Keine Freiräume für Nazis - Null Bock auf den rechten Mob in F´hain und anderswo
Kundgebung :: So :: 31. Juli 2005 :: Boxhagener Platz :: 17.30 h

Der kleinste Bezirk Berlins, Friedrichshain, erfreut sich vor allem bei einem jungen, vergnügungs- und konsumsüchtigen Publikum ausgesprochener Beliebtheit. Seine Infrastruktur besticht durch eine facettenreiche Kneipen- und Clubkultur, was für viele einen Grund darstellt, hierher zu ziehen. In diversen Berliner Reiseführern wird die sogenannte junge Friedrichshainer "Szene" als wahnsinnig interessant, kultiviert, tolerant und weltoffen dargestellt. Der schöne Schein trügt: Friedrichshain ist eben nicht nur die zweifelhaft hippe Simon - Dach - Straße und Friedrichhain ist auch nicht nur der sog. alternative Nordkiez, in dem sich Menschen in verschiedenen autonomen Haus- und Wohnprojekten zusammen geschlossen haben um, dem vorherrschenden kapitalistischen Alltagsbetrieb zum Trotz, weitestgehend eigenverantwortlich und selbstbestimmt zu leben.

Auch in Friedrichshain sind wie in vielen anderen Regionen stetig wachsende von Neonazis ausgehende Übergriffe gegen alle die nicht in ihr rassistisches und autoritäres Weltbild passen, zu verzeichnen. Bei der Zahl rechtsextremer Übergriffe steht Friedrichshain inzwischen an dritter Stelle. Neonazistische Gewalt ist also in Berlin nicht mehr nur das Problem der Randbezirke, wie Marzahn, Hellersdorf und Treptow.

Im vergangenen Jahr beobachteten AntifaschistInnen, dass ein Großteil der von Neonazis begangenen Angriffe in Friedrichshain ihren Ausgangspunkt in einem Kneipenbesuch nahmen. Die durch den Genuss von Alkohol sichtlich enthemmten Neonazis gingen teilweise mit Brachialgewalt gegen ihre politischen GegnerInnen und MigrantInnen vor. Diese Tendenz des Ausgangspunktes rechter Übergriffe aus dem Kneipenmilieu heraus änderte sich zunehmend in den letzten Monaten.

Das Publikum der vormals rechts tendierten Kneipen hat, ebenso wie die Betreiber zu einem großen Teil gewechselt, was auch im Zusammenhang mit einer im September 2004 von einigen antifaschistischen Gruppen initiierten Demonstration zu sehen ist, die das Problem des rechten Kneipenpublikums thematisiert und öffentlich gemacht hat.

Die Zahl neonazistischer Gewalttaten rangiert dennoch auf einem hohen Niveau. Organisierte Neonazis und ihr Anhang von Hooligans und erlebnishungrigen SchlägerInnen haben neben Treptow, Pankow und Lichtenberg nun auch Friedrichshain zu ihrem Kampfgebiet auserkoren. Daran konnte auch der Repressionsschlag des Berliner Innensenator gegen die vornehmlich im Ostteil Berlins agierende neonazistische "Kameradschaft Tor", samt der ihr nahestehenden "Mädelgruppe der Kameradschaft Tor" und der "Berliner Alternative Südost" im März 2005 nichts ändern. Neonazis lassen sich nicht durch Verbote in ihren Aktionen einschränken, und von ihren Gewalttaten lassen sie sich erst recht nicht durch staatliche Repression abschrecken was die zum Teil empfindlichen Haftstrafen gegen Neonazis in der letzten Zeit zeigen. Wer Neonazis bekämpfen will, muss an ihrer Ideologie ansetzen und nicht nur an ihren Aktionsformen.

Neonazis sind leider nur die Spitze des Eisbergs, die aus dem Rechtsdrall der Gesellschaft kommen und von diesem auch zumindest ideologisch in ihrem chauvinistisch rassistischen Weltbild bestärkt werden. Dennoch besteht durch die zunehmenden Übergriffe der Neonazis gegen andere Menschen konkreter Handlungsbedarf. Zudem gilt es alternative Freiräume am Leben zu erhalten, in denen für Neonazis kein Platz ist, und die damit ihren potenziellen Opfergruppen Schutz vor Übergriffen bieten. Im Alltagsbewusstsein der BewohnerInnen Friedrichshains muss die Bedrohung durch Neonazis und das rechtsextreme Potenzial wieder in den Fokus gerückt werden um couragiertes Eingreifen bei Übergriffen im Bezirk einfordern zu können.

