17./18. September 2010 Antifa Wochenende:
Gegen Freie Nationalisten und NPD-Rechtsrock

Ein Wochenende voller Aktionen begann am Freitag Aend mit einer kraftvolen Antifa-Demo im schönen Wedding, der sonst selten im Fokus antifaschistischer Praxis ist. Anlass war die Neonazikameradschaft Freie Nationalisten Mitte, die den wedding als ihren Wohn- und Aktionsort gewählt haben und seit Monaten Anschläge und Übergriffe verüben. Rund 800 DemonstrantInnen folgten dem Aufruf und der ungewöhnlich starken Mobilisierung (mit immerhin fünf Infoveranstaltungen, Videokundgebungen und großflächigen Flyerverteilungen). Nicht ohne Erfolg: Einem Eintrag auf der Homepage der Kameradschaft FN-Mitte zufolge hat sich die Berliner Gruppierung mit sofortiger Wirkung am 28. September aufgelöst.
Am 18. September, also einen Tag nach der Wedding-Demo, hatte die NPD ein Rechtsrockkonzert in Schöneweide angekündigt. Mit Konzert und Kundgebung wollte die NPD den Wahlkampfauftakt zu den Abgeordnetenhaus-Wahlen 2011 einläuten. Gekommen waren letztlich nur 250 statt der angemeldeten 500 Nazis. Dank dem Engagement von rund 120 Antifaschist_innen, die den Nazis schon im S-Bahnhof Schöneweide durch Sitzblockaden den Weg versperrten, begann das Konzert eine Stunde später als geplant. Zeitgleich zu dem NPD-Konzert fand in der Nähe eine Gegenkundgebung mit zeitweise bis zu 500 Menschen statt. Sie waren unter anderem dem Aufruf des Bündnisses „Zusammen! Gegen die NPD“ gefolgt. Ein massives Polizeiaufgebot verhinderten Proteste in Ruf- und Sichtweite des Nazi-Konzerts. So blieb es bei symbolischen Protesten wie ein großes „Berlin gegen Nazis“-Banner an einer Hauswand.

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Bericht: 17.09. Antifa Demo im Wedding

