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04.12.2008 Jungle World
Kein Bier vor Vier!
Die Kampagne »Servicewüste für Nazis« dient nur dem eigenen Wohlbefinden, ihr fehlt das antifaschistische Verständnis.
Disko von Ivo Bozic

Die Aufkleber fürs Schaufenster gibt es gratis: »Für Nazis keine Happy Hour«. Auch sonst kostet die Kampagne die Gewerbetreibenden nichts. Dass ein Nazi mit Glatze, Bomberjacke und/oder »Thor-Steinar«-Klamotten in ein Geschäft in Ber­lin-Friedrichshain stiefelt und einen Latte Macchiato verlangt, kommt zwar sicher gelegentlich vor, aber auf solche Kunden zu verzichten, würde wohl keine Kneipe und kein Bistro finanziell in Bedrängnis bringen. Handelte es sich nicht um eine Anti-Nazi-, sondern um eine antifaschistische Kampagne, wäre das anders. Dann müsste auf den Aufklebern jedoch auch etwas anderes stehen, etwa »Kein Bier für Rassisten«, oder »Keine Pizza für Antisemiten«, »Keinen Kaffee für Na­tionalisten und Chauvinisten«, »Keinen Caipi für Sexisten«, oder auch im Schuhgeschäft: »Keine Schuhe für Holocaustleugner«.
Damit allerdings müssten die Läden, Clubs und Bars einen Großteil ihrer Kunden abschreiben. Einer aktuellen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zufolge sind 32 Prozent der Ost- und 18 Prozent der Westdeutschen ausländerfeindlich, acht Prozent der Ost- und über neun Prozent der Westdeutschen Antisemiten, über ein »geschlossenes rechtsextremes Weltbild« verfügen bundesweit 7,6 Prozent der Bevölkerung. Die wenigsten von ihnen verstehen sich als Nazis. Sie sind es, aber sie wissen es nicht. Sie wählen womöglich die CDU oder gar die Linkspartei, manche von ihnen sind vielleicht auch 70 Jahre alt und würden einen »Thor-Steinar«-Pullover nicht einmal dann anziehen, wenn sie ihn vom Enkel zu Weihnachten geschenkt bekämen. Wenn sie die Imbissstube betreten, um ihre Currywurst zu bestellen, grüßen sie nicht mit »Heil Hitler«, und dass der Aufkleber an der Wurstbude ihnen gilt, darauf würden sie nie im Leben kommen – und er gilt ja auch nicht ihnen.
Das Problem, das Gewerbetreibende bei dieser Kampagne haben, ist nicht nur, dass sie die Rassis­ten, Antisemiten und Nationalisten nicht erkennen, sondern dass sie sie auch gar nicht als Kunden verlieren wollen oder können, egal wie sehr sie gegen Nazis sind. Und drum ist die Kampagne »Servicewüste für Nazis« eine wohlfeile Gutmenschen-Aktion ohne Konsequenzen, um sich gut zu fühlen. Das Schlimme am Nazi ist ja nicht, dass er wie ein Nazi aussieht oder sich selbst als Nazi sieht, sondern dass er beispielsweise Rassist oder Antisemit ist. Das sind andere aber auch. Es könnte sogar ein Nicht-Deutscher sein, dem man das Bier verweigern müsste. Und ist nicht ein Innenminister, der die Abschiebung von Flüchtlingen verantwortet, ein ernster zu nehmender Rassist als ein dumpfer Prolet, der einfach »was gegen Kanaken« hat? Wo soll das enden? Bei Aufklebern wie »Keinen Schnaps für Angestell­te von Abschiebegefängnissen«, »Keinen Döner für Islamisten«, »Keine Cola für Menschen mit ver­kürzter Kapitalismuskritik«?
Hier offenbart sich, in welcher Sackgasse die gesamte Antifa und auch die bürgerlichen Bündnisse gegen Rechts stecken – ebenso die Kam­pagnen gegen »Thor-Steinar«. Gegen rechtes Gedan­kengut in der Gesellschaft hilft das alles nicht. Gegen Nazis zu sein, ist noch lange kein Antifaschismus.
Dass diese Kampagne im ehemaligen Hausbesetzer-Kiez in Berlin-Friedrichshain durchgeführt wird, zeigt überdies, dass ihr Motiv vor allem ist, den »eigenen Kiez« sauber zu halten. »Servicewüste für Nazis« – in der Sächsischen Schweiz wäre das eine wagemutige Aktion. Mal abgesehen davon, dass die Region ohnehin insgesamt eine Servicewüste ist, wäre es dort für Kneipenwirte und Bäcker tatsächlich mehr als ein billiges Bekenntnis, das nur das eigene Wohlgefühl erhöht. Vermutlich würden sie sich mit entsprechenden Aufklebern in ihren bald zerschmetterten Schaufenstern auch alles andere als wohl fühlen. Man kann sich allerdings vorstellen, was die Gewerbetreibenden in der Sächsischen Schweiz viel eher auf ihre Aufkleber drucken lassen würden: »Keinen Broiler für Linke«, »Keinen Futschi für Fidschis«, »Für Asylanten keine Happy Hour«.
Natürlich sind Nazis ein Problem, vor allem, wenn sie männlich und jung und somit latent ge­waltbereit sind. Das größere Problem aber ist die der Rechtsextremismus-Studie zufolge im Os­ten sogar zunehmende Verbreitung von autoritärem, nationalistischem, faschistischem Gedankengut. Dagegen helfen aber keine Aufkleber. Würden sie das, hätten sich die Rote Armee und die Royal Air Force viel Stress ersparen können.

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3.12.2008 Berliner Woche
Servicewüste für Nazis
Wie Friedrichshain zum Rechts-freien Raum werden soll.

Friedrichshain.Der Stadtteil entwickelt sich seit einiger Zeit zu einem weiteren Betätigungsfeld für Neonazis. Allein in diesem Jahr zählte die Opferberatungsstelle „Reach Out" bereits 26 Übergriffe mit rechtsradikalern Hintergrund.
Gegen das verstärkte Auftreten verschiedener Fascho-Formationen macht inzwischen unter anderem die „Bürgerinitiative gegen Rechts" mobil. Im Frühjahr entwickelte sie einen Button mit der Aufschrift „Servicewüste für Nazis", der, ebenso wie ähnliche Texte inzwischen an vielen Geschäften angebracht wurde. Für die Gewerbetreibenden hat die Initiative jetzt auch eine Broschüre erstellt, die zahlreiche Tipps zum richtigen Umgang, oder besser Nicht-Umgang mit brauner Kundschaft liefert.
„Wir wenden uns dabei speziell an die Gastronomen", sagt die Vorsitzende Canan Bayram. Denn nach Ansicht. der Rechtsanwältin und SPD-Abgeordneten muss es gerade im Interesse der Wirte liegen, dass ihre Lokale nicht in den Ruf einer „Nazi-Kneipe" kommen. „Sie haben dadurch einen finanziellen Schaden, weil andere Gäste abgeschreckt werden." Um dieses Klientel erst gar nicht zu einem Besuch zu animieren, sollten sich die Besitzer zum Beispiel schon durch das Auslegen von entsprechendem Informationsmaterial klar zu positionieren. Bei geschlossenen Versammlungen wird ihnen nahe gelegt, eine Vereinbarung abzuschließen, nach der rechtsextreme, fremdenfeindliche oder rassistische Inhalte untersagt sind. Und sie können sich natürlich auf ihr Hausrecht berufen und damit unliebsamen Personen Lokalverbot erteilen.
Auch um häufig latenten Rassismus, geht es der Initiative. Gerade verbale Attacken kämen häufig nicht zur Anzeige, sagt Helga Zeil von Reach Out. Und bei den Gewalttätigkeiten
gibt es oft eine Diskrepanz zu den Zahlen, die die Opferberatung oder andere Aktionsbündnisse registrieren und dem was die Polizei als eindeutig rechtsradikalen Hintergrund einordnet. „Das liegt zum einen daran, dass wir, über weitere Quellen verfügen." Außerdem laufen bei den Ermittlern manche solcher Vorfälle auch als gewöhnlichen Schlägereien oder Raubtaten. „Darüber entscheiden die Beamten vor Ort. Allerdings bestreitet auch die Polizei mittlerweile nicht mehr, dass es ein Problem mit Rechtsradikalismus in Friedrichshain gibt."
Zu lösen sei das nur mit einem verstärkten zivilgesellschaftlichem Engagement, so Canan Bayram. Nazis lassen sich durch gemeinsames Handeln zurückdrängen„ ist auch .die Grünen-Abgeordnete Clara Herrmann überzeugt. Sie verweist auf dieAktionen der :Geschäftsleute in der Münzstraße in Mitte, als dort ein „ThorSteinar-Laden" aufmachte. „Es entstand ein Miteinander in diesem Kiez, das ', seither anhält."
Ein Geschäft, dass dieses bei Rechtsradikalen beliebte Label betreibt, befindet sich bisher
auch im RingCenter. Das dortige Center-Management hat mittlerweile eine Räumungsklage gegen den Betreiber laufen. Gerade diese Vorkommnisse hätten auch das Bezirksamt noch einmal sensibilisiert, so Wirtschaftsstadtrat Dr. Peter Beckers (SPD). ,Es braucht eine ständige Auseinandersetzung mit diesem Thema."
Und manchmal auch ein beherztes Eingreifen. Das zeigte ein junger Mann im Frühjahr auf dem S-Bahnhof Frankfurter Allee. Eine Frau hatte dort zuvor einen Afrikaner zunächst rassistisch beschimpft und ihn dann ins Gleisbett geworfen. Der Augenzeuge kam dem Opfer sofort zu Hilfe und es gelang ihm, den Mann kurz vor der einfahrenden S-Bahn von den Gleisen zu ziehen. Für seinen Leben rettenden Einsatz wurde er vor einigen Wochen von der Bürgerinitiative ausgezeichnet.
Weitere Informationen zur Initiative gegen Rechts gibt es im Internet: www.initiantivegegenrechts.de. Regelmäßige Treffen sind an jedem ersten Dienstag im Monat ab 19 Uhr im Mieterladen, Kreutzigerstraße 23. Donnerstags zwischen 17 und 19 Uhr eine Hotline geschaltet: 74 07 88 31.

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29.11.2008 Berliner Abendblatt
Gegen das Wegsehen
Start der Aktion: Servicewüste für Nazis

Friedrichshain. Neonazis, ihr habt in unserem Kiez nichts zu suchen! Das ist die Botschaft, die mit einer neuen Aktion in ganz Friedrichshain verbreitet werden soll. Sie nennt sich „Servicewüste für Nazis". Auf die Beine gestellt wurde die Aktion jetzt von der Initiative gegen Rechts und dem Bezirksamt. Damit sollen die Gewerbetreibenden in Friedrichshain zum Mitmachen aufgefordert werden.
Im günstigsten Fall soll damit erreicht werden, dass Leuten aus der rechten Szene zu Kneipen und Geschäften der Zutritt verweigert wird. So können die Gastronomen und Ladeninhaber ein Logo an die Tür kleben mit der Aufschrift: „Für Nazis keine Happy Hour". Darüber hinaus erhalten die interessierten Gewerbetreibenden eine Mappe mit einer Checkliste zum Umgang mit rechtsextremer Kundschaft, Informationen über neonazistische Symbole und beliebte Modemarken der Szene sowie Adressen von Beratungsstellen.
„Wir wollen ein Friedrichshain, dass frei ist von rechten Parolen, Schlägern und Alltagsrassisten", sagt die türkisch-stämmige Berliner SPD-Abgeordnete Canan Bayram und Mitglied in der Initiative gegen Rechts. „Jede rechte Kneipe und jeder rechte Treff in Friedrichshain ist überflüssig und unerwünscht. Unser Bezirk soll bunt und vielfältig bleiben."
Und die Lage ist tatsächlich ernst: Rechtsextremismus und Rassismus sind in Friedrichshain auf dem Vormarsch. Im ersten Halbjahr 2008 gab es nach amtlichen Angaben bereits fünf rechtsextreme Gewalttaten - und damit mehr als im gesamten vergangenen Jahr. Der brutalste Zwischenfall war im März dieses Jahres der Mordversuch an einem Angolaner am S-Bahnhof Frankfurter Allee. Das Opfer war von einer 20Jährigen aus Neukölln erst rassistisch beschimpft und dann vor einen herannahenden Zug gestoßen worden. Nur dank dem beherzten Eingreifen eines zufällig anwesenden Beobachters konnte der 18-jährige Afrikaner gerettet werden.
Die Opferberatung bei rechtsextremen Gewalttaten ReachOut hat sogar für den selben Zeitraum 18 Vorfälle gezählt. Und im vergangenen Jahr haben sich in Friedrichshain 24, Übergriffe ereignet. Inzwischen hat auch das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz bestätigt, dass es im Kiez ein Problem mit rechtsextremer Gewalt gibt. Einige Übergriffe gehen von unorganisierten Rechtsextremen und Angehörigen so genannter Mischszenen wie den Hooligans aus. Allerdings versuchen auch organisierte Nazis wie die „Autonomen Nationalisten" verstärkt in Friedrichshain Fuß zu fassen. Mehrere Täter wohnen sogar hier.
Die Initiative gegen Rechts wurde nach einer Welle rechtsextremer Vorfälle im Jahr 2006 gegründet. Sie besteht aus Kiezbewohnern, Antifaschisten, Gewerbetreibenden, Politikern und Opferberatern. Ihr Ziel ist es, das allgemeine Desinteresse der Anwohner zu durchbrechen. Denn das Wegschauen sei auch ein Grund dafür, dass Menschen durch Friedrichshains Straßen gejagt und geprügelt werden. Infos unter www initiative-gegen-rechts.de.

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24.11.2008 Neues Deutschland
Eine Servicewüste für Nazis
Wie Friedrichshain Rechte aus dem Kiez vertreiben will / Gedenkdemo für Silvio Meier

Friedrichshain schlägt Alarm. Immer mehr rechtsextreme Übergriffe werden registriert. Das beginnt mit Pöbeleien und endet mit körperlichen Attacken. Im Juli wurde eine 20-jährige Frau zu drei Jahren und sechs Monaten Jugendstrafe verurteilt, weil sie auf dem S-Bahnhof Frankfurter Allee einen Angolaner ins Gleisbett gestoßen hatte. In letzter Sekunde war der Mann vor dem einfahrenden Zug gerettet worden. In der Samariterstraße wurde das alternative Sama-Café von Nazis überfallen.
Nun wollen die Bürgerinitiative gegen Rechts und die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) zusammen mit Geschäftsleuten den Nazis in Friedrichshain den Aufenthalt so schwer wie möglich machen. Mit der Broschüre »Servicewüste für Nazis« werben sie mit Flyern und Aufklebern wie »Für Nazis keine Happy Hour« für einen weiterhin toleranten Kiez. Unterstützt wird die Aktion von den Abgeordnetenhausmitgliedern Canan Bayram (SPD) und Clara Herrmann (Grüne). Einen Teilerfolg sieht Wirtschaftsstadtrat Peter Beckers (SPD) darin, dass dem Thor-Steinar-Laden im Ring-Center gekündigt wurde.
In der »Handreichung für Gewerbetreibende« werden auch Tipps gegeben, wie verhindert werden kann, dass Rechtsextreme sich in Kneipen breit machen. Beispielsweise durch Kreativität: Per Plakat könnte verkündet werden, dass ein Anteil von jedem Getränkepreis an eine antirassistische Organisation geht. Oder man kann seine Kneipe (vorübergehend) in einen Klub umwandeln. Die Klubkarten erhalten gegen eine geringe Gebühr nur diejenigen, die man wirklich haben will. Wenn den Nazis gezeigt wird, dass sie als Gäste unerwünscht sind, dann hat das meist auch Erfolg, heißt es in der Broschüre.
Viele Gastronomen sehen allerdings ein Problem darin, dass Rechtsradikale schon lange nicht mehr äußerlich erkennbar sind. Außerdem fühlen sich Geschäftsleute oft von der Polizei allein gelassen, wenn sie rechtsextreme Pöbeleien anzeigen. »Das wird vielfach nicht ernst genommen«, so ein Kneipenwirt.
In der vom Verfassungsschutz veröffentlichten Studie »Rechte Gewalt in Berlin 2003 bis 2006« wird festgestellt, dass Friedrichshain in diesem Zeitraum nach Prenzlauer Berg und Lichtenberg der Ortsteil mit den meisten rechtsextremen Gewalttaten war. »In diesem Jahr wurden uns 28 Übergriffe von Rechten gemeldet«, so Annemarie Benzing von der MBR. Zwei davon seien in Kreuzberg passiert.
An eine Gewalttat vor 16 Jahren erinnerten am Sonnabend Hunderte Demonstranten. Am 21. November 1992 wurde der Friedrichshainer Hausbesetzer Silvio Meier am U-Bahnhof Samariterstraße von Neonazis erstochen.
Die Polizei nahm am Rande der Demonstration, die von Friedrichshain nach Lichtenberg zog, sieben Menschen fest – darunter fünf Rechte, die sich entlang der Route im Lichtenberger Weitlingkiez in einem Hausflur vermummt und mit Knüppeln bewaffnet getroffen hatten. Außerdem wurden eine Axt, andere Schlagwerkzeuge, Quarzsandhandschuhe und Pfefferspray beschlagnahmt. Nach Polizeiangaben verlief die Demonstration mit bis zu 1200 Teilnehmern friedlich. Die Veranstalter sprachen von rund 2000 Teilnehmern. Zeugen berichteten von Naziprovokationen im Verlauf der Demonstration. So hätten einige Neonazis Farbeier von einem Dach in der Weitlingstraße auf die Antifaschisten geworfen.

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24.11.2008 TAZ

"Klar, die Aktion ist provokant"
Bei der Aktion "Service-Wüste für Nazis" sollen Geschäftsleute nichts an Nazis verkaufen, erklärt Mitinitiatorin Canan Bayram. Assoziationen zur Judenverfolgung der Nazis seien durchaus gewollt. VON JENNY MARRENBACH

taz: Frau Bayram, woran erkennt man heutzutage einen Nazi?
Canan Bayram: Eine schwierige Frage. Viele Nazis tragen ja nicht immer offensichtliche Kleidung wie Bomberjacke und Springerstiefel. Gerade in Berlin geht der Trend unter Nazis dahin, das Outfit der Autonomen zu übernehmen. Ein Nazi kann nicht nur an Äußerlichkeiten erkannt werden. Eher erkennt man ihn daran, was er tut oder sagt. Es gibt aber auch bestimmte Symbole, nach denen man Ausschau halten kann. Zum Beispiel Kleidung der Marke Thor Steinar.

Wo in Friedrichshain sind besonders viele Nazis unterwegs?
Wenn man über die Biermeile läuft, findet man sie schon. Ich war neulich beim Thailänder in der Rigaer Straße, und da kam auch einer mit Thor-Steinar-Sachen rein.

Wie haben Sie reagiert?
Ich hab den Wirt daraufhin angesprochen, und der hat die Sache geregelt.

Und den Thor-Steinar-Träger aus der Kneipe verwiesen?
Er hat ihm deutlich die Grenze aufgezeigt und ihm nichts zu essen verkauft.

Wie sollten Gewerbetreibende generell reagieren, wenn Nazis in ihre Geschäfte kommen?
Sie sollten die Leute auf deren Haltung ansprechen. Dann entwickelt sich hoffentlich ein Gespräch, bei dem der Nazi über sein Verhalten reflektiert. Im Idealfall wäre es aber so, dass der Ladenbesitzer deutlich macht, dass sein Angebot nicht für jeden gilt.

Genau dazu verteilt Ihre Initiative Aufkleber für Ladenfenster, auf denen steht "Für Nazis keine Happy Hour". Können solche Aufkleber nicht auch falsche Assoziationen wecken, etwa an Schilder aus dem Dritten Reich, mit denen Juden der Einlass in Geschäfte verwehrt wurde?
Selbst wenn diese Assoziation so entstehen sollte, dann ist das ja in der Absicht gewollt. Es soll ja der Eindruck entstehen, dass die Menschen und ihre Haltung unerwünscht sind. Im Unterschied zum Dritten Reich gehen wir natürlich davon aus, dass ein Nazi seine Haltung ablegen kann. Bei den Juden ging es ja um deren Herkunft. Klar, die Aktion ist provokant - aber wir brauchen ein klares Signal. Außerdem ist es ja eine Umkehrung der Verhältnisse von damals - nun wird der ausgrenzt, der damals ausgegrenzt hat.

In Friedrichshain hat es laut Statistiken der Opferberatung Reach Out in diesem Jahr 26 rassistisch motivierte Übergriffe gegeben. Das ist mehr als in irgendeinem anderen Stadtteil Berlins. Warum gerade Friedrichshain?
Nachforschungen haben ergeben, dass viele der Straftaten von sogenannten Freizeitnazis begangen werden. Die kommen speziell in das eigentlich linke Friedrichshain angereist und starten, meist alkoholisiert, Angriffe auf Linke, Schwule, Lesben und Migranten. Manche halten sich in bestimmten Läden auf, wie zum Beispiel dem "Jeton" in der Frankfurter Allee. Es gab auch eine Zeit lang in der Vogtstraße eine rechte Kneipe, im letzten Jahr wurde das "Ambrosius" von vielen Rechten besucht.

Also gibt es einfach eine zu gute Infrastruktur für Rechte im Kiez?
Es machen immer wieder Läden auf, die Nazis anziehen. Aber bis auf das Jeton haben sich viele entweder von den Nazis distanziert oder wurden geschlossen. Jetzt gerade hat ja das Ring Center einem Laden, der Thor-Steinar-Sachen verkauft hat, gekündigt.

Ihre Initiative richtet sich gezielt an Gewerbetreibende. Welche Bedeutung haben Kneipen- und Ladenbesitzer bei der Arbeit gegen Nazis?
Für uns tragen sie mit an einer gesellschaftlichen Verantwortung. Sie können dazu beitragen, dass sich Migranten hier wohler fühlen. Außerdem gibt es auch viele Ladenbesitzer, die selbst einen Migrationshintergrund haben - und für die ist es wichtig, dass sie hier ohne Gefahr ihr Geschäft betreiben können.

83 Kommentare zu dem Artikel bei TAZ.de

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24.11.2008 Junge Welt
»Aus Trauer wird Wut«

Berlin. 1800 Antifaschisten haben am Samstag in Berlin des Hausbesetzers Silvio Meier gedacht, der vor 16 Jahren im U-Bahnhof Samariterstraße von Neonazis erstochen worden war. Die von mehreren hundert Polizisten begleitete Demonstation unter dem Motto »Aus Trauer wird Wut« startete am Nachmittag am damaligen Tatort im Stadtteil Friedrichshain und führte nach Lichtenberg in den Weitlingkiez, eine Hochburg der Neofaschisten. Redner erinnerten an die Opfer rechter Gewalt in Europa und riefen dazu auf, Neonazis, ihre Ideologie und rechte Organisationen offensiv zu bekämpfen. Im Umfeld der Demonstration nahm die Polizei fünf junge Rechte fest und beschlagnahmte Schlagwaffen. Derzeit werde geprüft, ob sie möglicherweise einen Angriff auf Antifaschisten geplant haben, teilte ein Polizeisprecher ddp gegenüber mit. Bereits am Freitag abend hatten sich rund 70 Menschen im U-Bahnhof Samariterstraße an einer Mahnwache für Silvio Meier beteiligt.

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24.11.2008 Morgenpost
Sieben Festnahmen bei Kundgebung

Bei dem Aufzug zum Gedenken an Silvio Meier, der am 21. November 1992 bei einer Auseinandersetzung mit Skinheads getötet worden war, hat die Polizei Gewalttätigkeiten zwischen Teilnehmern der Demonstration und Angehörigen der rechten Szene verhindert.
Sie nahm in einem Hausflur an der Weitlingstraße in Lichtenberg fünf mutmaßliche Rechtsradikale fest, die sich am Rande der Kundgebung dort vermummt und mit Knüppeln bewaffnet zusammengefunden hatten.
Unter dem Motto "Aus Trauer wird Wut" zogen am Sonnabend mehr als 1 200 Linksautonome durch Friedrichshain und Lichtenberg. Die Polizei nahm insgesamt sieben Personen vorläufig fest und sprach drei Platzverweise aus. Gegen die fünf Angehörigen der rechten Szene wurden Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet, gegen zwei weitere Personen Anzeigen wegen des Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole und wegen Beleidigung erstattet. Die Polizei beschlagnahmte zudem mehrere Schlagwerkzeuge, Pfefferspray, eine Axt und Quarzsandhandschuhe sowohl bei Teilnehmern als auch bei Gegnern der Veranstaltung.
Der Aufzug der linken Gruppen dauerte von 16 bis 18.30 Uhr. Er begann am U-Bahnhof Samariterstraße, wo Silvio Meier am 21. November 1992 tödlich verletzt worden war. Der Aufzug endete am Bahnhof Lichtenberg.
Mehr als 700 Polizeibeamte begleiteten den Demonstrationszug. Versuche einiger gewaltbereiter Autonomer, die Stimmung im Aufzug anzuheizen, fanden nach Polizeiangaben kaum Resonanz. Bereits am Vormittag hatte die Polizei entlang der Weitlingstraße, an der viele Rechtsradikale wohnen, Personenkontrollen durchgeführt.
Auf der Frankfurter Allee kam es zu erheblichen Verkehrsbeeinträchtigungen. Sie wurde zeitweise komplett für den Autoverkehr gesperrt. In der Rigaer Straße wurden 61 Fahrzeuge umgesetzt, die den Aufzug behinderten. Nach Polizeiangaben wurden entlang der Demonstrationstrecke 14 Fahrzeuge beschädigt.

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24.11.2008 Tagesspiegel
Silvio-Meier-Demo bleibt friedlich

Zum Gedenken an den von Neonazis ermordeten Silvio Meier kamen am Samstag 1200 Menschen zusammen. Die traditionelle linke Veranstaltung verlief friedlich. Es gab sieben Festnahmen, darunter sechs Personen aus der rechten Szene, die offenbar vor hatten, den Demonstrationszug anzugreifen.

Berlin - Mit einer Demonstration haben am Samstag nach Polizeiangaben 1200 Menschen in Berlin an den vor 16 Jahren ermordeten Hausbesetzer Silvio Meier erinnert. Die traditionelle Veranstaltung verlief laut Polizei friedlich. Sieben Personen wurden vorläufig festgenommen, darunter sechs mutmaßliche Angehörige der rechten Szene. Die Beamten sprachen drei Platzverweise aus und stellten unter anderem mehrere Schlagwerkzeuge sicher.
Der Zug unter dem Motto "Aus Trauer wird Wut", an dem vor allem Linke und Antifaschisten teilnahmen, führte vom U-Bahnhof Samariterstraße in Friedrichshain zum Bahnhof Lichtenberg. In dem von der rechten Szene bevorzugten Weitling-Kiez fand eine Abschlusskundgebung statt. Die Polizei war mit rund 700 Beamten im Einsatz. Durch die Demonstration kam es zu starken Verkehrsbehinderungen. 61 Fahrzeuge wurden abgeschleppt. An der Aufzugsstrecke wurden 14 beschädigte Pkw festgestellt.

Weiße Farbe vom Dach - offenbar Provokation
Mehrmalige Versuche einiger gewaltbereiter Personen, die Stimmung im Aufzug anzuheizen, fanden nach Polizeiangaben kaum Resonanz. Fünf mutmaßliche Rechtsextreme wurden in einem Hausflur in der Weitlingstraße festgenommen, wo sie sich vermummt und mit Knüppeln bewaffnet zusammengefunden hatten. Ob sie möglicherweise einen Angriff auf die Teilnehmer der Demonstration planten, ist Gegenstand der Ermittlungen. Gegen sie wurden Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet. Gegen zwei weitere Personen erstatteten die Beamten Anzeigen wegen des Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole und wegen Beleidigung.
Offenbar als Provokation wurde vom Dach eines Wohnhauses in der Weitlingstraße weiße Farbe geschüttet, wodurch die Dienstkleidung von Einsatzkräften beschädigt wurde. Die Polizisten beschlagnahmten neben den Schlagwerkzeugen Pfefferspray, eine Axt und Quarzsandhandschuhe.
Der 27-jährige Meier war am 21. November 1992 am U-Bahnhof Samariterstraße in Friedrichshain von Rechtsextremisten überfallen und erstochen worden. Die drei Täter wurden 1993 zu Jugendstrafen von bis zu vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zu Meiers 15. Todestag im vergangenen Jahr hatten sich 1600 Menschen an der Gedenkdemonstration beteiligt. Es hatte 13 Festnahmen gegeben.

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19.11.2008 Neues Deutschland

»Ein freiwilliger Pflichttermin«
Silvio-Meier-Demonstration am Samstag zum Gedenken an 1992 von Neonazi getöteten Hausbesetzer

Unter dem Titel »Aus Trauer wird Wut« findet am Samstag eine Demonstration in Gedenken an den 1992 getöteten Hausbesetzer Silvio Meier statt. Wie in vergangenen Jahren führt der Protestmarsch von Friedrichshain in den Lichtenberger Weitlingkiez, einer seit langem als rechte Hochburg bezeichneten Gegend.
Andrea Weber ist an der Vorbereitung der Demo beteiligt. »Es ist bemerkenswert, dass sich eine solche Gedenkkultur entwickelt hat«, meint die 30-jährige Kreuzbergerin. »Schließlich war Silvio Meier nicht das einzige Todesopfer neonazistischer Gewalt in der BRD.« Weber ist Sprecherin der Antifaschistischen Linken Berlin und bezeichnet die Demonstration als »freiwilligen Pflichttermin« der Antifaszene. Das liege daran, dass »die meisten, die zur Demo kommen, bereits eigene Erfahrungen mit Neonazis gemacht haben. Daher die große Verbundenheit mit Silvio Meier«.
Der damals 27-jährige Hausbesetzer war am Abend des 21. November 1992 mit Freunden in Friedrichshain unterwegs, als es zu einer Auseinandersetzung mit Neonazis kam. Zunächst wurde einem der Rechten ein Nazi-Abzeichen abgenommen – wenig später fielen die Neonazis über die Linken her. Silvio Meier wurde durch mehrere Messerstiche getötet, einige seiner Begleiter schwer verletzt.
Erfahrungen, wie sie Andrea Weber beschreibt, hat auch Matthias gemacht. Er ist 19 Jahre alt und kommt aus dem Berliner Umland. Seinen richtigen Namen möchte er aufgrund von Bedrohungen durch Neonazis in seiner Heimatstadt im südlichen Speckgürtel der Hauptstadt nicht nennen. »Bei der Silvio-Meier-Demo kommen einfach alle zusammen. Schließlich war er einer von uns«, sagt Matthias.
Der Tod eines Genossen schweißt zusammen, auch wenn auf der Demo nur eine Hand voll Personen Silvio Meier persönlich gekannt haben dürfte. Für Matthias war die Silvio-Meier-Demo mit 15 Jahren eine der ersten politischen Veranstaltungen überhaupt. Damals wurde er von Freunden mitgenommen. Nachdem er in einem Regionalzug von einer Gruppe Neonazis brutal zusammengeschlagen wurde, kommt er regelmäßig zur Demo nach Berlin. Bei dem Überfall auf Matthias griffen Mitreisende nicht ein und auf dem Bahnhof seines Dorfes wurde das Aufsichtspersonal wegrationalisiert.
Die diesjährige Demonstration richtet sich gegen Strukturen der Neonazis im Weitlingkiez. In der Kneipe Jägerheim, unweit des Bahnhofes, hält die örtliche NPD unter der Führung der Kreisvorsitzenden Manuela Tönhardt regelmäßig ihre Sitzungen ab. Einige Schritte weiter in der Wönnichstraße betreibt die lokale »Kameradschaft Spreewacht« (KSW) ein eigenes Clubhaus. Die KSW bildet das soziale und politische Umfeld für die Musikgruppe »Legion of Thor«, einer bundesweit aktiven Rechtsrockband.

