10.12.2011: Demo gegen Abschiebehaft
auf dem BBI und in Grünau
Demo zum Abschiebeknast Grünau 15 Uhr S-Bhf Spindlersfeld
Seit
1993 ist das Recht auf Asyl in Deutschland praktisch abgeschafft. Um 10.000
Abschiebungen pro Jahr sicherzustellen, wird massenhaft „polizeiliche
Abschiebehaft“ angeordnet. Neben dem Abschiebeknast Berlin-Grünau,
der 1994 eingerichtet wurde, soll nun im Transitbereich des neuen Flughafens
Berlin-Brandenburg-International (BBI) in Schönefeld eine weitere
Haftanstalt gebaut werden. Unsere Demonstration am 10. Dezember richtet
sich gegen das System der Abschiebehaft und gegen den Neubau auf dem BBI.
Wir wollen uns mit einer großen Kundgebung vor dem Abschiebegefängnis
Grünau mit den Inhaftierten solidarisieren.
:: Das System Abschiebehaft
::
In der Abschiebehaft werden Menschen eingesperrt, die keine Aufenthaltsgenehmigung
in Deutschland besitzen. Die Haftanträge der Ausländerbehörden
werden von den Amtsgerichten routiniert bestätigt – ein Recht
auf anwaltliche Unterstützung gibt es nicht. Die Haft kann auf bis
zu 18 Monate verlängert werden, wenn die Häftlinge den Behörden
nicht helfen ihre eigene Abschiebung zu befördern. Faktisch handelt
es sich bei der Abschiebehaft um eine Inhaftierung ohne Strafverfahren
– um Haft ohne Straftat.
Abschiebehaft ist die konsequente Fortführung des gesellschaftlichen
Ausschlusses von Migrant_innen und Flüchtlingen. Durch rassistische
Sondergesetze werden Beschränkungen in allen Lebensbereichen auferlegt:
Ein undurchsichtiges Netz von Gesetzen und Länderverordnungen, die
durch Willkür und Entrechtung Migrant_innen abschrecken und ihren
Zuzug verhindern sollen. Nach den Pogromen gegen Flüchtlingsunterkünfte
vor 20 Jahren wurde dem Standortnationalismus mit der Grundgesetzänderung
1993 (dem sog. Asylkompromiss) in Richtung „Bedarfsorientierte Zuwanderung“
Rechnung getragen. Nicht mehr das Recht auf Asyl, sondern die Verwertbarkeit
für die deutsche Wirtschaft steht im Vordergrund. Durch die EU-Osterweiterung,
eine damit einhergehende europäisierte Abschottungspolitik und die
sog. „Drittstaatenregelung“ wird es für Flüchtlinge
immer schwieriger, die Bundesrepublik zu erreichen. So konnten letztes
Jahr mit 41.332 Asylanträgen gerade einmal ein Zehntel derer von
1992 gestellt werden.
:: Berlin und Brandenburg
bauen einen neuen Abschiebeknast ::
Großbaustelle Flughafen BBI: Was für viele das neue Tor in
den Urlaub ist, soll für andere zum exterritorialen Endpunkt ihrer
Flucht werden. Denn wie erst im Oktober bekannt wurde, soll auf dem neuen
Großflughafen ein Abschiebeknast mit 30 Haftplätzen gebaut
werden. Dieser ist eine späte Folge des Gesetzespakets von 1993,
das beschleunigte Asylverfahren für fünf internationale Flughäfen
vorsah und nun von Berlin und Brandenburg umgesetzt wird. Im sog. Flughafenverfahren
werden über die Asylanträge von ankommenden Flüchtlingen
bereits im Transitbereich entschieden. Nach einem außergerichtlichen
Schnellverfahren soll ein Großteil der Flüchtlinge wieder abgeschoben
werden. Als „hastig, unfair, mangelhaft“ bezeichnet Pro Asyl
die jährlich rund 300 Flughafenverfahren auf dem Flughafen Frankfurt
am Main.
Hand in Hand mit der Bundesregierung forcieren Berlin und Brandenburg
auf dem BBI nicht nur den Ausbau des rechtlich umstrittenen Flughafenverfahren,
sondern außerdem auch die Teilprivatisierung von Knästen. Denn
mit der Versorgung und Betreuung wurde die Sicherheitsfirma B.O.S.S. beauftragt,
die schon für den Abschiebeknast und die Zentrale Erstaufnahmestelle
für Flüchtlinge (ZAST) in Eisenhüttenstadt zuständig
ist.
:: Abschiebeknast Grünau
::
Wie das System Abschiebehaft in Berlin umgesetzt wird, kann man im Abschiebeknast
Grünau beobachten: Enge Zellen, miserable Versorgung, kaum Beschäftigung,
stattdessen verordnetes Nichtstun. Zwar dürfen Handys benutzt werden,
doch es fehlt an Geld für Telefongespräche, für die notwendigen
Anwält_innen oder für Bücher und Anderes, um die erdrückende
Langweile zu überbrücken. Besonders perfide hieran ist, dass
jeder Tag im Knast die Häftlinge 65,26 Euro kostet. Dieser Betrag
– zusammen mit den Kosten für die Abschiebung – ist von
den ehemaligen Häftlingen zu begleichen, sollten sie noch einmal
in die BRD einreisen. Ist eine erneute legale Einreise ohnehin nahezu
unmöglich, wird sie so auch noch unbezahlbar.