Am Freitag, 17.09., demonstrierten rund 800 Teilnehmer_innen gegen Naziangriffe und -strukturen in Berlin Wedding. Die Demonstration zog vom U-Bhf Osloer Str. durch den Weddinger Kiez, vorbei am Hausprojekt Scherer 8 zum Leopoldplatz. Ein erklärtes Ziel der Veranstalter_innen war es, Anwohner_innen zur Demo zu bewegen. Tatsächlich beteiligten sich zahlreiche Menschen aus dem Wedding. Organisiert wurde die Veranstaltung von einem Bündnis aus Einzelpersonen, Antifagruppen und Projekten aus dem Kiez.
Anlass der Demonstration sind die zahlreichen Naziübergriffe in Berlin in den letzten Monaten. Seit Ende 2009 häuften sich im Wedding Angriffe auf linke Wohn- und Kulturprojekte, sowie migrantische Nachbarschaftseinrichtungen und nichtrechte und nichtdeutsche Menschen. Neonazis versuchten einen Kleinbus in Brand zu setzen, den sie einer linken Person zuzuordnen glaubten, auch eine Moschee und ein afrikanischer Kulturverein wurden besprüht. Zum Ziel von Angriffen wurde auch wiederholt das Hausprojekt Scherer 8., so auch Mitte August, als Neonazis erneut die Scheiben des Hauses einwarfen. Daneben häuften sich rechte Propagandaaktionen.
Die seit ca. einem Jahr aktive Kameradschaft „Freie Nationalisten Berlin Mitte“ („FN-Mitte“) wurde als neuer Akteur in der Berliner Neonaziszene und verantwortliche Gruppe für eine Reihe von Übergriffen ebenfalls thematisiert. Die Kameradschaft hat Berlin Mitte und speziell den Wedding zu ihrem Aktionsraum erklärt. Seit bestehen der „FN-Mitte“ wird die Gruppe mit antifaschistischem Protest konfrontiert. So gab es bereits am 28.08. eine Demo in Weißensee gegen den dort wohnhaften Neonazi Christian Schmidt. Im Vorfeld der Demo im Wedding wurde auf insgesamt vier Infoveranstaltungen über die Kameradschaft aufgeklärt. Die Protagonist_innen der Kameradschaft sollten auf diesem Weg in das Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden.
Abschluss der Mobilisierung zur Demo bildete eine Videokundgebung auf dem Leopoldplatz. An dieser beteilgten sich rund 100 Menschen, gezeigt wurden thematisch passende Filme, unter anderem „Kämpfen lernste auf der Straße“, ein Kurzfilm von Eva Löhr (1991) über Berliner Jugendgangs und ihre Konfrontationen mit Neonazis.
An der Demonstration beteilgten sich schließlich rund 800 Personen, die ca. zur Hälfte dem Antifaspektrum zuzuordnen waren. Die Übrigen bildeten Anwohner_innen, lokale Initiativen, sowie weitere Organisationen und Vereine aus dem Kiez. Die im Vorfeld der Demonstration verteilten Flyer und Plakate in mehreren Sprachen trugen ihren Teil dazu bei.
In Redebeiträgen wurden unter anderem das Hausprojekt Scherer 8 , die jüngsten Naziangriffe im Viertel und der um sich greifende Rechtspopulismus angesprochen. Ein Thema waren auch die unhaltbaren Straßennamen im sogenannten „Afrikanischen Viertel“, wo immer noch die Namen von Protagonist_innen des menschenverachtenden deutschen Kolonialismus an den Straßenschildern prangen. Schließlich gab es noch Informationen zur „FN-Mitte“ und ihren Protagonist_innen Steve Hennig, Christian Schmidt aus Weißensee, Demetrio Krüger aus Moabit und Falk Isernhagen aus Kreuzberg.
Gegen Ende der Demonstration versuchte die Berliner Polizei wie üblich, das massive Aufgebot zu rechtfertigen und nahm im Zuge dessen einige Personen fest. Die Veranstalter_innen sprachen von mindestens 2 Festnahmen. Obwohl der Grund der Festnahmen nicht ersichtlich war und die Abschlusskundgebung massiv gestört wurde, ging die Polizei mit der gewohnten Routine gegen die Teilnehmer_innen der Demonstration vor.

Vorbereitungskreis „Nazis auf die Pelle rücken!“

Bericht: Classless | Bilder: 1 2 3

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Aufruf der Wedding-Demo

17.September 2010: Nazis auf die Pelle rücken
Antifa-Demo 18 Uhr U-Bhf. Osloer Str.

Der Wedding- Stadtteil und Mythos mitten in Berlin. Als sozialer Brennpunkt, „Hort der Kriminalität“ und Projektionsfläche rassistischer Ängste vor einer vermeintlichen Überfremdung durch „den Islam“, ist er im Bewusstsein der Stadtbewohner_innen allgegenwärtig.

Doch halt! Nazis im Wedding?!
Für das Jahr 2009 wurden nach offiziellen Statistiken mindestens neun rechte und rassistische Angriffe verübt- ein berlinweiter Platz zwei! Die Gewalt eskalierte bis hin zu einem Mordversuch durch zwei Neonazis im U-Bahnhof Rehberge an Personen mit iranischem Migrationshintergrund am 19. September 2009. Rechter Straßenterror und Alltagsrassismus – sie gehören durchaus zum Alltag im Wedding. Ob rassistische Kolonialromantik anhand der Straßennamen des „Afrikanischen Viertels“ oder die ganz praktische Einschüchterung von Mitgliedern der afrikanischen Community in der Sprengelstraße durch Drohbriefe im rechten Online-Portal Altermedia: Rassismus und Neonazis bleiben hier präsent.