Mahnwache am Todestag: 21. November, 16 Uhr, U-Samariter Str., Demo: 22. November, 15 Uhr, U-Samariter Str. silviomeier.de.vu

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12.11.2008 Junge Welt
Gedenkdemo für Silvio Meier in Berlin
Antifaschisten erinnern an ermordeten Hausbesetzer und informieren über Neonazis in Lichtenberg


Am Sonnabend, 22. November, findet die traditionelle Silvio-Meier-Gedenkdemonstration statt. Vom alternativ geprägten Bezirk Friedrichshain ziehen die Demonstranten in den benachbarten Weitlingkiez, einer rechten Hochburg in Berlin-Lichtenberg. Die Demonstration erinnert an den vor 16 Jahren auf dem U-Bahnhof Samariter Straße von Neonazis getöteten Hausbesetzer Silvio Meier.
Im Kiez rund um den Bahnhof Lichtenberg hat sich seit Jahren eine rechte Szene etabliert. Die neofaschistische »Kameradschaft Spreewacht« (KSW) hat dort zum Beispiel ihr Klubhaus, wo regelmäßig Kneipenabende stattfinden. Auch die NPD ist in Lichtenberg aktiv. Bei den Wahlen zum Bezirks­parlament im September 2006 konnte deren offene Liste dort sechs Prozent der Stimmen gewinnen, rund doppelt so viel wie im Berliner Durchschnitt. Seit dem bilden der Landesvorsitzende der NPD, Jörg Hähnel, DVU-Landeschef Torsten Meyer und Manuela Tönhardt (NPD) eine Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung. Der NPD-Kreisverband hält seine Sitzungen regelmäßig in der Kneipe Jägerheim, ebenfalls wenige Meter vom Bahnhof Lichtenberg entfernt, ab. Auch junge Neonazis sind im Weitlingkiez aktiv. Zuletzt gab es im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen die »Heimattreue Deutsche Jugend« eine Razzia bei Björn W., einem Aktivisten der inzwischen verbotenen »Kameradschaft Tor«.
Antifaschisten sind seit Jahren in Berlin-Lichtenberg aktiv im Kampf gegen rechts. Im Sommer 2006 gab es eine große Kampagne unter dem Titel »Hol Dir den Kiez zurück«, die dafür sorgte, daß Lokalitäten der Rechtsextremen schließen mußten. Für die antifaschistische Demonstration am 22. November haben sich zahlreiche Berliner Antifagruppen zusammengeschlossen. Eine Sprecherin der Antifaschistischen Linken Berlin erklärte gegenüber junge Welt: »Wir finden es wichtig, das Gedenken an einen getöteten Aktivisten der Hausbesetzer- und Antifaszene mit aktuellen Kämpfen für linke Freiräume und gegen rechte Strukturen zu verbinden«

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12.11.2008 Tagesspiegel
Hauswand mit antisemitischen Parolen beschmiert
Antisemitische Graffiti: Eine Hauswand in Friedrichshain wurde am Dienstagabend mit Parolen und Hakenkreuzen beschmiert. Der Staatsschutz ermittelt.

Unbekannte haben am Dienstagabend in Friedrichshain eine Hauswand mit antisemitischen Parolen, Hakenkreuzen und anderer Hetze beschmiert. Die Schirftzüge waren auf einer Fläche von zwei mal 1,5 Metern angebracht Ein 49-jähriger Mieter des Mehrfamilienhauses in der Palisadenstraße habe die Graffiti bemerkt und die Polizei alarmiert, teilte die Behörde am Mittwoch mit.
Ein Mitarbeiter einer Wohnungsbaugesellschaft veranlasste die Beseitigung der Schmierereien. Der polizeiliche Staatsschutz ermittelt. (saw/ddp)

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11.11.2008 Tagesspiegel
Thor-Steinar-Mode verkauft: Laden gekündigt

Gegen den Modeladen „Doorbreaker“ hat das Ring-Center an der Frankfurter Allee in Lichtenberg eine Räumungsklage beim Landgericht eingereicht. Das Geschäft verkauft unter anderem die Marke „Thor Steinar“, das als rechtes Label gilt.
Das Mietverhältnis war nach Angaben des Center-Managers Lutz Heinicke schon im vergangenen August gekündigt worden, der Mieter aber habe den Laden nicht freiwillig räumen wollen. Von dem Geschäft war am Dienstag nur zu hören: „Kein Kommentar“. Andere Geschäfte des selben Namens betonten, sie hätten mit diesem Laden in Lichtenberg nichts zu tun.
Das Ring-Center teilte mit, es sei vom Bezirksamt Lichtenberg aufgefordert worden, den Verkauf dieser Marke zu unterbinden. Das ginge aber nicht so einfach: Alle Anbieter hätten Flächen im Center gemietet und in eigener Verantwortung Läden und Schaufenster „entsprechend ihrer Konzepte“ eingerichtet. In den Mietverträgen seien jeweils die Sortimentsgruppen vereinbart, die angeboten werden. „Allerdings ist es juristisch nicht möglich, dem Mieter ein bestimmtes Sortiment zu untersagen“. Dennoch sei das Geschäft mehrmals aufgefordert worden, das Sortiment zu ändern und die Ware der Marke Thor Steinar zu entfernen, teilte das Center-Management mit.

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07.11.2008 Tagesspiegel
Hass gegen die Liebe
Lesben und Schwule werden oft Opfer von Angriffen. Wie oft, weiß niemand – die Taten werden statistisch nicht gesondert erfasst. Wie tolerant ist Berlin wirklich?

Die nächtliche Fahrt mit dem Fahrrad endete für den 41-jährigen Familienvater mit einem doppelten Kieferbruch und Prellungen im Gesicht. Gleich eine ganze Gruppe von Jugendlichen, die sich offenbar auf die Lauer gelegt hatte, prügelte auf ihn ein, weil sie ihn für schwul hielten. Tatort dieses Falles aus dem vergangenen Sommer ist der Volkspark Friedrichshain, bekannt als Treffpunkt von Homosexuellen. Zeugen wollen die Täter gehört haben, wie sie "Schwule Säue!" riefen, ehe sie unerkannt entkamen.
Es ist einer von vielen Fällen homophober Gewalt in Berlin, die sich offenbar häufen. Ende Oktober traf es, wie berichtet, ein lesbisches Pärchen in Kaulsdorf, das von zwei Männern angegriffen wurde. Kurz zuvor wurde am U-Bahnhof Hallesches Tor in Kreuzberg ein Schwuler zusammengeschlagen; er kam mit einem Kieferbruch ins Krankenhaus. Verlässliche Zahlen, ob die Straftaten zunehmen, gibt es aber nicht. Der Grund dafür: Sie werden von der Polizei nicht gesondert erfasst. Homophobe Gewalt wird, anders als etwa antisemitische Gewalt, unter "Hasskriminalität" zusammengefasst. Und deren Zahl hat sich nach der Statistik zumindest nicht erhöht.
Das Projekt gegen homophobe Gewalt, Maneo, kritisiert das: "Statt die Opfer zu fragen, ob sie wegen ihrer sexuellen Identität angegriffen wurden, müsste die Polizei nach der Motivation der Täter fragen", sagt Jens Brodzinski, Sprecher von Maneo. Aus Angst oder aus der Absicht, sich nicht selbst outen zu wollen, würden viele Opfer nicht dazu Stellung nehmen, ob sie schwul oder lesbisch seien. Daher sei die Dunkelziffer bei diesen Gewalttaten sehr hoch. Maneo schätzt sie auf 90 Prozent.
Eine Zahl, die die Polizei nicht bestätigt. Andererseits soll sich an dem Grundsatz, homophobe Übergriffe nicht als solche zu registrieren, nichts ändern. "Es ist politisch nicht gewollt, Minderheiten zu erfassen", sagt Nicola Rothermel, Sprecherin der Innenverwaltung. Damit solle einer möglichen Stigmatisierung oder Diskriminierung der Opfer vorgebeugt werden. Die Berichte über diese Straftaten nehmen indes zu - das Spektrum reicht von Körperverletzung bis Sachbeschädigung. So wurde im Spätsommer das Mahnmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen beschädigt. Und auch die subjektiv empfundene Gewalt nimmt zu. Suchen Betreiber von Schwulenclubs einen Standort, kommen nur gut beleuchtete, viel frequentierte Straßen in der Nähe einer U- oder S-Bahn-Station infrage, sagt ein Clubbetreiber. Alles andere bedeute ein zu hohes Sicherheitsrisiko. Die meisten Gewaltvorfälle verzeichnet Maneo übrigens in Schöneberg.
Die scheinbar paradoxe Situation - tolerante Metropole mit selbstbewusstem Christopher Street Day, schwulem Stadtoberhaupt und einer Aids-Gala als Top-Ereignis der Gesellschaft - erklärt Bodo Mende, Vorstandsmitglied des Lesben- und Schwulenverbandes, so: "Offenbar haben Teile der Bevölkerung die Entwicklung zu mehr Gleichberechtigung für Homosexuelle nicht mitgemacht." Neben rechtsgerichteten Jugendlichen betreffe das vor allem Jugendliche aus Migrantenfamilien. "Dort müssen wir mit unserer Aufklärungsarbeit ansetzen", sagt Mende, "dazu brauchen wir aber die Migrantenverbände." Diese haben jetzt in einer Stellungnahme erklärt, "dass die sexuelle Orientierung Privatsache ist". Und weiter: "Ob wir etwas gutheißen oder nicht, wird und kann die Freiheit des Einzelnen in keiner Weise beschränken."
Doch das passiere immer wieder, sagen Betroffene. "Berlin ist bei weitem nicht so tolerant, wie viele denken. Sobald man aus dem Raster der Heterosexualität herausfällt, bekommt man oft Dinge zu hören, die die persönliche Integrität infrage stellen", sagt Ralph Zachrau vom Projekt "Aha" aus Kreuzberg. Wenn er als Mann in - keineswegs sexuell provozierender - Frauenkleidung unterwegs sei, bekomme er tagsüber auf dem Mehringdamm meist von Migranten Sätze zu hören wie "Schwuler, ich töte dich!". Passanten würden oft weghören. So litten auch Trans- sowie Bisexuelle unter verbaler und körperlicher Gewalt, sagt er. Betroffene aller Gesellschaftsschichten würden sich oftmals erst gar nicht outen, weil sie diskriminierendes Verhalten zu befürchten hätten.
Er selbst kenne einen Fall, bei dem ein Helfer von einem verletzt auf dem Boden liegenden Menschen abließ mit den Worten: "Ach, ist doch nur eine Transe."

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7.11.2008 Morgenpost
Bezirksamt gegen Thor Steinar

Das Management des Ring-Centers an der Frankfurter Allee Ecke Möllendorffstraße ist vom Bezirksamt Lichtenberg aufgefordert worden, das Modelabel Thor Steinar aus dem Einkaufszentrum zu verbannen. Die bei Rechtsradikalen beliebte und gefragte Marke wird seit geraumer Zeit in der dortigen "Doorbreaker"-Filiale verkauft.
- "Sollte das nicht bald unterbunden werden", sagte Vize-Bürgermeister Andreas Geisel (SPD), "wird das Bezirksamt zu Demonstrationen und Mahnwachen aufrufen".
Das Center-Management hat sich bisher bei "Doorbreaker" vergeblich bemüht, Thor Steiner loszuwerden. Der Technische Leiter Alexander Moll sagte gestern: "Unsere Bitte, die Ware aus dem Sortiment zu nehmen, stieß auf Ablehnung." Thor Steinar sei zwar nicht gut fürs Image des Centers, so Moll, man könne aber leider nicht eingreifen, da es sich um keinen Verstoß im juristischen Sinne handele. Die Marke sei unabhängig von der politischen Beurteilung nicht verboten.
Die Lichtenberger Jusos planen bereits Aktionen. Gestern Abend sollte darüber beraten werden. Vorsitzende Anne Meyer: "Wir denken daran, die Kunden vor dem Center über die wahren Hintergründe von Thor Steinar aufzuklären." Es könne nicht geduldet werden, in Lichtenberg Marken mit rechtsextremer Symbolik zu verkaufen. Im Oktober hatte das Berliner Landgericht der Räumungsklage eines Hamburger Vermieters gegen den umstrittenen Laden "Tønsberg" an der Rosa-Luxemburg-Straße, der Thor Steinar-Ware anbietet, stattgegeben. Auch in Hamburg und Magdeburg müssen solche Läden schließen.

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5.11.2008 Berliner Zeitung
Thor Steinar im Ring-Center
Politik fordert Kündigung

LICHTENBERG. Im Einkaufszentrum Ring-Center an der Frankfurter Allee verkauft eine "Doorbreaker"-Filiale die bei Rechtsradikalen beliebte und vom Verfassungsschutz beobachtete Kleidermarke Thor Steinar. Der Bezirk fordert vom Ring-Center, den Verkauf unverzüglich zu unterbinden. "Wir wollen keine Rechtsextremen in Lichtenberg haben und keine Läden, die sie anziehen", sagt Baustadtrat Andreas Geisel (SPD).
Das Center-Management sucht seit Langem nach einer Lösung. "Wir haben angeregt, die Thor-Steinar-Ware aus dem Sortiment zu nehmen", sagt Alexander Moll, Hausinspektor des Ring-Centers. Bisher zeige sich die Filialleitung jedoch wenig kooperativ. "Die Marke ist juristisch kein Verstoß gegen unseren Vertrag", sagt Moll. "Deshalb haben wir keine rechtliche Handhabe." Die Vereinbarung zwischen "Doorbreaker" und dem Ring-Center berechtigt den Laden, Mode für junge Leute zu verkaufen. Einzelne Marken werden nicht ausgeschlossen.
Zum weiteren Vorgehen möchte das Management des Ring-Centers nichts sagen. Auch die Filialleitung von "Doorbreaker" äußert sich nicht zu den Vorwürfen. "Ich denke, wenn wir deutlich machen, dass dieser Laden geschäftsschädigend für das ganze Center ist, verbessern wir die Handlungsmöglichkeiten des Managements", sagt Geisel.
Im Oktober hatte das Berliner Landgericht der Klage eines Vermieters aus Mitte stattgegeben, wonach der Laden "Tönsberg" seine Fläche in der Rosa-Luxemburg-Straße räumen muss. Der Betreiber hatte seine Thor-Steinar-Ware vor Vertragsabschluss nicht klar benannt.

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4.11.2008 Neues Deutschland
»Lasst die Frau in Ruhe«
Bürger ansprechen, zum Eingreifen ermuntern / Lokale Aktionspläne gehen in die nächste Runde

Eben noch redete der Bezirksbürgermeister – auf einmal ist Unruhe im Saal. Zwei junge Frauen unterhalten sich an der seitlichen Eingangstür lautstark über eine afrodeutsche Frau im Publikum. »Die hat bestimmt 'nen Trommelworkshop gemacht«, sagt die Eine, »nein Afro-Dance«, die Andere. Sie wetten um einen »schwarzen Kaffee«, wer recht hat, fragen nach.
Die Angesprochene zeigt sich ob der auf ihre Hautfarbe bezogenen, klischeehaften Fragen sichtlich unerfreut. »Nun antworte doch! So macht man das hier bei uns«, sagt die Eine, »immer das Gleiche mit Euch«, die Andere. Die beiden werden aggressiv und stoßen bald rassistische Beschimpfungen aus. Als jemand mit den Worten »Jetzt lasst die Frau in Ruhe!« einschreitet, ertönt eine Sirene, und die Szene ist vorbei. Die vier Beteiligten sind Schauspieler, sie spielen »unsichtbares Theater«, eine politische Aktionsform, die auf Konflikte hinweisen und Widersprüche aufdecken soll. 2008 haben sie viele dieser Szenen gespielt, auf Plätzen, in Bussen und Bahnen. Sie wollen Reaktionen provozieren und Menschen zu Zivilcourage, zum Eingreifen ermuntern.
Ihr Theaterprojekt gegen Homophobie und Rassismus ist nur eines der Vorhaben, die ein Jahr lang vom Lokalen Aktionsplan (LAP) Friedrichshain-Kreuzberg gefördert wurden und die sich am vergangenen Dienstag in der Alten Feuerwache in der Oranienstraße vorstellten. Heute Abend tagt der Begleitausschuss und legt die Schwerpunkte für 2009 fest. Der LAP geht hier in die zweite Runde.
Zehn Lokale Aktionspläne gibt es in Berlin. Sie sind Teil des Bundesprogramms »Vielfalt tut gut – Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie«. Jährlich fließen 19 Millionen Euro aus dem Familienministerium in 90 Kommunen. Sie erhalten auf drei Jahre jeweils 100 000 Euro für Projekte gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus.
Noch Anfang November soll der Projektaufruf 2009 in Friedrichshain-Kreuzberg starten, in Pankow wurde er letzte Woche veröffentlicht. In Marzahn-Mitte geht der LAP ins dritte Jahr. Hier wurden 2008 Projekte wie die Ausstellung »Labyrinth X« (ND vom 9.9.2008) ermöglicht, die besonders bei Anwohnern sehr gut angekommen sei, sagt LAP-Koordinatorin Inge Lohberger. Nach Ende der Förderung müsse man jedoch »gemeinsam mit dem Bezirk« sehen, wie man besonders erfolgreiche Projekte auch weitertragen kann.
Doch »es ist schwierig, den einzelnen Bürger zu aktivieren«, sagt Friedrichshain-Kreuzbergs Bürgermeister Franz Schulz (Grüne). Die Resonanz sei zu gering. Zwar wurden die Fördergelder 2008 restlos abgerufen, meist von größeren Trägern. Deshalb wurde in mehreren Bezirken ein zusätzlicher »Aktionsfonds« eingerichtet, bei dem sich Bürger und kleine Initiativen unbürokratisch um bis zu 600 Euro für die Umsetzung einer Idee oder für eine Aktion bewerben können. Von den 10 000 Euro in Friedrichshain-Kreuzberg seien allerdings 2008 nur 1500 abgerufen worden, sagt die Integrationsbeauftragte Regina Reinke. »Es dauert lange, bis man an die einzelnen Menschen herankommt«, bestätigt Inge Lohberger.

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November 2008, NEON
Der schwarz-braune Block.
Sie kleiden sich wie ihre Gegner aus der linken Szene. Sie schwärmen für Hitler – und für Dutschke. Nazis nennen sich jetzt Autonome Nationalisten. Und sie schlagen zu.


Text: Patrick Bauer, Jakob Schrenk. Fotos: Julian Röder/Ostkreuz

Die Straßenschlacht zwischen links und und rechts muss noch einmal verschoben werden – dabei hatte alles so gut angefangen. Gegen halb zwei Uhr verliest der Neonazi Dennis Giemsch die Auflagen der Polizei. Als Anmelder der Demonstration ist es seine Pflicht zu verkünden, wie sich die Staatsmacht den Ablauf des Protests vorstellt. Nur seine Zuhörer interessiert das kaum, von Ruhe und Ordnung halten sie nicht viel. Giemsch hat kaum zu reden begonnen, da rennt ein Trupp von gut sechzig Nazis auf ein Häufchen von linken Gegendemonstranten zu, die sich hinter einer Polizeiabsperrung aufgestellt haben. Flaschen fliegen, ein Böller explodiert. Rauch. Geschrei. Chaos. Dann formieren sich die Polizisten, ein Wasserwerfer bringt sich in Position, und Schritt für Schritt drängen die Beamten in ihren martialischen Robocop-Uniformen die Neonazis zurück.
Dennis Giemsch regt sich nicht auf, bleibt ganz ruhig, scheint zu lächeln: »Kameradinnen und Kameraden«, spricht er, »durch den politischen Gegner besteht momentan keinerlei Gefahr. Nehmt bitte wieder Aufstellung!« Giemsch, Anfang zwanzig, Wortführer der »autonomen Nationalisten« in Dortmund, trägt kurze Haare, einen Streifenpulli und Jeans, unter den rechten Arm hat er eine grüne Mappe geklemmt, auf der er sich manchmal Notizen macht. Er wirkt harmlos und etwas übereifrig, wie der Filialleiter eines Supermarkts, der am Feierabend im Freizeitdress noch einmal kurz reinkommt, um zu prüfen, ob das Angebot vollständig ist, ob jeder Artikel an der richtigen Stelle liegt und die Verpackung stimmt.
Giemsch kann zufrieden sein, sein politisches Produkt ist gut aufgestellt, wie man so sagt. Von der Rednertribüne aus blickt er über die 1100 Demonstranten, ganz am Rand steht ein Emo-Boy mit blau gefärbten Haaren, Giemsch entdeckt eine hübsche Brünette im Parka, darauf der Aufnäher »Pelz tötet«. Giemsch sieht Lederjacken, Baggyjeans, Piercings, Palästinensertücher, bunt gefärbte Irokesen. Gerade ordnen sich die harten Jungs, die auf die Gegendemonstranten losgegangen sind, wieder in den Zug ein, sie tragen Baseballcaps, Sonnenbrillen, schwarze Kapuzenpullis, die Uniform der Antifa.
Auf den ersten Blick könnte man den vierten »Antikriegstag« in Dortmund für eine Veranstaltung der Linken halten. Der erste Blick aber reicht mittlerweile nicht mehr aus. Er täuscht.
In Dortmund demonstrieren die Rechten. Es demonstrieren die neuen Nazis, die sogenannten „autonomen Nationalisten“, eine ständig wachsende Strömung in der rechtsradikalen Szene. Sie kopieren nicht nur die modischen Vorlieben der Aritifaschisten und des »schwarzen Blocks«, sondern übernehmen von ihren politischen Todfeinden auch radikal antikapitalistische und antiimperialistische Forderungen und militantes Auftreten, verteilen unermüdlich Plakate und Aufkleber, sprühen Graffitis mit rechtsextremen Slogans - und daneben gerne mal populäre Comicfiguren wie Lisa Simpson. Bei Demonstrationen läuft Musik von Bands wie »Ton, Steine, Scherben« oder »Die Ärzte«, dazu tragen die Rechten Plakate, auf denen »We will rock you. oder »Fight the system« steht. Die neuen Neonazis haben die Popkultur für sich entdeckt.
Noch vor einem Jahr bezeichnete der Verfassungsschutz die »autonomen Nationalisten« als »militante Randgruppe«, mittlerweile will man die Bewegung »sehr genau im Auge behalten«, weil sie vor allem »erlebnisorientierte Jugendliche« anziehe.

Anglizismen und »Die Ärzte«: Die Neonazis haben die Popkultur entdeckt
Die Verfassungsschützer gehen von 400 »autonomen Nationalisten« aus, aber das ist nur der harte Kern, nicht mitgezählt sind Sympathisanten, die sich spontan an Demos beteiligen und deren Zahl ebenfalls ständig wächst. Im letzten Jahr kamen zur Dortmunder Demonstration nur 400 Demonstranten, jetzt sind es mehr als doppelt so viele, die meisten von ihnen gekleidet im Stil des schwarzen Blocks.
Bundesweit bekannt sind die »autonomen Nationalisten« seit dem l. Mai 2008. Am Tag der Arbeit, dem Kampftag der Linken, demonstrierten über tausend Rechsextreme, darunter viele »Autonome«, in Hamburg-Barmbeck, griffen mit bisher ungekannter Brutalität Polizisten, Gegendemonstranten und Journalisten an. »Ohne das Eingreifen der Polizei hätte es Tote geben können«, sagte danach der Einsatzleiter. Die Neonazis verstehen das als ein Kompliment, sie stellen das Zitat an den Anfang ihrer Internetvideos über die Demonstration, dann folgt eine vierminütige Zusammenfassung der Gewalt. »Geil« und »Jetzt geht's los« steht in denKommentaren darunter.Endlich so der Tenor, passiert auch bei uns was. Endlich knallt es. Lange waren Demonstrationszüge der Neonazis straff organisierte Formationsläufe - gescheitelte junge Männer trugen schweigend ihre Fahnen oder Fackeln durch die Straßen, die NPD nannte das »deutsch demonstrieren«. Jede Konfrontation mit der Staatsmacht sollte verhindert werden. »Es ist schon erstaunlich, dass ein Teil der Rechten nun ausgerechnet das Auftreten ihrer Gegner kopiert«, sagt der Kriminologe Thomas Feltes. Er kann sich nicht erinnern, dass es etwas Vergleichbares in der Geschichte der Bundesrepublik schon einmal gegeben hätte. Feltes befürchtet vor allem eine Eskalation der Gewalt zwischen links und rechts. Vielleicht droht aber eine noch größere Gefahr. Bisher waren Nazis das beste Argument gegen Nazis. Wer hat schon Lust auf Landserlieder, Hitlerscheitel und dumpfe Glatzen? Wenn jetzt die Neonazis Springerstiefel gegen Sneakers tauschen, die Bomberjacke gegen Kapuzenpullover, dann ist das als Nachwuchsarbeit zu verstehen. Als eine neue Form der Mitgliederwerbung. Als ein Kampf um die Straße.
Sebastian Schäfer [Name von der Redaktion geändert] trägt eine blaue Trainingsjacke, Basecap, klobige Turnschuhe, einen Rucksack und Brille. Ein Äußeres, das nicht weiter auffallen würde in Berlin, aber am S-Bahnhof Schöneweide, dort, wo die Hauptstadt grau ist und Fabrikluft atmet, wo Zeitungsabos von Männern verkauft werden, die Hooligans ähneln, kommt Schäfer wie ein Student daher, der sich verlaufen hat. Jedoch: Er war es, der sich hier treffen wollte, denn nur zwei Straßen weiter wird deutsche Küche serviert von einem Wirt, der keine Fragen stellt - im alternativ geprägten Bezirk Friedrichshain, wo Schäfer und seine Lebensgefährtin Tür an Tür wohnen mit jungen Kleinfamilien, mit Architekten oder Künstlern, mit dem verhassten Bürgertum und den Zecken, wäre solch ein Lokal schwer zu finden. Experten bezeichnen den Look von Rechten wie Schäfer auch als »urbane Überlebensstrategie«; im unauffälligen Gewand trauten sie sich erstmals raus aus den Randbezirken, die ihnen längst gehörten, sie rückten vor ins Zentrum der Stadt. »Autonome« Rechte konnten so linke Szenekneipen ausspionieren, sich unerkannt auf gegnerischen Veranstaltungen tummeln.
Der moderne Nazi ist ein Verwandlungskünstler. Sebastian Schäfer, den man einen Nazi nennen könnte, fällt unbedarften Beobachtern heute nur noch unter Nazis auf.

Der 23-Jährige aus Eggersdorf bei Strausberg in Brandenburg machte zunächst eine ganz klassische rechte Karriere. Aus dem frechen Jungen, der auf dem Schulhof jenen Glatzen und Stiefelträgern nacheiferte, die in der frisch vereinten Bundesrepublik Angst und Schrecken verbreiteten, wurde rasch ein angesehener Nationalist. Als er in der brandenburgischen Heimat zu viele Feinde hatte, zog Schäfer nach Berlin. Im Umfeld der »Freien Kameradschaften« »BASO« und »Tor« - die damals Aufsehen erregten, weil Mitglieder mit Eisenstangen auf Teilnehmer linker Veranstaltungen losgingen, Imbissbetreiber verprügelten oder ihre Treffpunkte mit Hakenkreuzen beschmierten - meldete er Demonstrationen an, hielt Reden, zeichnete verantwortlich für Flugblätter. Die »Freien Kameradschaften« wurden zur vorherrschenden Organisationsform der Neonazis; die losen, regional organisierten Kleingruppen waren eine Reaktion auf Verbote rechtsextremistischer Parteien und Gruppierungen. Im März 2005 ließ der Berliner Innensenator Ehrhart Körting überraschend auch »BASO« und »Tor« verbieten. Im Internet reagierten die Rechtsextremen mit den Worten: „Es wurde ein Name verboten. Mehr nicht!“