Skandalös ist auch die medizinische Versorgung in der Berliner Abschiebehaft:
Schwerkranke werden erst nach langen Verzögerungen behandelt, Menschen
mit gefährlichen Infektionskrankheiten teilen Zellen mit gesunden
Häftlingen und Suizidgefährdete werden in Einzelzellen isoliert,
was die Suizidgefahr deutlich erhöht. Was auf den ersten Blick nach
bedauerlichen Mängeln aussieht, hat Methode: Im Knast gibt es kein
unabhängiges medizinisches Personal, sondern lediglich den polizeiärztlichen
Dienst, dessen Hauptaugenmerk nicht auf der Gesundheit der Häftlinge,
sondern auf deren „Reise- und Verwahrfähigkeit“ liegt.
Viele der hier genannten Punkte bemängelte auch die Länderkommission
zur Verhütung von Folter im Oktober 2011. Das Ziel kann jedoch nicht
die graduelle „Verbesserung“ oder die „Humanisierung“
des menschenverachtenden Systems der Abschiebehaft sein, sondern nur dessen
ersatzlose Abschaffung. Statt sich für die Abschaffung der Abschiebehaft
im Bund einzusetzen und bis dahin zumindest auf Landesebene nach Regelungslücken
zu suchen (wie es in Rheinland Pfalz von rot-grün zumindest diskutiert
wird) lässt sich Berlin die Haft was kosten: In Grünau werden
gerade 18 Personen festgehalten, bei einer Gesamtzahl von 214 Haftplätzen
und 192 Mitarbeiter_innen.
:: Widerstand im Knast::
Immer wieder gibt es Widerstand von Inhaftierten in Grünau. Zuletzt
in die Öffentlichkeit geriet der Fall von Victor Atoe. Wie er treten
immer wieder Abschiebehäftlinge in Hungerstreik oder sehen sich dazu
gezwungen, sich selbst zu verletzen, um eventuell aus der Haft entlassen
zu werden. Im Sommer 2005 kam es zu kollektiven Widerstandsaktionen, zeitweise
verweigerten mehr als 60 Insassen das Essen in der Haftanstalt. Die Antirassistische
Initiative Berlin dokumentierte innerhalb dieses dreimonatigen Streiks
44 Selbstverletzungen, darunter Suizidversuche. Der Haftalltag ging regulär
weiter, Häftlinge kamen in Isolierzellen und wurden abgeschoben.
:: Solidarität!::
Mit der Demonstration richten wir uns gegen Abschiebehaft und den Ausbau
des Flughafenverfahrens. Solidarisch sein kann neben der Demo auch heißen,
den Inhaftierten den Zugang zu Ressourcen zu verschaffen, die sie für
ein schnelles Rauskommen benötigen: Geld für Anwält_innen,
Handy und Gesprächsguthaben, aber auch Bücher und DVD's, um
die Langweile zu überbrücken und nicht an den Bedingungen kaputt
zu gehen. Wir rufen deshalb auf, regelmäßig Geld oder Sachspenden
(funktionsfähige Handys, Telefonkarten, Bücher, DVD's in den
Sprachen der Inhaftierten) bei der Initiative gegen Abschiebehaft abzugeben.
Mit unserem Protest reihen wir uns auch in den gegen weitere migrations-
und sicherheitspolitische Verschärfungen ein, wie sie am 8. und 9.
Dezember in Wiesbaden auf der 193. Innenministerkonferenz in die Wege
geleitet werden sollen. Auch Silvester wollen wir mit einer Kundgebung
vor dem Abschiebeknast ziehen, um unserer Wut und Solidarität Ausdruck
zu verleihen.
Freitag, 2. Dezember 2011, 18 Uhr, K9 (Kinzigstr.
9) Veranstaltung zur Abschiebehaft und dem neuen Abschiebeknast auf dem
BBI
Donnerstag, 8. Dezember 2011, 11 Uhr, Rotes Rathaus: Kundgebung gegen
den Neubau eines Abschiebegewahrsams auf dem Flughafen Schönefeld.
Samstag, 10. Dezember 2011, 15 Uhr S-Bhf Spindlersfeld: Demonstration
zum Abschiebeknast Grünau Mit: Krach und Musik gegen den Abschiebeknast,
Grüße nach Drinnen und Draußen, Wunschdisco und Polit-Projektionen,
Vokü und Getränke, Aktionen und Infos, Live-Act.
Geldspenden können überwiesen
werden werden an:
Name: Flüchtlingsrat Berlin
Verwendungszweck: „In den Knast“
Kto. Nr.: 311 68 03
BLZ: 100 205 00 (Bank für Sozialwirtschaft)
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