Roter Wedding?
Fernab vom Ruf des „Roten Weddings“, entwickelte sich im letzten Jahr in Berlin und somit auch im Wedding, eine junge, aktionistische Neonazi-Kameradschaft namens „Freie Nationalisten Berlin-Mitte (FN-Mitte)“. Diese erklärte u.a. Wedding und Moabit zu Ihrem Aktionsraum. Die FN-Mitte pflegten enge Kontakte zur brandenburgischen Kameradschaft KMOB, die mit Ihrer Selbstauflösung Anfang Juli einem Verbot zuvor kam. Zu den ca. 15 Mitgliedern der FN gehören der Weißenseer Christian Schmidt, der Kreuzberger Falk Isernhagen, der Moabiter Demetrio Krüger und der langjährige Nazi-Aktivist Steve Hennig aus dem Wedding. Daraus wird klar: Es gibt keinen anonymisierten rechten Straßenterror, sondern Menschen, die für Ihr Handeln verantwortlich gemacht werden können!
Sei es das Verkleben rassistischer Aufkleber und Plakate, wiederholtes Sprühen von Hakenreuzen und rechten Parolen an Parteibüros, Moscheen, das Moabiter Rathaus und die Hausprojekte Scherer 8 und Groni 50. Oder das Verteilen rassistischer Flugblätter, sowie Pöbeleien und Angriffe auf migrantische bzw. linke Personen: die Aktionen der FN-Mitte begünstigen ein gesellschaftliches Klima, in dem Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe und/ oder linken Gesinnung von Neonazis bedroht und angegriffen werden können. Wo die soziale Ausgrenzung und Verelendung immer mehr Menschen ergreift, versuchen sie mit völkischem Rassismus und Antisemitismus ein einfaches aber menschenverachtendes, neonazistisches Welterklärungsmuster zu streuen. Dem treten wir entgegen und sagen:

Neonaziterror stoppen – in Wedding und überall!
Die Aktionen im Wedding reihen sich ein in eine lange Liste rechter und rassistischer Übergriffe von Neonazis auch über den Wedding hinaus. Von Weißensee und Prenzlauer Berg bis hin nach Lichtenberg, Kreuzberg und Neukölln: seit mehr als einem Jahr nimmt der rechte Terror auf der Straße zu – die FN-Mitte kann für eine Vielzahl dieser Angriffe verantwortlich gemacht werden.
Der Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Aktivitäten von Neonazis auch im Wedding eine Tradition haben. Eine historische Rolle spielte hierbei der Neonazi-Kader Arnulf Priem, der bereits in den 90er Jahren als Rechtsterrorist mit Briefbombenanschlägen und Übergriffen in Verbindung gebracht werden konnte. Er wohnt noch immer im Wedding. Neben diesem Neonazi-Stützpunkt im Kiez rund um die Osloer Straße bestand in unmittelbarer Nachbarschaft bis mindestens 2004 der Bandproberaum der Rechtsrockband Spreegeschwader, einer der aktivsten Nazi-Bands Berlins.
Der Blick zurück zeigt aber auch, dass hartnäckige antifaschistische Intervention Wirkung zeigt. Mitte der 90er Jahre versuchten schon einmal Neonazis in Wedding und Moabit Fuß zu fassen. Als „Kameradschaft Beusselkiez“ versuchten sie politischen Einfluss zu gewinnen. Antifaschist_innen gelang es jedoch durch dauerhafte Präsenz, Outings, Infoveranstaltungen und nicht zuletzt durch direkte Aktionen, die Kameradschaft aus dem Kiez zu vertreiben.
Deswegen: Neonazistrukturen aufdecken und angreifen – praktische Solidarität mit allen angegriffenen Hausprojekten und Personen in Wedding und ganz Berlin. Der Verbreitung rassistischer Positionen und der Akzeptanz von Nazis stellen wir uns immer und überall entgegen! Auf zur antifaschistischen Demonstration im Wedding!

28.08.2010: Kein Kiez für Nazis!
Kundgebung: Weißensee 14 Uhr | Mahlerstr./Bizetstr.