Schäfer lächelt sein Lausbubenlächeln, wenn er heute gefragt wird, ob er mit den Kameraden von damals noch Kontakt habe. Natürlich hat er noch Kontakt zu denen, die nicht im Gefängnis sitzen, aber Schäfer würde das nicht zugeben. Er ist schließlich ein »freier Nationalist., ein »Autonomer«, Schäfer hat dazugelernt.
In einem Aufsatz mit dem Titel »Über freien und autonomen Nationalismus« schreibt Deutschlands wohl bekanntester Neonazi Christian Worch: »Wo die Rechte vornehmlich kollektivistisch ist, ist die Linke vornehmlich individualistisch. Trotzdem war und ist sie in hohem Maße operationsfähig. (...) Von den Linken zu lernen, erschien also höchst sinnvoll.« Einfacher gesagt: Was nicht existiert, kann nicht verboten werden.
Sebastian Schäfer ist in Berlin so etwas wie der Organisator des unorganisierten »nationalen Widerstands«. Seit acht Jahren fordert er öffentlichkeitswirksam ein »nationales Jugendzentrum«, mit der Parole »Jugend braucht Perspektive«, mit einem jährlichen Aufmarsch, mit bunten T-Shirts und mit Plakaten, die in den Bezirken Köpenick, Treptow und Lichtenberg längst das Straßenbild bestimmen. Es sind Plakate, die auch von der Antifa stammen könnten: ganz in grün gehalten, mit einer modernen Schrift versehen - und am rechten oberen Rand prangt ein Kreis, in dem eine schwarze Fahne weht. „Schauen Sie genau hin“, sagt Schäfer nun im Hinterzimmer seines Stammlokals, „unsere Fahne ist schwarz und weht nach rechts, bei der Antifa sind es zwei Fahnen, eine schwarze und eine rote, und beide wehen nach links.“ Schäfer will sich nicht nachsagen lassen, Symbole zu kopieren, dabei war er der Erste, der die Zeichenordnung durcheinanderbrachte. Vor fünf Jahren demonstrierte er mit einem Palästinensertuch lind einem Kapuzenpullover, auf dem das Konterfei Che Guevaras prangte. »Das war zunächst eine Provokation der Gegendemonstranten«, sagt Schäfer, »aber nicht nur. Ich kann mich mit diesen Symbolen identifizieren.« Unter dem Bild des kubanischen Revolutionshelden stand »Vaterland oder Tod«.
Schäfer sagt, dass es manche, die sich »autonome Nationalisten« nennen, längst übertreiben. Es wurden schon „Gegen Nazis“-Fahnen auf Nazidemonstrationen gesehen. Es gibt skurrile Gruppenwie die „autonomen Nationalisten für Israeh“.. »Das bringt nichts«, sagt Schäfer, „man muss unsere Positionen noch erkennen. Aber ich heiße alle willkommen, die sich dem nationalen Widerstand anschließen wollen, egal wie sie aussehen oder welche Musik sie hören, ob sie Handwerker sind oder Studenten. Ich will alle Schichten erreichen.“ Einzig mit Schwulen und Kiffern, sagt Schäfer, hätte er auf seinen Veranstaltungen wohl ein Problem, „aber grundsätzlich gilt: Man kann auch national, sozialistisch und cool sein.“ Sein politisches Vorbild? Rudi Dutschke. »Ich bewundere ihn, ein großer Revolutionär.« Aber gleichzeitig bewundert Schäfer den NSDAP-Mann Gregor Strasser, dessen »nationalrevolutionäre« Thesen er auswendig kennt.
Man kann sich wundern über Aufmärsche Rechtsextremer, bei denen Transparente zu Ehren Andreas Baaders und Gudrun Ensslins getragen werden, Sebastian Schäfer erkennt darin keinen Widerspruch. Er kann im selben Atemzug von Venezuelas Präsidenten Hugo Chavez schwärmen und von der deutschen Rasse sprechen, behaupten, er sei für die Selbstbestimmung naller Völker dieser Welt«, und danach gegen »Mischehen« wettern. Das sind die Momente, in denen die Fassade des Sebastian Schäfer bröckelt. Auch ein international denkender Faschist bleibt: ein Faschist. Und auch ein moderner Schläger bleibt: ein Schläger. Von der Berliner Antifa werden Schäfer Übergriffe auf politische Gegner nachgesagt, aber Schäfer lächelt wieder nur und fragt leise: »Können Sie mir das nachweisen?« Er selber sei in seiner Wohnung angegriffen worden, von der Antifa. »Dagegen muss ich mich eben wehren«, sagt Schäfer.
In Berlin betreiben »autonome Nationalisten« wie er »Anti-Antifa«-Arbeit, sie kopieren auch dabei die Arbeitsweise der Linken: Es werden Daten politischer Gegner gesammelt, Reviere markiert, sogar Häuser besetzt, und so mancher linke Aktivist fand an seiner Wohnungstür schon Plakate, auf denen Grüße von »ANB« ausgerichtet wurden, den »Autonomen Nationalisten Berlin«. Eine ernst zu nehmende Drohung. Denn »autonome Nationalisten« greifen regelmäßig Andersdenkende an; Jugendclubs, Feste oder Informationsstände von Parteien. In Berlin wurden alternative jugendliche immer wieder von »Autonomen« überrascht und zusammengeschlagen - und das an Ecken, an denen man früher keine Angst vor rechter Gewalt haben musste. Auch anderswo in Deutschland ist die Rede von regelrechten Hetzjagden, mit Holzlatten, Äxten, Baseballschlägern oder Gaspistolen. Aus Kreisen der »autonomen Nationalisten« heißt es zynisch, nun gehe es nicht mehr um »sinnlose, ungeplante und ziellose (Suff-)Reaktionen«. Das sei die Strategie der Skinheads gewesen. Heute sind die »autonomen Nationalisten« das Sammelbecken für rechte Gewalttäter - und die gehen genauso sinnlos und mindestens so brutal vor wie unverkleidete Glatzen. Im Juli überfallen „Freie Kräfte“ das Sommercamp einer linken Jugendorganisation. Eine 13-Jährige erleidet lebensgefährliche Kopfverletzungen.
„Aber“, sagt Schäfer, „die Antifa ist nicht mein größter Feind, mein größter Feind ist das System, der Staat, die Globalisierung. Ich kann mir vorstellen, mit den Linken zusammen dagegen zu kämpfen, wenn die sich zusammenreißen.“ Mit dieser Meinung steht Schäfer in seinem L.ager nicht alleine da, als „Querfront“ bezeichnet man solche Überlegungen, die von der Gegenseite empört zurückgewiesen werden.
Auf der Dortmunder Demonstration, die Schäfer verpasst, weil er seiner Arbeit im Einzelhandel nachgehen muss, sind sich Demonstranten und Gegendemonstranten immerhin in der Auswahl ihrer Parolen einig, Die Linken rufen: »Bürger lasst das Glotzen sein, auf die Straße, reiht euch ein!« Die Rechten erwidern: »Bürger lasst das Glotzen sein, auf die Straße, reiht euch ein“ Zunächst wirken viele unter den »autonomen Nationalisten« wie Schauspieler bei der ersten Kostümprobe, die sich nicht wohlfühlen in ihrer Rolle. Auch der nächste linke Klassiker klingt aus ihren Kehlen noch zaghaft: »USA - internationale Völkermordzentrale!« Mit jedem Atemzug aber, den die Jungs vom schwarzen Kollektiv nehmen, saugen sie in ihre Körper nicht nur Sauerstoff, sondern auch Wut und Hass. »Autonom. Militant. Nationaler Widerstand«, rufen sie. Oder: »Nationaler Sozialismus. Jetzt. Jetzt. Jetzt.« Sechzehn Polizisten werden verletzt, die lokale Presse schreibt am nächsten Tag: »Neonazi-Demo mit bisher größtem Aggressionspotenzial.«
Dass auch Jörg Hähnel gewaltbereit ist, zeigte sich spätestens, als beim Berliner NPD-Vorsitzenden und Mitglied des Bundesparteivorstands ein vierzig Zentimeter langer Teleskopschlagstock gefunden wurde, als er gerade den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern betreten wollte. »Ich hatte vergessen, den im Auto zu lassen«, sagt Hähnel, ein drahtiger Mann, der noch so aussieht wie man sich einen Nazifunktionär vorstellt: gebügeltes Hemd, akkurate Frisur. Aber Hähnel ist befreundet mit Sebastian Schäfer, Hähnel hat gute Verbindungen zu den »autonomen Nationalisten«, sein Landesverband war der erste, der mit den aufmüpfigen Rechten zusammenarbeitete, gemeinsam versucht man gerade, die Jugendorganisation »JN« wiederzubeleben. Das macht Hähnel, 33 Jahre alt, in der NPD zu einem Mann der Zukunft.
In der ebenso abgeriegelten wie verwahrlosten Parteizentrale erklärt Hähnel, dass die NPD die »Autonomen« braucht - auch wenn die nicht dem Bild entsprechen, das seine Partei bisher abgab. »Ganz ehrlich: Hip-Hop finde ich schrecklich«, sagt Hähnel, der selbst ein völkischer Liedermacher ist, »und dieses ganze autonome Getue ist nicht mein Stil.« Allein: Die NPD ist eine politisch und finanziell bankrotte Partei, aktuell macht nur ihr Schatzmeister Schlagzeilen, der über 700000 Euro veruntreut haben soll. In der NPD ist ein Generationenstreit entbrannt. Die Alten sagen: Wir dürfen die bürgerliche Mehrheit nicht verschrecken. Die Jungen sagen: Wir müssen alle Gesellschaftsschichten unterwandern, wir brauchen Fußvolk. Hähnel sagt: »Mir ist es recht, wenn neue Leute zu unseren Demonstrationen kommen. Denen geht es zwar um Action, nicht um Inhalte, aber die politisieren wir dann eben später!« Im letztern Jahr verfasste das Parteipräsidium der NPD noch einen »Abgrenzungsbeschluss« gegen die freien Nationalisten, aber der Großteil der Neonaziszene zeigte sich danach solidarisch mit den »Autonomen«. Und so begrüßte der Parteivorsitzende Udo Voigt, dem man auf Demonstrationen bisher ansah, dass ihm der neuartige Ungehorsam nicht geheuer war, bei einem Auftritt »ausdrücklich die Vertreter des schwarzen Blocks«. Die »autonomen Nationalisten« konnten sich wieder einmal als Sieger fühlen.
Beim Berliner Antifaschistischen Pressearchiv (»apabiz)«, wo man seit Jahren die Aktivitäten der rechten Szene dokumentiert, nimmt man die Entwicklung ernst. Sprecher Toni Peters sagt zwar, »das bloße Kopieren linker Symbole« sei eher »lächerlich als wirkungsvoll, dahinter steckt keine eigene Ideologie«, jedoch hält er die »autonomen Nationalisten« für »völlig hemmungslos«. Man müsse, so Peters, damit rechnen, dass es regelmäßig zu Ausschreitungen kommen wird. »Ich gehe auch davon aus, dass die Szene vermehrt mit Bomben oder Brandsätzen experimentiert. Die Hemmschwelle ist niedriger geworden, die ~autonomen Nationalisten< sind euphorisiert davon, wie schnell sie es als sehr junge Bewegung in die Hauptnachrichten geschafft haben.«
Im Frühsommer dieses Jahres wurden in einer Einfamilienhaussiedlung in Berlin-Rudow Brandsätze auf die Häuser einer türkisch- und einer bosnischstämmigen Familie geworfen. Niemand wurde verletzt, aber besonders erschreckend war: Die beiden mutmaßlichen Täter waren sechzehn und achtzehn Jahre alt. Die jungen hatten sich der frisch gegründeten Splittergruppe »Division Rudow« angeschlossen und fielen unter das Muster, das Toni Peters von •apabiz« so beschreibt: »Man kann jetzt 50 Cent hören und ein Hitlerplakat über dem Bett hängen haben. Wir müssen unser Bild vom einfachen Nazi überdenken.« Angesichts des Erfolgs, den die »autonomen Nationalisten« schon jetzt mit ihrer Verwandlungstaktik haben, erscheint auch die Anekdote, die alle Beobachter, die linken und die staatlichen, gerne erzählen, mehr als Warnung denn als Witz.
Im letzten Jahr wurden »autonome Nationalisten« von anderen Rechten auf einem Berliner U-Bahnsteig blutig geschlagen. Selbst die Nazis hatten die Kameraden nicht mehr als Nazis erkannt.

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14.10.2008 Neues Deutschland
Politischen Disput mit der Faust ausgetragen
Zwei junge Antifas zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie einen Rep-Wahlstand demoliert hatten

Die Reps, Republikaner genannt, gehören einer aussterbenden Spezies an. Im Verfassungsschutzbericht laufen sie gerade noch unter »sonstige« in der rechtsextremen Szene. Richtig wahrgenommen im politischen Alltag werden sie kaum noch.
Die Mitgliederzahl wird auf 200 in Berlin geschätzt. Und auch das dürfte noch übertrieben sein. Die Reps hatten gestern ein paar Leute für eine Gerichtsverhandlung mobilisiert, bei der sie sich als Opfer eines Überfalls aus der linken Szene präsentieren konnten.
Gut zwei Jahre ist es her, da postierten sich die Herrschaften mit dem biederen dumpf-deutschen Zuschnitt in den Nachmittagsstunden des 1. September im Vorfeld der Abgeordnetenhauswahl mit einen Informationsstand auf der Warschauer, Ecke Revaler Straße.
Offensichtlich war den gut situiert wirkenden Damen und Herren nicht ganz bewusst, dass sie sich hier in einem sozialen Brennpunkt Berlins – und somit denkbar ungeeignet für ihren Propagandaakt – eingenistet hatten und nicht bei den Wilmersdorfer Witwen Beistand suchten.
Schnell sprach es sich in der Libauer und der Simon-Dach-Straße rum, dass da Leute Propagandamaterial verteilen, die in der Region höchst unerwünscht sind. Und so formierte sich erst stiller, dann lauter werdender Widerstand. Doch ein wackerer Republikaner weicht nicht der Bürgergewalt, schon gar nicht, wenn sie von Links kommt. Die Luft wurde knapp zwischen den Fronten.
Dann ging alles sehr schnell. Erst flogen Beschimpfungen, dann die Fäuste. Am Ende gab es eine blutige Nase, eine zwei Zentimeter lange Platzwunde am Kopf und einen leer gefegten Rep-Stand. Die Polizei war zur Stelle und nahm zwei der Protestierer fest.
Die Anklage, zwei Jahre später gegen Ruben W. (30) und Maria H. (23), lautet auf gemeinschaftlich begangene schwere Körperverletzung. Dabei spielt es keine Rolle, wer geschlagen und getreten und wer nur Papier zerfetzt hat. Bei einer Gemeinschaftstat wird jedem Beteiligten alles zugerechnet, da sich der genaue Tatanteil nicht mehr nachweisen lässt.
Die beiden Beschuldigten räumten das Geschehen durch Erklärungen ihrer Verteidiger im Prinzip ein, damit war dann schon alles gesagt. Und der Richter konnte nach nur wenigen Minuten Verfahrensdauer im Namen des Volkes zur Verurteilung schreiten. Er hielt eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15 Euro für die beiden Studenten für angemessen und blieb damit leicht unter dem vom Staatsanwalt geforderten Satz von 20 Euro.
Es handelt sich hier um eine Straftat, erklärte der Richter weise, nicht aber um einen Akt der politischen Meinungsbildung. Die Reps seien eine legale Organisation, deshalb hätten sie auch das Recht, ihre Meinung in Wort und Schrift zu verbreiten.
Der einzelne Bürger habe nicht das Recht sich auszusuchen, wer mit Informationsständen auf die Straße geht und wer nicht. Das entscheidet einzig und allein das Grundgesetz.
Und da die Reps nicht verboten sind, muss man es ihnen auch gestatten, sie in der Öffentlichkeit für ihre Ziele werben zu lassen. Es folgte ein richterlicher Vortrag über die Fundamente eines Rechtsstaats.
Mit der Genugtuung, als späte Sieger aus dem Gefecht hervorgegangen zu sein, verließen die reifen Herrschaften von der braun angehauchten deutschnationalen Front erhobenen Hauptes den Saal. Linke Gewalt gegen Rechts – in welcher Form auch immer – lässt auf der linken Seite, das zeigt sich wieder und wieder, nur Verlierer zurück.

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19.07.2008 Morgenpost
Afrikaner auf Gleise gestoßen: Haftstrafe für 20-Jährige

Viereinhalb Monate nachdem sie einen Schwarzafrikaner vor eine einfahrende S-Bahn gestoßen hat, ist die 20-jährige Jacqueline A. gestern vom Landgericht Moabit wegen versuchten Totschlags zu einer Jugendstrafe von dreieinhalb Jahren.
Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor vier Jahre Haft wegen versuchten Mordes aus Ausländerhass gefordert. Obwohl die Neuköllnerin ihr 19 Jahre altes Opfer mehrfach als "Nigger" beschimpft hatte, sah das Gericht ein fremdenfeindliches Motiv als nicht erwiesen an. Die Richter attestierten der zum Tatzeitpunkt stark angetrunkenen Frau vielmehr eine erhebliche Persönlichkeitsstörung.
Diese Störung und der Alkohol waren nach Ansicht des Gerichts die Ursache dafür, dass Jacqueline A. ("Wenn ich anfange zu trinken, kann ich nicht mehr aufhören") am 3. März "völlig ausrastete", wie eine Zeugin das Verhalten der 20-Jährigen beschrieb. Mit Freunden von einer Party kommend, stieß sie im S-Bahnhof Frankfurter Allee auf ihr späteres Opfer. Zunächst beschimpfte sie den 19-jährigen Angolaner ("Was glotzt du so, Nigger"), dann versuchte sie mehrfach, den jungen Mann zu attackieren ("Lasst mich, ich will den Nigger umbringen"), schließlich stieß sie ihn ins Gleisbett. Beherzte Passanten zogen den 19-Jährigen sofort wieder heraus, kurz bevor ihn eine einfahrende S-Bahn erfasste. Das ganze tue ihr leid, bekannte die 20-Jährige im Prozess immer wieder. Sie will an ihr Opfer jetzt 1500 Euro Schmerzensgeld zahlen.

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08.07.2008 TAZ
rassistischer angriff vor gericht

Ohne Erinnerung an den Stoß vor die S-Bahn

Es war morgens um halb sieben Uhr, als der 19-Jährige von einer Party nach Hause ging. Am Bahnhof Frankfurter Allee wollte der dunkelhäutige Afrikaner in die S-Bahn steigen. Beinahe wäre er dabei umgekommen, denn eine 20-jährige Frau schubste ihn unmittelbar vor einen einfahrenden Zug. Nur dank zweier aufmerksamer Passanten und seiner Gelenkigkeit ist der Freizeitkickboxer noch am Leben. Der Vorfall ereignete sich am 2. März. Am Montag begann vor dem Landgericht der Prozess gegen die S-Bahn-Schubserin wegen versuchten Mordes.
Jacqueline A. ist eine sehr dicke Frau mit rot gefärbten Haaren. Aufmerksam folgt sie der Verhandlung, in der die Dinge besprochen werden, an die sie nur wenig Erinnerung habe, wie ihre Verteidigerin Kersten Woweries vorträgt. A. war an jenem Samstag mit Freunden in der Disco gewesen. Dort habe sie entgegen ihrer Gewohnheit sieben Glas Wodka getrunken, weil sie wegen eines Streits mit einer anderen Freundin aufgewühlt war.
In der Vorhalle des S-Bahnhofs sei es dann zum Streit mit ihrem Exfreund gekommen. Währenddessen habe sie sich von ihrem späteren Opfer angestarrt gefühlt. Das habe sie zum Vorwand genommen, um ihn zu beschimpfen und ins Gesicht zu schlagen. "Ich kann mir nicht erklären, warum ich so ausgerastet bin", lässt die Angeklagte vortragen. Die dunkle Hautfarbe habe keine Rolle gespielt, es hätte jeden treffen können. "An den Stoß auf das Gleisbett habe ich keine Erinnerung", so A.
Damit wolle sie nicht ihre Schuld bestreiten. Sie sei froh, dass dem Mann durch das beherzte Eingreifen Dritter nichts passiert sei. "Ich bin nicht rassistisch oder ausländerfeindlich eingestellt." Unter ihren Freunden seien Ausländer, ihr Exfreund war ein Türke.
Die Worte, die sie ihrem Opfer an den Kopf warf, lassen allerdings an ihren Beteuerungen zweifeln: "Was guckst du so, Nigger?", habe sie ihm in der Vorhalle zugerufen, erinnert sich das 19-jährige Opfer vor Gericht. Der Freund von Jacqueline A. habe versucht, sie zu beruhigen, und zu ihm gesagt, er solle weitergehen, seine Freundin sei betrunken. Auf dem Bahnsteig gab ihm A. eine Ohrfeige, schubste ihn und schlug ihn wieder. Er habe geflucht und schon zurückschlagen wollen, aber eine Passantin hielt ihn fest und bat ihn, sich zu beruhigen. "Für mich war die Sache in dem Moment gegessen", sagt er vor Gericht. Er habe sich eine Bratwurst gekauft.
Doch plötzlich sei er mit den Worten "Ich will den Nigger umbringen!" und "Was willst du in meinem Land?" von der Angeklagten zum Gleisbett geschubst worden. Der 80 Kilo schwere Mann verlor das Gleichgewicht und taumelte, bis er auf den Knien im Gleisbett landete. "Ich habe die Lichter gesehen", beschreibt er den Anblick des Zuges, der nur noch 40 Meter von ihm entfernt war. Für einen Moment habe er überlegt, ob er sich hinter einen Vorsprung außerhalb des Gleisbettes retten sollte. Das wäre ebenso lebensgefährlich gewesen, erklärt der als Zeuge geladene Triebwagenführer. Leicht hätte er die regenfeuchte Stromschiene berühren können.
Glücklicherweise reichten ihm zwei Passanten die Hände. Unterdessen saß Jacqueline A. bereits in der S-Bahn in die Gegenrichtung. Eine Beobachterin wandte sich an den Fahrer und sorgte für die Verhaftung der Täterin. Der Passantin fiel auch der Tunnelblick der Angeklagten auf. Sie habe sich gefragt, welche Droge die junge Frau konsumiert haben könne. "Sie hat nichts gemerkt, nichts mehr gehört", berichtet die Zeugin, die selbst über Drogenerfahrung verfügt. "Das war keine normale Aggressivität, da gehört mehr dazu", schildert sie dem Gericht.
Damit könnte sie recht haben, denn in dem Prozess gegen die junge Frau sitzt auch eine Psychiaterin, die A. begutachtet hat. Zurückhaltend referiert Verteidigerin Woweries den Tenor des Gutachtens: Die Aggressivität sei in der Persönlichkeit der Angeklagten begründet und schließe eine verminderte Schuldfähigkeit nicht aus. Das Urteil wird für übernächsten Freitag erwartet.

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07.07.2008 Berliner Zeitung
In letzter Minute aus dem Gleisbett gerettet
Mikailo F. wurde von einer Frau vor die S-Bahn gestoßen

Er hätte nichts machen können, der S-Bahn-Fahrer Udo Korn. Mit 55 Kilometer pro Stunde fuhr sein Zug am 2. März gegen 6.50 Uhr in den Bahnhof Frankfurter Allee ein. Wegen einer Linkskurve konnte der 43-jährige Fahrer den Bahnsteig erst spät überblicken. Auf dem hinteren Abschnitt sah er plötzlich "eine Person" ins Gleisbett fallen - taumelnd und mit den Armen rudernd. "Hoffentlich schafft der es noch", hat Udo Korn da gedacht. "Ich hatte keine Chance, etwas zu machen." Obwohl er eine Schnellbremsung vornahm, kam sein Zug erst fünf bis zehn Meter hinter jener Stelle zum Stehen, an der die Person aufs Gleis gestürzt war.
20 Jahre ist Udo Korn S-Bahn-Fahrer, zwei Menschen haben sich schon vor einen Zug geworfen, den er fuhr, 1990 und 1997. Sie überlebten nicht. Mit so etwas muss man rechnen als S-Bahn-Fahrer, sagt er, "so makaber das klingt". Der 19-jährige Mikailo F. wäre sein dritter Toter gewesen. Aber er hatte Glück und Udo Korn auch. Zwei Passanten haben Mikailo F. in letzter Minute gerettet.
Der 19-jährige Berufsschüler war jedoch nicht lebensmüde. Er wurde vor die Bahn gestoßen. Seit gestern steht eine 20-Jährige aus Neukölln wegen versuchten Mordes aus Heimtücke und niederen Beweggründen vor dem Landgericht. Die Staatsanwaltschaft wirft Jacqueline A. vor, Mikailo F. als "Nigger" beschimpft und dann ins Gleisbett gestoßen zu haben. "Was willst du in diesem Land", soll sie zu ihm gesagt haben.
Jacqueline A. bemüht sich, nicht zu weinen, schaut mal zur Decke, mal zum Boden, mal sieht sie Mikailo F. an. Ihre Anwältin wollte, dass die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird, weil die Angeklagte eine Stigmatisierung befürchte und vor vielen Zuhörern nicht mit der notwendigen Offenheit reden könne. Das Gericht lehnt einen generellen Ausschluss der Öffentlichkeit ab.
Jacqueline A. spricht nicht selbst, ihre Anwältin verliest eine Erklärung. Darin heißt es, dass Jacqueline A. keine Rassistin sei und dass sie nichts gegen Ausländer habe. Dafür spreche, dass ihr Ex-Freund türkischer Abstammung sei.
Vielmehr sei sie sehr betrunken gewesen an jenem Tag und habe Streit mit ihren Freunden gehabt. Wenn sie anfange Alkohol zu trinken, dann könne sie nicht aufhören. Sie seien aus der Disko gekommen an jenem Tag, heißt es in der Erklärung. Auf dem Bahnhof sei es dann zum Streit mit Mikailo F. gekommen. Sie habe geglaubt, dass er sie angestarrt habe, da habe sie ihn beschimpft. An Einzelheiten erinnere sie sich nicht. Aber sie sei froh, dass er nicht ernsthaft verletzt worden sei. Sie wolle sich noch bei ihm persönlich entschuldigen.
Mikailo F. sagt, die Frau sei wie eine Furie gewesen. Erst habe sie ihn auf dem Bahnhof beschimpft, dann hörte er sie hinter sich schreien, bevor er ins Gleisbett fiel. Er habe dann von rechts die Lichter der einfahrenden S-Bahn auf sich zukommen sehen. Und gedacht, "jetzt erwischt dich gleich die Bahn", bevor sich ihm rettende Hände entgegenstreckten. Er hätte sonst keine Chance gehabt.
Ein paar Wochen ist er danach nicht mehr S-Bahn gefahren. Inzwischen achtet er immer darauf, wer hinter ihm am Bahnsteig steht. Der Prozess wird am 10. Juli fortgesetzt.

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30.06.2008 XHain-Stachel
Braune Vergiftung oder der zunehmende Rechtsextremismus in Friedrichshain

Wer an Friedrichshain denkt, dem kommen zu allererst die bunten Szenekieze um die Simon Dach Straße und die Sonntagstraße, der zunehmend spürbare Kinderboom im Bezirk oder die linke Szene mit den Hausbesetzungen in den Sinn. Wer käme bei diesen Gedankengängen schon darauf, dass der Stadtteil zunehmend in den Fokus Rechtsradikaler rückt. Denn es vergeht kaum eine Woche ohne rechtsextreme Gewalt- oder Straftaten in Friedrichshain.
Seit einigen Jahren ist der Bezirk trauriger Anführer der Liste rechtsextremer Vorfälle der Berliner Opferberatungsstelle ReachOut. Sie hat vergangenes Jahr 27 solcher Gewalttaten registriert, 2006 waren es sogar 51. Dabei schaffen es lediglich die spektakulärsten Fälle in die Presseöffentlichkeit, der Großteil der alltäglichen rechtsextremen Untaten geht bedauerlicher Weise im Alltagsgeschäft unter. Kein Kiez darf sich diese Provokation bieten lassen - ein multikultureller, linksorientierter und toleranter Kiez schon erst recht nicht.
Eine räumliche Häufung der rechtsextremen Vorfälle lässt sich rund um die Frankfurter Allee, das Ostkreuz und den Ostbahnhof feststellen. Die rechtsextreme Szene verfolgt hier in den vergangenen Jahren eine besonders offensive Strategie. In Friedrichshain leben derzeit circa 30 Personen, die dem Senat auf Grund rechtsextremistischer Bestrebungen bekannt sind. Nazis kommen aber auch aus anderen Stadtteilen, insbesondere aus Lichtenberg und haben unter anderem Kneipen als Treffpunkte in Friedrichshain. Dort in der Nähr beleidigen sie Personen, die nicht in ihr Weltbild passen oder werden ihnen gegenüber gewalttätig. Opfer sind dabei meist MigrantInnen und Linksalternative.
Die rechte Szene hat sich stark verändert und versucht mit ihrer extremen Ideologie in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen. Das Klischee vom glatzköpfigen, bomberjackentragendem Nazi trifft dabei fast gar nicht mehr zu. Heute kleiden sich Rechtsextreme mit Che- Guevara-T-Shirts oder adretter Kleidung, die erst auf dem zweiten Blick erkennbar mit völkischer und rechter Symbolik beladen ist - wie die Kleidung der Marke Thor Steinar. Solche Anziehsachen werden auch im Laden Doorbreaker im Ringcenter 2 angeboten, der sich direkt auf der Lichtenberger Seite der Ringbahn befindet.
Insgesamt fühlt man sich durch die geballten Aggressivität von Nazis und RassistInnen schnell in die Ecke gedrängt. Doch genau das ist die falsche Reaktion; die Zivilgesellschaft ist stärker, wenn sie sich EINMISCHT und zusammenhält. So ist Anfang März ein 19 jähriger Mann angolanischer Herkunft, der von einer Frau vor die S-Bahn geschubst wurde, von einschreitenden HelferInnen gerettet worden. Auch die Initiative gegen Rechts in Friedrichshain setzt sich gegen Menschenfeindlichkeit und für ein friedliches Miteinander ein. Diese Beispiele zeigen, dass schon viele Friedrichshainerinnen und Friedrichshainer dem Rechtsextremismus keinen Raum in ihrem Kiez einräumen wollen und mit den demokratischen Kräften gemeinsam für einen offenen und toleranten Bezirk kämpfen. Unterstützt sie dabei!

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17.06.2008 TAZ
"Jedes Wochenende passiert was"

Friedrichshain ist stärker als jeder andere Berliner Stadtteil von rechter Gewalt betroffen. Nach dem Verbot der Kameradschaft Tor haben sich die Neonazis hier reorganisiert. Der Nachwuchs nimmt verstärkt Antifas ins Visier. VON GEORG FAHRION

Rechtsextremismus ist überall in Berlin anzutreffen. Einige Ecken der Stadt sind jedoch besonders betroffen. Das zeigt eine Studie über "Rechte Gewalt", die der Berliner Verfassungsschutz vorgelegt hat. Demnach gibt es vor allem in Lichtenberg, dem südlichen Neukölln, aber auch in Prenzlauer Berg Kieze, in denen sich Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund häufen. Auch weil dort viele Täter wohnen. Die taz hat sich vor Ort umgesehen.
Friedrichshain, mit dem sich der vierte Teil unserer Serie "Rechte Ecken" befasst, ist laut der Studie des Verfassungschutzes ein Sonderfall: Hier würden zwar vergleichsweise wenig Neonazis wohnen, dennoch sei der Stadtteil "überdurchschnittlich von politisch motivierter rechter Gewalt" betroffen.

