Klarstellungen zur AfD
Praxis-Thesen antifaschistischer Gruppen in Berlin, Stand März 2017
1. Die AfD ist eine rassistische Partei. Wesentliche Zustimmung (aber auch Abneigung) wird über rassistische Äußerungen und Programminhalte generiert. Rassistische Hetze und völkisch-nationale Schließung sind die zentralen Wesensmerkmale der Partei. Die AfD verspricht exklusive Solidarität, Wohlstand und Sicherheit nur für Deutsche. Dabei ist Deutsch „wer deutsche Eltern hat“ (Andreas Wild). Darüber herrscht mittlerweile in der Öffentlichkeit, bei Wähler_innen und Symphatisant_innen kein Zweifel.
2. Die AfD ist eine antifeministische Partei, die Frauen in ihren Handlungschancen einschränken will. Dazu gehört einerseits das propagierte Familienbild, das der Frau die Rolle als Hausfrau und Mutter zuweist und damit die klassische kapitalistische Arbeitsteilung in männliche Lohnarbeit und weibliche Reproduktionsarbeit fortschreibt. Andererseits sollen reproduktive Rechte wie beispielsweise über den eigenen Körper bestimmen zu können, noch mehr beschränkt werden. Während also Schwangerschaftsabbrüche kriminalisiert werden, sollen Frauen im Dienste der Volksgemeinschaft deutsche Kinder gebären.
Das vertretene binäre Geschlechterverständnis der AfD hat auch Auswirkungen auf alle, die darin nicht vorkommen. Ihre Existenz (z.B. von Transpersonen) wird faktisch geleugnet oder ihre Anliegen als persönliche Marotten delegitimiert.
Die AfD ist die Partei der Ungleichheit, die männliche Privilegien erhalten will und sich deshalb aktiv gegen Feminist_innen stellt. Alle Mittel, die dafür gedacht sind Geschlechtergerechtigkeit und Diskriminierungsfreiheit herzustellen (bspw. Gendermainstreaming) werden als Symbole einer gerechteren Gesellschaft abgelehnt. Zudem dienen sie der AfD als Beispiel für Eingriffe in die Lebenswelt, als besonders entartete Form der Wissenschaft und elitäre Abgehobenheit.
3. Die AfD ist nicht die Partei des „kleinen Mannes“, wenngleich sie sich bemüht an tatsächliche Erfahrungen oder Befürchtungen vor sozialem Abstieg breiter Teile der Bevölkerung anzudocken. Sie ist die Partei der Eliten, der Arbeitgeber_innen und Leistungsträger_innen, der es gelingt eigene antisoziale Programminhalte (bspw. weitere Deregulierungen des Arbeits- und des Wohnungsmarktes) gekonnt zu verschleiern. Durch den Deckmantel gegen das Establishment anzutreten, wird ihr durch Wähler_innen eine gewisse Schutzfunktion zugesprochen, die soziale Sicherheit (zumindest für Deutsche) gewährleisten soll. Die Widersprüche des kapitalistischen Systems werden reaktionär aufgelöst, statt tatsächliche Problemlösungen anzubieten (z.B. Lohnarbeit, Konkurrenz, Kapitalismus abzuschaffen).
4. Die AfD ist antisemitisch. Die AfD solidarisiert sich punktuell mit der politischen Rechten in Israel und behauptet deshalb nicht antisemitisch sein zu können. Doch wichtige Elemente des Antisemitismus, wie die Tendenz zu Verschwörungsideologien und die Kritik an der deutschen Vergangenheitsbewältigung des Holocaust (Stichwort „Schuldkult“), sind für das Denken der AfD-Führung und Sympathisanten konstitutiv. Bei genauerer Betrachtung findet das Tragen von Israel-Fahnen auf AfD-Demos ausschließlich statt um sich gegenüber Muslim_innen und dem Islam im Sinne einer rassistischen Agenda abzugrenzen. Die AfD setzt damit die Traditionslinie von Pro Deutschland und Die Freiheit fort.
5. Die AfD ist ein Sammelbecken für Konservative bis hin zu Neonazis. Die unterschiedlichen Parteiflügel bedienen verschiedene Spektren mit maßgeschneiderten Angeboten und sprachlichen Codes. Unterschiedliche Meinungen werden integriert und dem gemeinsamen Ziel untergeordnet. Dazu zählen klassische Themen der extremen Rechten wie Geschichtsrevisionismus, Antikommunismus und die Etablierung von NS-Vokabular. Die AfD knüpft an inhaltliche Schnittmengen (z.B. sind alle von rechts konservativ bis extrem rechts antidemokratisch) an und achtet darauf, dass Spaltungstendenzen oberflächlich bleiben. Die AfD ist auch deshalb für mehrere rechte Spektren attraktiv weil sie eine realistische Chance auf Macht(-beteiligung), zumindest auf regionaler Ebene, hat. In der aktuellen Aufwärtsdynamik wird die „Meinungspluralität“ innerhalb der Partei von Mitgliedern und Wähler_innen deshalb um so heftiger verteidigt.