Obwohl man in Friedrichshains scheinbar keine festen Zusammenschlüsse von Neonazis vorfindet, gibt es trotzdem in regelmäßigen Abständen rassistische Übergriffe und Pöbeleien, Hetz-Jagden durch den Kiez und "Sieg Heil" - Rufe auf offener Straße. An Abenden können sich Neonazis in großer Anzahl völlig frei durch den Kiez bewegen und ernten statt konsequenter Bekämpfung nur irritierte Blicke der doch - zumindest in ihrem Selbstverständnis - kultivierten, toleranten und weltoffen Bevölkerung.

Am fünften Juni diesen Jahres wurde ein Schwarzer auf dem U-Bhf. Samariterstraße von zwei Neonazis angepöbelt und angespuckt. Als sich ein Jugendlicher mit dem Angegriffenen solidarisierte, wurde er von den Neonazis geschlagen. Auch als am 28. Mai 2005 ein Schwarzer am S-Bhf. Ostkreuz von drei Neonazis angepöbelt wurde, konnte eine Frau, die dazwischenging, allein nichts ausrichten und wurde von den Neonazis zu Boden geschlagen und getreten. Weitere Personen griffen in beiden Fällen nicht ein. Immer wieder kommt es zu derartigen Vorfällen, die aber in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen werden. Darum rufen wir alle BewohnerInnen Friedrichshains auf:

Wehrt euch gemeinsam gegen rechte Übergriffe! Organisiert den antifaschistischen Selbstschutz!

Am 9.03.05 wurden die Kameradschaften KS Tor und BASO verboten. Die Mitglieder der Ex KS-Tor sind allerdings weiterhin aktiv. Am 12. Juni 2005 griffen einige von ihnen am Bersarinplatz aus einem Auto heraus einen Schwarzer mit Pfefferspray an. Hier konnte schlimmeres von mehreren Passanten, die zur Hilfe eilten, verhindert werden, was zur Folge hatte, dass die Neonazis ihrerseits die Polizei anriefen und sich als die armen Opfer ausgaben.

Zudem waren Neonazis der Ex KS-Tor im Juni 2005 dreist genug, sich unter die links-alternativen DemonstrantInnen, die gegen die Räumung der Yorck 59 protestierten, zu mischen um Linke für ihre Anti-Antifa-Listen abzufotografieren.

Trotz der neuen Strategie der Neonazis, sich die Straße als Hauptbetätigungsfeld zurückzuerobern, gibt es natürlich immer noch das rechte bzw. mit Neonazis sympathisierende Kneipenpublikum, das aber schwer einzelnen Bars und Kneipen zugeordnet werden kann. Die wohl bekannteste rechte Kneipe war die "Happy Station", die spätestens letztes Jahr im November in die Öffentlichkeit geriet, da sie dem Jahrestreffen der neonazistischen "Hammerskins" Obdach bot. Auch mit der NPD und Freien Kameradschaften als ständige Gäste, fiel die Kneipe am Petersburgerplatz im Mai 2005 dem freien Markt zum Opfer und musste schließen.

Die "Kietz-Kneipe" in der Neuen Bahnhofstraße ist auch schon mehrere Male durch Übergriffe ihres Publikums auf PassantInnen bekannt geworden. Nach der antifaschistischen Demonstration gegen das rechte Kneipenmilieu Ende 2004 wurde es relativ ruhig um dieses kleine Etablissement, bis im April 2005 ein Motorradfahrer vor der Kneipe von den Gästen verprügelt wird, weil er sich etwas zu lautstark über das rassistische Klima dort beschwert hatte.

Aber auch an idyllischeren Orten wie dem Boxhagener Platz ist es schon mehrfach zu Pöbeleien durch Neonazis gekommen. Der gemütliche Bummel über den sonntäglichen Flohmarkt kann auch getrübt werden. Der hier für den Auf- und Abbau der Stände verantwortliche Laden "A&V Trödel" in der Sonntagsstraße beschäftigt zum Teil rechte Jugendliche. Einer dieser Jugendlichen wurde als Mitglied der Berliner Neonaziszene mit guten Kontakten zur verbotenen Neonazigruppierung "Berliner Alternative Südost" (BASO) erkannt. Eine Einbindung dieser Jugendlichen in die organisierte Szene kann nur eine Frage der Zeit sein!

Deshalb: Keine Freiräume für Nazis - Null Bock auf den rechten Mob in F´hain und anderswo!!!

Wenn überhaupt, dann werden rechtsextreme Meinungen erst dann öffentlich wahrgenommen, wenn es eben zu diesen Übergriffen kommt. Tatsächlich sind rechtsextremes Gedankengut und antisemitische Tendenzen in allen alters- und sozialen Schichten nicht nur vorhanden sondern finden auch im Alltag ihren Ausdruck. So wurde in einer Studie der Freien Universität Berlin (FU) festgestellt, dass bei 20% der sieben Millionen Gewerkschaftsmitglieder rechtsextreme Orientierungen vorhanden sind.

