8. März: Feministischer Kampftag
Gedenktafeln zum ehm. Frauengefängnis Barnimstraße (Friedrichshain)

Sechs Prozent der Inhaftierten in Deutschland sind Frauen*. In der Barnimstraße stand lange Zeit das einzige ausschließliche Frauengefängnis Berlins. Es wurde 1864 errichtet und diente zunächst als Schuldgefängnis. Anschließend wurde es mehrfach umgenutzt und umgebaut und erhielt einen Kreissaal und Mutterschutzzellen, damit die Haft von schwangeren Frauen nicht mehr ausgeschlossen werden konnte. Zunächst galten für politische Häftlinge im Gegensatz zu den sog. „Kriminellen“ erleichterte Haftbedingungen. Das änderte sich schlagartig mit der Machtergreifung der Nazionalsozialisten, was sich auch an der Zahl der Inhaftierten zeigte. Der Knast war für 367 Frauen ausgelegt. Belege zeigen jedoch eine Auslastung mit bis zu 700 Inhaftierten gleichzeitig während der NS Zeit.

Am 8. März ist feministischer Kampftag. Wir gedenken mit zwölf provisorischen Gedenktafeln am historischen Ort der dort eingesperrten und ermordeten Frauen.

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Plakat 1: Rosa Luxemburg

„Wer sich nicht bewegt, spürt seine Fesseln nicht!“

Am 8. März ist feministischer Kampftag. In Gedenken an Rosa Luxemburg, Theoretikerin und Revolutionärin der Arbeiter*innenbewegung, die zweimal im ehemaligen Frauengefängnis in der Barnimstraße an diesem Ort inhaftiert war: zwei Monate 1907 und eine längere Haft 1915/1916. Die Urteilsbegründungen ihrer vielfachen Inhaftierungen lauten auf Majestätsbeleidigung,Aufruf zum Klassenhass, Kriegsdienstverweigerung sowie Hoch- und Landesverrat.

Plakat 2: Hilde Coppi

"Hilde Coppi, Hochverrat und Landesverrat, Schulze-Boysen-Kreis, zart, fein, tapfer, ganz selbstlos. Gebar am 27.11.42 ihr Kind. Hinrichtung ihres Mannes durfte ihr nicht mitgeteilt werden, ließ darum ihren Schmerz nicht laut werden. Kind wurde von ihrer Mutter erst in der Woche der Hinrichtung geholt. Stolz, beherrscht und lieb. Kein Hass. Eine rührende Persönlichkeit. Rechnete nie mit ›Gnade‹ der Menschen. Nie bereut." (Eintrag auf Karteikarte in der »Kartei Hinrichtungen Barnimstraße« im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, zitiert nach Hans Coppi (2003): Mit Gnade hat sie nie gerechnet)

Am 8. März ist feministischer Kampftag. In Gedenken an Hilde Coppi, Widerstandskämpferin im Nationalsozialismus und Teil der "Roten Kapelle", die vor ihrer Hinrichtung in Plötzensee im Frauengefängnis in der Barnimstraße an diesem Ort inhaftiert war und ihren Sohn Hans Coppi Jr. im Gefängnis zur Welt brachte.

Plakat 3: Liselotte Hermann

»Aber den Mut werde ich schon nicht verlieren.«

Am 8. März ist feministischer Kampftag. In Gedenken an Liselotte Herrmann, Widerstandskämpferin im Nationalsozialismus, die vor ihrer Hinrichtung in Plötzensee im Frauengefängnis in der Barnimstraße - an diesem Ort - inhaftiert war. Bereits ab 1934 beteiligte sie sich an der illegalisierten politischen Arbeit und gab Informationen über Rüstungsprojekte weiter. Sie wurde verraten und am 7. Dezember 1935 verhaftet. Ihren Sohn sah sie nie wieder. Sie war die erste Widerstandskämpferin, die von einem nationalsozialistischen Gericht zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde und die erste zum Tode verurteilte politische Gefangene im Frauengefängnis in der Barnimstraße. Gegen das Todesurteil gab es internationale Proteste, ein Gnadengesuch wurde allerdings abgelehnt.