6. Die AfD ist nicht nur die Partei. Vielmehr repräsentiert sie eine rechte Bewegung (siehe These 5). Wer ihr schaden will, darf sich nicht nur auf die Funktionsträger_innen konzentrieren. Um die AfD herum gruppieren sich andere Akteure, die von ihrem Aufstieg profitieren, die aber ihrerseits auch die AfD unterstützen und mit hervorgebracht haben.
7. Die Parteiförmigkeit der AfD entradikalisiert gewaltaffine Subkulturen nicht. Vielmehr schafft sie erst ein Sammelbecken in dem sich gefährliche Verbindungen ergeben, die den sonst meist isolierten Spektren Aufwind und Masse geben. Die (Re)Politisierung der gemeinen Eckkneipenschläger_innen erfolgt in dem Bewusstsein, dass es wieder was zu gewinnen gibt. Weil die AfD es schafft Brücken zwischen den Spektren zu schlagen, legitimiert sie den Stammtisch über die Eckkneipe hinaus. Dass sich Neonazis berufen fühlen als militanter Arm der AfD zu fungieren und ehemals Konservative sie in Schutz nehmen, sind Anzeichen dafür dass für alle (auch für jene die sich parteiunabhängig geben) ein Platz gefunden wird.
8. Die AfD regiert schon mit. Die in der Öffentlichkeit sehr präsente AfD wird mit ihren Forderungen auch von den etablierten Parteien im politischen Alltagsgeschäft integriert. Ob aus Angst vor Kritik der AfD und deren (Straßen-)Sympatisant_innen oder aus der Sorge um Wähler_innenstimmen, wird sich vorauseilend kompromissbereit gezeigt. Die etablierten Parteien, aber auch die gescholtene „Lügenpresse“, werden vor allem in Wahlkampfzeiten die angeblich nicht repräsentierten AfD Wähler_innen (wie z.B. die in These 7 skizzierten gewaltaffinen Milieus) inhaltlich umarmen und sie in der öffentlichen Wahrnehmung weiter überrepräsentierten. Um sich als Demokrat_innen zu rechtfertigen werden Positionen mehr Raum gegeben, die ansonsten zu recht eher geächtet werden. Dabei ist es bisher in keinem europäischen Land gelungen die rechten Wähler_innen „zurückzuholen“ indem ihrer Wut nachgegeben wurde. Schon gar nicht von Linken.
9. Die AfD wird, vor allem von der CDU, als Vorwand genutzt. Einerseits, um rechte Politik umzusetzen und andererseits um sich selbst als „nicht-rechte Konservative“ zu lobpreisen. Dabei macht eine Partei am rechten Rand die anderen noch lange nicht zu linken Parteien. Vielmehr wird so von der nationalistischen Politik der Bundesregierung abgelenkt, wenn sie als „Notwehr“ gegen die AfD-Opposition gerechtfertigt wird. Die inhaltlichen und personellen Schnittmengen zwischen CDU/CSU und der AfD, sowie ihre (bisher nur punktuelle) Zusammenarbeit sind Beweise dafür wie unmöglich eine klare Trennung zu ziehen ist.
10. Die AfD ist keine Gesprächspartnerin. Gerade weil die AfD diskriminierend ist, die Welt in bessere und schlechtere Menschen unterscheidet und alles auf dem Weg zur Diskriminierungsfreiheit (siehe oben) bekämpft, hat sie sich als Gesprächspartnerin disqualifiziert. Die AfD mag eine demokratisch legitimierte Partei sein, ist aber selbst demokratiefeindlich wenn sie die Gewaltenteilung anprangert und ein elitäres und autoritäres Herrschaftsmodell propagiert. Ihre Forderungen nach Basisdemokratie lassen sich schnell als Legitimierungsstrategie des durch sie vertretenen homogenen Volkswillen entlarven (Diktatur der Mehrheit gegen Minderheiten). Sie vertritt ein antiegalitäres Weltbild und geriert sich dabei selbst noch als Opfer. Weil sie die Mindeststandards im Zusammenleben als „Gesinnungsdiktatur“ oder „political correctness“ ablehnt, gibt es weder Grund noch Grundlage für eine Diskussion. Wer sich auf eine Diskussion einlässt findet sich nicht in einer demokratischen Debatte um streitbare Inhalte wieder, sondern ist Bestandteil ihrer Diskursstrategien.
Die Einbindung der AfD in öffentliche Gesprächsrunden lässt sie zudem als legitimen politischen Akteur im Rahmen demokratischer Vielfalt erscheinen, gibt der Partei eine Bühne und erhöht die Wahrnehmbarkeit all jener, deren Repräsentant sie ist (siehe These 7). Widerworte und Boykotte gegen die AfD sind daher keine Beschränkung der Meinungsfreiheit. Denn eine falsch verstandene Toleranz gegenüber der AfD führt letztlich zur Normalisierung ihrer diskriminierenden Inhalte. Gesprächsabsagen müssen aber auch entsprechend begründet werden und nicht über formale Tricks. Wenn es sich nicht vermeiden lässt mit der AfD ins Gespräch zu kommen, müssen die diskriminierenden Inhalte der Partei immer wieder in den Fokus gebracht werden.
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