Ein Paradebeispiel, um deutlich zu machen, wie tief Diskriminierung und Rassismus in der Gesellschaft verankert sind. Nicht nur an den berühmt berüchtigten Stammtischen sondern in allen möglichen Institutionen dieser Gesellschaft, wie Schule, Betrieb aber auch Universität sind für komplexe Themen wie Arbeitslosigkeit oder Kriminalität noch immer die scheinbar naheliegendsten und trivialsten Lösungsansätze sehr beliebt. Die anderen sind Schuld und die anderen sind oft die MigrantInnen. Entweder sind sie zu arm und liegen dem Steuerzahler auf der Tasche oder zu reich, was vielen ungerecht erscheint und Neid und Missgunst hervorruft. Man spricht aus, was ja sowieso jeder denkt; oder "was man ja wohl mal sagen dürfe", wobei man sich selbstverständlich vorbehält kein "Rechter" zu sein.

Und trotzdem entsteht gerade hier eine unausgesprochene Legitimation, quasi eine Entschuldigung für körperliche und verbale Gewalt. Eine Legitimation nicht nur für prügelnde und mordende Neonazis, sondern auch für staatliche Institutionen, die Asylbewerber beispielsweise von der Gesellschaft isolieren, einsperren und in die ungewisse Zukunft abschieben. Hier schließt sich der Kreis, in dem die Gewalttäter mit stillschweigendem Verständnis und Wohlwollen bei weiten Teilen der Bevölkerung rechnen können, sich bestätigt fühlen und wieder zuschlagen. Viele Neonazis sehen sich mit ihrem Straßenterror daher oftmals auch als "Vollstrecker des Volkswillens", auch wenn das kein kultivierter, toleranter und weltoffener Deutscher wahrhaben möchte. Um dem entgegenzuwirken halten wir es für wichtig regelmäßige antifaschistische Präsenz zu zeigen und die Menschen in Friedrichshain gegen den fremdenfeindlichen Alltag zu sensibilisieren.

Kommt am 31.07.05 um 17.30 Uhr zur Kundgebung am Boxhagener Platz. Gemeinsam gegen Neonazis und alltäglichen Rassismus! Keine Freiräume für Nazis

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Redebeiträge:

Chronik rechtsextremistischer Übergriffe in Berlin-Friedrichshain

Der Berliner Stadtteil Friedrichshain gilt gemeinhin als ein moderner, weltoffener, wenn nicht gar alternativ-linksdominierter Bezirk mit einer für TouristInnen aus aller Welt attraktiven Kneipenmeile im Südkiez und einer Reihe von besetzten Häusern als Ausdruck einer radikal systemopponenten Lebensform im Nordkiez. Friedrichshain erscheint aus dieser Sichtweise gesehen als kein gutes Betätigungsfeld für Neonazis...
Diese Meinung wird auch durch Aussagen staatlicher Stellen kolportiert. So würden dem Berliner Innensenat zufolge „vereinzelt in Friedrichshain wohnende aktionsorientierte Rechtsextremisten“ ihre Aktivitäten nicht in ihrem Wohnbezirk – also hier direkt im Kiez – „sondern außerhalb“ entwickeln. Diese öffentliche Verlautbarung stammt aus dem Jahr 2004. In diesem Jahr wurden allerdings von unabhängigen Organisationen in Friedrichshain allein 19 bekannt gewordene tätliche Übergriffe mit rechtsextremistischem Tatmotiv gezählt, bei denen die Opfer zum Teil erhebliche Verletzungen davontrugen. Die Dunkelziffer der tatsächlich stattgefundenen Angriffe von Neonazis dürfte allerdings noch höher liegen und neonazistische Propagandaaktionen in Form von Sprühereien, Parolenrufen, dem Zeigen des Hitlergrußes und ähnlichem sind in dieser Zahl nicht berücksichtigt. Übergriffe mit einer rechtsextremistischen Motivation passieren demzufolge auch in Friedrichshain – und das nicht zu knapp. In diesem Jahr wurden bereits 15 Angriffe von Neonazis auf nichtdeutsche, andersdenkende, sozial schwache Menschen und all die anderen, die nicht in das enge Weltbild eines Faschos passen, registriert. Es folgt eine Auflistung dieser bekannt gewordenen neonazistischen Angriffe und weiterer relevanter Naziaktivitäten:

Am 08. Februar 2005 wird eine Migrantin in der Jessnerstraße von zwei Nazis angepöbelt, angegriffen und ihr Fahrrad zerstört.
Zwei Wochen später – am 23. Februar – planen Polizeiangaben zufolge Neonazis der KS-Tor einen Marsch zum Gedenken an den Anführer des damaligen Friedrichshainer SA-Sturmes Horst Wessel zum Friedhof an der Ecke Prenzlauer-allee – Mollstr. Eine Antifakundgebung mit knapp 150 TeilnehmerInnen versperrt am Nachmittag den Eingang des Friedhofs, um solch ein Gedenken zu verhindern. Eine Kundgebungsteilnehmerin wird auf dem Weg dorthin von einem verirrten Neonazi mit einem Baseballschläger bedroht. Am Abend kleben etwa 20 AktivistInnen der BASO und KS-Tor in Friedrichshain Plakate und Aufkleber für Wessel, die von Antifas und Polizei umgehend entfernt werden.
Am 04. März werden in der Kneipe "Wolke 7" in der Scharnweberstraße fünf alternative Jugendliche von etwa 15 Neonazis bedroht, mit Bier übergossen und als "Zeckenpack" beschimpft. Der März bleibt ansonsten scheinbar ruhig.
Am 18. April 2005 – zwei Tage vor dem Geburtstag des Gröfaz – wird ein linker Jugendlicher aus der Kneipe "Destiny" an der Frankfurter Allee heraus von einem Neonazi angegriffen, kann zunächst flüchten und wird später in der Rigaerstr. mehrfach geschlagen und zu Boden gerungen. Außerdem wird sein Basecap gestohlen. Passanten können den Angreifer verscheuchen. Am selben Tag sammeln sich vor der als rechtsextrem bekannten "Kietzkneipe" in der Neuen Bahnhofstr. Neonazis und trinken auf der Straße. Ein Motorradfahrer, der sich über die Blockierung der Fahrbahn beschwert, wird von den Neonazis mit Bierkrügen attackiert und verletzt.
Zehn Tage später – am 28.04 – bewegen sich zwölf Neonazis auf ihrem Weg zum Fußballspiel von Union-Berlin durch Friedrichshain. Zwei von ihnen greifen hierbei einen Jugendlichen mit Pfefferspray unvermittelt an. Dieser erleidet Reizungen an den Augen.
Nur einen Tag darauf pöbeln und schubsen in der Frankfurter Allee Ecke Mainzer Str. 15 Neonazis alternative Jugendliche an und werden von der Polizei daraufhin kontrolliert. Eine halbe Stunde später gröhlen dieselben Neonazis in der Colbestr. "Sieg Heil", können dann allerdings von PassantInnen verscheucht werden.
Zeitgleich halten sich etwa 25 Neonazis in der Simon-Dach-Str. auf und pöbeln ebenfalls PassantInnen an.
Während am darauffolgenden Tag am 30. April die Walpurgisnacht auf dem Boxhagener Platz gefeiert wird, greifen etwa 20 Neonazis in der Boxhagener Straße eine junge Frau an und schlagen ihr ins Gesicht. Herbeieilende Linke werden von der Polizei daran gehindert sie zu verjagen. Die Personalien der Nazis werden aufgenommen. Später am Abend kommt es von der gleichen Personengruppe in der Grünbergerstr. zu "Deutschland den Deutschen - Bullen Raus!"-Rufen.
Am 08. Mai 2005 – dem Tag des gescheiterten NPD-Aufmrasches in Berlin-Mitte – werden in der Gubener Str. nahe U-Bhf Weberwiese vier Jugendliche von etwa zehn Neonazis, die sich auf dem Hinterhof der Karl-Marx-Allee 110 sammeln, gejagt. Sie können glücklicherweise unverletzt entkommen.
Am 28. Mai wird im Park am S-Bhf. Ostkreuz ein Nichtdeutscher von drei Neonazis angepöbelt. Eine Frau, die dazwischen geht, wird zu Boden geschlagen und getreten. Anwesendes Publikum greift nicht ein.
Gegen 1:30 Uhr des selben Tages wird ein linker Jugendlicher am S-Bhf-Storkower Straße von 5 Neonazis ca. 1 km lang gehetzt. Er kann sich in einem angrenzenden Park verstecken und so den Angreifern entkommen
Am 05. Juni wird ein Schwarzer auf dem U-Bhf. Samariterstr. von zwei Neonazis angepöbelt und angespuckt. Ein Jugendlicher, der sich spontan mit dem Angegriffenen solidarisiert, wird von ihnen stark bedrängt und geschlagen.
Eine Woche später - am 12. Juni – greifen am Bersarin-Platz vier Neonazis aus ihrem Auto heraus einen Schwarzen mit Pfefferspray an. Da sofort PassantInnen zur Hilfe eilten, rufen die Neonazis die Polizei und behaupten, sie selbst seien die Angegriffenen. Die Polizei nimmt daraufhin den Schwarzen in Gewahrsam. Die neonazistischen Angreifer sind der Ex-KS Tor zuzuordnen.
Am 25.06.2005 werden in der S-Bahn am Ostkreuz zunächst zwei Schwarze von etwa 20 Neonazis, die Kameradschaft Spreewald T-Shirts tragen, angepöbelt. Mehrere Jungendliche mischen sich ein und werden daraufhin von den Neonazis geschlagen.
Am 10. Juli wird dann ein Punk auf dem S-Bhf. Ostkreuz von sechs schwarz gekleideten Neonazis zunächst angepöbelt und dann mit Faustschlägen traktiert. Danach erhält er die Drohung "Beim nächsten Mal bist du tot!". Einer der Täter kann von der Polizei gestellt werden.
Sechs Tage später wird ein Jugendlicher von vier Nazi-Rockern in der Revalerstr. angegriffen. Danach gehen die Rocker in Paules Metal Eck in der Simondachstraße, dessen Betreiber die Leute trotz eindeutiger Neonazisymbolik auch auf Nachfrage nicht rausschmeißen will. Am selben Abend werden vier augenscheinliche Linke am Frankfurter Tor von zwei Neonazis angepöbelt und angegriffen. Die Angegriffenen können sich erfolgreich wehren.
Am 18. Juli kommt es vor der Kneipe "Bei Jaqueline" in der Mainzerstr. zu einer Auseinandersetzung zwischen vier Neonazis und einer Gruppe von linken Jugendlichen, die sich durch die verschiedenste rechte Symbolik an der Kleidung der vier stören. Im Verlaufe der Schlägerei zieht ein Neonazi ein Messer und versucht auf die Linken einzustechen.
Der letzte bekannt gewordene Vorfall ereignet sich am 19. Juli 2005: Vier Neonazis jagen vier nicht-deutsche Jugendliche mit Holzlatten bewaffnet die Wühlischstr. entlang. Glücklicherweise wissen sich die Angegriffenen zu helfen.