Seit Mai häufen sich in Weißensee rechte Sprühereien, Pöbeleien und Übergriffe. Viele der Provokationen richten sich auch maßgeblich gegen den Jugendclub Bunte Kuh e.V. und das Kultur- und Bildungszentrum (KUBIZ) in Weißensee. Aus diesem Anlass veranstalten verschiedene Initiativen am 28. August eine Kundgebung gegen die Neonazipräsenz der letzten Monate. Video

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18. September 2010: NPD floppte

Mit Konzert und Kundgebung wollte die NPD am vergangenen Samstag den Wahlkampfauftakt zu den Abgeordnetenhaus-Wahlen 2011 einläuten. Die einschlägig bekannten Nazi-Bands „Exzess“, „Kahlschlag“ und „Totalverlust“ sollten den Nachwuchs anlocken, so die Hoffnung. Gekommen waren letztlich nur 250 statt der angemeldeten 500 Nazis. Dank dem Engagement von rund 120 Antifaschist_innen, die den Nazis schon im S-Bahnhof Schöneweide durch Sitzblockaden den Weg versperrten, begann das Konzert eine Stunde später als geplant.
Zeitgleich zu dem NPD-Konzert fand in der Nähe eine Gegenkundgebung mit zeitweise bis zu 500 Menschen statt. Sie waren unter anderem dem Aufruf des Bündnisses „Zusammen! Gegen die NPD“ gefolgt. Ein massives Polizeiaufgebot verhinderten Proteste in Ruf- und Sichtweite des Nazi-Konzerts. So blieb es bei symbolischen Protesten wie ein großes „Berlin gegen Nazis“-Banner an einer Hauswand.
Das Konzert vom Samstag sollte die NPD als Partei präsentieren, die in der Hauptstadt kampagnenfähig und mobilisierungsstark ist. Dort geriet die dienstälteste rechtsextreme Partei in den letzten Monaten zunehmend unter Druck. Während die Parteiführung mit der inzwischen fast bedeutungslosen DVU über eine Fusion verhandelt, kündigten mit „Pro Berlin“ und der „Freiheitspartei“ zwei weitere rechte Gruppen an, im kommenden Jahr zu den Wahlen in Berlin antreten zu wollen. Diese Konkurrenzsituation dürfte die Erfolgsaussichten für alle Gruppen minimieren. Zudem löst sich die Verbindung der NPD zu den „Freien Kameradschaften“ immer weiter auf. Die parteiungebundenen Kräfte üben mit ihren Musik- und Freizeitangeboten seit Jahren eine deutlich höhere Anziehungskraft auf rechtsorientierte Jugendliche aus.

Presseschau
20.09.2010 TAZ: NPD ganz ohne Groove
20.09.2010: Junge Welt: Berlin-Schöneweide: Bahnhofsblockade durch Antifaschisten behindert NPD-Kundgebung
20.09.2010 Berliner Zeitung: Sitzblockade gegen NPD-Kundgebung
20.09.2010 Neues Deutschland: Gegen braunen Spuk in Johannisthal
19.09.2010 Netz gegen Nazis: NPD-Konzert in Berlin kämpfte mit mangelnder Beteiligung
19.09.2010 Berliner Kurier: Marsch der Aufrechten
19.09.2010 Stadtmorgen: NPD-Kundgebung und Gegenveranstaltungen verliefen ohne nennenswerte Störungen
19.09.2010 ZEIT-Blog: NPD floppt mit Nazikonzert in Berlin
19.09.2010 Märkische Oder-Zeitung: Hunderte demonstrieren gegen NPD
18.09.2010 RBB-Abendschau: Proteste gegen NPD-Demo in Schöneweide
18.09.2010 Morgenpost: Sitzblockade verzögert Neonazi-Aufmarsch
18.09.2010 Indymedia: NPD-Kundgebung legt Schöneweide lahm
18.09.2010 Tagesspiegel: Hunderte demonstrieren gegen NPD-Kundgebung

