie alsausländische Studentin diesen Eindruck von
Berlin bekommt.
Während wir uns unterhielten, wurden aus der Nazi-Demo Flaschen in
unsere Richtung geworfen und einige total besoffene Nazis wollten uns
angreifen.
Dieser Angriff löste bei mir Wut aus. Ich dachte, wenn diese aggressive
Menge nach Friedrichshain gelangt, sind alle bedroht, die keine Nazis
sind.
Um mich bei einem Angriff besser verteidigen zu können, ließ
ich mir von einem Bekannten Handschuhe geben. Der Polizeipräsident
kündigte später wegen der Angriffe der Rechten auf Polizeibeamte
an, in Zukunft ein Verbot von Demos dieser Gruppen zu überprüfen.
Wir sind dann wieder auf die Brücke
rauf. Die Nazi-Demo kam dann auch im Wanderkessel. Ca. 100 Leute haben
versucht, friedlich die Strasse zu blockieren. Ca. 500 Leute standen unschlüssig
auf der Frankfurter Allee rum. Die Polizei trieb uns dann Richtung Alex,
die Menge war, soweit ich das sehen konnte, friedlich.
Die Nazi-Demo zog immer weiter voran
Richtung Friedrichshain Die Demonstration war bis 18 Uhr angemeldet, das
heißt, wenn sie weiter gezogen wäre, wäre sie vermutlich
am Bersarinplatz beendet worden und die Teilnehmer hätten sich unkontrolliert
in großen Gruppen oder, in für die Polizei äußerlich
von Linken nicht zu unterscheidenden Kleingruppen, durch Friedrichshain
bewegt.
Um das weitere Vordringen der Nazis zu verhindern, hatten einige Leute
Mülltonnen auf die Frankfurter Allee geschoben. Einige Tonnen brannten
schon richtig, aus anderen stieg nur etwas Rauch auf. Um die Straße
zu blockieren, habe ich dann die Tonnen wie in der Anlageschrift beschrieben,
bewegt. Sie wären aber auch ohne mein Zutun von Flammen erfasst worden.
Das richtete sich auch nicht gegen die Polizei, die in diesem Moment reglos
verharrte, sondern nur gegen die Nazis. Die anderen Menschen auf der Straße
waren schon weiter in Richtung Alex zurückgewichen. Die Nazigegner
hatten sich überwiegend hinter die Einmündung der Waldeyerstraße
zurückgezogen. Vier Personen machten sich dann an dem Mercedes zu
schaffen, gemeinsam haben wir dann das Auto umgekippt und auf die Straße
geschoben.
Ich habe dann versucht, die Sachen, die im Auto lagen anzuzünden,
damit sich Rauch entwickelt. Der Wasserwerfer war bereits in Sichtweite,
so daß ich davon ausging, daß bis zur schnellen Löschung
das Auto jedenfalls nicht anfängt zu brennen. Damit sollte eine Barrikade
geschaffen werden, durch die das Vorrücken der Nazis gestoppt wird
und der Polizei ein Grund gegeben wird, den Aufmarsch zur Umkehr zu veranlassen.
Dazu habe ich ein Feuerzeug und Papiere, die zusammen mit anderen Sachen
vermutlich beim Umkippen aus dem Auto gefallen sind, genommen und habe
durch die zerstörte Heckscheibe in den Kofferraum geschaut. Da drin
lag ein Haufen Papiere durcheinander. Ich habe das Papier in den Kofferraum
gelegt, zwischen die Sachen, die durcheinander lagen, da kann auch Kleidung
dabei gewesen sein, und angezündet.
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