Plakat 4: Olga Bernario

"Ich habe für das Gerechte und Gute gekämpft, für die Verbesserung der Welt. Ich verspreche Dir, wenn ich jetzt Abschied nehmen muß, daß ich Dir bis zum letzten Moment keinen Grund geben werde, Dich meiner zu schämen. […] Ich werde stark bleiben und bin entschlossen, bis zum letzten Moment zu leben. Jetzt muß ich schlafen, damit ich morgen kräftig bin. Ich küsse Euch beide zum letzten Mal.”

Am 8. März ist feministischer Kampftag. In Gedenken an Olga Bernario, Kommunistin. Sie galt als starke, widerständige, kämpfende Frau. In Berlin-Neukölln wurde sie mit 17 Jahren zur führenden Person in der Jugend-Arbeiter*innenbewegung. Nach Migration nach Brasilien, Verrat und Auslieferung im Frauengefängnis Barnimstraße inhaftiert. Dort brachte sie ihre Tochter Anita zur Welt. Anita blieb zwei Jahre bei ihr. Danach wurden sie getrennt und Olga Benario wusste bis zu letzt nicht, was mit ihr geschehen ist. Olga Benario selbst wurde nach Ravensbrück deportiert und 1942 in den Gaskammern von Bernburg ermordert. Sie wurde als stützende, kühne Kampf-und Lebensgefährtin beschrieben, die standhaft, hilfsbereit und kraftgebend (als Vorbild) für viele Genossinnen war. Sie war sich sicher um das Ende der Naziherrschaft und um den Sieg der Arbeiterklasse.

Plakat 5: Frauengefängnis Barnimstraße

»Das Frauengefängnis in der Barnimstraße zeigt deutlich, wie politisch die Justiz ist. Eingesperrt wurden Arme, Frauen und Widerstandskämpferinnen im Nationalsozialismus.«

In der Barnimstraße stand lange Zeit das einzige ausschließliche Frauengefängnis Berlins. Es wurde 1864 errichtet und diente zunächst als Schuldgefängnis. Anschließend wurde es mehrfach umgenutzt und umgebaut und erhielt einen Kreissaal und Mutterschutzzellen, damit die Haft von schwangeren Frauen nicht mehr ausgeschlossen werden konnte. Zunächst galten für politische Häftlinge im Gegensatz zu den sog. „Kriminellen“ erleichterte Haftbedingungen. Das änderte sich schlagartig mit der Machtergreifung der Nazionalsozialisten, was sich auch an der Zahl der Inhaftierten zeigte. Der Knast war für 367 Frauen ausgelegt. Belege zeigen jedoch eine Auslastung mit bis zu 700 Inhaftierten gleichzeitig während der NS Zeit.

Am 8. März ist feministischer Kampftag. Wir gedenken der eingesperrten und ermordeten Frauen aus dem Gefängnis in der Barnimstraße.

Plakat 6: Frauengefängnis Barnimstraße - Zitat Raddusch

„Wir waren etwa 200 politische Gefangene. Um bestimmte Forderungen - zum Beispiel nach warmem Wasser - durchzusetzen, organisierte die kommunistische Schriftstellerin Berta Lask einen Hungerstreik. Ich sprach mich dagegen aus: Die Nazis würden sich doch freuen, wenn jemand deswegen sein Leben verlor! Obwohl ich den Abbruch der Aktion durchsetzte, machten zwei Frauen weiter. Mit den Beamtinnen des Gefängnisses hatte ich keine Schwierigkeiten, ich habe sie als umgänglich in Erinnerung. Eine wichtige Informationsquelle im Gefängnis waren die Kassiber, heimliche Schreiben. Wenn jemand von uns zum Arzt ging, nahm er derartige Informationen mit und übergab sie dort Gefangenen anderer Abteilungen. Dort wurde es dann bei Hofspaziergängen leise weitergesagt.“ - Hilde Raddusch

Am 8. März ist feministischer Kampftag. Wir gedenken der eingesperrten und ermordeten Frauen* und aller, die als Frauen dort eingesperrt wurden, aus dem Gefängnis in der Barnimstraße.