"Die Kameradschaft Tor hat früher immer Migranten angegriffen. Heute gehen die Rechten gezielt auf Linke los." Daniel sitzt vor einer Bäckerei in der Rigaer Straße, nimmt einen Schluck "Club Mate" und zuckt ein wenig ratlos mit den Schultern. Es ist ein schöner Abend im alternativ geprägten Friedrichshainer Nordkiez. Am schräg gegenüber liegenden Infoladen "Daneben" flattern Transparente, die Hauswände sind bunt von Graffiti und Plakaten, die zu Punkkonzerten einladen: Scheinbar nicht der Ort, an dem man sich Sorgen über Neonazi-Gewalt machen müsste. Doch der 29-Jährige, der sich im "Daneben" engagiert, erzählt von einer neuen Welle rechter Übergriffe im Kiez, von jugendlichen Rechtsextremen, die sich ihre Sporen verdienen wollen. "Es kommen Leute nach", sagt er. "Du kannst damit rechnen, dass jedes Wochenende was passiert."
Friedrichshain eine rechte Gefahrenzone? Das mag zunächst überraschen, hat der Ortsteil doch ein hippes, alternatives Image. Friedrichshain, damit assoziieren viele das wuselige Treiben in den Bars der Simon-Dach-Straße, wo Touristen gerne ausgehen. Die linken Hausprojekte in der Rigaer Straße und schrammelige Technopartys in den Clubs entlang der S-Bahn-Strecke. Die schicken neuen Klamottenläden im Südkiez, wo man mittlerweile teuer shoppen gehen kann, falls man nicht den sonntäglichen Flohmarkt am Boxhagener Platz bevorzugt.
Das ist ein Teil der Realität. Ein anderer ist weniger werbekampagnentauglich und wird von vielen Anwohnern und Besuchern auch gar nicht wahrgenommen. Die Statistiken allerdings sprechen eine deutliche Sprache. Der in Sachen Nazigewalt stets zurückhaltende Berliner Verfassungsschutz zählte im Zeitraum 2003 bis 2006 insgesamt 26 rechte Gewalttaten in Friedrichshain. Im inoffiziellen "Schattenbericht" mehrerer zivilgesellschaftlicher Organisationen werden 51 Angriffe allein für das bisher schlimmste Jahr 2006 angegeben, die Antifa Friedrichshain listete gar 103 Opfer. Vier der Attacken wertet sie als Mordversuche. Egal, welche Quelle man heranzieht, ein Schluss drängt sich auf: Menschen, die ins Opferschema rechter Schläger passen, leben derzeit nirgendwo in Berlin gefährlicher als in Friedrichshain.
Es ist zuvorderst ein importiertes Problem. Wenige Täter wohnen hier, die meisten stammen aus der rechtsextremen Szene im benachbarten Lichtenberg. Die reorganisierte sich nach dem Verbot der für ihre Gewalt berüchtigten Kameradschaft Tor im Jahr 2005 und bewies durch eine massive Zahl von Übergriffen ihre ungebrochene Schlagkraft. Tatort war meist der Kiez südlich der Frankfurter Allee. Dort machen Neonazis Jagd auf Andersaussehende, wenn sie an den Wochenenden zwischen ihren Stammkneipen an den Hauptverkehrsstraßen und den S-Bahnhöfen pendeln.
2007 war die Zahl der Angriffe wieder zurückgegangen, seit Anfang dieses Jahres nehmen sie wieder zu. Dabei gerät zunehmend der Nordkiez ins Visier, wo sich die meisten Hausprojekte finden. Eine neue, eher lose organisierte Generation von Neonazis macht sich offenbar daran, das Erbe der Kameradschaften anzutreten. Die linke Szene ist alarmiert.
"Natürlich redet da jeder drüber", sagt Daniel vor der Bäckerei. Extrem aktiv seien die jungen Rechtsextremen; sie würden versuchen, linke Projekte auszuleuchten. Die Blätter der Straßenbäume rauschen leise im Wind, ab und zu brettert ein Auto das Kopfsteinpflaster hinauf. Ein Punkerpärchen schiebt einen Kinderwagen vorbei. Daniel blinzelt in die Abendsonne. "Der Höhepunkt war sicher die Sache im SamaCafé."
In der linken Kneipe in der Samariterstraße fängt gegen acht langsam der Betrieb an. Ein langhaariger Mann in einem schwarz-rot gestreiften Longsleeve wuchtet "Sternburg"-Kästen hinter den roh gemauerten Tresen, an dem ein früher Biertrinker sitzt. An der Wand hängt eine Antifa-Fahne, daneben verkündet eine Wandtafel das heutige Speisenangebot, "Eintopf à la Oma". Schwanzwedelnd schlurft ein schwarzbrauner Hund herein und verschwindet hinter der Bar. Ein Mittdreißiger ist damit beschäftigt, einen vergilbten PC zum Laufen zu bringen, bevor er Zeit für ein Gespräch findet.
In der Nacht auf den 9. März ist es passiert. Gegen vier Uhr morgens kamen zwei, drei Vermummte in den Laden und sprühten Pfefferspray. Vielleicht zehn weitere Rechte warteten vor der Tür. Glücklicherweise waren in dieser Nacht außergewöhnlich viele Gäste lange geblieben, so dass es gelang, die Angreifer hinauszudrängen und die Tür zu schließen. "Die waren sehr jung", sagt der Computerschrauber. "Die wollten sich wohl mal ausprobieren."
Man gibt sich gelassen, aber der Schreck über den Überfall sitzt. Der Langhaarige im schwarz-roten Longsleeve ist es, der der Verunsicherung Ausdruck gibt: "Was ist, wenn das nächste Mal ein Molotow fliegt?" Im Laden herrscht schummriges Halbdunkel. Eine insektenähnliche Metallskulptur mit Gasmaske dient als Lampe, die Fenster sind abgehängt. Nur durch die offene Tür fällt das letzte Tageslicht.
Wie man der Bedrohung begegnen kann, darauf haben sie in Friedrichshain noch keine endgültige Antwort gefunden. Daniel hat erzählt, dass viele Linke jetzt aufmerksamer seien. Der Langhaarige macht eine hilflose Geste. "Aufmerksam auf was? Auf Leute, die schwarze Klamotten anhaben?" Er deutet auf ein Poster an der Wand. Auf den ersten Blick ähnelt es einem RAF-Fahndungsplakat, doch die Schwarz-Weiß-Fotos zeigen Berliner Jungnazis. "Was das bringen soll, weiß ich auch nicht", sagt der Langhaarige. "Die sehen ja aus wie du und ich. Ist halt ein Ausdruck dieser Unsicherheit."
Es handelt sich um eine neue Strategie der Rechtsextremen. "Anti-Antifa" nennt sich das Phänomen, das laut dem Berliner Verfassungsschutz seit 2002 an Fahrt gewinnt und sich nach Einschätzung der Friedrichshainer Antifa 2006 endgültig durchgesetzt hat. Eine steigende Zahl Rechter entspricht nicht mehr dem Klischee des Neonazi-Skinheads mit Glatze, Bomberjacke und Springerstiefeln. Stattdessen werden normale Kurzhaarfrisuren getragen und schwarze Kapuzenpullis; sogar das Palästinensertuch haben die Rechten sich angeeignet. Die Absicht ist, den politischen Gegner zu verunsichern, ihm seine Symbole streitig zu machen, sich unauffälliger bewegen zu können. Es scheint recht gut zu funktionieren.
Nicht nur das Outfit, auch die Aktionsformen kupfern sie bei der Antifa ab. Militante Aktionen finden seltener im Rudel, dafür öfter in Kleingruppen statt, die sich schnell auflösen und zerstreuen können. Linke Aktivisten werden fotografiert und ausspioniert. Im Februar wagte sich Lichtenberger Nachwuchs gar in den alternativen Szenetreff "Fischladen". Dort bestellten die Heranwachsenden in aller Seelenruhe ein Bier, bevor sie erkannt und auf die Straße gesetzt wurden.
Man könnte meinen, dass es sich hier um eine Auseinandersetzung handelt, die sich zwischen Autonomen und Rechtsextremen abspielt, um Revierbeißereien, um Jugendgruppengewalt, wie es Polizei und Verfassungsschutz mitunter einordnen. Doch das ist mitnichten der Fall. Trotz der Konzentration auf Linke gibt es auch in Friedrichshain eine bedeutende Zahl übelster Angriffe auf Migranten. Im März wurde ein Angolaner im S-Bahnhof Frankfurter Allee von einer jungen Frau rassistisch beschimpft und vor die einfahrende S-Bahn gestoßen; nur das beherzte Zupacken Beistehender rettete ihn davor, überrollt zu werden. Wenige Wochen später wurde ein zehnjähriges Mädchen mit dunkler Hautfarbe Opfer eines rassistischen Übergriffs, sie erlitt einen Schock. Doch auch ganz durchschnittliche Herkunftsdeutsche und Vereine sind gefährdet.
Die Naturfreundejugend (NFJ) etwa ist vielleicht nicht gerade bürgerlich, würde sich aber ganz bestimmt nicht in die Schublade "autonom" einordnen. Sie residiert in einem sauber sanierten Haus in der Gryphiusstraße. Auf den Balkonen der oberen Stockwerke ranken gepflegte Grünpflanzen, Drahtspitzen auf einem Ziersims sollen die Tauben fernhalten. Die kapitalismuskritische Organisation, die ihren Ursprung in der Arbeiterbewegung hat, bietet sanften Tourismus für Kinder und Jugendliche an und engagiert sich in der politischen Jugendarbeit. Offen will sie sein. Man kann das geräumige Besprechungszimmer und das Büro mit dem hellen Laminatfußboden gut durch die großen Schaufenster einsehen, in denen einige politische Plakate hängen.
Die reichten offenbar, um die NFJ zum Angriffsziel für Rechte zu machen. Im März wurde die Scheibe des Büros eingeworfen, im Monat darauf ihr Bulli beschmiert. Anfang Mai wurde die Frontscheibe des Autos zerstört, am Gebäude klebte ein Zettel mit der Aufforderung "Umzug!". Um letzte Unklarheiten auszuräumen, schickten die Täter der Geschäftsstelle eine elektronische Grußkarte. Die liest sich so: "Der Anschlag auf euer Büro und das Fahrzeug ist eine Antwort auf euer antideutsches Nestbeschmutzertum. Rotfront verrecke!!!"
Die Polizei, die von anderen Akteuren im Kiez ein passables Zeugnis ausgestellt bekommt, erwies sich in diesem Fall als keine große Hilfe. "Die haben das nicht so ernst genommen", sagt Irene Poczka, die bei der NFJ arbeitet. Nachdem die Streifenpolizisten den Tatort fotografiert hätten, hätten sie sich selbst vor dem beschädigten Auto abgelichtet, berichtet die Politologin. "Ich hab nicht das Gefühl, dass es da Solidarität oder Verständnis oder potenzielle Ansprechpartner gibt."
Die Einschüchterung ist nicht derart, dass die Organisation einen Ortswechsel ins Auge fassen würde. Doch inzwischen schließen sie die Tür ab, wenn sie zum Arbeiten da sind. Interessierte müssen ans Fenster klopfen, wollen sie auf ein Gespräch hereinschauen oder am Infotisch stöbern.
Von Matthias Röseners sorgsam bepflanzten Balkon, seinem Lieblingsplatz, blickt man auf die Geschäftsstelle der NFJ auf der anderen Straßenseite hinab. Nach dem letzten Anschlag hat der Verwaltungswissenschaftler den Mitarbeitern in einem Brief seine Solidarität zugesichert. Der Vorfall hat üble Erinnerungen geweckt. Sieben Jahre hat Rösener in Halberstadt gelebt - jener Stadt in Sachsen-Anhalt, die leider nicht nur für ihren prächtigen Domschatz bekannt ist, sondern auch für einen brutalen Neonazi-Überfall auf ein Theaterensemble im vergangenen Jahr. Rösener hat dort für die SPD im Kreistag gesessen, sich gegen rechts engagiert - und dabei wenig Unterstützung erfahren. Vor drei Jahren ist er nach Berlin gezogen, weil er sich in Halberstadt wegen der rechten Dauerpräsenz nicht mehr wohl und sicher fühlte. Nun hat es den Anschein, als hole ihn das Problem wieder ein.
Es ist zu erahnen, wie die rechten Aktionen den noch jungen Mann mit der hohen Stirn und den tief liegenden Augen beunruhigen. Zweimal schon ist er in Friedrichshain in eine bedrohliche Situation geraten, weil er Zivilcourage gezeigt hat. Er hat keine Heldentaten begangen, aber eben demonstrativ hingeguckt. Beide Male endete es glimpflich, Pöbeleien waren die Antwort. Er stelle sich auf die veränderte Situation ein, erzählt er bei einer Tasse Kaffee in seiner mustergültig aufgeräumten Küche. "Man ändert ein bisschen seinen Tagesablauf, geht andere Wege."
In der Beurteilung der Lage sind sich alle einig. "Die Leute glauben, dass die Nazis mit neuen, subversiven Taktiken versuchen, hier wieder Fuß zu fassen", erzählt der Langhaarige aus dem SamaCafé. "Die Nazis wollen diesen Kiez wohl erobern", vermutet Irene Poczka von der NFJ. "Zielgerichtet in den Kiez reingehen, dort Präsenz zeigen, dominant auftreten, das hat zugenommen", sagt Anwohner Matthias Rösener. Dass die rechten Umtriebe in Friedrichshain noch nicht das beängstigende Niveau von 2006 erreicht haben und es sich in den vergangenen Wochen wieder vermehrt um Propagandadelikte handelt, hält Aktivist Daniel indes für keinen Grund zur Entwarnung: Damit habe es bei der Kameradschaft Tor schließlich auch angefangen.

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16.04.2008 RBB-Abendschau
Rechte etablieren sich in Friedrichshain

Über 50 Angriffe von Rechtsextremen auf Anwohner innerhalb der eltzten 12 Monate hat eine Bürgerinitiative in Friedrichshain registriert. Grundgenug für die Friedrichshainer Initiative für eine Werbeaktion für mehr Zivilcourage - samt Merkzettel für richtiges Verhalten, allerdings möglichst ohne sich selbst in Gefahr zu bringen.
Die Initiative zeichnet auch Helfer in Gefahrensituation aus - mit kleinen Geschenken wie Blumen, Gutscheine für ein Abendessen, für einen Besuch im Cafe und im Kino nebenan - jeweils gespendet von Gewerbetreibenden, die genug haben von rechtsextremen oder rassistischen Übergriffen in Friedrichshain.
Die Gewerbetreibende in Friedrichshain machen mobil gegen eine erstarkende rechte Szene - auch weil die offenbar versucht, im Kietz salonfähig zu werden.
Selbst im Shoppingcenter neben dem S-Bahnhof wird in einem Laden Neonazi-Mode von Thor-Steinar verkauft, klagen Kritiker. Video

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10.4.2008 Zitty
So nette Nazis!
Hübsche Antifa-Steckbriefe in Friedrichshain

Die Rechten haben es im vorigen Jahr in Pankow vorgemacht, jetzt machen es die Linken in Friedrichshain nach: Sie outen ihre Gegner per Steckbrief. Weil sich rechte Übergriffe im linken Kiez gehäuft haben, und Rechte ja auch seit einiger Zeit aussehen wie Autonome, hängen seit Anfang April rund um den Boxhagener Platz Erkennungstafeln. Die zehn Geouteten werden in Zusammenhang gebracht mit einem rassistischen Überfall Anfang März und mit dem Überfall auf eine linke Kneipe Ende des Monats. Auffällig ist: Mehrere der Ausgehängten sehen nicht nur richtig nett aus. Mindestens drei der Fotos scheinen auch privat zu sein - mutmaßlich von Facebook oder ähnlichen Commu nities. War das etwa Datenklau? Nach dem Motto: Big Antifa is watching you?

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09.04.2208 Tagesspiegel

Rechte Persönlichkeitsrechte - Mit Fotos gegen den Feind

In Friedrichshain schlagen Neonazis häufiger zu als in anderen Bezirken. Nun werden Rechtsextreme auf Plakaten im Kiez geoutet. Die rechte Szene reißt sie wieder runter. Der Staatsschutz hat sich eingeschaltet.

Ihre Gesichter sind klar zu erkennen, ihre Namen stehen drunter und jeder der diese Bilder sieht weiß: Achtung Neonazis! In den vergangenen Tagen sind unzählige solcher Plakate im Friedrichshainer Südkiez an Wände und Litfasssäulen geklebt worden. Auf ihnen wird vor bekannten Rechtsextremen gewarnt, die sich immer wieder im traditionell linken Bezirk aufhalten. Nun machen Neonazis mobil. In den vergangenen Nächten sind mehrfach kleine Gruppen junger Männer beobachtet worden, die mit Messern ausgerüstet die Plakate von den Wänden kratzten. Die Polizei bestätigt, dass eine Anzeige wegen Urheberrechtsverletzung vorliegt. "Der Staatsschutz ermittelt noch gegen unbekannt", sagte ein Polizeisprecher.
Die Plakate sind offenbar anonym verbreitet worden, da auf ihnen nicht zu Straftaten gegen die abgebildeten Personen aufgerufen wird, wird die Polizei nur dann aktiv, wenn einer der Betroffenen Anzeige erstattet. So bleibt es den Rechten vorbehalten, wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten gegen die mutmaßlichen Plakatierer vorzugehen. "Ein Verstoß gegen das Urheberrecht kann immer dann vorliegen, wenn eine Person klar erkennbar gegen ihren Willen veröffentlicht wird", sagte Jurist Sven Richwin, der in einem anderen Fall beschuldigte Linke vertritt, die ähnliche Plakate verbreitet haben sollen. Vor einigen Wochen outeten Antifaschisten in Potsdam mutmaßliche Rechtsextreme: 27 Personen aus der Region wurden im Internet abgebildet - mit Foto, Adresse und Namen.

Bewaffnete Auseinandersetzungen
Fast zeitgleich sorgte Anfang des Jahres eine Aktion des Landeskriminalamtes (LKA) für Wirbel: Im September 2007 entdeckten LKA-Beamte ein Plakat mit Porträts von Neonazis. Um in der linken Szene ermitteln zu können, schrieb der Staatsschutz die fotografierten Rechten an und wies sie darauf hin, dass sie Anzeige stellen könnten. Polizeipräsident Dieter Glietsch hielt dieses Vorgehen später allerdings für "nicht sachgerecht", Verstöße gegen das Kunsturheberrecht seien nicht Schwerpunkt der Polizeiarbeit.
In den vergangenen Monaten hatte es mehrfach bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Jugendgruppen in Friedrichshain gegeben. Auffällig ist in ganz Berlin, dass rechtsextreme Schläger in den letzten Jahren immer häufiger in auch bei Linken beliebten Kneipengegenden angreifen. Die Opferberatungsstelle Reach Out zählte in Friedrichshain für das vergangene Jahr 24 rechte Gewalttaten, wie schon 2006 ist die Gegend in Berlin damit führend. "Neonazis finden dort besonders schnell vermeintliche Linke", erklären Rechtsextremismus-Experten. Antifa-Gruppen haben inzwischen vier Friedrichshainer Lokale als "Nazi-Kneipen" im Visier.

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April 2008: Bezirkszeitung der LINKEN

Spielwiese für Neonazis – Friedrichshain im Sog rechter Gewalt

Dass es auch im Allgemeinen als alternativ bekannten Friedrichshain zu rechtsextremen Gewalttaten kommt, ist nichts Neues. Laut der Opferberatungsstelle ReachOut lag Friedrichshain mit 24 Gewalttaten durch rechtsradikale Schläger im Jahr 2007 sogar an der Berliner Spitze.
Neu ist allerdings die Qualität der Gewalt. Seit Anfang 2008 gerieten alternative Wohnprojekte und Kneipen in Friedrichshain gezielt ins Visier rechter Gewalttäter. Es kam zu Steinwürfen gegen Schaufensterscheiben und Überfällen von vermummten Gruppen auf Kneipen und vermeintlich linke und alternative Personen. Trauriger Höhepunkt war der Überfall am 9.März 2008 auf das alternative „Sama-Cafe“ in der Samariterstraße. In den frühen Morgenstunden stürmte eine Gruppe von zehn bis 15 vermummten Neonazis in das Lokal, sie besprühten die Anwesenden mit Pfefferspray und bewarfen sie mit Flaschen.
Nicht nur die Aktionsformen und das damit verbundene offensivere und selbstbewusstere Auftreten der rechten Banden haben sich in den letzten Jahren geändert, sondern auch das Aussehen und die politische Ausrichtung. Die Zeiten, in denen Neonazis durch martialisches Auftreten mit Glatze, Bomberjacke und Springerstiefeln erkennbar waren, sind lange vorbei.
Sie nennen ihre Zusammenschlüsse nicht mehr „Kameradschaften“, sondern bezeichnen sich als „Autonome Nationalisten“. Sie kopieren das Aussehen alternativer Jugendkulturen und der Autonomen Szene. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Neonazis von heute mit schwarzen Kapuzenpullovern, Piercings, Ansteckern und bunten Haaren auftreten, viel mehr ist das ein Teil ihrer Strategie.
„Autonome Nationalisten“, die im Nachbarbezirk Lichtenberg durch Hass und Gewalt Angsträume geschaffen haben, begeben sich nun vermehrt in Friedrichshain auf die Jagd nach Andersdenkenden. Ihr inhaltsleeres und äußerlich alternatives Auftreten ermöglicht es ihnen auf den Partys und in den Kneipen hier im Bezirk unterzutauchen, Freundschaften zu knüpfen und neue Anhänger zu gewinnen. Die Polizei ist mit dieser neuen und nicht sofort erkennbaren Neonaziszene überfordert.
Es liegt mit an den Friedrichshainer Bürgerinnen und Bürgern, für Toleranz und Weltoffenheit in ihrem Kiez zu kämpfen. Alternative Projekte und die Bürger müssen aufeinander zugehen und Barrieren abbauen. Nur so ist es zu schaffen, Friedrichshain wieder zu dem Bezirk zu machen, der er einmal war und wofür er in der Öffentlichkeit immer noch steht: Ein alternativer, vielschichtiger und bunter Kiez für alle Menschen.
Deshalb: „Initiative gegen Rechts – Friedrichshain“ (http://www.initiative-gegen-rechts.de)

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02.04.2008 Junge Welt
»Das schafft man nur gemeinsam«
Berlin-Friedrichshain: Neonazis machen verstärkt Jagd auf Linke. Antifa will dafür sensibilisieren und Gegenstrategien erarbeiten. Ein Gespräch mit Markus Roth


Markus Roth ist Sprecher der Antifa Friedrichshain. Informationen und Chronik zu rechter Gewalt unter antifa-fh.de.vu

Am frühen Sonntag morgen wurde in Berlin-Friedrichshain eine Gruppe Jugendlicher von Neonazis angegriffen, einige wurden verletzt. Was ist genau passiert?
Der Vorfall reiht sich ein in eine ganze Serie von rechten Angriffen in den letzten Wochen in Friedrichshain. Die jungen Leute waren am Sonntag gegen 6.30 Uhr auf dem Rückweg von einer HipHop-Party und wollten zum S-Bahnhof Frankfurter Allee. Auf der Höhe der Disko »Jeton« rannten etwa 15 mit Schlagstöcken ausgerüstete Vermummte auf sie zu und jagten die Gruppe bis zum Bahnhof. Nur durch einen Sprung auf die Gleise konnten sich die Verfolgten retten, einige trugen Schürfwunden und Prellungen davon. Die Polizei traf erst nach zehn Minuten ein.
Bevor die Angegriffenen Anzeige erstatten, werden sie die Berliner Opferberatungsstelle »Reachout« aufsuchen. Die Polizei hat sich in letzter Zeit nicht sehr rühmlich gegenüber Menschen verhalten, die von Neonazis angegriffen worden waren. Als vor kurzem beispielsweise die linke Kneipe »Sama-Café« in der Samariterstraße von Neonazis gestürmt wurde, wehrten sich die Gäste erfolgreich. Die Polizei stufte die Notwehr als kriminelle Selbstjustiz ein und verhaftete sogar einige der Angegriffenen, während die festgesetzten Neonazis nach Personalienprüfung gehen durften.

Zuletzt haben Berichte über Neonaziaktivitäten in Friedrichshain wieder zugenommen. Warum vergeht kein Wochenende dort ohne rechte Gewalt?
Wir gehen davon aus, daß sich der Täterkreis auf einige wenige Lichtenberger Neonazis und Fußball-Hooligans eingrenzen läßt. Nach dem Verbot mehrerer Berliner »Kameradschaften« durch den Innensenator vor zwei Jahren versinken deren Nachfolgeorganisationen in politischer Bedeutungslosigkeit. Ihre Aktionen erschöpfen sich in Angriffen auf Linke und deren Hausprojekte. Friedrichshain hat erfreulicherweise eine recht große, sich als links definierende Szene und eine alternative Kneipenkultur. Für Neonazis gibt es hier also mehr Reibungspunkte als in Lichtenberg, wo sie in einigen Straßen die Vorherrschaft erkämpft haben.

Aber es scheint auch in Friedrichshain Clubs zu geben, die keine Probleme mit Neonazis haben.
Ja, das bereits erwähnte »Jeton« in der Frankfurter Allee oder beispielsweise das ehemals linke »K17« in der Pettenkoferstraße stören sich wenig an rechtsextremen Gästen, solange es keinen Ärger gibt. Daß die Neonazis ihr Aussehen immer mehr an den Look der linken Autonomen anpassen, macht es allerdings nicht einfacher, sie zu erkennen. Und wenn auf der Straße eine Gruppe schwarz Vermummter eine andere Gruppe angreift, wissen Passanten häufig nicht, was los ist. An Neonazigewalt denken zunächst die wenigsten. Da ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Derzeit müssen die Friedrichshainer verstärkt damit rechnen, nachts Zeuge von rechten Übergriffen zu werden oder selbst von ihr betroffen zu sein. Wer das Geschehen schnell einordnen kann, ist auch fähig, besonnen zu reagieren und nach eigenem Ermessen einzugreifen. Die Polizei wird, wenn überhaupt, erst im nachhinein tätig. Das hilft den Betroffenen wenig.

Welche Strategien entwickeln Antifaschisten gegen die Neonazis?
Da stehen wir noch am Anfang. Einerseits muß es darum gehen, daß die Angriffe in der lokalen Öffentlichkeit wahrgenommen und diskutiert werden. Andererseits müssen die Bewohner befähigt werden, Neonazis zu erkennen und kompetent reagieren zu können. Auch um eine bessere Vernetzung werden wir nicht herumkommen. Die alternativen Hausprojekte und linken Kneipen haben sich in den letzten Jahren im Kiez zu sehr isoliert und mitunter den Draht zur Nachbarschaft verloren. Es muß ein Klima entstehen, in dem sich Neonazis nicht mehr wohlfühlen – das schaffen Bewohner und Organisationen vor Ort nur gemeinsam.

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März 2008 Blick Nach Rechts Nr 07
Jagd auf Linke
In Berlin-Friedrichshain häufen sich rechtsextreme Übergriffe.

Die Angreifer kamen in den frühen Morgenstunden des 9. März. Um 4.45 Uhr versuchten etwa 15 Vermummte das Sama-Cafe, eine alternative Kneipe im Berliner Stadtteil Friedrichshain, zu stürmen. Wegen der Gegenwehr der Gäste mussten sich die Eindringlinge, darunter Aktivisten der Freien Kameradschaften, zurückziehen.
Eine Woche später sprühten zwei Rechtsextremisten Reizgas in den Vorraum einer anderen alternativen Kneipe in dem Stadtteil. Wenige Tage zuvor gingen die Scheiben eines Veranstaltungsorts in unmittelbarer Nähe zu Bruch. Dort hatten bekannte Rechtsextremisten zuvor Hausverbot bekommen.
„Sie kommen vor allem aus dem angrenzenden Stadtteil Lichtenberg am Wochenende nach Friedrichshain, um einen Discobesuch mit der Jagd auf Linke zu verbinden“, meint Markus Roth von der Friedrichshainer „Initiative gegen Rechts“, in dem sich Parteien, Stadtteilinitiativen und Antifagruppen zusammen geschlossen haben. Für die Zunahme der rechtsextremen Übergriffe macht Roth auch neue Entwicklungen in der Freizeitkultur verantwortlich. So hat sich in Friedrichshain eine Großdisco etabliert, in der Gäste aus der rechten Szene fest integrierter Bestandteil sind. Dieser Ort habe den Rechtsextremisten in der Vergangenheit öfter als Treffpunkt und Rückzugsort gedient.
Seit 2006 kommt es in Friedrichshain immer wieder zu Übergriffen auf Menschen, die nicht ins rechte Weltbild passten. „Da genügt es schon, wenn jemand Rastahaare oder eine Punkfrisur hat“, meint Roth, der Mitautor einer Chronik rechter Gewalt in Friedrichshain ist. Darunter sind auch mehrere Mordversuche aufgelistet, bei denen die Angegriffenen auf die Gleise der S-Bahn oder auf eine vielbefahrene Straße geworfen wurden. So beispielsweise am 2. März 2008 im S-Bahnhof Frankfurter Allee.
Die 20-jährige Anja F. stößt einen Farbigen, den sie zuvor mit rassistischen Sprüchen beleidigt hatte, vor den einfahrendenn Zug. Das Opfer kann von Passanten im letzten Moment vom Gleisbett gezogen werden. Die Täterin wird in der Nähe des Bahnhofs festgenommen.

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28.03.2008 Neues Deutschland
Das Präsidium sagte allein Danke
Bürgerinitiative verärgert: Polizei bei Ehrung nach Übergriff auf Angolaner wenig kooperativ

In einem Brief an den Polizeipräsidenten Dieter Glietsch hat sich die Friedrichshainer Bürgerinitiative gegen Rechts über einen polizeiseitig mangelnden Willen zur Zusammenarbeit mit Bürgerinitiativen beklagt. Hintergrund ist der Überfall vom 2. März, als gegen 6.45 Uhr ein Schwarzer auf dem S-Bahnhof Frankfurter Allee auf die Schienen gestoßen worden war – zweifellos rassistisch motiviert, wie sich bestätigte.
Eine Frau und zwei Männer griffen gerade noch rechtzeitig ein, zogen – selbst in Lebensgefahr – den Angolaner vom Gleisbett. Wenig später rollte ein Zug in den Bahnhof. Er hätte aller Erfahrung nach nicht mehr gestoppt werden können. Die junge Frau hielt die um sich schlagende Täterin fest, bis die Polizei eintraf.
Zu Beginn dieser Woche nun ehrte die Polizeiführung die drei mutigen Lebensretter, fern jedweder Friedrichshainer Kiezöffentlichkeit irgendwo im Landeskriminalamt, wie Rechtsanwältin Canan Bayram, Mitglied der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus gestern dem ND sagte. Die Angehörige der Bürgerinitiative bedauerte den Vorgang, weil die Initiative bereits am 5. März Kontakt zur Leitung des zuständigen Polizeiabschnittes aufgenommen hatte.
»Die Idee der Initiative war es, die Helfer gemeinsam mit den Gewerbetreibenden aus Friedrichshain zu ehren«, heißt es in dem Schreiben. Mit der Aktion »Der Kiez sagt Danke« hätten sich die ansässigen Bewohner für die Zivilcourage bedanken wollen. Rechtsextremistische Übergriffe würden insbesondere in einem Klima der Gleichgültigkeit und des Wegschauens Raum greifen. »Mit der geplanten Idee sollte aus der Gesellschaft heraus – und nicht nur von Seiten des Staates – ein Zeichen gesetzt werden, das zu Engagement gegen Rechtsextremismus und zum Eingreifen ermutigt.« Dass die Initiative weder kontaktiert noch versucht wurde, Friedrichshainer Bürger einzubeziehen, hält Canan Bayram für befremdlich. Wertschätzung demokratischer Zivilgesellschaft und deren Engagement sehe anders aus.
Für Bayram und die anderen aus der Bürgerinitiative ist die Missachtung ihrer Idee lediglich ein Indiz von vielen, dass sich die Polizei wenig kooperativ verhält, wenn es um Rechtsextremismus in Friedrichshain geht. Es gebe ja seit mehr als zwei Jahren Kontakte und Gespräche, so die Abgeordnete. Aber dabei entstünde immer wieder der Eindruck, dass es der Polizei nicht gefällt, wenn Probleme mit dem Rechtsextremismus offengelegt werden sollen. Markantes Beispiel sei die Biermeile, bei der seitens der Polizei immer wieder vorgetragen werde, dass es keine Probleme mit Rechten gebe.
Andererseits: Die Polizei könne nicht die Zivilgesellschaft ersetzen, benennt Bayram ein beliebtes Argument. Das wolle auch keiner. Aber tauglicher für die Zivilgesellschaft müsse Polizei wohl werden, meint die Abgeordnete. Eine Zusammenarbeit von Polizei und Zivilgesellschaft, wie sie regelmäßig eingefordert werde, »scheint uns auf dieser Grundlage nicht möglich«, wird im Brief festgestellt.
Die Sicht der Behörde zu dem Brief war vorerst nicht zu erfahren. Nach Angaben der Polizei-Pressestelle war das Schreiben bis zum späten Nachmittag noch nicht eingetroffen.

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27.03.2008 Jungle World
Nazi trägt Kapuzi
Im Berliner Bezirk Friedrichshain wurden in den vergangenen Wochen mehrere linke Läden und ehemals besetzte Häuser an­gegriffen. Die Antifa vermutet, dass es sich bei den Tätern um »Autonome Nationalisten« handelt.