Bilder: Rassloff | Zellmann | Kietzmann | PM_C | Videos: 1 | 2

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Aufruf Gegenaktivitäten zur NPD-Kungebung in Schöneweide

18. September 2010: Rechtsrock abdrehen
11 Uhr NPD-Kundgebung/Rechtsrock-Konzert in Schöneweide blockieren!

Wie schon so oft will die neofaschistische Berliner NPD am 18.September mit platten Parolen gegen ein gleichberechtigtes Zusammenleben von Menschen verschiedener Herkunft hetzen. Als Anlass soll das geplante Integrationsgesetz des Berliner Senats herhalten, um Ängste vor einer angeblichen “Überfremdung” zu schüren.
Auf der Kundgebung zum Berliner Wahlkampfauftakt der Nazipartei sollen obendrein mehrere Rechtsrockbands die Berliner_innen mit Hassparolen beschallen, unter Beteiligung teils einschlägig vorbestrafter NPD-Funktionäre.
Rassismus und Hetze gegen Migrant_innen gehören zum Kernprogramm der NPD. Die Ankündigung der Naziveranstaltung strotzt vor rassistischen Beleidigungen und Ressentiments. Die NPD verfälscht die realen gesellschaftlichen Verhältnisse und konstruiert eine „Diskriminierung“ von
„Deutschen“. Schon lange sind den Nazis gleiche Rechte und Chancengleichheit für alle hier lebenden Menschen ein Dorn im Auge.
Die NPD steht für eine rassistische, antisemitische und hasserfüllte Politik gegen einen Großteil aller Menschen in dieser Stadt.
Wir sagen Nein! Kein Platz für Nazis in den Parlamenten, auf den Straßen, Plätzen und Köpfen!
Am 1.Mai haben tausende Menschen in Berlin gezeigt, dass sie keine Neonazis und keine rassistische Propaganda dulden.

>>> Hintergründe zu den Bands und Rednern | Info-Veranstaltung zusammengegendienpd.blogsport.de

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Redebeitrag bei der Antifa-Kundgebung am 18.09.2010 in Schöneweide

Wer Integration fördern will, sollte die Unterbringung von Flüchtlingen in Sammellagern endlich aufgeben.