Plakat 7: Frauengefängnis Barnimstraße - Zitat Rubinstein

"1. Mai 1934. Heute Morgen erwache ich von dem Sprechchor: ,Gegen die Schändung des 1. Mai und die GESTAPO-Prügelei’. Danach wurde von mehreren die Internationale gepfiffen. Eine Kriminelle brüllte: ,Ruhe! Sonst gibt’s noch mehr Knast!’ Und eine Wachtmeisterin kreischte, wenn nicht verraten würde, welche das waren, kriegten alle ihren Teil. Sonderbar, daß sie es selbst ,verraten’ nannte! - Sie kriegten ihren Teil: Dunkelhaft, Freistundenentzug und wie man unsereins inmitten der Pein noch extra peinigen kann ... "

Hilde Rubinstein (1904-1997), Malerin und Dichterin, Widerstandkämpferin und KPD-Mitglied, Gruppe Karl Tilgner. Wurde bereits 1933 verhaftet, migrierte und lebte schließlich in Schweden. 1970 berichtet sie über die Zeit im Gefängnis in der Barnimstraße.
Am 8. März ist feministischer Kampftag. Wir gedenken der eingesperrten und ermordeten Frauen aus dem Gefängnis in der Barnimstraße.

Plakat 8: Frauengefängnis Barnimstraße

"Die Zahl der Gefangenen, politischen und kriminellen, bewegt sich zwischen 400 und 700. Mitte Oktober 1936 betrug sie etwa 600; zuverlässige Berichte besagen, daß heute die Zahl 700 wieder fast erreicht sei. Die Politischen liegen in 4 von 13 Abteilungen; sie stellen den geringen Teil der Gefängnisbelegschaft. Zugänge politischer Gefangener sind heute selten - aber nicht, weil der Justizapparat des Dritten Reiches etwa milder (oder das Volk geduldiger) geworden wäre, sondern weil wirkliche politische Delikte heute fast nur noch mit Zuchthaus bestraft werden ... Unter den Politischen stellten die Bibelforscher mit 10-20 Frauen, stillen, sektiererisch-abgekehrten Menschen, ein ständiges Kontingent. Ebenso die katholischen Schwestern, deren ,Devisenschmuggel’ als so verdammenswert betrachtet wurde, daß man sie selbst während der Freistunden von den anderen Gefangenen streng isoliert hielt. Von kommunistisch-sozialistischer Seite waren fast nur noch Vertreterinnen da, die in den ersten zwei Jahren des Hitlerregimes abgeurteilt worden waren. Es kamen Kleinbürgerfrauen, Frauen von Beamten und Angestellten des Staats-und Parteiapparates; von ihrer aller Kritik fühlte sich das Dritte Reich in seinen Grundfesten erschüttert."

Am 8. März ist feministischer Kampftag. Wir gedenken der eingesperrten und ermordeten Frauen aus dem Gefängnis in der Barnimstraße an diesem Ort.

Plakat 9: Frauengefängnis Barnimstraße 2. Teil

Gefängnisse werden von den Bewacherinnen getragen. Eine der Bewacherinnen im Frauengefängnis in der Barnimstraße, die sich besonders schikanös verhielt, war die Wachtmeisterin Anna Schütz. Da diese Aufseherin selbst in der Hochsommerhitze des Jahres 1935 Betagten und Geschwächten verwehrte, sich beim 30minütigen Gefängnishofspaziergang auf einer Bank auszuruhen und mehrere Frauen deshalb ohnmächtig zusammenbrachen, ballte sich eine rebellische Stimmung zusammen. Als schließlich eine schwer Herzkranke hilflos am Boden lag, Anna Schütz aber jede Hilfe untersagte, kam es zu einer kurzen Meuterei:

"... alles schrie laut zusammen, die Kranke wurde von Kameradinnen in die Zelle gebracht, und sämtliche Häftlinge dieser Freistunde erklärten, die Schütz als Aufsichtsbeamtin für den Spaziergang nicht mehr anerkennen zu wollen. Entweder eine andere Beamtin - oder Weigerung, in die Freistunde zu gehen, also Streik! Die Beamtin Schütz tobte, drohte mit fürchterlichen Strafen, aber die Gefangenen blieben fest: Am nächsten Tag erschien eine neue Beamtin, die Rebellion war geglückt, ohne nachteilige Folgen zu haben. Leider ist dies der einzige Fall einer kollektiven Selbstwehr, über den berichtet werden kann; es fehlt dem größten Teil der Gefangenen das Bewußtsein möglichen Widerstandes: Das System, dem sie ausgeliefert sind, flößt ihnen Schrecken ein und läßt sie die Notwendigkeit vergessen, die primitivsten Grundlagen einer menschenwürdigen Behandlung zu erzwingen, wo sie freiwillig nicht eingeräumt werden."