Diese Aufzählung macht uns nur eines deutlich: Nazipack hat weder hier in Friedrichshain noch anderswo etwas zu suchen! Der sich verstärkenden Einstellung, Neonazis als normale Erscheinung im üblichen Straßenbild so lange zu tolerieren, bis mensch selber eine auf den Deckel bekommt, halten wir erntgegen: Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen! Organisiert die antifaschistischen Selbsthilfe – in Friedrichshain und anderswo! Nazis aufs Maul!

Biermeile - Vorabredebeitrag

Nun schon zum neunten Mal findet vom 5. bis 7. August das „Internationale Bierfestival“ auf der Frankfurter Allee mit tausenden Gästen und unheimlich vielen Biersorten aus aller Welt statt. Mit erhöhtem Alkholkonsum, braut sich, wie bei anderen „Volksfesten“ dieser Art auch eine frauen- und fremdenfeindliche Stimmung zusammen, die von allen BesucherInnen zumindest toleriert wird. Dass es nicht weit her ist mit dem „Internationalismus“, zeigt die rassistische Normalität, der MigrantInnen hier in den letzten Jahren immer wieder ausgesetzt waren. Neben obligatorischen Pöbeleien von Betrunkenen auf der Biermeile, ziehen Menschen, die augenscheinlich nicht dem Normalbild entsprechen, das Aggressionspotential von Neonazis und anderen Alltagsrassisten auf sich. Personen werden wegen ihres Aussehens als ‚nicht –deutsch‘ eingestuft, und haben mit diskriminierenden Pöbeleien und Übergriffen zu rechnen. Selbst die dümmsten Stereotypen werden auf der Biermeile wieder ausgepackt, wenn die alkoholisierten Durchschnittsdeutschen mal das rauslassen, was sie ohnehin oft denken und nur aus Anstandsgründen nicht sagen dürfen.

Auch mit der festen Etablierung dieses Massen-Saufgelages im Bezirks-Terminkalender bleibt die Verantwortung einer Auseinandersetzung mit rechten Denk- und Verhaltensweisen des Publikums bei linken Grüppchen, wie uns hängen.
Ein Beispiel für die Nicht-Beachtung dieses Problems ist das Statement auf der Internetseite des Veranstalters von 2002 zu einer Massenschlägerei: „Von der Schlägerei zwischen einer Gruppe Rechtsradikaler und der Polizei am Sonnabendabend zeugt nur noch eine Bierbank, von der eine ganze Ecke abgebrochen ist.“. Die Realität war etwas weniger schön und auch nicht gerade werbewirksam. Etwa hundert Neonazis sammelten sich am Stand der Neubrandenburgischen Imkerei Schwaßmann mit dem bezeichnenden Namen „Odinstrunk“ und griffen stundenlang vermeintliche Linke an, bis irgendwann zwei Hundertschaften behelmter Polizisten eingriffen.