»Hängt euch die Plakate am besten aufs Klo. Dann merkt man sich die Gesichter und kann handeln, wenn man sie in Kneipen oder auf der Straße erkennt.« Das sind die ersten Worte von Max* bei einer Informationsveranstaltung im Sama-Café. Max ist Mitglied der Antifa Friedrichshain, die wegen der vermehrten Angriffe auf Linke in den vergangenen Wochen geladen hat. Auf den Postern sind Fotos und Namen von Personen, die als Neonazis gelten und derzeit im Kiez ihr Unwesen treiben sollen. Sie sind auch auf den zweiten Blick optisch kaum von linken Autonomen zu unterscheiden, und darin liegt auch das Problem.
Am 23.?Februar versuchten zwei Unbekannte, die Frontscheibe der alternativen Kneipe »Fischladen« zu zertrümmern. In derselben Nacht wurde das Hausprojekt in der Scharnweberstraße 38 unter Rufen wie »Sieg Heil« mit Flaschen und Steinen beworfen.
Das Sama-Café in der Samariterstraße, wo die Antifa informiert, wurde in den frühen Morgenstunden des 9.?März von zehn bis 15 Vermummten angegriffen, die die anwesenden Gäste mit Pfefferspray besprühten. Die Angegriffenen reagierten schnell, drängten die Eindringlinge zurück und schlugen sie in die Flucht. Etwa 15 Besucher des Sama-Cafés verfolgten sie bis zur Ecke Voigtstraße/Rigaer Straße, wo es zu einer Aus­ein­ander­setzung kam. Dabei wurden drei der Angreifer leicht verletzt.
Bei dem folgenden Polizeieinsatz verletzte ein Zivilbeamter einen der Besucher des Sama-Cafes mit einem Schlagstock so schwer, dass er ambulant im Krankenhaus behandelt werden musste. Überhaupt schenkte die Polizei nach Angaben der Antifa Friedrichshain vor allem den Angreifern Glauben und nahm nur widerwillig ihre Personalien auf.
Anfang voriger Woche bekam das schon erwähnte Wohnprojekt »Scharni38« gleich mehrmals unerwünschten Besuch. Am frühen Morgen des 16.?März wurden sieben Personen, die gerade die Vereinsräume des Gebäudes verließen, von zwei vermummten Männern mit einem Reizstoffsprühgerät in der Größe eines Feuerlöschers angegriffen und verletzt. Am nächsten Morgen schlugen zwei Unbekannte mit Beilen auf eine Plakatwand ein, die sich direkt neben dem Haus befindet. Daran klebten die Plakate mit den Steckbriefen bekannter Neonazis. In der Nacht zum 19.?März fuhren zwei vermummte BMX-Radfahrer mehrmals am Haus vorbei, grölten Sprüche und verabschiedeten sich mit den Worten: »Bis morgen, ihr Spacken!« Die Hausbewohner sind sich sicher, dass die selben Täter, die sie der rechtsextremen Szene zuordnen, für alle Aktionen verantwortlich sind. Warum diese es ausgerechnet auf ihr Haus abgesehen haben, wissen sie nicht.
Die Berliner Neonaziszene hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert, da sind sich die Betroffenen und die Antifas weitgehend einig. Sie ist anders organisiert, agiert anders und sieht anders aus. Bis vor ungefähr drei Jahren waren die meisten parteiunabhängigen Neonazis in Kameradschaften organisiert. Die Mehrzahl von ihnen entsprach in Aussehen und Auftreten den gängigen Klischees und war deshalb relativ leicht auf der Straße auszumachen.
Springerstiefel und Bomberjacken sind mitt­lerweile vor allem bei der »jüngeren Generation« nicht mehr angesagt. Der Trend bei den »Autonomen Nationalisten«, wie sie sich nennen, geht zu noch spärlicheren Inhalten als zuvor und zu gewalttätigen Übergriffen. Lose Gruppierungen und Freundeskreise haben fest organisierte Gruppen ersetzt. »Autonome Nationalisten« ist ein Label, das jeder benutzen kann.
Sie tragen Kleidung und Accessoires, die einmal als typisch für die linke Szene galten: schwarze Kleidung, Caps, Gürteltaschen, Buttons, Aufnäher und Piercings. Auch Parolen, Flyer und Web­seiten der Nazis sind auf Anhieb kaum noch als solche zu erkennen. So haben die »Autonomen Nationalisten« zum Beispiel im Logo der Antifaschistischen Aktion die rote Fahne durch eine zweite schwarze ersetzt und den Slogan »Good Night White Pride«, der ursprünglich aus der Hardcore-Szene stammt, in »Good Night Left Side« umgedichtet. Wie die Antifas agieren sie bei Aktionen in Kleingruppen oder bilden »Black Blocks« bei ihren Aufmärschen. Immer wieder auf der Tagesordnung stehen auch Forderungen nach »nationalen Jugendzentren«.
Das Erstarken der »Autonomen Nationalisten« bezeichnete der Verfassungsschutz in einer aktuellen Studie mit dem Titel »Im Fokus: Rechte Gewalt in Berlin« als Ursache dafür, dass Linke vermehrt Opfer rechter Gewalttaten werden. Danach würden rechte Schläger inzwischen häufiger Linke oder vermeintliche Linke angreifen als Leute mit migrantischem Hintergrund, auch wenn erst in der verganenen Woche ein zehnjähriges Mädchen in Friedrichshain rassistisch beleidigt und attackiert wurde.
Seit dem Verbot der »Kameradschaft Tor« im Jahr 2005 gibt es keine kameradschaftliche Neonaziorganisation mehr in Berlin. Seitdem sind die »Autonomen Nationalisten« vermehrt in Erscheinung getreten. Die Antifa Friedrichshain vermutet einen relativ begrenzten Kreis junger Neonazis, die größtenteils in Lichtenberg wohnen. Einige von ihnen seien jedoch in Friedrichshain zurück und würden sich daher gut im Kiez auskennen.
Bei den Angriffen, die sich seit Ende vorigen Jahres deutlich gehäuft haben, begeben sich die Täter vermehrt auf »feindliches Terrain«, also in die Nähe von linken Kneipen und Projekten. Dass es sich bei den Angriffszielen der vergangenen Wochen nicht unbedingt um ausgewiesene Treffpunkte der Antifa handelt, wird der Unkoordiniertheit der Nazis zugeschrieben. Man vermutet, es gehe ihnen offenbar primär darum, Macht zu demonstrieren und zu provozieren. Wegen dieser Beliebigkeit ist es nicht leicht, sich gegen die Angriffe zu schützen.
Die Bewohner und Nutzer linker Räumlichkeiten in Friedrichshain haben sich bei ersten Treffen Gedanken über eine gemeinsame Strategie gemacht. Auf die Schnelle ein Konzept auf die Beine zu stellen, scheint jedoch schwierig zu werden, da die Vorstellungen der Beteiligten weit auseinander gehen. Ein weiteres Problem ist, dass diesbezüglich bisher nur wenig Verständigung zwischen den Projekten stattgefunden hat. Die Organisation der Zusammenarbeit wird vermutlich viel Zeit in Anspruch nehmen, die effektiver genutzt werden könnte. * Name geändert

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26.03.2008 Tagesspiegel
Ausgezeichnete Hilfe
Eine deutsche Frau hatte den 19-jährigen Mikailu F. rassistisch beschimpft und ins Gleisbett am Berliner S-Bahnhof Frankfurter Alle geschubst. Drei Berliner wurden nun von der Polizei geehrt. Sie hatten den Angolaner im letzten Moment gerettet.

Wahrscheinlich wäre Mikailu F. tot, hätten ihm die Drei an jenem Morgen am 2. März nicht geholfen. Eine deutsche Frau hatte den 19-jährigen Angolaner zunächst rassistisch beschimpft und ihn dann ins Gleisbett am S-Bahnhof Frankfurter Alle geschubst – während der einfahrende Zug immer näher heranrollte. Jushua Manono (30) und Marco Weber (28) zogen das Opfer aus dem Gleisbett. Cindy Faedrich (29) hielt die 20-jährige Tatverdächtige fest. Für ihre Zivilcourage wurden die Helfer gestern von Vize-Polizeipräsident Gerd Neubeck geehrt.
Als Mikailu F. vom Tagesspiegel am Telefon davon erfuhr, war er begeistert. „Ich finde es toll, dass sie belohnt werden für ihren Einsatz“, sagte er. Je 100 Euro und eine Urkunde gab es gestern vom Vize-Polizeichef für den „beherzten Einsatz“. Dieses Verhalten sei „nicht selbstverständlich“, sagte Neubeck. Mit der Ehrung solle auch anderen Berlinern Mut gemacht werden, in einer solchen Situation Zivilcourage zu zeigen.
Mikailu F., Kind angolanischer Bürgerkriegsflüchtlinge, lebt seit 18 Jahren in Moabit. Er macht eine Ausbildung zum Metallbauer. Am Telefon erzählt er, dass er immer noch mitgenommen sei von dem, was in jener Nacht zum 2. März geschah. Mikailu schildert die schlimmsten Minuten seines Lebens so: Mit seinem deutschen Kumpel René war er bis zum Morgen in einer Disko. Gegen 6.45 Uhr zog er sich am S-Bahnhof Frankfurter Allee Geld am Automaten, ging dann in Richtung Bahnsteig. Er sah eine korpulente deutsche Frau, die sich lautstark mit ihrem Freund stritt. „Ich schaute im Vorbeigehen kurz hin“, sagt Mikailu. Daraufhin beschimpfte ihn die Frau mit den Worten „Was guckst Du so, Nigger?“ Mikailu erwiderte: „Haben Sie ein Problem?“ und ging weiter. „Plötzlich spürte ich bloß noch den Stoß von hinten und war im tiefen Gleisbett“, schildert er. „Ich überlegte in dieser Sekunde, ob ich in die Einbuchtung kriechen sollte.“
Im selben Moment schrie Jushua Manono „Gib mir deine Hand!“ – auf Englisch und Französisch. Der Hotelier, der in Kamerun geboren ist und seit sieben Jahren in Berlin lebt, hatte den Streit am Bahnsteig wenige Sekunden zuvor mitbekommen. „Ich töte diesen Scheißnigger!“, soll die dicke Frau gebrüllt haben. „Dann sah ich, wie sie ihn schubste“, berichtet Manono. Während er dem Opfer die Hand reichte, waren bereits die Scheinwerfer der einfahrenden Bahn zu sehen. Auch Marco Weber, der die ganze Nacht durch Clubs gezogen war, kam hinzu und hielt Manono im wahrsten Sinne des Wortes „den Rücken frei“. Denn der Retter hatte Angst, „dass diese Frau mich auch noch von hinten ins Gleis schubst, während ich den Mann hochziehe“.
Doch die Tatverdächtige war in diesem Moment bereits in den eingefahrenen Zug auf dem gegenüberliegenden Gleis gesprungen, um davon zu fahren. Allerdings hinderte Cindy Faedrich sie in letzter Sekunde daran. Die Imbiss-Mitarbeiterin sprang aus ihrem Kiosk und zog die schwergewichtige und total betrunkene Frau aus dem Zug. „Ich habe gar nicht viel nachgedacht, sondern einfach zugepackt“, sagt sie. Die Täterin wehrte sich, Cindy erlitt eine Schulterprellung. „Ich konnte sie nur festhalten, weil sie so betrunken war“, sagt die 29-Jährige. Sie schaffte es, die Frau so lange unter Kontrolle zu halten, bis die Polizeibeamten eintrafen. Die Frau sitzt seitdem wegen versuchten Mordes in Untersuchungshaft. Tanja Buntrock

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25.03.2008 BZ
So feige!
Samantha (10) von drei Jugendlichen am Bahnhof Frankfurter Allee angegriffen, beschimpft, zu Boden geworfen. Täter flüchtig. Staatsschutz ermittelt

Sie war auf dem Weg nach Hause. Samantha (10) hatte den U-Bahnhof Frankfurter Allee fast erreicht, als sie von Jugendlichen erst rassistisch beleidigt und dann zu Boden gestoßen wurde.
Es passierte am Osterwochenende. Samantha, die Mutter Deutsche, der Vater gebürtiger Mosambikaner, hatte einen Nachmittag bei einer Freundin in Friedrichshain verbracht. Müde und glücklich wollte das Mädchen allein zurück zu ihren Eltern in Kaulsdorf.
Plötzlich rief hinter ihr jemand: „Hau ab, Du Scheiß-Negerin!“ Sie drehte sich um, sah drei Jugendliche, ungefähr 14 Jahre alt. Alles ging sehr schnell. „Einer rannte auf mich zu.“
Er stieß die Kleine mit voller Wucht zu Boden. „Ich hatte richtig Angst.“ Immerhin gelang es ihr zu flüchten. Der B.Z. erzählt sie, dass sie wieder aufstand und davon rannte, so schnell sie konnte. An die Gesichter der Angreifer kann sie sich nicht mehr erinnern. Sie weiß nur noch: „Die sind stehen geblieben und haben laut gelacht.“

Kein Passant hat dem Mädchen geholfen
Geholfen hat dem Mädchen niemand. Obwohl, wie sie sich erinnert, sehr viele Passanten oben vor dem U-Bahnhof Frankfurter Allee standen. Samantha hatte Glück, unverletzt erreichte sie ihr Zuhause. Ihre Mutter Claudia gestern zur B.Z.: „Samantha war ganz aufgelöst, sie hat viel geweint und hatte wohl einen Schock.“ Die Mutter erstattete Anzeige bei der Polizei, jetzt ermittelt der Staatsschutz. Gesucht werden Zeugen, die den rassistischen Übergriff beobachtet haben.

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12.03.2008 Neues Deutschland
Das Problem sind die Rechten, nicht die Punks
Nach Angriff auf linke Kneipe im alternativen Friedrichshain: Anwohner kritisieren Polizeieinsatz

Neonazis schlagen immer dreister in Friedrichshain zu. »Die sind keinen Meter in die Kneipe gekommen«, erzählt Markus Roth. Als gegen 4.45 Uhr am vergangenen Sonntagmorgen plötzlich 15 Vermummte das linke »SamaCafé« in der Samariterstraße stürmen wollten, hätten die Gäste schnell und besonnen reagiert. Die Angreifer, darunter stadtbekannte Neonazis, seien geflüchtet und zwei Ecken weiter von Linken gestellt worden, hieß es von Anwesenden. Die Polizei bestätigte den Vorfall: Auch die Beamten sprachen von »Vermummten, die vermutlich der rechten Szene zuzurechnen sind«.
Auf ihrer Flucht hätten die Angreifer mit Pfefferspray auf die Linken gesprüht, so Roth, der sich den Vorfall von einer Tresenkraft hat schildern lassen. Die Frau habe ihm auch erzählt, dass die Rechten die »ganze Kneipe auseinandergenommen hätten«, wenn niemand eingeschritten wäre. Er begrüße diese Zivilcourage ausdrücklich. Roth engagiert sich seit Jahren in antifaschistischen Initiativen und ist seit eineinhalb Jahren in einer Bürgerinitiative gegen Rechts in Friedrichshain aktiv. Diese wurde 2006 aufgrund stark ansteigender rechter Übergriffe gegründet.
Nicht zum ersten Mal in diesem Jahr haben Neonazis einen linken Laden in Friedrichshain angegriffen. Die Zahlen seien jedoch nach dem enormen Anstieg 2006 wieder gesunken, berichtet Roth. Einen Grund zur Entwarnung gebe es aber nicht. Dass Neonazis sich direkt gegen Wohnhäuser und Kneipen wenden, sei eine neue Qualität. Dem müsse man sich entgegenstellen. »Die Täter stammen überwiegend aus Lichtenberg«, sagt Roth. In Friedrichshain gebe es keine organisierte rechte Szene. In den Kneipen, in denen sich die Mitglieder der 2005 verbotenen neonazistischen »Kameradschaft Tor« getroffen hätten, sei auch »nichts mehr los«. Es habe ein Generationenwechsel stattgefunden, hat Roth beobachtet: Heute würden überwiegend sehr junge Nazis im Freundeskreis oder losen Cliquen losziehen, um gezielt Auseinandersetzungen mit Linken zu suchen. Ihnen gehe es weniger um feste Organisationsstrukturen. Vielmehr machten sie subkulturelle Politik und sprächen damit gezielt Jugendliche an. Dagegen müsse verstärkt in Jugendarbeit investiert werden, meint Roth.
Canan Bayram, SPD-Abgeordnetenhausmitglied aus Friedrichshain, meint, »die Übergriffe haben nie wirklich aufgehört«. Sie werde oft von Anwohnern gefragt, wieso sich die Nazis überhaupt nach Friedrichshain trauen. In der Bürgerinitiative, die Bayram mit ins Leben gerufen hat, gehe man davon aus, dass die Neonazis in Lichtenberg nicht genug Gegenwehr erfahren und deshalb im alternativen Szenekiez provozieren. Die Behörden müssten zudem »ihren Blick überprüfen«, so Bayram. Auf einem Treffen habe eine Sprecherin der S-Bahn gesagt, man hätte kein Problem mit den Rechten, sondern mit den Punks. Oft würden die Linken als die Störenfriede gesehen. Noch in dieser Woche treffe sich die Initiative, um über das weitere Vorgehen zu beraten.
Zeugen berichteten unterdessen, ein Linker sei bei dem sonntäglichen Einsatz von einem Zivilbeamten mit dem Schlagstock so verletzt worden, dass er zur ambulanten Behandlung ins Krankenhaus musste. »Die herbeigerufene Polizei schenkte den Angreifern zunächst mehr Glauben und nahm nur widerwillig die Personalien der Neonazis auf«, kritisiert die Antifa Friedrichshain. Die Polizei wollte sich dazu nicht äußern – die Ermittlungen dauern an.

Rechte Überfälle 2008
• 9. März: Um 4:30 Uhr versuchen 15 Vermummte, das alternative »SamaCafé« in der Samariterstraße zu stürmen. Gäste drängen sie zurück.
• 2. März: Eine 20-jährige Neuköllnerin beleidigt am Bahnhof Frankfurter Allee einen dunkelhäutigen 19-Jährigen rassistisch und stößt ihn vor eine einfahrende S-Bahn. Er wird von Fahrgästen gerettet.
• 23. Februar: Zwei vermutlich Rechte versuchen, die Scheiben der alternativen Kneipe Fischladen zu zertrümmern. In der gleichen Nacht wollen vermutlich Rechte mit Steinen Fenster eines Wohnprojekts in der Scharnweberstraße zerstören.
• 29. Januar: Eine Gruppe Neonazis verfolgt, bedroht und schlägt zwei linke Jugendliche am Ostkreuz.
• In der Silvesternacht werden acht Jugendliche am Bersarinplatz angegriffen.
Quelle:Antifa Friedrichshain

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05.03.2008 Morgenpost
Afrika-Rat warnt vor rassistischer Gewalt in Berlin

Nach dem Überfall auf einen Afrikaner auf dem S-Bahnhof Frankfurter Allee hat der Afrika-Rat vor einer Verharmlosung von rassistischer Gewalt gewarnt. Rassismus und rassistische Übergriffe gehörten in Berlin mittlerweile zum alltäglichen Leben von Ausländern vor allem aus Afrika, kritisierte der Rat am Dienstag.
Wie der Rat weiter betonte, seien die zuständigen Behörden darauf wiederholt aufmerksam gemacht worden. Ein entschlossenes Handeln des Senats sei aber nicht sichtbar. Innensenator und Polizei verharmlosten das Problem.
Anlass für die Kritik ist ein Vorfall am Sonntag. Eine 20-jährige Frau hatte einen Afrikaner erst fremdenfeindlich beschimpft und dann vor einen einfahrenden S-Bahnzug gestoßen. Das Opfer konnte sich retten. epd

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04.03.2008 TAZ

S-Bahn-Schubserin in Haft
Stoß war rassistisch motiviert. Staatsschutz ermittelt wegen versuchten Mords

Bahn-Schubser hat es in den vergangenen Jahren immer wieder gegeben. Rassistische Übergriffe in wesentlich höherer Anzahl auch. Ein rassistisch motivierter Stoß aufs Gleisbett ist jedoch eine neue Qualität fremdenfeindlicher Gewalt in Berlin.
Eine 20-jährige Frau hat am frühen Sonntagmorgen einen dunkelhäutigen 19-Jährigen am S-Bahnhof Frankfurter Allee vor einen herannahenden Zug gestoßen und ihn laut mehrerer Zeugen dabei rassistisch beschimpft. Nur mithilfe von zwei Fahrgästen gelang es dem 19-Jährigen, zurück auf den Bahnsteig zu klettern.
Die Polizei zumindest geht davon aus, dass es sich um einen rassistisch motivierten Mordversuch handelt. "Wenn die Zeugenaussagen sich bestätigen, war es ein fremdenfeindlicher und rassistischer Übergriff", sagte ein Sprecher. Nach diesen Aussagen soll die Frau bereits am Eingang des S-Bahnhofes ihr Opfer rassistisch beschimpft haben. Der Staatsschutz des Landeskriminalamts, der für politisch motivierte Straftaten zuständig ist, hat daher die Ermittlungen aufgenommen. Die 20-Jährige wurde am Montag einem Ermittlungrichter vorgeführt, der einen Haftbefehl erwirkte.
Ob es sich bei der Frau um eine Rechtsextremistin handelt oder sie sonst enge Kontakte zur Neonazi-Szene pflegt, konnte der Polizeisprecher nicht beantworten. "Sie ist noch nicht einschlägig aufgefallen", sagte der Sprecher. In Friedrichshain kommt es immer wieder zu Übergriffen von Neonazis. Zumindest in letzter Zeit richteten sie sich aber zumeist gegen Angehörige der linken Szene.

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25.12.2007 EiskrautundSauerbein
Ein Gespenst geht um in Friedrichshain…
Die Gentrification verändert das Gesicht eines ganzen Stadtviertels
Björn Höfs

Andrej Holm ist ein gefragter Mann. Doch nicht nur seine Studenten an der Humboldt-Universität interessieren sich für die wissenschaftliche Arbeit des 37-jährigen Stadtsoziologen. Auch die Bundesanwaltschaft wollte den promovierten Politologen näher kennen lernen und lud ihn Ende Juli zu einer dreiwöchigen Rundreise nach Karlsruhe und Berlin-Moabit ein. Der Vorwurf: Geistiger Kopf der terroristischen Vereinigung »militante gruppe« (mg). Schließlich gäbe es Übereinstimmungen zwischen einer knapp zehn Jahre alten Publikation Holms zum Thema Stadtentwicklung und diversen Bekennerschreiben der mg. Die Parallele entdeckten findige Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA), nachdem sie die von der mg verwendeten Begriffe Gentrification und Prekarisierung im Zuge aufwändiger Onlinerecherchen bei Google eintippten. Pech für Holm: Auch er forscht zum Thema Gentrification. Die in seinen Publikationen verwendeten und in der Soziologie weltweit gängigen Fachtermini machte sich auch die mg zu Eigen. Darüber hinaus sei er als Wissenschaftler intellektuell in der Lage, die anspruchsvollen Bekennerschreiben zu verfassen und könne mit seinem Zugang zu den Universitätsbibliotheken die nötigen Recherchen unauffällig durchführen.
Um die Frage, inwieweit eine kritische Wissenschaft dadurch in ihrer Unabhängigkeit in Forschung und Lehre bedroht ist, soll es hier nicht gehen. Auch nicht, ob es vielleicht nicht sicherer wäre, doof zu sein, wie die Berliner Zeitung dazu konstatierte. Viel interessanter ist es, das durch Holms Festname ins Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit gerückte Forschungsgebiet zu beleuchten. Im Folgenden soll am Beispiel Friedrichshains gezeigt werden, was sich hinter dem Begriff Gentrification verbirgt.

Gentrification in Friedrichshain
Gentrification ist ein Begriff aus der Stadtsoziologie und wurde bereits 1964 von Ruth Glass in Anlehnung an den Ausdruck gentry (engl. für ‚niederer Adel‘) geprägt. Vereinfacht lässt er sich als Aufwertung und Veredelung innenstadtnaher Wohngebiete beschreiben, wobei die steigenden Mieten zu einer Verdrängung der alteingesessenen Bewohner zugunsten einer einkommenstärkeren, statushöheren Schicht führen. Beschleunigt wird dieser Vorgang durch die Spekulation privater Investoren mit dem immer interessanter werdenden Wohnraum. Letztlich kann dies ein Kippen des ursprünglichen Charakters eines ganzen Kiezes bedeuten. So würden weite Teile Friedrichshains von einer Mittel- und Oberschicht dominiert, während die einkommensschwächere Bevölkerung in anderen Wohnvierteln unter sich bliebe. Folglich spricht man auch von einer sozialen Entmischung.
Wer den Charme bereits gentrifizierter Stadtteile erleben will, muss nicht bis nach Manhattan, der Mutter aller Umstrukturierungen, fahren. Nein, es reicht ein Spaziergang in Mitte oder am Prenzelberger Kollwitzplatz. Wer jedoch verstehen will, wie solch eine Umstrukturierung abläuft und welche Auswirkungen sie auf die dort lebenden Menschen hat, der blickt nach Friedrichshain. Denn nirgendwo sonst in Berlin vollzieht sich der Wandel so rasant wie hier.

Vertreibung der Pioniere
Ideals don‘t burn. We will rise from the ashes! - wie ein Pflaster schmückt das riesig bunte Banner die Fassade des Hauses, als wolle es Trost spenden und die Wunden verdecken, die das Feuer verursacht hat. Tatsächlich ist der Schaden enorm, den der Großbrand Ende Mai in Friedrichshain anrichtete. 500 Quadratmeter Dachstuhl des Eckhauses Rigaer- / Proskauer Straße sind zerstört, ebenso weite Teile der 4. Etage. Was die Flammen verschont haben, hat das Löschwasser unbewohnbar gemacht. Seitdem fehlt den 48 Bewohnern der Rigaer Straße 84 im Gegensatz zu ihren Ecknachbarn nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch ein Kino, eine Kneipe, eine Volxküche, ein Schlafplatz für Gäste aus aller Welt sowie ein Konzert- und Sitzungsraum. Denn dies hier war kein gewöhnliches Mietshaus. In dem ehemals besetzten, durch Mietverträge längst legalisierten Gebäude hat sich seit 17 Jahren ein alternatives Wohnprojekt befunden.
Der Fall erinnert an die »warme Sanierung« 10 Jahre zuvor: Schon im Sommer 1997 brannte der Dachstuhl der Rigaer84 unter dem Einsatz von Brandbeschleunigern nieder, wobei viele ex-besetzte Häuser im Samariterviertel auf die gleiche Weise unbewohnbar wurden. Nun verbittet es sich, eine direkte Verbindung zwischen den privaten Hausbesitzern und den Bränden zu ziehen. Fakt aber ist, dass nun möglich war, was die Bewohner aufgrund ihres Mietrechts zuvor hinausgezögert hatten: die aufwändige Sanierung der baufälligen Altbauten, was eine enorme Wertsteigerung mit sich brachte.
Ob Køpi, RAW-Tempel (Heimat der poetry slammer »Chaussee der Enthusiasten« - die Ohrbooten hatten hier einen ihrer ersten Auftritte) oder Oststrand (Austragungsort der jährlichen Strandvölkerball-WM): Die Liste bedrohter politischer und kultureller Projekte in Friedrichshain und Umgebung ließe sich beliebig fortführen. Dies verdeutlicht aber, dass als erste die so genannten Pioniere betroffen sind, also gerade jene Menschen, die Friedrichshain erst zum quirligen und bunten Szenebezirk werden ließen, in welchem unterschiedliche Lebensentwürfe toleriert werden.

Doch mit dem Verschwinden der Pioniere erstarkt auch der Rechtsextremismus
Friedrichshain gilt weit über die Landesgrenzen hinaus als alternativer, weltoffener Kiez. Tatsächlich ist der Bezirk Brennpunkt rechter Gewalt. Nirgendwo sonst in Berlin gibt es mehr rechtsextrem motivierte Straftaten als hier und das bereits seit 2005. Darunter fallen das Kleben von Rudolf-Hess-Bildchen oder das Zeigen des Hitler-Grußes. Klingt harmlos, bleibt aber nicht folgenlos, wenn etwa Propagandadelikte zu körperlicher Gewalt gegen Migranten, (vermeintliche) Linke und Andersdenkende werden. Drei Beispiele aus der Chronik der Opferberatung ReachOut:

Am 15.06.2007 wird eine schwangere Frau mit alternativem Outfit am S-Bhf. Frankfurter Allee von einer Gruppe Männer mit einer Flasche auf den Kopf geschlagen. Sie meinen: So ein Pack darf sich nicht vermehren.

01.08.2006: Zwei Wahlhelfer der SPD werden beim Plakate aufhängen vom Publikum des Imbiss Holteistraße / Sonntagstraße mit den Worten bedrängt: Hier ist Nazi-Deutschland, verschwindet. Eine Person versucht einen Wahlhelfer von der Leiter zu stoßen und flüchtet, bevor die Polizei eintrifft.

22.04.2006: In der Nacht zu Sonntag wird eine dunkelhäutige Frau am S-Bhf. Frankfurter Allee von sechs Neonazis (gekleidet im HipHop-Style) ohne Vorwarnung festgehalten, zusammengeschlagen und beraubt. Sie erlitt erhebliche Verletzungen und musste ins Krankenhaus (Rippenprellung, Unterleibsprellung, angebrochenes Jochbein).

Die Vorfälle zeigen, wie heterogen sich das rechte Spektrum in Friedrichshain gestaltet. Die größte Gruppe umfasst unorganisierte Jugendliche und Hooligans mit rechtsgerichtetem bis rechtsextremem Meinungsbild. Aggressives Auftreten und Gewalt richten sich eher spontan und nicht selten unter Alkoholeinfluss gegen potentielle Opfer. Zu ihnen zählen Linke und Alternative, Migranten, Homosexuelle sowie Normalbürger, welche ihren Unmut gegenüber rechter Gewalt äußern. Darüber hinaus ist ein deutliches Erstarken organisierter, rechter Strukturen in Form von Freien Kameradschaften, zu beobachten, welche sich in einigen Kneipen und bestimmten Gebieten etablieren konnten. Sie kommen entweder aus Friedrichshain selbst, wie die noch recht junge »Kameradschaft Friedrichshain« (KSF), oder dem nahe gelegenen Weitlingkiez im Nachbarbezirk Lichtenberg, wo die »Freien Kräfte Berlin«, dem Nachfolger der verbotenen »Kameradschaft Tor«, mobilisieren.
Der Anstieg rechter Übergriffe ist auch eine Folge der aktuellen Umstrukturierung. Denn mit der zunehmenden Verdrängung der alternativen Subkultur bricht ein Bevölkerungsteil weg, der bisher den Gegenpol zu einer rechten Alltagskultur gebildet hat. War es Anfang der 1990er Jahre für Rechtsextreme undenkbar, sich in Friedrichshain zu betätigen, stießen sie in den letzten Jahren kaum auf Gegenwehr. Nicht zuletzt deshalb, weil sie äußerlich meist nur noch schwer als Neonazis zu erkennen sind, da sie mittlerweile Kleidung und Symbole anderer Jugendkulturen übernehmen. Gleichzeitig geht den Bürgern im Kiez die Sachkompetenz, das heißt die Sensibilität für gesellschaftlich-politische Probleme, verloren.Von der voranschreitenden Gentrification sind zunehmend sozial Schwache betroffen
Fungieren die verdrängten Pioniere als Indikator für eine beginnende Gentrification, kann man deren Fortschreiten nun am wachsenden Kreis der Betroffenen ablesen. Denn angelockt vom alternativen Flair in Verbindung mit top sanierten Altbauten, zieht es solvente Singles und junge Paare in den Bezirk, die in der Soziologie als Yuppies (young urban professionals) und Dinkies (double income, no kids) charakterisiert werden. Auf Grund der zunehmenden Luxussanierung in jüngster Vergangenheit und Umwandlung von Mietraum in Eigentumswohnungen werden preiswerte Wohnungen zunehmend knapper. Davon betroffen sind zum einen viele alteingesessene Mieter (im ehemaligen Ostberliner Arbeiterbezirk eher finanziell schwach) sowie alle Personen, die Friedrichshain wegen der ehemals geringen Miete bewohnen: Studenten, Rentner, viele Migranten und Empfänger von Hartz IV.
Andrej Holms Doktorvater, Hartmut Häußermann, bemerkte in seinem Buch Neue Urbanität zum Ergebnis der Gentrification: Statt Müsli und naturtrübem Saft stehen dann Sekt und Kaviar auf dem Tisch. Na dann, Prost Friedrichshain! Orginal-Post

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26.11.2007 Neues Deutschland
1700 Teilnehmer bei Antifa-Demo
Silvio-Meier-Gedenken zum 15. Mal / Übergriffe von Beamten am Ende der Manifestation

Vor der Gedenktafel im Friedrichshainer U-Bahnhof Samariterstraße liegen Blumen, einige Kerzen sind entzündet worden. Die Tafel, die an die Ermordung des Hausbesetzers Silvio Meier durch Rechtsextremisten vor 15 Jahren erinnert, ist neu. »Ich habe gesehen, wie sie die eingebaut haben«, sagt die Künstlerin Uta Donner. »Die Tafel wurde nicht nur einbetoniert, sogar die Schienen sind genietet worden. So schnell wird die nicht geklaut.« Donner dokumentiert seit Jahren den Diebstahl und das Verschwinden der Tafel. Antifaschisten vermuten Neonazis als Diebe – aber auch die BVG entfernte zwei Mal die Tafel.
Während unten in Trauer an den Hausbesetzer Silvio Meier gedacht wird, sammeln sich überirdisch rund 1700 Demonstranten, so viele wie lange nicht mehr, um an der jährlichen Gedenkdemonstration teilzunehmen. Zum 15. Mal seit 1992 wird sie von einem linken Bündnis veranstaltet. Das Motto: »Antifa heißt Angriff! Linke Freiräume verteidigen.« Weil viele alternative Wohnprojekte in Friedrichshain gefährdet sind, möchte man Solidarität mit ihnen zeigen. Im Gegensatz zu den letzten Jahren, wo die Demo oft nach Lichtenberg führte, streift sie den östlichen Bezirk diesmal nur leicht.
»Wir wollen auf die rechtsextremen Übergriffe in Friedrichshain aufmerksam machen«, sagt Sebastian Lorenz von der Antifaschistischen Linken (ALB), die den Aufzug mitorganisiert hat. Zwar mag es paradox klingen, in den alternativen Szenebezirk würden jedoch häufig Rechtsextreme kommen, um Migranten, Punks und alternative Kids anzugreifen. Eine Stelle, an der es häufig dazu gekommen war, ist die Ambrosiusbar an der Warschauer Straße. Deshalb legt die Demonstration hier einen Zwischenstopp ein. Zum ersten Mal ziehen Polizisten in Kampfmontur auf. Der Aufzug ist bisher ohne Polizeibegleitung ausgekommen.
Obwohl sich die Situation auch an der Ambrosiusbar schnell wieder beruhigt, wird das Polizeispalier nicht mehr abgezogen. Am Ende der Demonstration, die vom Veranstalter wenig später an der Ecke Revaler / Libauerstraße aufgelöst wird, kommt es zu kurzen, aber heftigen Angriffen durch sogenannte Greiftrupps der Polizei, die Teilnehmer verhaften. Die verbliebene Menge antwortet mit einzelnen Flaschenwürfen auf den Einsatz.
»Im Zuge des brutalen Schlagstock- und Pfeffersprayeinsatzes wurden mindestens acht Menschen verletzt«, sagt Sebastian Lorenz am Tag danach. Beim Ermittlungsausschuss (EA), der Festgenommene betreut, hätten sich dreizehn Personen gemeldet. Die Veranstalter wollen den Einsatz juristisch prüfen lasen. »Es ist ein Skandal, dass es in Berlin nicht möglich ist, eine linke Demo ohne Polizeigewalt durchzuführen«, kritisiert Lorenz. Eine linke Kundgebung in Lichtenberg am selben Tag verlief allerdings störungsfrei. Die Veranstaltung der Linkspartei, die von der Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich (LINKE) organisiert wurde, richtete sich gegen eine Kundgebung von 50 Neonazis.