Am 8. März ist feministischer Kampftag. Wir gedenken der mutigen Gefangenen aus dem Gefängnis in der Barnimstraße an diesem Ort.

Plakat 10: Spinnhäuser

Ab dem 16. Jahrhundert wurden Frauen*, die arm waren, bettelten oder der "Prostitution" beschuldigt wurden, in so genannte "Spinnhäuser" eingesperrt. Dort wurden sie zur Arbeit gezwungen, konkret zum Spinnen (daher der Name). Mit der Arbeit sollten die Frauen diszipliniert werden.

Die Gefängnisse stehen in einem direkten Zusammenhang mit der Industrialisierung, Proletarisierung und dem neuen Menschenbild der Moderne, kurz: der Durchsetzung des Kapitalismus.

Viele Frauen wurden für ihre Armut und Bettelei eingesperrt - ausgelöst durch gesellschaftliche Prozesse und bei gleichzeitigem Anhäufen von Reichtümern bei der herrschenden Klasse. Auch die Disziplinierung der Körper - die Herstellung der Proletarier*innen - und das Ausmerzen alles Abweichenden und Lustvollen - durch Kriminalisierung von Sexarbeit und Disziplinarmaßnahmen - sind so einzuordnen. Noch heute müssen Gefangene gegen einen Kleckerlohn im Knast schuften.

Am 8. März ist feministischer Kampftag. Wir gedenken den Gefangenen aus dem Gefängnis in der Barnimstraße an diesem Ort.

Plakat 11: § 218 StGB

Die Kriminalisierung von körperlicher Selbstbestimmung und Herrschaft über weiblich bestimmte Frauenkörper ist seit jeher Ausdruck patriarchaler Herrschaft. Es geht dabei um Geburtenkontrolle, Disziplinierung und Unterdrückung. Maßgeblich ist in diesem Kontext die Kriminalisierung von Abtreibungen.

In Bezug auf den zu seiner Zeit noch häufigen Tod einer Mutter im Kindbett schrieb Martin Luther 1522: „Ob sie sich aber auch müde und zuletzt tot tragen, das schadet nicht. Lass (sie sich) nur tot tragen, sie sind darum da. Es ist besser kurz gesund denn lange ungesund leben“. Skandal!

In Deutschland ist jede Abtreibung nach § 218 StGB strafbar. Nur unter bestimmten Bedingungen sind sie ausnahmsweise straffrei: bis zur 12. Woche nach Beratung und mehrtägiger Wartezeit. Schikane!

Am 8. März ist feministischer Kampftag. Schwangere weltweit sollen selbst über ihren Körper entscheiden. Nieder mit dem Patriarchat! Und Solidarität mit allen Gefangenen weltweit. Wir gedenken zudem den Gefangenen aus dem Gefängnis in der Barnimstraße an diesem Ort.

Plakat 12: Ersaztfreiheitsstrafe

Das Frauengefängnis hier in der Barnimstraße war zunächst ein sog. "Schuldgefängnis". Das waren Sondergefängnisse für Personen, die ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen waren. Auch wenn die Schuldstraße 1886 abgeschafft wurde, erinnert dies an die heutige "Ersatzfreiheitsstrafe": wenn Personen ihre Geldstrafen nicht zahlen können, werden sie heute noch eingesperrt, um die Geldstrafe dann doch abzusitzen. Dies macht mittlerweile fast 50% aller Haftantritte aus - und benachteiligt offensichtlich arme Personen.

"Der Freiheitsfonds kauft aus Spenden Ersatzfreiheitsstrafler*innen, die wegen Fahrens ohne Ticket einsitzen, frei. 157 Personen waren das bisher in Berlin mit 10.238 Hafttagen, also insgesamt 28 Jahren Gefängnis. An Spenden hat das rund 150.000 Euro gekostet, gespart hat es 1,5 Mio. Euro Kosten, rechnet der Fonds vor – denn ein Hafttag in einem Berliner Gefängnis kostet rund 150 Euro."

Der Freiheitsfonds ist gut, aber offensichtlich Rumdocktern an Symtpomen, ohne die Wurzel anzugehen: Entkriminalisierung von Armut. Weg mit dem Nazi-Paragrafen "Erschleichen von Leistungen".

 

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