Ab 2003 suchten sich Neonazis dann ihre Opfer meist nach dem Biermeilenbesuch in der Rigaerstraße oder wahlweise auf dem Weg zum Bahnhof Warschauerstraße. Im Jahr 2004 entschieden sich einige linke Gruppen auf die Problematik durch eine Alternativkundgebung unter dem Motto: „Gegen Alltagsrassismus, Saufgelage und Chauvinismus - Unser Spaß sieht anders aus!“ aufmerksam zu machen. Knapp zweihundert Leute, auf die alle üblichen Klischees und Feindbilder der Rechten zutreffen, versammelten sich am Frankfurter Tor. Mit besserer Musik und Redebeträgen versuchten sie den Nachmittag ohne agressive Pöbeleien zu verbringen. Das Ziel, sich nicht durch eine Mehrheit rechtsgerichteter Betrunkener vertreiben zu lassen, konnte erreicht werden.

Doch das Problem, welches auf der Biermeile offensichtlich zu Tage tritt, ist alltäglicher als so manch einer wahrhaben will. Nationalismus und Rassismus sind in, ob nun in der Forderung nach der Deutschquote im Radio oder in der vieldiskutierten Anti-Islamismusdebatte und den herbeigeredeten Terrorgefahren. Während unter der rot/grünen Regierung das Asylrecht nochmals verschärft wurde und das repressive System mit dem MigrantInnen in Deutschland zu kämpfen haben immer enger geschnürt wird, sind sich alle politischen Entscheidungsträger einig in ihrer Ablehnung von gewaltbereiten Neonazis. Dieser nicht auszuhaltende Spagat wird dann in neue Gesetze gegen Extremismus gegossen wie z.B. das neue Versammlungsgesetz, während gleichzeitig Nicht-deutsche Menschen im monatelangen Abschiebegewahrsam sitzen und wie im Falle des schwulen Iraners Andre Aragoli aus Frankfurt/Main in den sicheren Tod abeschoben werden. Eine EU-Richtlinie schreibt übrigens ein Antidiskriminierungsgesetz vor, um Minderheiten in der EU zu schützen. Deutschland dagegen zahlt seit Jahren lieber Strafgelder an die EU, anstatt dieses Gesetz in die Tat umzusetzen, da es ihre eigene Politik in Frage stellen würde.

Eine Untersuchung der Universität Leipzig im Juni 2005 zufolge stimmen 38 Prozent der Bevölkerung der Aussage zu: „Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maße überfremdet“. Jeder vierte bejahte den Satz: „Was Deutschland jetzt braucht, ist eine einzige, starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert.“. Diese herbeigesehnte Volksgemeinschaft zeigt, dass in Deutschland keinerlei Bedarf an der Integration von nicht-deutschen Menschen besteht. Die angestrengte Diskussion von konservativen Parteien zu sogenannten Parallelgesellschaften, welche MigrantInnen in Deutschland aufbauen anstelle sich zu integrieren, ist also bloße Heuchelei. In einer Langzeitstudie „Deutsche Zustände“ kommen Konfliktforscher Anfang 2005 zu dem Schluss, 60 Prozent der Deutschen sind fremdenfeindlich; 2002 waren es 55 Prozent. Der Anstieg ist laut Studie besonders ausgeprägt bei Personen, die sich selbst der politischen Mitte zuordnen. Wer möchte es MigrantInnen in Deutschland also verübeln, dass sie sich eigene autonome Bereiche schaffen. Wer würde schon ernsthaft versuchen sich in eine Gesellschaft zu integrieren, in der Menschen mit nicht-deutscher Herkunft immer ‚fremd’ bleiben, egal wie stark die Anpassung an die deutsche Norm auch ist. Wer von Alltagsrassismus schweigen will, sollte deshalb lieber auch nicht von Rechtsradikalismus reden.

Neonazis werden als Betriebsunfall im Funktionieren des demokratischen Rechtsstaates gedeutet ohne Bezug zum Rassismus der definitiv in der Gesellschaft verankert ist. So werden die Rechtsradikalen langfristig ignoriert und kurzfristig medial aufgebauscht, ohne dass dies zu einer ernsthaften Auseinandersetzung in der Gesellschaft verwurzelten Ressentiments und dem alltäglichem Rassismus führt, wie in diesem Jahr vorm 8. Mai.