Die NPD demonstriert heute gegen ein vom Senat geplantes Integrationsgesetz. Unabhängig von der rassistischen und menscheinfeindlichen Propaganda der NPD und den Rechtspopulisten im konservativen Gewand, wie den Pro-Parteien und Sarrazins, müssen wir uns trotzdem fragen, wie wir zu dem Vorhaben des Rot-Roten Senats stehen. Ich möchte dazu ein Thema aufgreifen zu dem seit langem Debatten geführt werden, aber nur wenige nennenswerte Erfolge registrierbar sind: Die Unterbringung von Flüchtlingen in Sammellagern.
Rot-Rot hat in den letzten Monaten öffentlichkeitswirksam die Residenzpflicht für Asylsuchende und geduldete Flüchtlinge zumindest in der Region Berlin-Brandenburg ausgehöhlt. Flüchtlinge können sich nunmehr in der Region frei bewegen und müssen sich seltener bei der jeweiligen Ausländerbehörde melden. Bei all den Einschränkungen die diese Verordnungen noch haben, muss dennoch konstatiert werden: Das war ein wichtiger und längst überfälliger Schritt.
Doch nebenbei wurde stillschweigend ein anderes, ebenfalls wichtiges Reformbestreben aufgegeben: die Unterbringung von Flüchtlingen in Wohnungen statt in Lagern. Seit 2001 hat der Senat schrittweise die Verträge mit den privaten Betreibern der Gemeinschaftsunterkünfte auslaufen lassen. Nur noch die zentrale Erstaufnahme in der Motardstraße blieb übrig, sowie fünf kleinere vertragsgebundene Einrichtungen. Seit 2003 gibt es in Berlin im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern keinen Lagerzwang mehr – das heißt vereinfacht: Wer als Flüchtling eine Wohnung findet, darf aus dem Lager ausziehen. Das hat bisher auch die ganz überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge getan, seit einiger Zeit ist jedoch eine Trendwende zu beobachten.
Nach Angaben des Landesamtes für Gesundheit und Soziales konnten 2009 nur noch 44 Prozent der Asylbewerber nach Auszug aus der Erstaufnahmestelle in eine Wohnung ziehen - zwei Jahre zuvor waren es noch rund 70 Prozent. Mittlerweile muss über die Hälfte erst einmal in anderen Lagern untergebracht werden. Allzu leicht findet der Senat neue Möglichkeiten Flüchtlinge wieder in Lager zu stecken. So wurden 100 Menschen in einem heruntergekommenen Plattenbau in Marzahn-Hellersdorf gemeinsam mit deutschen Obdachlosen untergebracht. Neu ist die gemeinsame Unterbringung zweier an den Rand der Gesellschaft gedrängter Gruppen nicht, die Tendenz ist jedoch steigend. Der Staat zahlt, also entscheidet auch der Staat über die Unterbringung der sogenannten LeistungsbezieherInnen.
Verantwortlich für die neue Situation macht der Senat die steigenden Mieten auf dem Berliner Wohnungsmarkt - Wohnungen für kleine Familien oder alleinstehende Menschen zu Preisen zu finden, die das Sozialamt übernimmt, sei sehr viel schwieriger geworden. Stattdessen wird jetzt wieder in Heime investiert. Dass diese viel teurer sind, als private Wohnungen hat eine kleine Anfrage im Abgeordnetenhaus ergeben. Profitieren von diesen Unterkünften tun nur die Betreiber - und das auf Kosten der Flüchtlinge.
In Berlin sind die Wohnungen teurer geworden, soweit so schlecht. Unabhängig von der Diskussion inwieweit das Mietspiegel-Problem in Berlin hausgemacht ist, muss es dennoch einen konstruktiven Umgang mit der aktuellen Situation geben: Wenn die Mieten steigen, dann müssen eben auch die Mietobergrenzen an die Preisentwicklung angepasst werden. Für Asylsuchende - wie übrigens auch für EmpfängerInnen von Hartz-IV - gelten Mietobergrenzen, die seit 2005 nicht mehr nennenswert erhöht worden sind. Aber das ist nicht das einzige Problem: Oftmals scheitert die Anmietung einer privaten Wohnung an der Kaution. Die Flüchtlinge haben, auch aufgrund des geltenden Arbeitsverbots, einfach nicht das Geld dafür. Trotzdem sind die Sozialämter - anders als bei Beziehern von Hartz4 - nicht bereit, die Kautionen zu übernehmen. Unverständlich auch, da die Sätze nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ohnehin noch weit unterhalb von Hartz-IV liegen. Was die Unterbringung von Flüchtlingen, immerhin viele tausende Menschen allein in Berlin-Brandenburg, in Heimen statt in Wohnungen für ihre Integration bedeutet könnt ihr euch sicher vorstellen.
Menschen weiterhin in Containerlagern wie in der Motardstraße oder Bruchbuden wie dem neuen Lager in Marzahn unterzubringen, verstößt gegen die Würde des Menschen - und diese ist unantastbar. Das gilt auch für Obdachlose und Flüchtlinge!
Der regierende Bürgermeister spricht von sozialer und kultureller Integration: Wenn tatsächlich die politischen Prioritäten so verteilt wären, dann würden wir uns hier nicht mehr über Sammelunterkünfte und Arbeitsverbote beschweren, sondern könnten endlich über die aktive Gestaltung unserer Gesellschaft durch ALLE ihre derzeitigen Mitglieder diskutieren. Erst wenn wir beispielsweise über ein Wahlrecht für hier dauerhaft lebende Flüchtlinge reden wird es spannend. Aber davon sind wir noch weit entfernt.

In diesem Sinne: Backt lieber kleinere Brötchen statt euch mit Sonntagsreden zu überheben: Wohnungen statt Lagerzwang!

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