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26.11.2007 Berlin Zeitung
"Latsch-Demo" mit Feuerwerk
Rangeleien und Festnahmen beim Gedenken an ermordeten Silvio Meier

Am Rande der Demonstration zum Gedenken an den 1992 ermordeten Hausbesetzer Silvio Meier hat die Polizei zwölf Personen festgenommen. Diese Bilanz gab die Behörde gestern bekannt. Der Aufzug hatte laut Polizei rund 1 600 Teilnehmer. Die Veranstalter sprachen von 2 500. Die Polizei war mit rund 1 000 Beamten im Einsatz.
Bis zum Ende verlief die Demo größtenteils friedlich. Mit 45 Minuten Verspätung startete sie gegen 17.45 Uhr am U-Bahnhof Samariterstraße. Zuvor waren einige Teilnehmer gegeneinander handgreiflich geworden, weil jemand eine Israelfahne entrollt hatte.
Die Demonstranten zogen zunächst durch den Kiez nördlich der Frankfurter Allee und dann südlich durch die Mainzer- und die Warschauer Straße. Sie trugen Transparente mit Parolen wie "Kein Vergeben, kein Vergessen" und "Nazistrukturen zerschlagen". Dazu gab es immer wieder lange Ansprachen vom Lautsprecherwagen. Teilnehmer zogen das spöttische Fazit: "Eine langweilige Latsch-Demo".
Laut Polizei wurden während des Aufzugs allerdings mehrere geparkte Autos beschädigt. Auch wurden immer wieder Leuchtraketen während der Demonstration in die Luft geschossen. Auf einem Dach an der Warschauer Straße entzündeten Linke ein bengalisches Feuer und schwenkten Antifa-Fahnen. Zwischenkundgebungen gab es unter anderem vor einer Kneipe in der Warschauer Straße, wo angeblich Neonazis ihr Bier trinken. In Richtung des Lokals flogen Steine, die aber nicht trafen.
Nachdem die Demo an der Revaler Straße geendet hatte, begannen die Auseinandersetzungen mit der Polizei, unter anderem, weil sich Demonstranten vermummt hatten und weil Kurden, die sich unter die Demo gemischt hatten, Fahnen mit dem Konterfei des Führers der verbotenen PKK, Abdullah Öcalan, schwenkten. Vereinzelt flogen Flaschen. Festnahmetrupps der Bereitschaftspolizei griffen sich die "Störer" heraus. "Gegen sie wurden Ermittlungsverfahren unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs und versuchter Gefangenenbefreiung eingeleitet", sagte eine Polizeisprecherin. "Nach kurzer Zeit entspannte sich aber die Lage wieder." Die Veranstalter wiederum warfen der Polizei brutales Vorgehen vor. Sie kritisierten einen "brutalen Schlagstock- und Pfeffersprayeinsatzes".
Vor dem Aufzug hatte es bereits zwei Kundgebungen gegeben, die ohne Vorkommnisse verliefen. In der Margaretenstraße im Weitlingkiez hatten sich 43 Neonazis versammelt. Am Münsterlandplatz hatten rund 60 Gegendemonstranten dagegen protestiert.

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25.11.2007 DPA
Polizei sichert Demo mit Großaufgebot - 1600 Teilnehmer gedenken ermordeten Hausbesetzers - Vier Festgenommenen droht U-Haft

Die befürchteten Auseinandersetzungen zwischen Linken und Rechten am Wochenende in Berlin sind ausgeblieben. Wie ein Polizeisprecher am Sonntag sagte, verlief die diesjährige Silvio-Meier-Gedenkdemonstration mit rund 1600 Teilnehmern am Samstagabend bis zum Ende weitgehend friedlich. Im Anschluss sei es jedoch zu Stein- und Flaschenwürfen auf Beamte gekommen.
Insgesamt wurden 13 Personen wegen Landfriedensbruchs, Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz, versuchter Gefangenenbefreiung und Körperverletzung festgenommen. Vier von ihnen sollten im Laufe des Sonntags einem Haftrichter vorgeführt werden. Zudem wurden entlang der Wegstrecke mehrere Autos beschädigt.
Bei dem rund zweistündigen Marsch durch die Stadtteile Friedrichshain und Lichtenberg protestierten die vorwiegend aus dem linken Spektrum stammenden Teilnehmer mit Transparenten und Sprechchören gegen Neonazis. Anlass des jährlich stattfindenden Aufzuges war der 15. Todestag des erstochenen Hausbesetzers Silvio Meier.
Die Polizei war am Samstag wegen der Gedenkdemonstration sowie zwei kleineren Veranstaltungen mit 1000 Beamten im Einsatz. Am Nachmittag hatten 50 Rechtsgerichtete eine Gegendemonstration abgehalten, die Partei Die Linke protestierte gegen diese Kundgebung parallel mit 60 Personen.
Die abendliche Demonstration führte vom U-Bahnhof Samariterstraße durch den angrenzenden Bezirk Lichtenberg zurück nach Friedrichshain. Eine als rechter Treff bekannte Gaststätte in der Alfred-Jung-Straße war von Sicherheitskräften noch weiträumig abgesperrt worden.
Zum Abschluss der Demo wurde laut Polizei allerdings ein Lokal der rechten Szene in der Warschauer Straße mit Steinen beworfen. Dabei wurde den Angaben zufolge ein Fotograf verletzt. Die Veranstalter sprachen davon, dass bei den Auseinandersetzungen im Anschluss an die Demonstration acht Personen von der Polizei durch Schlagstock- und Pfeffersprayeinsatz verletzt wurden.
Angemeldet worden war der Protestmarsch vom Lichtenberger Bezirksverordneten Kirill Jermak (Die Linke). Jermak bezeichnete den Aufzug als «kämpferisch, aber friedlich». Im U-Bahnhof Samariter-Straße wurde unterdessen eine in der Vergangenheit mehrfach beschädigte oder entwendete Gedenktafel erneuert. Zahlreiche Blumen und Kerzen erinnerten an den Tod Silvio Meiers am 21. November 1992.
Der 27-Jährige war damals dort bei einer Auseinandersetzung mit rechtsorientierten Jugendlichen erstochen worden. Der Täter, ein 17-jähriger Hooligan, war im Oktober 1993 wegen Totschlags zu vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden.
Bereits für kommenden Samstag mobilisiert die linke Szene gegen einen Aufmarsch von Rechtsradikalen, mit dem diese im Berliner Südosten für ein «Nationales Jugendzentrum» demonstrieren wollen. Der Aufzug der Neonazis soll am U-Bahnhof Rudow beginnen und zum S-Bahnhof Schöneweide führen. Zu einer Gegenkundgebung ruft das Bündnis «Antifa-Event statt Nazi-Advent!» auf.

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24.11.2007 Tagesspiegel
Auf dem Weg zur Konfrontation
Die Demonstranten zum Gedenken an Silvio Meier zieht am Samstag durch Friedrichshain. Die Linken verzichten auf die Konfrontation mit den Nazis. Die Polizei befürchtet Gewalt von rechts.

Anders als in den Vorjahren soll der Protest von mindestens 1000 Teilnehmern nicht nach Lichtenberg führen, hinein in den als rechte Hochburg verrufenen Weitlingkiez. Bislang musste die Polizei auf der Frankfurter Allee immer schweres Gerät und über 1000 Beamte postieren, um beide Gruppen zu trennen. Wie der Anmelder der Demo, der Bezirksverordnete Kirill Jermak der Linken, sagte, wolle man in diesem Jahr die „Solidarität mit alternativen Projekten thematisieren“.
Also führt das Silvio-Meier-Gedenken heute ab 16 Uhr im „eigenen“, linken Friedrichshain im Kreis. Die Entscheidung stieß bei der Polizei auf Erleichterung. Denn nach dem Schlagstocküberfall von Linksautonomen auf fünf Rechte in einem Schnellrestaurant ist die Stimmung angespannt. Der Tatort lag genau am U-Bahnhof Samariterstraße, in dem 1992 der Hausbesetzer Silvio Meier von Neonazis ermordet worden war. Deshalb werden jetzt Racheakte befürchtet. Wie berichtet, gibt es bereits Drohungen im Internet gegen Jermak. Dieser ist bereits zweimal attackiert worden.
Unklar ist, ob neben der von Neonazis in Lichtenberg angemeldeten Kundgebung heute doch noch irgendwo der Landesparteitag der NPD stattfinden wird. Nachdem NPD-Chef Eckart Bräuniger am vergangenen Sonntag im Tagesspiegel angekündigt hatte, dass der Parteitag auf jeden Fall an diesem Sonnabend stattfinden solle, war er am Montag davon wieder abgerückt. Offiziell heißt es, dass keine Räume gefunden wurden.
In Lichtenberg ruft Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich (Linke) für 14 Uhr auf dem Münsterlandplatz zu einer „Kundgebung gegen rechts“ auf. 500 Meter weiter findet an der Ecke Weitling-/Margaretenstraße zur gleichen Zeit die Versammlung von etwa 50 Neonazis statt unter dem Motto „Unser Kiez will keine Schläger“. Ha

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20.11.2007 Junge Welt
»Ohne öffentlichen Druck würde keine Tafel hängen«
Gedenken an vor 15 Jahren von Neonazis ermordeten Berliner Antifaschisten Silvio Meier. Ein Gespräch mit Ute Donner

Wann haben Sie sich erstmals näher mit dem Antifaschisten Silvio Meier beschäftigt, der vor 15 Jahren von Neonazis in Berlin-Friedrichshain ermordet wurde?
Angefangen hat alles an einem Morgen im Oktober 1998. Immer, wenn ich die Treppe vom U-Bahnhof Samariterstraße hinaufstieg, fiel mein Blick auf eine Gedenktafel mit der Aufschrift »Hier wurde Silvio Meier am 21. November 1992 von Faschisten ermordet«. Plötzlich war die Tafel weg, und ich konnte das nicht einfach so hinnehmen. Ich brachte eine provisorische Gedenktafel und gemalte Bilder an der leeren Stelle an, die jedoch immer wieder entfernt wurden. Ich erstattete Anzeige und kontaktierte die lokale Bezirksverordnetenversammlung. Plötzlich tauchte die Tafel bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) wieder auf und wurde am Vortag des 21. November 1998 erneut angebracht.
Doch wenige Tage später verschwand sie ein zweites Mal. Damit begann die Geschichte um das mysteriöse Verschwinden der Gedenktafel. Eine dritte Platte wurde im Herbst vergangenen Jahres vermutlich von Neonazis aus der Verankerung gerissen und gestohlen. Diese Auseinandersetzung dokumentiere ich in meiner Ausstellung »Für Silvio«.

Warum liegt Ihnen das Gedenken an Silvio Meier am Herzen?
Für mich als einen politisch denkenden Menschen, der sich mit Malerei und Aktionskunst gesellschaftskritisch äußert und noch dazu in direkter Nachbarschaft zum Todesort von Silvio Meier wohnt, liegt das einfach auf der Hand. Silvio Meier war zudem nicht nur Hausbesetzer und Antifaschist. Er war Vater und Liebender, war in den Wendezeiten Oppositioneller und in der Kirche von Unten aktiv, und er war Pazifist. Da fühle ich mich ihm sehr nahe.

In meiner Ausstellung »Für Silvio« verknüpfe ich Bilder mit Texten von Rio Reiser, weil die am besten zu ihm passen. »Der Traum ist aus – aber ich werde alles geben, daß er Wirklichkeit wird.« Durch meine Aktionen will ich andere Wege aufzeigen, der Lethargie etwas entgegensetzen, Brücken bauen für Menschen, die auch aufstehen wollen, denen es nicht egal ist, wenn alles den Bach runtergeht.

Welche Reaktionen gibt es auf Ihr Engagement?
Die Medien und die Öffentlichkeit sind an diesem Thema sehr interessiert. Die Ausstellung wurde bisher in verschiedenen Lokalen in Friedrichshain und auch schon im Rathaus Kreuzberg gezeigt. Nach der Präsentation in der Alice-Salomon-Fachhochschule gab es ein großes Interesse von Studierenden. Die Dokumentation wird seither als Wanderausstellung an den Berliner Hochschulen gezeigt. Zuletzt war sie in der Technischen Fachhochschule zu sehen.

Die Ausstellung beschäftigt sich vor allem mit dem Ringen um die Gedenkplatte für Silvio Meier. Warum wird eine kleine Tafel zum Streitobjekt?
Es geht ja nicht nur um eine Gedenktafel, sondern um den Umgang mit rechter Gewalt in unserer Gesellschaft. Schließlich ist hier ein Mensch von Neonazis ermordet worden – und das nicht 1933, sondern 1992. Das darf nie vergessen werden.

Ich finde es erschreckend, wieviel Gleichgültigkeit es immer noch gegenüber rechtsextremem Gedankengut gibt und wie schwer sich die BVG mit der Erinnerung an rechte Gewalt tut. Ohne öffentlichen Druck und den Einsatz von Einzelpersonen, darunter Freunde Silvio Meiers, wäre die Tafel nicht ersetzt worden.

Vergangene Woche wurde erneut eine Gedenktafel montiert. Hat sich der Einsatz gelohnt?
Ich hätte fast nicht mehr daran geglaubt, daß vor dem 15. Todestag von Silvio Meier am Mittwoch noch eine Tafel hängt. Bis zuletzt mußte erheblicher Druck auf die zuständigen Mitarbeiter der BVG ausgeübt werden.

Wo ist die Ausstellung »Für Silvio« als nächstes zu sehen?
Vom 23. November bis 30. Dezember 2007 kann man sie sich im Wahlkreisbüro der Berliner SPD-Abgeordneten Canan Bayram in der Samariterstraße 6 ansehen. Eine feierliche Eröffnung mit musikalischer Begleitung findet am kommenden Freitag um 18 Uhr statt.

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14.11.2007 Junge Welt
15 Jahre Silvio-Meier-Gedenken
Jährliches Erinnern an 1992 von Neonazis erstochenen Antifaschisten und Hausbesetzer in Berlin

Silvio Meier – Antifaschist und Aktivist der Hausbesetzerbewegung in Berlin – wurde am 21. November 1992 von Neonazis getötet. Er und einige Freunde gerieten vor 15 Jahren auf dem U-Bahnhof Samariterstraße in Berlin-Friedrichshain mit Neonazis in Streit. Es folgte eine Schlägerei, zurück blieben mehrere schwer verletzte Antifaschisten; Silvio Meier verstarb kurze Zeit später an einer Stickwunde.
Das Wochenende 21./22. November 1992 war einer der Höhepunkte des mörderischen Neofaschismus in den frühen 90er Jahren. Am gleichen Abend starben in Mölln drei Türkinnen bei einem rassistisch motivierten Brandanschlag. Zu diesem Zeitpunkt waren erst wenige Monate vergangen, seitdem in Rostock-Lichtenhagen Rechte unter dem Beifall von Anwohnern eine Ausländerunterkunft in Brand setzten.
Der Tod von Silvio Meier traf die linke Szene in den Umbruchsjahren kurz nach der Wende hart. Die Situation, in der Silvio Meier starb, war keine Seltenheit; nur durch Glück kam es zu keinen weiteren Todesopfern. Skinheadkult und eine zum großen Teil rechtsextreme Hooliganszene prägten viele Stadtteile Ostberlins. Der angrenzende Bezirk Lichtenberg galt schon damals als rechte Hochburg.
Antifaschisten nehmen seitdem alljährlich den Tod von Silvio Meier zum Anlaß, um mit einem lokalen Bezug gegen rechts zu demonstrieren. So etwa 1998, als das Café Germania im Bezirk Lichtenberg öffnete. Der Neonazitreffpunkt mußte kurz nach der Demo schließen. In den Folgejahren geriet vor allem die militante »Kameradschaft Tor« ins Visier der Antifa.
In diesem Jahr findet die Silvio-Meier-Demo am 24. November unter dem Motto »Antifa heißt Angriff! Linke Freiräume verteidigen!« statt. Die Organisatoren schlagen den Bogen von antifaschistischer Selbsthilfe zu bedrohten linken Projekten im Kiez. Für die Antifaschistische Linke Berlin (ALB) ist dies kein Widerspruch: »Die beste Aktion gegen rechts ist eigene linke Politik«, so ALB-Sprecher Sven Laumeyer gegenüber junge Welt. Letztere wird nicht nur in Lichtenberg, sondern auch im angrenzenden Friedrichshain zurückgedrängt. Zwar ist Friedrichshain noch immer durch eine starke linke Szene mit besetzten Häusern, alternativen Kneipen, Wagenplätzen und Hausprojekten geprägt. Doch auch hier nimmt die Verdrängung alternativer Wohn- und Lebensräume in rasantem Tempo zu.

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29.10.2007 Maikbaumgaertner.de
Das „Irrenhaus“ Berlin - Friedrichshain

Kneipe “Irrenhaus”“Scheiss Englisch – Amikacke - Verpiss dich!“, so wurde, wie erst jetzt bekannt wurde, laut Zeugenaussagen, ein Italiener in der Nacht vom 28.09. zum 29.09. von einigen Stammgästen in der Kneipe „Irrenhaus“ in Berlin - Friedrichshain empfangen, als er sein Bier am Tresen nicht auf Deutsch bestellte. Eine junge Frau, die daraufhin wissen wollte, ob der augenscheinliche Neonazi – im klassischen rechten Skinheadoutfit - ein Problem mit Ausländern habe, wurde u.a. als „Judenfotze“ beschimpft und beleidigt. Die Wirtin nannte den Haupttäter beim Vornamen und versuchte auf ihn einzuwirken „jetzt nicht hier“ damit weiter zu machen. Als sich die Gruppe um den Italiener einige englische Lieder in der Jukebox der Kneipe aussuchte, eskalierte die Situation, in deren weiteren Verlauf wurde ein deutscher Jugendlicher und Freund des Italieners von einem Nazi ins Gesicht geschlagen. Ein weiterer wurde von dem Schäferhundmischling der anfangs nur pöbelnden Nazigruppe zweimal in den Lendenbereich gebissen. All das spielte sich in den Räumlichkeiten des „Irrenhaus“ unter den Augen der Wirtin und der anderen Gäste ab. Als die Jugendlichen die Polizei verständigten, flüchteten die Täter – 3 Männer und 1 Frau mit dem Hund – von denen einer in unmittelbarer Nähe noch von den Beamten aufgegriffen werden konnte. Nachdem die Anzeige aufgenommen und der durch Bisswunden verletzte Mann durch einen Rettungswagen erstversorgt wurde, zog sich die Polizei zurück. Eine Gruppe jüngerer Neonazis, die sich noch in der Kneipe an einem anderen Tisch aufhielten, wurden weder als Zeugen notiert, noch wurde von der Polizei auf Hinweise der Opfer, dass diese sie ebenfalls bedroht hätten, reagiert. Zum Abschied sollen die jungen Nazis gewunken haben und deuteten das symbolische „Kopf ab“ - mit dem Zeigefinger am Hals entlangfahren - in Richtung der Opfer. „Dieser Übergriff zeigt einmal mehr, dass der Kiez ein strukturelles und nicht zu leugnendes Neonaziproblem hat.“, sagte Markus Roth, ein Sprecher der Initiative gegen Rechts Friedrichshain. „Während die organisierte Naziszene in Berlin kaum mehr Wirkung entfalten kann, beweist dieser Vorfall erneut, wie tief Rassimus in der Mitte der Gesellschaft verankert ist.“, so Roth weiter.

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06.10.2007 TAZ
Wut vorm Rathaus
Linkes Bündnis demonstriert in Friedrichshain gegen die Sparpolitik des Bezirks. Grüne solidarisieren sich

Vor dem Rathaus Friedrichshain in der Frankfurter Allee herrschte am Donnerstagnachmittag ungewohnter Andrang. Rund fünfzig AktivistInnen des linken Mayday-Bündnisses protestierten mit Transparenten und in Redebeiträgen gegen die Sparpolitik von Senat und Bezirk.
Das Bündnis, in dem unter anderem die Gruppen "Für eine linke Strömung" (fels), die Antifa Friedrichshain und die Internationalen KommunistInnen aktiv sind, hatte bisher zwei Mayday-Paraden "gegen Prekarisierung aller Arbeits- und Lebensverhältnisse" von Kreuzberg nach Neukölln organisiert. Mit der Kundgebung wolle man zeigen, dass es nötig sei, nicht nur am 1. Mai aktiv zu werden, sondern in aktuelle sozialpolitische Auseinandersetzungen einzugreifen, betonte Sabine Schuster vom Mayday-Bündnis. Die Debatte über den Sparhaushalt war bisher hauptsächlich zwischen der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg und dem Senat geführt worden. Die BVV hatte den Haushalt im September mehrheitlich zurückgewiesen.
"Wir wollen mit der Kundgebung die Stimmen der zahlreichen außerparlamentarischen Initiativen und sozialen Projekte in Friedrichshain zu Gehör bringen", deren Arbeit durch die Kürzungen stark beeinträchtigt würde, sagte Mitorganisator Rainer Wahls von der AG Soziales Berlin im Berliner Sozialforum.
Die grüne BVV-Fraktion von Friedrichshain-Kreuzberg hatte sich in einem offenen Brief mit den Protesten solidarisiert, hält aber die BVV für den falschen Adressaten. "Sarrazins Chef Wowereit sitzt im Roten Rathaus und zum Glück nicht in der Frankfurter Allee", heißt es dort. Das Mayday-Bündnis betonte allerdings seine parteipolitische Unabhängigkeit und verlangte auch von den Grünen mehr Konsequenz. "Sie können sich nicht darauf beschränken, die Verantwortung einmal symbolisch an den Senat weiterzureichen und dann mit dem Argument der drohenden Zwangsverwaltung den Haushalt doch zu beschließen", antwortete Wahls auf der Kundgebung.
Die Initiative "Gegen Rechts in Friedrichshain" sah in ihrem Redebeitrag die Etablierung einer rechten Subkultur im Stadtteil auch als Folge der Umstrukturierung und Perspektivlosigkeit vor allem junger Menschen im Kiez. Das Protestbündnis will auch in Zukunft aktiv bleiben. So wird die Initiative für die Errichtung eines sozialen Stadtteilzentrum in Friedrichshain unterstützt, das von interessierten KiezbewohnerInnen und Initiativen gemeinsam genutzt werden soll.

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08.09.2007 reflect!
"Rechte im Kiez" - Rechtsextreme Strukturen und zivilgesellschaftliche Gegenstrategien in Berlin-Neukölln und Friedrichshain

reflectures-Veranstaltung am 4.04.07 in der Friedel54 und am 21.06.07 in der K9

Die Organisatoren dieses Abends haben sich dazu entschieden, das Thema dem jeweiligen Veranstaltungsort spezifisch zuzuordnen, d.h., beim Veranstaltungstermin am 10. April 2007 in der Friedel54 in Neukölln ging es um rechtsextreme Strukturen und zivilgesellschaftliche Gegenstrategien im eben jenem Bezirk, bei der zweiten Veranstaltung am 21. Juni 2007 in der K9 um die jeweiligen Strukturen in Berlin-Friedrichshain.
Die erste Veranstaltung war sehr gut besucht, etwa 40 Personen waren anwesend. Die Veranstaltung wurde von reflect! moderiert und Kernstück war ein detaillierter Vortrag über die Strukturen der rechtsextremen Szene in Neukölln, mit Erwähnung der jeweiligen Situationen im Bezirk Treptow-Köpenick und Kreuzberg, da diese Bezirke an Neukölln grenzen. Im Publikum saß ein Mitarbeiter des Mobilen Beratungsteams Berlin, der in der anschließenden Diskussion einerseits Verständnisfragen beantwortete und anderseits ergänzende Gedanken/Fachwissen aus seiner Arbeit zur Thematik äußerte.
Allerdings verlief die anschließende Diskussion nicht so wie erhofft; es wurde nicht kontrovers diskutiert, sondern blieb bei einer Frage-Antwort-Runde. Das lag sicherlich an einem einseitig interessierten Publikum als auch an den Referenten, die der anvisierten Thematik der zivilgesellschaftlichen Gegenstrategien in Neukölln zu wenig Raum boten. Nach der Veranstaltung erfolgte eine Feedbackrunde, die das Gelingen des zweiten Abends sehr beförderte.
Die Veranstaltung am 21. Juni 2007 in der K9 verlief in vielerlei Hinsicht besser: Es waren zwar weniger Leute da, was sicherlich an einem dominanten Musikfestival in Berlin und dem schlechten Wetter lag, aber das Publikum (18-20 Leute) war sehr interessiert. Er begann mit einem informativen Vortrag über Rechtsextremismus in der DDR in besonderem Hinblick auf Berlin, woran sich der Vortrag über rechtsextreme Strukturen seit 2005 bis zur Gegenwart anschloss. Dabei wurden der organisierte, parteiengebundene Rechtsextremismus und die nichtorganisierte rechtsextreme Szene unter dem Gesichtspunkt des besonderen Schulterschlusses der NPD zu den Kameradschaften betrachtet, da diese von der NPD angewandte Strategie seit einigen Jahren dem Rechtsextremismus in mehreren ostdeutschen Bundesländern enormen Zulauf und politischen Aufwind bringt.
Der letzte Vortrag unserer Gäste, des „Bündnisses gegen Rechts Friedrichshain“, befasste sich mit zivilgesellschaftlichen Gegenstrategien, die vor einiger Zeit besonders von einem Zusammenschluss engagierter BürgerInnen im Friedrichshain aktiv erarbeitet wurden. Im Referat wurden die Erfolge und Misserfolge deutlich herausgearbeitet, die beim zivilgesellschaftlichen Engagement gegen Rechtsextremismus entstehen – wie schwer es ist, BürgerInnen des Bezirks mit einzubinden, Aufklärung über die rechtsextreme Szene zu betreiben und vor allem Durchhaltevermögen zu entwickeln - um nur einige Schwierigkeiten zu nennen.
Im Anschluss an diese aufeinander aufbauenden Vorträge entstand eine lebendige Diskussion über Möglichkeiten und Strategien gegen Rechtsextremismus sowie über Aufklärung und Hilfestellungen für Opfer rechtsextremer Übergriffe.

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28.08.2007 Morgenpost
Netzwerk gegen Rechtsextremismus
Integrationssenatorin Heidi Knake-Werner kündigt neues Konzept an. Expertenteam berät Politiker

Berlins Integrationssenatorin Heidi Knake-Werner (Die Linke) hat gestern ein neues Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus vorgestellt. Ziel sei es, "die demokratische Stadtkultur auch im Alltag zu unterstützen". Bei der Vorstellung sagte sie: "Menschen in allen Bezirken der Stadt sollen in ihren Wohn-, Lern- und Arbeitsorten die Fähigkeit entwickeln, Handeln gegen Rechtsextremismus selbstständig zu initiieren."
Wie notwendig das ist, zeigte ein Vorfall in Friedrichshain in der Nacht zu Montag. Dort kam es zu einem gewalttätigen Angriff mit rechtem Hintergrund. An einem Döner-Imbiss griffen in den frühen Morgenstunden des Montags zwei angetrunkene Männer im Alter von 22 und 25 Jahren eine 19-Jährige und einen 20-Jährigen an. Sie beschimpften sie als "Ökoschlampen" und riefen rechtsradikale Parolen. Die Täter flüchteten, konnten aber nach kurzer Zeit von der Polizei gefasst werden. Sie sind inzwischen wieder auf freiem Fuß. Die Opfer erlitten Gesichtsverletzungen. Der Polizeiliche Staatsschutz ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung und Volksverhetzung.
Wie berichtet, haben sich rechtsradikale Gewalttaten im Vergleich zum Vorjahr im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt: 110-mal wurde zugeschlagen. Die Opferberatungsstelle "ReachOut" zählte sogar 161 rassistische Gewalttaten, 2005 waren es 116. Bis zum Juli dieses Jahres meldeten sich schon 56 Opfer rechter Gewalt. Die Zahl werde wohl noch deutlich höher, weil viele Vorfälle erst später bekannt würden.

Programm erhält 1,5 Millionen Euro
Senatorin Knake-Werner hält es deshalb für sinnvoll, die demokratische Stadtgesellschaft weiter zu stärken. "So richtig und wichtig der allgemeine Aufschrei über die Hetzjagd von Mügeln ist, so problematisch ist der auf solche Ereignisse folgende Aktionismus. Rechtsextremismus ist kein Ost-Phänomen, sondern eine menschenverachtende Denk- und Verhaltensweise, der wir nicht erst dann begegnen dürfen, wenn sie eskaliert", sagte Knake-Werner. Das Landesprogramm gegen Rechtsextremismus soll bis Jahresende vorliegen. Am 5. September werde sich ein Expertenteam in einem Beratungsnetzwerk konstituieren, das dann Politikvorschläge unterbreiten soll. Ziel sei es, "Bürger zum selbstständigen Handeln gegen Rechts zu motivieren". Das Programm soll von 1,2 auf 1,5 Millionen Euro im Jahr 2008 aufgestockt werden.
Der Integrationsbeauftragte Günter Piening verwies gleichfalls darauf, dass man weniger auf Aktionismus setze, denn auf eine Stärkung der Strategie. Zur Bekämpfung des Rechtsextremismus gehöre die polizeiliche Repression wie der Ausbau von Initiativen und eine "klare Positionierung der politischen Führung." Man brauche einen "Anstand der Zuständigen", so Piening. "Wenn wir rechtsextreme Strömungen dulden, gefährden wir die Grundlagen des Zusammenlebens." Mit dem Beratungsnetzwerk habe man aber eine "große Chance", Konzepte zu entwickeln und dem Senat anschließend Vorschläge zu unterbreiten.

"Aufgepasst: Neonazis an der Schule"
Das brandenburgische Bildungsministerium hat zum Schulbeginn seine Aktivitäten verstärkt. Es rief angesichts eines NPD-Schulhofblatts zu einem offensiven Umgang mit Propaganda der rechtsextremen NPD an Schulen auf. Mitglieder der SPD-Jugendorganisation Jusos verteilen in diesen Tagen etwa 20 000 Exemplare der Schülerzeitung "Rote Rose" vor mehr als 100 Schulen in 30 Städten und Gemeinden Brandenburgs. "Wir wollen nicht wie Kaninchen auf die Schlange schauen", sagte SPD-Generalsekretär Klaus Ness. Die Schlagzeile der ersten Ausgabe: "Aufgepasst: Nazis an der Schule". Die rechtsextreme Partei will laut Verfassungsschutz mit provokativen Auftritten für die Kommunalwahlen im Herbst 2008 werben.