Wir wollen niemandem auf der Biermeile den Spaß verderben. Vielmehr fordern wir, dass solcherart Festivitäten für alle Menschen besuchbar werden, ohne Opfer von rechten Ressentiments, Pöbeleien und Übergriffen zu werden. Wenn es Neonazis in der Gesellschaft gibt, dann bedeutet das, dass ein Reservoir an Legitimation für Rassismus in der Gesellschaft existiert: Schließlich fühlen sich dessen Vertreter moralisch im Recht. Tatsächlich ist Rassismus ein strukturelles Problem - eingelassen in den Arbeitsmarkt, das Staatsbürgerrecht, die Bildungsinstitutionen, die Verteilung von kulturellen Ressourcen, die Wissensbestände der Menschen und das Alltagsleben. Eine konsequente Politik gegen rechts sollte nicht nur bei der extremen Rechten ansetzen, sondern rassistische, antisemitische und revisionistische Einstellungen in der Gesellschaft thematisieren.

Jedenfalls werden weder hundert Neonazis auf der Biermeile noch eine Demonstration der Rechten am 8. Mai am Brandenburger Tor die parlamentarische Demokratie ernsthaft in Gefahr bringen. Gefährlich ist eher die fortgesetzte Selbstverständlichkeit von Diskriminierung und die Tatsache, dass es noch nicht einmal ansatzweise eine Diskussion über alltäglichen Rassismus gibt. Antifaschismus, der von der Öffentlichkeit eher als Kampfbegriff einer angeblich linksextremen Bedrohung empfunden wird, ist bei den derzeitigen gesellschaftlichen Zuständen eine Notwendigkeit.

Deshalb sagen wir: Biermeile NR.9 Ohne Uns!
Vom 5. bis 7. August bieten wir ein Alternativprogramm im Kiezladen X-Beliebig, Gegen das deutsche Reinheitsgebot, Gegen den rassistischen und sexistischen Alltag.


Die Yorck59 ist tot ­ es lebe die Yorck!

Am 6. Juni wurde die Yorckstraße 59 brutal durch die Berliner Polizei geräumt. Eine kleine Nachbetrachtung zu einem außergewöhnlichen Stadtereignis.

Hauptakteur der Räumung war der Eigentümer Marc Walter. Er kaufte das Gebäude mit einer Gewinnerwartung, erhöhte die Miete und erwirkte die Räumung wegen ausbleibender Mietzahlungen. Die Yorckstraßenbewohner verweigerten sich der erhöhten Miete und kämpften um ihr gemeinsames Wohn- und Lebensprojekt. Mit zahlreichen Aktionen politisierten sie den Vorgang der Mieterhöhung und anstehenden Räumung. Sie demonstrierten, besetzten Parteizentralen und das Bürgermeisterbüro und zwangen so den politisch Verantwortlichen eine Reaktion ab. Dennoch wurde die Yorck59 den Gewinninteressen seines neuen Eigentümers geopfert.

Der Kampf der Yorck59 galt dem selbstorganisierten Lebens- und Veranstaltungsort und steht als Symbol für die Umkehr gegenwärtiger Stadtpolitik im Sinne der Betroffenen. Die rechtliche Situation, daß die „Eigentümerinteressen gegen Bewohnerinteressen" gestellt werden können, ist in Berlin zu einem massenhaften Phänomen verkommen. Das Ergebnis ist Zerstörung von gewachsenen urbanen Strukturen, die Verdrängung von BewohnerInnen aus ihren Wohnungen, die Räumung ganzer Gebiete und die Zerschlagung von Nachbarschaftsbeziehungen. Und das Ganze passiert immer aus einem einzigen Grund: Ihre Wohnlagen sind mehr wert, als sie gegenwärtig abwerfen, eine höhere Miete ist möglich! Diese Vorgänge werden im allgemeinen neoliberaler Stadtumbau genannt. Innenstadtbereiche werden für zahlungskräftige Mieter umgebaut. Wer sich in der Arbeitsgesellschaft, durchsetzt, kann sich die besseren Wohnlagen auch leisten. Wer weniger Geld hat, muß eben die Konsequenzen tragen und wird in sogenannte „soziale Brennpunkte" abgeschoben, die aus diesem Grund erst entstehen.

Gerichte machen sich regelmäßig zum Handlanger von Profitinteressen Einzelner und die politischen VertreterInnen verhandeln das, was aus ihrer Sicht sowieso nicht verhandelbar ist. Obwohl Innensenator Körting noch eine Woche vor der Räumung der York59 verkündete, dass Projekt müsse weiter bestehen und er würde sich dafür einsetzen, rammten ein paar Tage später seine Sondereinsatzkommandos die Türen der Wohnungen auf und schmissen Hab und Gut der BewohnerInnen durchs Fenster auf die Straße. In der Zwischenzeit warb der Regierende Bürgermeister Berlins, bei der Eröffnung des deutschen Städtetages in Berlin, mit dem Satz: „Berlin ist zwar arm, aber sexy." Ist es sexy, mit Polizeigewalt zu räumen und Menschen auf die Straße zu werfen?
Dieses Politiktheater was der rot-rote Senat bei der York59 für die Öffentlichkeit hingelegt hat, wäre unter CDU Regierung gegen den Widerstand aller möglichen Institutionen gescheitert. Doch die clever vorgebrachten Verhandlungsangebote, die letztendlich Nullnummern waren, haben konsequenten Widerstand in die militante Schmuddelecke gestellt und den Senat mit einem Heiligenschein versehen.