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09.08.2007 JugendFürEuropa.De
"Berlin ist nicht Germany"
Erhan Ersöz engagiert sich als Europäischer Freiwilliger bei der Arbeiterwohlfahrt für eine Welt ohne Rassismus


Wenn sich die Humanität einer Gesellschaft daran erkennen lässt, wie sie mit ihren schwächsten Mitgliedern umgeht, so, wie es der amerikanische Soziologe und Gesellschaftsphilosoph John Rawls einmal gesagt hat, dann kann auch Erhan Ersöz nur zustimmend beipflichten. Wenn der 21-jährige Politikstudent aus Istanbul aber an den Alltag des von alternativen Lebensmodellen bestimmten Berliner Ost-Szene-Bezirks Friedrichshain denkt, kommen Erhan Zweifel. Noch fühlt er sich wohl in diesem Stadtteil, der weit über die Grenzen Berlins hinaus für sein "hippes Image" bekannt geworden ist. Doch die abwechslungsreiche Vielfalt in Friedrichshain ist zunehmend in Gefahr. Auch hier wird die bunte Kiezkultur zunehmend vom Schickeria-Mainstream abgelöst.
Das weitaus gravierendere Problem heißt derzeit aber rechte Gewalt. Mit mehr als 50 Übergriffen im Jahr 2006 ist Friedrichshain zum Spitzenreiter rechtsextremer Übergriffe und Gewalttaten in Berlin avanciert, in diesem Jahr zählte die Antifa bereits 42 Vorfälle. Die Polizei wollte die Zahlen nicht kommentieren. Von Angsträumen, einer trügerischen Idylle und Behörden, die solche Übergriffe immer wieder leugnen, spricht die Initiative gegen Rechts in diesem Bezirk. Erhan ist längst einer ihrer Hauptunterstützer geworden.
Knapp zehn Monate lebt und arbeitet der in Kadiköy, einem asiatischen Stadtteil von Istanbul, aufgewachsene Türke nun schon in der Hauptstadt – als Europäischer Freiwilliger für die Arbeiterwohlfahrt Friedrichshain-Kreuzberg. "Eigentlich hatte ich mit Italien, Frankreich oder Spanien geliebäugelt. Ich wollte erst gar nicht hierher kommen“, verrät Erhan, "als Türke ist man in Deutschland ja nicht gerade ein Exot.“ Doch dann erfährt er von den Projektmöglichkeiten der Arbeiterwohlfahrt, und seine türkischen Kollegen von Greenpeace entsenden ihn ins 2200 Kilometer entfernte Berlin. "Ökologie oder Sozialpolitik – diese beiden Themenfelder kamen für ein Engagement in Frage.“
Bei der Arbeiterwohlfahrt entscheidet sich Erhan für eine Kampagne gegen Rassismus. Seit Januar recherchiert er über den Bezirk Friedrichshain, spricht mit Politikern, vernetzt sich mit Initiativen und lernt die deutsche Bürokratie kennen. "Ich wollte eine kleine Kulturveranstaltung organisieren. Meine türkischen Freunde können nicht glauben, mit wie viel Leuten ich dafür sprechen musste.“
Sprachbarrieren überwindet Erhan schnell. Man versteht sich, wenn man sich verstehen will, ist Erhan sicher und lacht: "Berlin ist eine so liberale Stadt“. Dann wechselt er mal wieder die Sprache. "No, im ernst, Berlin ist nicht Germany.“ Die "bunten Vögel“ von Friedrichshain haben es ihm angetan, "die tragen ja Klamotten, wie sie Lust haben. Bei uns in Kadiköy wäre das unvorstellbar.“ Es sei faszinierend zu sehen, wie die Menschen nicht nur von Freiheit sprechen, sondern Freiheit auch gleichermaßen leben – unabhängig vom finanziellen Hintergrund, auch wenn vielen die Gabe des Lächelns nicht angeboren scheint.
Rassistischen Anfeindungen in Friedrichshain hat sich Erhan selbst noch nicht ausgesetzt gesehen. Doch er weiß, wie schnell es zu Übergriffen kommen kann. "Es gibt unzählige Pöbeleien und Beleidigungen, die nicht protokolliert sind. Es ist wichtig, dass sich die Menschen vor Ort selbst organisieren, dass sie genau hinsehen, was vor ihrer Haustür passiert.“
Ende Juli konnten sich die Friedrichshainer persönlich davon überzeugen, wie Erhan und seine Mitstreiter mit einer Veranstaltung am Boxhagener Platz ein bisschen Unruhe in die "Dominanzkultur“ des Bezirks– so die Initiative gegen Rechts wörtlich – bringen wollten. Unter dem Motto "Wir kommen zusammen und sagen NEIN zu Rassismus“, rief die Arbeiterwohlfahrt zu einer Demonstration auf. Erhan hatte sie organisiert. Auch einige Tage später kann Erhan allerdings noch nicht verstehen, warum der Dauerregen erst mit dem allerletzten Programmpunkt der Kundgebung ein Einsehen hatte. 50 bis 60 Regenschirme hatten die Veranstalter gezählt. Die türkischstämmige Berliner Abgeordnete und Rechtsanwältin Canan Bayram (SPD) hatte die Bewohner Friedrichshains aufgerufen, alles dafür zu tun, damit die rechte Szene den Bezirk nicht noch weiter in Beschlag nehme.
Erhan Ersöz will die Entwicklungen im Berliner Osten jedenfalls auch von Istanbul aus weiterverfolgen. Eigentlich würde er gerne noch länger in Deutschland bleiben. Doch die Universität zu Hause wartet schon wieder auf ihn. "Der Europäische Freiwilligendienst hat mich enorm bereichert“, sagt Erhan, "doch eines werde ichbestimmt nicht vermissen: die Sonntage. Mal im Ernst, wenn die Geschäfte nicht geöffnet haben, was soll man da eigentlich machen?“

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31.07.2007 TAZ

Alkoholausschank mit rechter Umdrehung
Antifa Friedrichshain spricht von zunehmender rechter Gewalt im alternativ geprägten Stadtteil. Eine Bar an der Warschauer Straße sei Treffpunkt der Rechtsextremen. Mitarbeiter dementiert. Bündnis gegen Rechts demonstriert

Friedrichshain gilt gemeinhin als einer der alternativen Stadtteile Berlins. Dennoch sind dort auch immer wieder Neonazis anzutreffen. Einer ihrer Treffpunkte ist nach Angaben der Antifa Friedrichshain die Ambrosius-Bar an der Warschauer Straße. "Jeden Freitag treffen sich rund 15 Neonazis und rechte Hooligans dort", sagte eine Sprecherin der Stadtteilantifa. In der Kneipe seien bekannte Rechte, darunter ehemalige Mitglieder der verbotenen Kameradschaft Tor und Lichtenberger Rechtsaktivisten, ausgemacht worden.

Gemeinsam mit dem Bündnis gegen Rechts organisierte die Antifa daher am Sonntagabend eine Kundgebung auf dem Boxhagener Platz. Die richtete sich in erster Linie an das Publikum des dortigen Flohmarktes. Gegen die zunehmenden rechten Aktivitäten müsse man entschieden sein Wort erheben, forderte dort etwa der stellvertretende Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt, Ricardo Fonseca. Man müsse deutlich machen, dass die Mehrheit im Bezirk für Weltoffenheit und Toleranz stehe, betonte er. Auch Canan Bayran, SPD-Abgeordnete aus Friedrichshain, betonte bei der Kundgebung, es dürfe im Stadtteil keine Plätze geben, wo Menschen, die nicht ins Bild der Rechten passen, Angst haben müssen.
Die Stadtteilantifa hält die Ambrosius-Bar für solch einen Ort. In deren Nähe seien in der Nacht zum 14. Juli zwei Menschen türkischer Herkunft mit Reizgas angegriffen worden. Eins der Opfer sei am Kopf verletzt worden. Aus der Gruppe der Angreifer seien Rufe wie "Wir sind Neonazis" zu hören gewesen.
Ein Mitarbeiter der Ambrosius-Bar will auf Nachfrage nicht ausschließen, dass es auch Rechte unter seinen Gästen gibt. Allerdings seien 90 Prozent des Publikums nicht rechts. Auch viele AusländerInnen kämen in das Lokal. Er warnt davor, dass das Problem hochgespielt werde. Schließlich sei es schon vorgekommen, dass eine Sportgruppe für Neonazis gehalten werde.
Am kommenden Wochenende werden wieder die Kampftrinker zum Besäufnis auf der Karl-Marx-Allee erwartet. Bei der mittlerweile elften Biermeile wird nach Angaben der Organisatoren der "längste Tresen der Welt" aufgebaut. "Seit Jahren ist dieses seltsame Fest Anlaufpunkt für Neonazis und rechte Hooligans aus Berlin und Brandenburg", klagt ein Sprecher der Antifa Friedrichshain. Deshalb werde am Freitag und Samstag in der Liebigstraße 34 ein Infopunkt und Schutzraum für von rechten Angriffen Betroffene eingerichtet.

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31.07.2007 Neues Deutschland
»Wir kommen zusammen« gegen Rechts
Stadtteilbündnis warnte mit Kundgebung vor verstärkten neonazistischen Aktivitäten in Friedrichshain

Unter dem Motto »Wir kommen zusammen und sagen Nein zu Rassismus« organisierte am vergangenen Sonntagnachmittag ein Stadtteilbündnis in Friedrichshain eine Kundgebung am Boxhagener Platz. Veranstaltet wurde sie vom Bündnis gegen Rechts. Unterstützung kam von den Parteien Die LINKE, SPD, Grüne sowie der Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt »Reach Out«.
Mit der Aktion sollten die Besucher des dort zeitgleich stattfindenden Flohmarktes auf ein Problem hingewiesen werden, das den Initiativen zunehmend Sorge bereitet: Die rechte Gewalt im Stadtteil hat sich in der letzten Zeit verstärkt. Allein in diesem Jahr habe es bereits 42 rechte Übergriffe gegeben, erklärte eine Sprecherin der Antifa-Friedrichshain in ihrem Redebeitrag. Besonders um die Ambrosius-Bar in der Warschauer Straße hätten sich in der letzten Zeit häufig Personen aus dem rechten Umfeld, z. B. der ehemaligen Kameradschaft Tor, getroffen. Ein Mitarbeiter des Lokals erklärte auf Nachfrage, es sei möglich, dass sich auch Rechte in der Bar treffen. Das könne er auch nicht verbieten. Doch 90 Prozent der Kundschaft hätten keinen rechten Hintergrund. Allerdings fühlen sich durch die rechte Präsenz Menschen mit migrantischem Hintergrund eingeschüchtert und bedroht. Dazu gehört Canan Bayram, die für die SPD im Abgeordnetenhaus sitzt. Sie betonte auf der Kundgebung, dass es für Rechte keine Rückzugsräume im Stadtteil geben dürfe.
Eine Verbindung zwischen der sozialen Lage und den rechten Aktivitäten zog ein Sprecher der Gruppe Interkomm, die im Stadtteilladen Zielona Gora aktiv ist. Er betonte die Notwendigkeit, die antifaschistische Arbeit mit der Organisierung von sozialem Widerstand zu verbinden. Als konkrete Beispiele nannte er den Kampf gegen die drohende Vertreibung von Menschen mit wenig Einkommen durch höhere Mieten und Umstrukturierung.
Die Organisatoren der Kundgebung bedauerten, dass durch das regnerische Wetter die Resonanz geringer war als erhofft. Sie wollen aber auch in Zukunft mit ähnlichen Aktionen die Bevölkerung im Stadtteil informieren. Gegen die zunehmenden rechten Aktivitäten müsse man entschieden sein Wort erheben und deutlich machen, dass die Mehrheit im Bezirk für Weltoffenheit und Toleranz stehe, betonte der stellvertretende Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt Ricardo Fonseca.

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26.06.2007 Neues Deutschland
Zerrieben zwischen Besitzer und Besetzern
Brunhild Freiwald war einst Terroropfer und versucht immer wieder einen Neuanfang

Diese Berlinerin ist eine echte Frohnatur und ziemlich blauäugig. Dabei hätte sie tausend Gründe, Gott und die Welt zu verfluchen. Immer wieder musste sie schwere Tiefschläge verkraften, immer wieder hat sie sich aufgerappelt. Da sitzt Brunhild Freiwald in ihrer schönen großen Kneipe in der Berliner Rigaer 96 im Stadteil Friedrichshain, doch Gäste sind Mangelware. »Zimt und Zunder« heißt ihr Etablissement, unter Kennern als Kulturkneipe mit musikalischem Einschlag als Geheimtipp gehandelt. Auf der Internetseite ist zu lesen: »Aus technischen Gründen können wir leider keine warmen Speisen anbieten.« Ohne Essen läuft der Laden nicht, bringt nicht das Geld für die Kosten. Brunhild Freiwald ist nicht kleinzukriegen - bisher nicht, obwohl ihr das Wasser bis zum Halse steht.
Die »technischen Probleme«, weiß sie, tragen einen - Namen: Suitbert Beulker. Er ist der Besitzer der Rigaer 96. Mit ihm liegt Brunhild Freiwald im Dauerstreit. Er erfüllt seine vertraglichen Verpflichtungen zum ordnungsgemäßen Ausbau nicht, sie zahlt keine Miete. Und so landet die Sache vor Gericht. Beulker ist ein Mann, der sich um seinen guten Ruf nicht mehr sorgen muss - der ist schon lange ramponiert. Immer wieder geriet er in die Schlagzeilen. Es waren niemals positive.

Wohnungen zugemauert
Mit seinen ruppigen Methoden, die Häuser zu entmieten, hat er sich nur Feinde gemacht. Dem Beulker, so heißt es, gehören die Miethäuser 94 und 96 sowie eines in der Liebigstr. 14. In den Häusern ist die autonome Szene eine Macht. Der einstige Mitarbeiter der Freien Universität kaufte Schrottimmobilien billig ein und hoffte auf den großen Profit. Der ist ausgeblieben und Beulker ist, so heißt es, pleite. Also versucht er mit Dauerdruck, wie auch immer Geld aus seinen Immobilien herauszupressen. Die Geschichte die Bösartigkeiten dieses Mannes gegen seine Mieter füllt Bände. Er ließ Eingänge zumauern, drang in Wohnungen ein, setzte körperliche Gewalt ein, erkannte Verträge nicht an, sprach massenweise Kündigungen aus, holte sich Polizeiverstärkungen und ist Dauerkläger vor Gericht. Im Gegenzug fand er platte Autoreifen vor, stand vor Verschlossenen Türen und verschmierten Fassaden.
Die Kneipenfrau ist in einer verzwickten Lage. Laut Gesetz muss sie Miete zahlen - wenn auch mit erheblichen Abstrichen. Nichtzahlen auf eigene Faust gibt dem Vermieter das Recht zu kündigen.
Räumt sie das Feld, muss sie etwas zahlen, könnte aber im Gegenzug über eine Schadensersatzklage mehr rausholen als Beulkers Forderungen betragen. Doch da der Vermieter nicht flüssig ist, ist der Schadensersatz vorerst nur das Papier wert, auf dem ein mögliches Urteil zu ihren Gunsten stehen würde. Der Pachtvertrag hätte noch präzisier seine Verpflichtungen dokumentieren müssen. Das wurde versäumt. Hinterher ist man immer klüger.
Aber Brunhild Freiwald will ja auch bleiben. Dann aber muss sie einen noch auszuhandelnden Betrag in Raten zahlen. Kommt sie in Verzug, wird mit einem Schlag die Gesamtsumme fällig und sie wird trotzdem zwangsgeräumt. Und der Vermieter hat noch eine Waffe in der Hinterhand: Je nach Belieben kann er mit einer Abmahnung einen Rausschmiss erzwingen. Etwa wegen Lärmbelästigung, wenn eine Band spielt. Dann ist Freiwald alles los. Wie also entscheiden, wenn die Zeit wegläuft und die Einnahmen ausbleiben, weil aus »technischen Gründen« nicht gekocht werden kann. Der Hausbesitzer sitzt am längeren Hebel. Das Beste für beide wäre eine gütliche Übereinkunft. Doch dazu gehören immer zwei.
Die autonome Szene in der Straße macht vielen Bewohnern Angst, nicht so sehr das Kapitalistengesindel und die Immobilienspekulanten, wie an den Häuserwänden zu lesen ist. Nicht, weil sie anders leben und anders aussehen als der »gesittete Bürgen«. Es sind einige darunter, die pöbeln, brüllen und werden sofort aggressiv. Wer nicht in ihr Weltbild passt, wird schnell als Fascho beschimpft, der sich zu verpissen hat. Dumpfe Typen, mit denen man nicht reden karm. Wie so oft: eine kleine Minderheit prägt das Bild einer Gruppe und nicht die Mehrheit, die einfach nur anders und selbstbestimmt leben will. Auch einige Schwarze aus Westafrika, die in der Rigaer zu Hause sind, müssen darunter leiden.
Hinter vorgehaltener Hand werden die Unappetitlichkeiten angesprochen. In der Öffentlichkeit will sich keiner äußern. »Zu mir kam einer in den Laden, und brüllte mich an:. Wenn du den Bullenschweinen noch einmal einen Kaffee verkaufst fackeln wir deine Bude ab«, erzählt ein Geschäftsbesitzer. Ein anderer: »Mir haben sie gleich die Fenster eingeschlagen, als ich ihnen sagte, sie sollen ihre drei Hunde vor der Tür lassen.« Viele Anwohner halten still. Nur nicht auffallen, sonst ist man der nächste.

Barrikaden und brennende Container
Wenn woanders das abendliche Leben logeht, fühlt man sich in der Rigaer bedrängt. Polizeifahrzeuge und Streifen patrouillieren bis in den frühen Morgen, die Mieter bleiben in ihren Wohnungen. Die Rigaer leidet unter einem permanenten Ausnahmezustand. Straßenleben kann sich so nicht entfalten. Am 1. Mai brannten Container mitten auf der Straße, die Flammen schlugen vier Meter hoch. Im April gab es eine Straßenschlacht zwischen 200 Autonomen und der Polizei. »Das macht es einem wirklich schwer, Sympathie zu empfinden«, sagt die Kneipenchefi. Auch als in der Nacht vom 26. zum 27. Mai der Dachstuhl der Rigaer 84 brannte und die Bewohner aus 'der autonomen Szene mit einem Schlag obdachlos wurden, hielt sich das Mitfühlen der Nachbarn in Grenzen. Obwohl Brandstiftung als Ursache feststeht, ist nicht klar, wer gezündelt hat. Anwohner vermuten eher, dass irgend ein zugekiffter Punk das Flammeninferno verursacht hat. Beweise gibt es nicht.
Tagelang saßen die Wohnungslosen auf der Straße hinter der Brandabsperrung auf vergammelten Sofas und Kisten und tranken ihr Bier - wie sie es schon vorher getan haben. Das Haus ist baufällig geworden, die Leute mussten das Areal räumen. Bis es kalt wird, muss eine Lösung her. Die »anderen« Bewohner der Straße hoffen, dass »die« irgendwo abtauchen mit ihrem Krempel, nur nicht in der Rigaer. Und für die anderen sind es noch immer die Hausbesetzer, obwohl die Rigäer 84 längst zu einem selbstverwalteten Wohnund Kulturprojekt wurde mit ordentlichen Mietverträgen für die Mehrheit.
An den Wänden ist zu lesen: »Körting (Berlins Innensenator) ich bin Mörder und Versager«, »Bullenschweine und Atomterroristen, raus aus Berlin«, »Am 1. Mai und beim G8 - Deutschland abschlachten«. Dumme Sprüche, hinter denen sich üble Gesinnung und Menschenverachtung verstecken.
Brunhild Freiwald verteidigt sie, obwohl man ihr auch schon eine große Scheibe zertümmert und auf ihrer Treppe die leise Warnung »No Nazis, No Beukler, Antifa« gesprayt hat. »Die haben manchmal tolle Ideen, machen gute Stirnmung, die von der 94. Sie können von mir aus machen, was sie wollen, nur nicht andere terrorisieren.« Irgenwo steht sie zwischen den Fronten.
Mit der Kneipe wollte sich Brunhild Freiwald einen Traum erfüllen. Ein Restaurant, kein Edelschuppen, doch angenehm in der Atmosphäre, im Kiez verankert und mit einem interessanten Kulturangebot. Und dafür hat sie ihrren kleinen. Schatz eingesetzt, der vor drei Jahren unerwartet über sie hereinbrach.
Brunhild Freiwald gehörte zu den Opfern des La-Belle-Attentats 1984 im alten Westberlin. Am 5. April 1984 gegen 1.40 Uhr explodierten drei Kilo-Sprengstoff in der Diskothek La-Belle in Friedenau, drei Menschen starben, fast 300 Gäste wurden verletzt. Hinter dem Anschlag steckte der libysche Geheimdienst. Die damals -18-Jährige wurde unter Trümmern begraben. Sie erlitt Verletzungen, verlor ihr ungeborenes Kind, ihre Liebe zerbrach und sie wurde arbeitslos. Horror, der ein Leben lang wirkt. 2004, nach so vielen Jahren, dannn die Nachricht: Die libyische Gaddafi-Stiftung zahIt den Opfern des Attentats eine Entschädigung. Von dem Geld wollte sie die Ausbildung ihrer Tochter finanzieren, eine schöne Reise machen und eine Kneipe aufziehen. Nun steht sie vor dem Aus. Aber vielleicht, so hofft sie, gibt es doch noch eine Lösung.


21.03.3007 WELT

Ausländer in Berlin immer häufiger Opfer von Gewalttaten

Laut Polizei ist die Zahl der fremdenfeindlichen Übergriffe im Jahr 2006 um 172 Prozent gestiegen. Oft werden Menschen allein wegen ihres Aussehens verletzt. Mehr als ein Drittel der rechten Gewalttaten wurde in Bezirken im Osten der Stadt verübt. Erfreulich ist nur: Die Aufklärungsquote ist gestiegen.
Zum Welttag gegen Rassismus am Mittwoch haben Politiker europaweit ihren Willen bekundet, der gestiegen Zahl von Übergriffen und Gewalttaten entgegenzuwirken. „Die EU verurteilt alle Formen von Rassismus, Rassendiskriminierung, Intoleranz und Diskriminierung scharf“, heißt es in der Erklärung der deutschen EU-Ratspräsidentschaft.
Wie gegenwärtig das Thema Rassismus auch in Berlin ist, zeigen die Anfang der Woche veröffentlichten Zahlen des Landeskriminalamtes (LKA) zur politisch motivierten Kriminalität. Auf 32 Seiten haben die Ermittler des Staatsschutzes ihre Erkenntnisse über die kriminellen Aktivitäten von Rechts- und Linksextremisten sowie ausländischer Extremistengruppen zusammengetragen.
Insgesamt stieg die Zahl politisch motivierter Straftaten 2006 um 23 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 3673 Delikte zählte das LKA, 2005 waren es 2980 gewesen. Auch die Zahl der Gewalttaten stieg deutlich von 232 auf 298. Dabei ermittelte das LKA 2071 Tatverdächtige, 144 mehr als im Vorjahr. Alarmierend ist die Entwicklung bei rechtsextremistisch motivierter Kriminalität. Die Gesamtzahl der von Rechten verübten Straftaten stieg von 1602 auf 1964, die Zahl der Gewaltdelikte hat sich gegenüber 2005 mehr als verdoppelt; sie stieg von 52 auf 110.
Fünf der 110 registrierten Gewaltdelikte hatten einen antisemitischen Hintergrund, 48 richteten sich gegen Linke und 49 Taten waren fremdenfeindlich motiviert. Das macht bei letzterer Gruppe einen Anstieg gegenüber dem Vorjahr von 172 Prozent.
Mehr als ein Drittel der rechten Gewalttaten wurde in Bezirken im Osten der Stadt verübt. Im Bereich der Polizeidirektion 6 (Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Treptow-Köpenick) wurden 39 Taten erfasst. Auch in Neukölln (20) und im Berliner Norden mit Reinickendorf und Pankow (18) stieg die Zahl der Delikte. Die wenigsten rechtsextremistischen Straftaten (6) gab es im Südwesten.

Die Aufklärungsquote ist gestiegen
Erfreulich ist aus polizeilicher Sicht der deutliche Anstieg der Aufklärungsquote. 2006 konnten die Staatsschützer 854 Tatverdächtige aus dem rechten Spektrum ermitteln, 200 mehr als im Jahr zuvor.
Zwei herausragende Ereignisse im Zusammenhang mit rechtsextremistischen Straftaten nennt der Staatsschutz für das Jahr 2006: den Überfall auf einen türkischstämmigen Abgeordneten der PDS-Fraktion in Lichtenberg und einen Brandanschlag auf das Dokumentationszentrum für NS-Zwangsarbeit in Schöneweide.
Die Berliner Politik hat das Problem nicht erst seit diesen spektakulären Fällen erkannt. Am 14. März 2006 trat die Stadt der Europäischen Koalition der Städte gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung bei. Ein Zehn-Punkte-Programm der Koalition verlangt unter anderem eine verstärkte Wachsamkeit, die Schaffung eines Solidaritäts-Netzwerkes, die verstärkte Unterstützung der Opfer, die Schaffung von Chancengleichheit und verstärkte Bildungs- und Erziehungsmaßnahmen.
Ein Jahr später zieht Günter Piening, Integrationsbeauftragter des Senats, eine „zwiespältige Bilanz“. Die aktuellen Zahlen seien „erschreckend“, sagt er. Sie zeigten aber auch, dass Berlin recht daran tue, das Problem ständig zu thematisieren und nicht totzuschweigen. Piening fordert vor allem eine konsequente Verfolgung und Bestrafung der Täter, Schutz und Hilfe für die Opfer und einen Bewusstseinswandel in der Gesellschaft.
Eins der zentralen Projekte gegen Rassismus ist die Opferberatungsstelle ReachOut an der Kreuzberger Oranienstraße. 155 Fälle von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt – Bedrohungen und Körperverletzungen zumeist – haben die Mitarbeiter im vergangenen Jahr dokumentiert. Ein Plus von 34 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch nach der Statistik der Beratungsstelle liegen die Schwerpunkte der Gewalt im Osten der Stadt – vor allem in Friedrichshain, Lichtenberg und Prenzlauer Berg. Eilige Schlüsse auf ein hohes rechtes Potenzial relativiert ReachOut-Mitarbeiterin Helga Seyb allerdings. Übergriffe gebe es in fast allen Bezirken. Ein trauriger Rekord wie die 50 dokumentierten Taten allein in Friedrichshain habe zudem viele Gründe. Da ein Großteil der Gewalttaten in öffentlichen Verkehrsmitteln, in und um Bahnhöfe und in öffentlichen Parks geschähen, sei der Stadtteil mit den Stationen Ostkreuz, Warschauer Straße und Frankfurter Allee sowie dem Volkspark als Schmelztiegel politischer und ethnischer Gruppen besonders belastet. Rechte und rassistisch motivierte Gewalt richte sich vor allem immer wieder gegen Schwarzafrikaner, sagt Seyb. An zweiter Stelle der Statistik folgen meist junge Opfer, die optisch der linksalternativen Szene zuzuordnen sind. Fast immer sind Opfer wie Täter Männer. Und in den meisten Fällen, die bei der Beratung landen, geben die Opfer an, allein wegen ihres Aussehens bedroht, beschimpft, geschlagen worden zu sein.
Bei der Frage nach dem Warum kann aber auch Helga Seyb nur mutmaßen. „Ich habe den Eindruck, dass mehr und mehr Tabus fallen“, sagt sie. Auch Menschen, die nicht unmittelbar zur rechten Szene zählten, kämen inzwischen diskriminierende Sprüche „leichter über die Lippen als vor einigen Jahren.“

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08.03.2007 TAZ

"Neue Qualität der Gewalt"

Nirgendwo in der Stadt gibt es so viele rechte Übergriffe auf Migranten und alternative Jugendliche wie in Friedrichshain und Lichtenberg. Dabei gehen die Neonazis immer organisierter, gezielter und brutaler vor Geht es um Auseinandersetzungen zwischen Antifaschisten und Neonazis, fällt immer wieder das Wort "Lichtenberg".

Besonders der Weitlingkiez ist bekannt für seine rechte Szene. Die Gewalt hat sich in jüngster Zeit jedoch mehr und mehr in das angrenzende Friedrichshain verlagert. Zudem ist das Auftreten der Rechten brutaler geworden. "Wir haben es mit einer neuen Qualität der Gewalt und einer Militarisierung der rechten Szene zu tun", sagt Kirill Jermak, 18-jähriger Bezirksverordneter und jugendpolitischer Sprecher der Linkspartei in Lichtenberg.
Während es früher meist spontane Gewalttaten aus einem Alkoholrausch heraus gegeben habe, so Jermak, sei die Kameradschaftsszene inzwischen "erschreckend gut" organisiert. Rechte Übergriffe würden beinahe militärisch durchgeplant. "Wenn man sich in Berlin öffentlich gegen rechts engagiert, läuft man leider Gefahr, tätlich angegriffen zu werden." Jermak weiß, wovon er spricht: 2006 wurde er zweimal von Neonazis hinterrücks angegriffen und niedergeschlagen. Kein Einzelfall: Im letzten Mai wurde der aus der Türkei stammende PDS-Abgeordnete Giyasettin Sayan in der Weitlingstraße vermutlich von Rechten zusammengeschlagen.
"Wir haben den Eindruck, dass die Angriffe auf linke und alternative Jugendliche gezielt geschehen, während es sich bei rassistischen Gewalttaten eher um Gelegenheitsangriffe handelt", sagt Sabine Seyb von der Beratungsstelle "ReachOut" für Opfer rechter Gewalt. Allein in Friedrichshain habe es im vergangenen Jahr 50 gewalttätige rechte Übergriffe gegeben. Oft seien die Täter maskiert, mit Schlagstöcken bewaffnet und äußerst brutal vorgegangen. In Lichtenberg wurden lediglich 23 Überfälle gezählt. Seyb geht davon aus, dass es im alternativen Friedrichshain für die rechten Täter schlichtweg leichter ist, potenzielle Opfer zu finden.
Teilweise suchen Neonazis aber auch die direkte Konfrontation, indem sie in einer größeren Gruppe zu linken Konzerten oder Podiumsdiskussionen gehen. Häufig kommt es dann zu handgreiflichen Auseinandersetzungen mit Antifas, die die Veranstaltung schützen. "Da uns in diesem Zusammenhang oft das Vertrauen in die Polizei fehlt, ist es notwendig, solchen Angriffen energisch entgegenzutreten", erklärte Mario Behmke, Sprecher der Antifaschistischen Linken. Nach einer Antifa-Kampagne mit Konzerten, Infoveranstaltungen und Demos in Lichtenberg und Friedrichshain im Sommer war die Zahl rechter Übergriffe gesunken. Ob diese Tendenz anhält, ist ungewiss. Auch 2007 wurden bei ReachOut bereits zahlreiche rechte Gewalttaten gemeldet. "Ehrlich gesagt, kommen wir mit dem Bearbeiten der Fälle kaum noch hinterher", so Seyb. JOHANNES RADKE

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04.12.2006 DDP
Hohes Maß an Zivilcourage

Zwei Treptower haben am frühen Sonntagmorgen möglicherweise einen Angriff von rechtsgerichteten Männern gegen zwei dunkelhäutige Menschen verhindert. Die 31-jährige Frau und ihr 26-jähriger Begleiter nahmen die beiden Ausländer gegen 4.00 Uhr in einer S-Bahn auf dem Ring gegen eine verbale volksverhetzende und rassistische Attacke in Schutz, wie die Polizei mitteilte.