Es ist einfach, mit einem Projekt wie der Yorck59 generell zu sympathisieren, wenn man in der Opposition ist. Aber wenn man in der politischen Verantwortung steht, für wen ergreift man dann Partei? Verhandelt man, bis eine Lösung gefunden ist, weil man die leerstehenden Gebäude des Liegenschaftsfonds als Ressource sieht für eben solche Projekte wie die Yorck59? Oder unterwirft man sich einer Verwertungslogik der Immobilien und läßt lieber leerstehen, was später vielleicht noch Geld abwirft für den hochverschuldeten Landeshaushalt? Und genau an dieser Stelle entscheidet sich linke parlamentarische Politik, egal in welchem Parteiengewand sie daher kommt: Wie haltet ihr es mit der Macht, wenn ihr sie denn habt?

Wir reden heute nur über die York59 und über Stadtpolitik, weil die York-BewohnerInnen sich vielfältig und unüberhörbar gewehrt haben. Doch das was der York59 passiert ist, geschieht ständig, fernab der öffentlichen Diskussion zwischen Anwälten, Quartiersmanagern, Eigentümern und Gerichten. Obwohl genügend Raum für alle vorhanden wäre, werden das Eigentum und die daran geknüpften Verwertungsabsichten, über die Interessen der AnwohnerInnen gestellt. Verdrängung, Segregation, Sicherheitsdienste, Kiezstreifen und Polizeigewalt sind zum Alltag in dieser Stadt geworden. Eine sehr geringe Minderheit verwaltet und bestimmt die Wohn- und Lebensbedingungen einer sehr großen Mehrheit. Der Widerstand dagegen wird als höchstkriminell, unverbesserlich und rückständig geahndet.

Anhand der Yorck59 und ihrem Scheitern bzw. ihrem Überlebenskampf lassen sich grundsätzliche Fragen darüber stellen, wie die derzeitige Stadtpolitik zu verändern wäre. Sie steht stellvertretend für viele andere Projekte, für Integration und Politisierung. Selbstorganisiertes Leben ist höher zu bewerten als das Interesse einer besitzenden Minderheit, auch wenn diese rechtlich die besseren Karten hat. Die Gier nach Verwertung verhindert eine sinnvolle Nutzung, und die Kommerzialisierung des gesamten Alltagslebens macht die Stadtbewohner zu Konkurrenten statt gemeinsam die Stadt wohnbar und bezahlbar für alle zu machen.

Nichtkommerzielle Projekte sind nicht nur dazu verdammt, angesichts der Privatisierung aller Lebensbereiche als Konkurrenten um Geld zu buhlen, sie können stattdessen über eine Solidarisierung miteinander auch neue Wege aufzeigen. Neue Bündnisse sind nötig. Partner sind alle, die von dieser Politik der Privatisierung und Liberalisierung in Mitleidenschaft gezogen sind: Betroffene repressiver Ordnungspolitik gegen subkulturelle Strukturen, im sozialen Wohnungsbau oder in den Sanierungsgebieten mit Mietobergrenzen. Neben den Mitstreitern in alternativen Projekten, den Bewohnern im sozialen Wohnungsbau, den potentiell Verdrängten in Aufwertungsgebieten sind aber auch die Verbraucher privatisierter Dienstleistungen, die Arbeits- und Erwerbslosen und die Obdachlosen Bündnispartner für die Forderungen nach sinnvoller Nutzung von Häusern und städtischen Räumen. Das Ende der Mieterstadt, der Subkultur wird eingeläutet, das geht schließlich alle an..

Mittlerweile haben ehemalige Bewohner der Yorck59 Teile des Künstlerhauses Bethanien, das leergezogene Sozialamt, besetzt. Nach erneuter Besetzung ist die Politik verhandlungsbereit. Nun sitzen Bezirkspolitiker, der Liegenschaftsfonds und die Yorck59 an einem Tisch und verhandeln, diesmal sinnvoll. Sie werden im Bethanien geduldet, bis ein Alternativangebot geprüft werden kann. In Kürze soll ein befristeter Nutzungsvertrag abgeschlossen werden.

Veränderung, auch in den Einsichten der politisch Verantwortlichen, sind nur über die Mobilisierung der Betroffenen und deren Initiativen möglich. Genau das hat die Yorck59 in Angriff genommen und allen mustergültig vorgemacht. Macht’s mit, macht’s nach, macht’s besser!

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