Berlin (ddp-bln). Zwei Treptower haben am frühen Sonntagmorgen möglicherweise einen Angriff von rechtsgerichteten Männern gegen zwei dunkelhäutige Menschen verhindert. Die 31-jährige Frau und ihr 26-jähriger Begleiter nahmen die beiden Ausländer gegen 4.00 Uhr in einer S-Bahn auf dem Ring gegen eine verbale volksverhetzende und rassistische Attacke in Schutz, wie die Polizei mitteilte.
Die Gruppe von etwa zehn Rechten und Hooligans war an der
Frankfurter Allee zugestiegen und grölte in der Bahn herum. Als die beiden Ausländer am Ostkreuz einstiegen, wurden sie sofort rassistisch beleidigt.
Daraufhin sprach der 26-jährige Treptower die Gruppe an und verbat sich ein solches Verhalten. Er und seine Begleiterin wurden daraufhin von einem 20-Jährigen beschimpft. Weitere Zeugen sowie einer der rechtsgerichteten Männer hielten den bereits einschlägig durch Staatsschutzdelikte bekannten Angreifer von weiteren Handlungen ab.
Am S-Bahnhof Treptower Park stiegen sowohl die Rechten als auch das Treptower Paar aus. Dabei stießen drei Männer den 26-Jährigen zu Boden und beleidigten ihn. Der zuvor schon in Erscheinung getretene 20-jährige Angreifer trat gegen den Kopf des Treptowers. Ein Komplize versuchte, auf das am Boden liegende Opfer einzuschlagen.
Der 26-Jährige konnte sich jedoch wehren. Weitere Attacken wurden von seiner Freundin, weiteren Zeugen und Begleitern des Angreifers verhindert. Zudem hatte die Treptowerin unterdessen die Polizei alarmiert. Diese nahm den 20-Jährigen fest. Der Staatsschutz ermittelt wegen Volksverhetzung, gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung aufgenommen.

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27.11.2006 Berliner Zeitung

Linke und Rechte demonstrierten
Gedenken für Silvio Meier - Antifa überlistet Polizei

Hunderte Menschen haben am Wochenende in Friedrichshain und Lichtenberg gegen Rechtsex-tremismus demonstriert. Die Demonstranten, die am Sonnabend vom U-Bahnhof Samariterstraße zum Bahnhof Lichtenberg zogen, erinnerten an den vor 14 Jahren von Rechten ermordeten Hausbesetzer Silvio Meier. Nach Angaben der Veranstalter beteiligten sich 1 300 Menschen an der Demonstration. Die Polizei zählte etwa 800 Teilnehmer.
Zeitgleich begannen Neonazis am Bahnhof Lichtenberg eine Gegendemonstration unter dem Motto "Unser Kiez will keine Schläger". Die Polizei zählte dort genau 69 Teilnehmer. Drei Rechtsextremisten wurden festgenommen, weil sie verbotene Nazisymbole beziehungsweise den Hitlergruß gezeigt hatten. Unter ihnen ist auch der Anmelder der rechten Gegendemo, dem auch versuchte Gefangenenbefreiung vorgeworfen wurde.
Beide Gruppen wurden durch ein Großaufgebot von 1 200 Polizeibeamten getrennt. Sie sperrten die Demonstrationsstrecke und den Weitlingkiez in Lichtenberg weiträumig ab. Der Verkehr auf der U-Bahn-Linie U 5 war stark beeinträchtigt. So durften die Züge zeitweise zwischen Weberwiese und Lichtenberg nicht halten.
Dennoch gelang es 32 Antifa-Anhängern, bis zum S-Bahnhof Lichtenberg durchzudringen. Polizisten hatten offenbar zunächst Probleme, die linken von den rechten Demonstranten zu unterscheiden. Vor allem in Berlin kleiden sich viele Neonazis seit einigen Jahren ähnlich wie ihre linken Gegenspieler von der Antifa. Die Irritationen dauerten aber nur kurz. Die Eindringlinge wurden von Polizisten nach Friedrichshain geleitet. Im Internet feierte die linke Szene diesen Durchbruch als "1:0 für die Antifa".
Nach Angaben einer Polizeisprecherin verliefen beide Veranstaltungen "ruhig". Dagegen warfen die Veranstalter der "Silvio-Meier-Demo" der Polizei vor, den Demonstrationszug, mehrfach grundlos bedrängt zu haben. Als die Demonstranten von der genehmigten Route abweichen wollten, um an einer von Nazis besuchten Kneipe in der Weitlingstraße vorbeizuziehen, wurden sie von der Polizei, zum Teil mit Schlagstöcken, daran gehindert. (kop.)

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25.11.2006 Junge Welt
Provokation gegen Silvio-Meier-Demonstration
Berlin: Neonazis kündigen Protest gegen Antifaaufzug an. Vermutlich stecken sie auch hinter Gedenktafel-Diebstahl

Gegen die jährlich von antifaschistischen Gruppen ini­tiierte Silvio-Meier-Demonstration an diesem Samstag machen Aktivisten aus dem rechtsextremen Berliner »Kameradschafts«-Spektrum mobil. Die einschlägig bekannten Neonazikader Sebastian Sch. und Oliver Sch. haben in unmittelbarer Nähe zur Gedenkdemo für den 1992 von jungen Rechten erstochenen antifaschistischen Hausbesetzer Silvio Meier Proteste angekündigt. Anlaß ist ihnen auch ein Brandanschlag vor wenigen Tagen auf das Auto eines rechten Kneipenwirtes in Lichtenberg, zu dem sich eine »Antifa-Gruppe Silvio Meier« bekannte.
Auf einer Internetseite wird für einen Aufmarsch ausgerechnet unter dem Motto »Wo ist Silvio?« mobilisiert. Diesen Spruch hatten auch die Diebe der Gedenktafel für Silvio Meier in der Nacht zum Dienstag im U-Bahnhof Samariterstraße mit roter Farbe gesprüht (jW berichtete). Sebastian Lorenz von der »Antifaschistischen Linken Berlin« (ALB) erklärte gegenüber junge Welt, daß »nunmehr offensichtlich ist, daß Neonazis aus dem Umfeld der verbotenen Kameradschaft Tor für den Diebstahl verantwortlich sind«.
Die Rechtsextremen möchten ihren Aufmarsch am Samstag obendrein als Protest gegen »Faschismus und Intoleranz« verstanden wissen. Berlins Neonazis versuchen seit Jahren – sei es im Vokabular, in Kleidung und Aktionsformen – linken oder links-geltenden Lifestyle zu übernehmen. Sie bezeichnen sich als »«nationale Sozialisten«, tragen Palästinensertücher oder Che-Guevara-Pullover, kleiden sich schwarz und wohnen in WGs.
Bereits im Vorjahr hatten – von der Polizei geduldet – Neonazis die Strecke der Antifademo belagert, die Beamten gingen anschließend brutal gegen die Nazigegner vor. Lorenz ruft Antifaschisten diesmal dazu auf, vor der Silvio-Meier-Demo gegen den Neonaziaufmarsch zu protestieren. Ein geeigneter Anlaufpunkt wäre ab 12 Uhr der Bahnhof Lichtenberg. »Keinesfalls werden wir unsere Demo aber wegen der Naziprovokation absagen«, so Lorenz weiter. Die Silvio-Meier-Demo beginnt 14 Uhr am U-Bahnhof Samariterstraße.

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02.11.2006 Tagesspiegel
Mann auf S-Bhf. bewusstlos geprügelt

Im April wurde ein 37-Jähriger auf dem S-Bahnhof Frankfurter Allee von vier Männern brutal zusammengeschlagen. Nach eigener Aussage wollte er die Schläger wegen "Sieg Heil"-Rufen zur Rede stellen. Jetzt hat der Prozess gegen den vermutlichen Haupttäter begonnen.
Berlin - Ein 23-Jähriger muss sich seit Mittwoch wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Landgericht Berlin verantworten. Ihm wird vorgeworfen, im April einen 37-Jährigen auf den S-Bahnhof Frankfurter Allee gemeinsam mit drei Komplizen bis zur Bewusstlosigkeit mit Schlägen und Tritten misshandelt zu haben. Selbst als das Opfer ohnmächtig am Boden lag, sollen die Männer noch zugetreten haben. Der 37-Jährige erlitt eine stark blutende Kopfplatzwunde. Bei dem Angeklagten wurde ein Blutalkoholwert von 1,82 Promille gemessen.
Im Prozess berief sich der 23-Jährige auf Erinnerungslücken. Er sei ziemlich "verpeilt" gewesen, als er mit seinen Freunden eine Friedrichshainer Diskothek verlassen habe. Auf dem Weg zum S-Bahnhof habe er kurzzeitig seine Begleiter aus den Augen verloren. Als er sie auf dem Bahnsteig wieder traf, habe er schon "die Fäuste fliegen sehen". Er sei dazwischen gegangen, habe dann aber einen Blackout gehabt.
Nach Aussage des Opfers wurde er zusammengeschlagen, als er einen der Männer wegen "Sieg Heil"-Rufen zur Rede stellen wollte. Mehrere Personen seien auf ihn zugekommen, hätten ihm die Jacke über den Kopf gezogen und dann zugeschlagen und getreten.
Der Prozess wird am Mittwoch nächster Woche fortgesetzt. Von den Komplizen des 23-Jährigen wird einer gesondert verfolgt. Die Identität der beiden anderen Männer konnte nicht geklärt werden.

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27.10.2006 Morgenpost

Bauarbeiter gesteht Überfall

Im Prozess um den mutmaßlich fremdenfeindlichen Überfall auf einen Kolumbianer im Februar 2004 hat einer der drei Angeklagten seine Beteiligung zugegeben. Im Verfahren vor dem Landgericht sagte der 26-Jährige, die Auseinandersetzung habe sich nach einer versehentlichen Rempelei auf der Treppe der S-Bahnstation Warschauer Straße ergeben. Den Angeklagten werden Körperverletzung, Volksverhetzung und das Rufen von Nazi-Parolen vorgeworfen. Das heute 41-jährige Opfer war wochenlang arbeitsunfähig. Wegen seiner damaligen Trunkenheit will sich der 26-Jährige aus Pankow kaum an die Ereignisse erinnern können. dpa

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22.09.2006 Neues Deutschland
Kiezparade quer durch Friedrichshain
Demo endet mit Straßenfest auf dem Boxhagener Platz / Protest gegen braunes Gedankengut

Eine Kiezparade startet am Sonnabend um 15 Uhr am Frankfurter Tor. Sie soll, musikalisch begleitet von Bands auf acht bis zehn Wagen, quer durch Friedrichshain führen und abends mit einem Straßenfest auf dem Boxhagener Platz enden. Als Motto nennt die Bürgerinitiative gegen Rechts »Kein Kiez für Nazis, Monotonie stinkt – Vielfalt statt Einfalt«. Es gehe vor allem darum, Courage gegen rechtsextremes Gedankengut und Nazi-Gewalt zu zeigen, heißt es in dem Aufruf.
Zwar hätte die NPD und mit ihr die militante braune Szene im Abgeordnetenhaus und in der Bezirksverordnetenversammlung von Friedrichshain-Kreuzberg bei der Wahl weder Sitz noch Stimme bekommen, dennoch gebe es allen Grund, einem weiteren Vormarsch der Nazis etwas entgegenzusetzen, wie Steffen Zillich (Linkspartei), einer der Anmelder der Veranstaltung, dem ND sagte. Die Ergebnisse in Stadtbezirken, in denen NPD und Republikaner in die BVV einzogen, wiesen darauf hin.
Zudem: Gerade in Friedrichshain habe man dieses Jahr eine Häufung rechter Übergriffe festgestellt – mehr Nazi-Gewalttaten als sonst in den Stadtkiezen. Die NPD hätte manchenorts auch im Bezirk starke Zuwächse an Stimmen erlangt. Nach Ansicht der Bürgerinitiative hängt das vor allem auch mit den Umstrukturierungen der zurückliegenden Jahre zusammen, die letztlich zu Lasten linker Projekte und alternativer Lebensweisen gingen, die vorher das Straßenbild geprägt hätten. Es seien Lücken entstanden, die unerwünschterweise von der braunen Szene ausgefüllt wurden.
Uns »geht es vor allem auch da- rum, rechtzeitig für ein Klima in den Kiezen zu streiten, in dem Angsträume und derartige Übergriffe nicht zugelassen werden«, meinte Zillich. Opfer sollen Solidarität erfahren. Man will eine gewisse Erinnerungskultur pflegen – indem man beispielsweise die Bürger über regionale Bezugspunkte zu den Verbrechen der Nazizeit informiert, etwa über den einstmaligen SA-Folterkeller in der Petersburger Straße. Die Leute sollen auch wissen, in welchen Kneipen sich die Jungnazis versammeln, wo sich jene Örtlichkeiten befinden, an denen zuletzt gehäuft braune Übergriffe geschehen sind, und was man letztlich gegen all dies unternehmen kann, erläuterte Steffen Zillich.
Die Bürgerinitiative rechnet mit rund 1000 Teilnehmern an Kiezparade und Fest und freute sich natürlich, wenn es noch mehr würden. Wichtig ist den Organisatoren, dass sich möglichst viele Bürger einbringen – von Straßenmusikern und Laien-Mimen bis zu Kinder- oder Schülergruppen. Auch am Platze ansässige Cafés, Geschäfte und Bars sind eingeladen, an diesem Tag in irgend einer Weise mitzutun, »um für ein selbstbestimmtes, vielfältiges und multikulturelles Friedrichshain einzustehen«.

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29.08.2006 Tagesspiegel
Faustrecht am Boxhagener Platz
Eine gewalttätige Gruppe verbreitet Angst bei den Anwohnern. Die Polizei erteilte mehrere Platzverweise

Das Bild des Boxhagener Platzes an diesem Montagmittag ist ein vertrautes: In der Mitte, auf der grünen Rasenfläche, liegen vereinzelt junge Menschen auf Decken im Gras, lesen, unterhalten sich. Um die Rasenfläche herum verläuft ein Zaun. Hinter dem Zaun sind alle Bänke besetzt, fast alle von kleinen Gruppen zerrissen aussehender Männer und Frauen mit Bierflaschen, Jägermeister und riesigen Hunden. Auf dem Spielplatz, der auch zum Platz gehört, toben ein paar Kinder, die Mütter sitzen auf den Bänken und lesen.
Jörg Richert sagt, dass viele der Leute, die sonst auf den Bänken die Zeit totschlagen und Bier trinken, zurzeit nicht mehr zum Boxhagener Platz kämen. Weil sie Angst haben. Jörg Richert ist Geschäftsführer von „Karuna e.V.“, einem Verein, der Hilfe für suchtgefährdete und suchtkranke Kinder und Jugendliche bietet. Der Verein betreibt auf dem Boxhagener Platz ein Café, in dem straffällig gewordene Jugendliche ihre Sozialstunden ableisten können.
Seit vier Monaten terrorisiert eine etwa zwölf- bis 15-köpfige Gruppe den Boxhagener Platz, der harte Kern besteht aus sechs Männern. Dieser Gruppe haben die Betroffenen selbst den Namen „Stress-Brigaden“ gegeben, sagt Polizeisprecher Klaus Schubert. Die Mitglieder der Gruppe sind um die 30 bis 45 Jahre alt. „Die Gruppe will auf dem Platz bestimmen, wer dort abhängen kann und wer nicht, sie will Macht ausüben“, sagt Schubert. Die Gruppe versuche, Leute vom Platz zu vertreiben, wenn sich jemand wehrt, komme es zu Pöbeleien und Körperverletzungen. „Wer nicht spurt, kriegt Prügel.“ Die Gruppe verbreite auf dem Platz ein Klima der Angst und der Einschüchterung, die Zahl der Anzeigen sei allerdings nicht gestiegen. „Vielleicht haben die Leute Angst vor Repressalien.“
Andrea Licher-Armbruster ist 46, arbeitslos und kommt fast jeden Tag auf den Platz, um Bier zu trinken. „Hier sind keine Faschos oder Schläger“, sagt sie. Als eine Bekannte sich einmischt und von einer Gruppe erzählt, die Leute bedroht und verprügelt habe, wehrt sie ab.
Die Polizei hat ihre Präsenz auf dem Platz schon seit Juni verstärkt. Pro Woche durchkämmen zehn bis 15 Beamte gleichzeitig den Platz, es habe verstärkt Platzverweise und Festnahmen gegeben. Zwei Mitglieder der „Stress-Brigaden“ befänden sich derzeit in Untersuchungshaft, sagt Klaus Schubert.
Die Probleme auf dem Boxhagener Platz könne nicht die Polizei alleine lösen, sagt Jörg Richert. „Selbst wenn die Stress-Brigaden weg sind, bleiben eine Menge anderer Probleme.“ Der Alkoholkonsum auf dem Platz, die vielen Hunde, die vielen Bevölkerungsgruppen, die den Platz für sich beanspruchen. Eine junge Mutter auf dem Spielplatz erzählt, dass sie neulich von ihrem Balkonfenster aus beobachtet habe, wie eine Gruppe rechts aussehender Männer einen Punk verprügelt hätte. „Viele meiner Freunde, die punkig aussehen, werden in der Gegend um den Boxhagener Platz von Rechten angepöbelt“, erzählt sie.
Jörg Richert merkt an der schwindenden Gästezahl im Café, dass viele Menschen den Platz meiden. „Der Platz muss friedlich zurückerobert werden“, sagt er. Deshalb hat er auch für nächste Woche ein Treffen organisiert. Sein Ziel ist es, einen ständigen Runden Tisch einzurichten, zu dem Bürger, Besucher des Platzes, Bezirksamt und Polizei regelmäßig zusammenkommen. Richerts Meinung nach ist nach der Sanierung des Platzes einiges schiefgelaufen. Mit der Wiedereröffnung des Platzes Mitte des vergangenen Jahres wurde das Quartiersmanagement für den Boxhagener Platz beendet.

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13.08.2006 FAZ
Berliner Bierfestival: Fahne zeigen!

Seit zehn Jahren verwandelt sich die deutsche Hauptstadt Anfang August in den „längsten Biergarten der Welt“. Vom Kronkorkensammler über Nonnen bis zum langhaarigen Antifaschisten: Szenen vom Berliner Bierfestival.
Auf uns Männer und die Frauen, die uns später abholen!“ Ihren Trinkspruch haben sie vorhin am Heineken-Stand aufgeschnappt, weiter vorne, in Richtung Frankfurter Tor. Es ist später Nachmittag. Gelegenheiten zum Anstoßen hatten Heinz, Silvio und Markus schon viele. Jetzt lehnen sie am Tresen von Maisel's Weiße und stoßen wieder an. Auf die Männer und die Frauen, die sie später abholen. Oktoberfest? Braucht kein Mensch. Heinz, 53 Jahre alt, wischt sich den Schaum von den Lippen. Sein Hemd spannt, der 200-Milliliter-Krug sieht in seiner Hand wie ein Spielzeug aus.
Den kleinen „ProBierKrug“ tragen fast alle Besucher des Berliner Bierfestivals mit sich herum, für möglichst viele Kostproben von 1750 Biersorten. Seetangbier, belgisches Kirschbier, Reisbier, afrikanisches Palmenfruchtbier - einmal Auffüllen für 1,50 Euro, an allen Ständen mit dem Biermeilen-Logo: Ein Teddy hebt einen Bierhumpen, im Hintergrund die Silhouetten vom Fernsehturm und Brandenburger Tor.

„Bier formte diesen wunderschönen Körper“
Seit zehn Jahren verwandelt sich beim Berliner Bierfestival die Karl-Marx-Allee in Friedrichshain zwischen Strausberger Platz und Frankfurter Tor am ersten Augustwochenende in den „längsten Biergarten der Welt“ (andere würden Saufmeile dazu sagen). Wo man einst Militärparaden zwischen Arbeiterpalästen im Zuckerbäckerstil zusah, drängen sich heute 700.000 Besucher im Bier- und Fleischdampf: Thüringer, Rostbratwurst, Pferdewurst und Nürnberger, gebrüht und ungebrüht.
Auf Bühne 3 stampft DJ Luis Alpin mit den Stiefeln den Takt auf die Holzbohlen: „Erste Liebe beginnt wie ein Spiel“, singt er dem Publikum entgegen. Von nebenan erklingen ähnliche Schunkelklassiker: „Marmor, Stein und Eisen bricht“, „Viva Colonia“ und „So ein Tag“. Die Zuhörer zeigen sich eher unbeeindruckt. Viele sitzen stumm und kippen ihren Blick ins Glas. Anders als die vielen verschiedenen Biersorten tritt das Publikum eher homogen auf: Die üblichen T-Shirts mit Aufdrucken wie „Bier formte diesen wunderschönen Körper“ oder „Two beer or not two beer“, abgelatschte Turnschuhe, rote Gesichter und Bäuche. Gewaltige Bäuche.

Wohnungswände mit Bierdosen zutapeziert
Hinter dem Brauhaus Spandau liegt das kleine Reich der Sammler. Auf Tapetentischen stapeln sich Bierdeckel und nostalgische Blech-Bierdosen. Wer hier in den Kronkorken wühlt, ist Mitglied in der „Fördergemeinschaft von Brauerei-Werbemittel-Sammlern“ (FvB) oder im „Internationalen Brauereikultur Verband“ (IBV), und denkt bei „BDM“ zuerst an das „Bierdeckel-Magazin“. Für Hans-Jürgen Steffin ist dies ein guter Tag, er hat viele neue Stücke ergattert. 20.000 Bierdosen hat der Berliner schon gesammelt, stolz zeigt er Fotos von seiner Wohnung: Die Wände hat er komplett mit Dosen zutapeziert. Auf Sammler wie ihn sind die Brauereien vorbereitet, auf den Tresen stehen kleine Körbe mit Sammlergut bereit.
Inmitten der Trinkfestspiele hat die Antifa dieses Jahr einen Info-Stand aufgebaut. Hinter Handzetteln über ausländerfeindliche Übergriffe und verbotene germanische Symbole sitzen drei Mittzwanziger, nippen am Kaffee, und natürlich wollen sie mit diesem Stand provozieren, klar. Ihre Namen möchten sie nicht nennen. Auch klar. In den letzten Jahren kam es oft zu Schlägereien auf der Biermeile, es gab Platzwunden und grölende Neonazis. Das bestätigen Pressearchive und die Berliner Polizei. Vor allem ein inzwischen verbotener Stand des brandenburgischen „Odin-Trunks“ zog strammdeutsche Stammtischler an.

„Die Antifas sollen ruhig Fahne zeigen“
Einige Besucher bleiben stehen. „Wat soll'n das hier?“ fragt ein Mann mit bunter Windjacke, „det paßt doch nicht hierher!“ Das ist noch milde. An diesem Stand zu sitzen härtet ab. Einer klopft mit dem Zeigefinger auf den Zettel über verbotene Symbole. „Das Kreuz hier“, beharrt er, „ist nicht verboten, das kann ich euch aber mal sagen.“ Die drei reagieren nur mit Achselzucken. Bis zum Einbruch der Dunkelheit werden sie noch die Stellung halten. Klar.
„Die Antifas sollen ruhig Fahne zeigen“, sagt Lothar Grasnick, der Betreiber des Bierfestivals von der Präsenta Messe GmbH. Den Stand habe er unterstützt. Es stört ihn, daß sein Bierfest als Plattform für Rechte wahrgenommen wird. Auf Volksfesten versammele sich nun mal ein gemischtes Publikum, er will keine Extreme, egal, ob recht oder links. Dieses Jahr habe er schon vorher gehandelt, um „rechte Tendenzen auszumerzen“. Teilweise sei er sogar zu den Brauereien hingefahren, um sich anzuschauen, was das „für welche sind“. Er spricht von einem Fest für Bierfreunde, von einer Probiermeile.

„Wir stehen hier, damit es keinen Streß gibt“
Die Betreiber des vietnamesischen Biergartens, des größten des Festes, haben vorsichtshalber eine private Sicherheitsfirma bestellt. Alle paar Meter thront ein schwarzgekleideter Breitschultriger mit Kabel hinter dem Ohr und läßt seinen Blick über die vietnamesischen Familien schweifen, die Saigon-Bier trinken und Hühnchen mit Zitronengras essen. „Die hatten Ehrengäste da“, sagt Grasnick später, „da wollten sie sich doppelt absichern.“ Die Sicherheitskräfte dürfen keine Auskunft geben, aber als der Chef nicht guckt, sagt einer der Männer: „Wir stehen hier, damit es keinen Streß gibt.“ Mit wem? „Na, mit den Rechten.“
Später hat es dann doch keinen Streß gegeben, dieses Jahr nicht. Die Polizisten haben Besoffene beruhigt oder verlorene Kinder betreut, mehr nicht. Der Langhaarige an der knallroten Bude „Roter Oktober“ erzählt, daß vor einem Jahr an seinem Stand gepöbelt wurde. Er wiegelt aber gleich wieder ab: „Die Polizei, das muß ich denen mal lassen, hat gleich deeskaliert.“ Der Langhaarige heißt Gunter Reimann, seit fünf Jahren verkauft er hier „Roter-Oktober-Bier“ und CDs mit Arbeiterliedern, die „Trotz alledem“ heißen.

„Berlin ist halt 'ne Proletenstadt“
Reimann ist gut gelaunt, einem Lieferanten spendiert er ein Bier. Ihm gefällt das Festival. Hier erreicht er die Menschen, sagt er, diskutiert mit ihnen über Kommunismus, die DDR und Politik allgemein. Über andere Linke ärgert er sich manchmal, „die quatschen immer nur untereinander“. Seine Freunde weigern sich, ihn hier zu besuchen. Dabei sei die Biermeile ein schöner Querschnitt der Berliner Bevölkerung. Er zuckt mit den Schultern. „Berlin ist halt 'ne Proletenstadt, da kann man nix dran drehen.“
Ob Deutsch-Amerikanisches Volksfest oder die Weihnachtsmärkte - Volksfeste in Berlin tun sich schwer, allen zu gefallen. Das findet auch Helmut Russ, der Betreiber des Weihnachtsmarktes am Gendarmenmarkt. Der ist das Gegenteil vom lauten Budenzauber am Ku'damm: Sterneköche kochen in Nachbarschaft vom Restaurant „Lutter und Wegener“, man zahlt einen Euro Eintritt, an den Eingängen wird kontrolliert. Russ besucht selten Volksfeste, aber dieses Jahr hat er sich erstmals auf die Biermeile gewagt. Zwei seiner Bier-Vertragspartner standen dort. „Ich fand's nicht so schlimm wie erwartet“, sagt er später, Sturzbesoffene hat er nicht gesehen, allerdings war er auch nachmittags da.

„Schnaps ist hier verboten“
Abends, erzählt die Nonne am Katharinenbier-Stand, sei sie schon manchmal froh über den massiven Holztresen zwischen sich und manchen Besuchern. An der Wand klebt ein Luther-Filmplakat, das Habit ist nur Kostüm: Ludwiga Zerbs, Luther-Nachfahrin in 14. Generation, besitzt das alleinige Braurecht der Katharina von Bora, Luthers Ehefrau. Ein wenig bedauert sie, daß sie ihre Liköre nicht verkaufen darf. „Schnaps ist hier verboten“, sagt sie.
Auf dem Mittelstreifen der Karl-Marx-Allee lächeln riesige Politikergesichter starr in Richtung Trinkerkarawane, keiner beachtet sie in diesen Tagen. Es ist Wahlkampf in Berlin, auch hier. Der Wirtschaftssenator von der Linkspartei hat zwar am Freitag das Faß angestochen, auf der Meile ist jedoch nur die Bezirks-CDU vertreten: Am Strausberger Platz verteilt sie Flugblätter, ausgerechnet hinter dem bayerischen Festzelt. Drinnen auf der Bühne schunkeln „Rico und seine Musikanten“, der Schlager „Für mein Schatz gibt's kein Ersatz“ klingt bis nach draußen. Nur wenige Passanten lassen sich die Wahlkampfzettel in die Hand drücken. Das Wahlmotto der CDU heißt „Berlin kann mehr“.

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13.06.2006 Gerichtsbericht
"Der Deutsche war der Arsch!"

Drei Berliner Bauarbeiter sind angeklagt, am 18. Februar 2004 gegen 16:00 auf der Treppe des S-Bahnhofs Warschauer Straße (Friedrichshain) einen aus Kolumbien gebürtigen Mann zu Boden gestoßen, geschlagen und getreten zu haben. Auch zu Hilfe eilende Passanten griffen sie an, gaben dabei fremdenfeindliche Parolen von sich und zeigten den Hitlergruß, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.

Am 18. Februar 2004 befindet sich Kevin A. (41) auf dem Heimweg. Der verheiratete Kolumbianer ist Grafiker, lebt seit zehn Jahren in Berlin und ist Vater einer Tochter. Ganz in Gedanken steigt er die Treppen des S-Bahnhofs Warschauer Straße herauf. Seine Tochter hat heute Geburtstag. Sie wollen zusammen Eis essen gehen.
Auch die Berliner Bauleute Sandro S. (25), Andreas V. (38) und Bodo B. (26) sind auf dem Nachhauseweg. Sie arbeiten für die Abrissfirma Benecke GmbH, Friedrichshain im Auftrag des türkischen Kulturvereins Kreuzberg. Zweimal Umsteigen: einmal Cottbusser Tor, einmal Warschauer Straße.

Sonderangebot Bacardi Cola
Bodo B. lebt als Single, Andreas V. ist Vater, verheiratet und getrennt lebend, Sandro S. wurde gerade von seiner Freundin wegen seiner Sauferei verlassen. Heute haben sich die Bauarbeiter nach Feierabend einen hinter die Binde gekippt. Es gab Bacardi Cola im Sonderangebot bei Getränkehoffmann. Circa eine Flasche für jeden.
Gegen 16:00 gehen sie am S-Bahnhof Warschauer Straße die Treppe hinunter, die Kevin A. gerade hinaufsteigt. Sandro S. rempelt den Kolumbianer mit seinem Rucksack an. Der dreht sich zu den Dreien um: "Hey, was ist hier los!", beschwert er sich und zeigt den Stinkefinger.
Nach Version von Kevin A. passierte dann folgendes: Die Drei drehten sich wie von unsichtbarer Mechanik getrieben mit den Worten "Hast du ein Problem, du Neger!" um und Sandro S. sowie Bodo B. widmeten sich dem Empörten physisch, während Andreas V. sich in diesem Sinn um die zu Hilfe Eilenden kümmerte.

'Hast du ein Problem, du Neger?'
Sie stießen Kevin A. zu Boden, schlugen, traten ihn, beschimpften ihn unter anderem mit "Neger", "Kanakensau" und ließen ihn dann mit Prellungen und gebrochenem Handgelenk, der nächsten Bahn zustrebend, liegen. Zwei junge türkische Männer, die den Vorfall beobachteten, boten Kevin A. ihre Hilfe an und suchten die Bauarbeiter am Einsteigen in die S-Bahn zu hindern. Daraufhin kam es zu einer Schlägerei, die schließlich vor der S-Bahn im Gleisbett endete. An der aber Kevin A. nur als Zuschauer beteiligt war.
Während dieser Zeit, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, schleudert Andreas V. einen beherzt eingreifenden jungen Mann in Rock so gegen den Bahnhofskiosk, dass sich das betreffende Stützrohr verbiegt. Das mit den begleitenden Worten: "Schwuchtel!" und "Ich bring dich um, du Judensau."
Auch eine junge Frau, die sich einmischt, soll Andreas V., der wohl auch den Hitlergruß entbot, als Fotze beschimpft haben: "Das geht dich gar nichts an. Das ist eine Sache zwischen dem Kanaken und uns."

Sehnsucht nach Ruhe
Am Tag der Hauptverhandlung sind die drei Männer geständig. Ja, sie hätten sich geschlagen, auch beleidigt - jedoch nicht ausländerfeindlich. Und es sei eine Sache der Gegenseitigkeit gewesen.
Nach Darstellung der Angeklagten war die Treppe völlig überfüllt, geschah das Rempeln rein zufällig. Kevin A. habe sie daraufhin grundlos als "blöde Säue" und "Wichser" beschimpft, worauf sie mit ihm ein klärendes Gespräch angestrebt hätten. Doch dann sei die Sache eskaliert. Bodo B., der nun vor Gericht den Vorfall bedauert, betont: "Ich muss mir doch nicht an die Wäsche fassen lassen!" "Der Deutsche war der Angriffspunkt, der war der Arsch!", wettert er.
Mit dem Angriffspunkt, dem Deutschen, meint Bodo B. seinen Kollegen Sandro S. Der sitzt seit November 2004 eine Haftstrafe von fünf Jahren und vier Monaten wegen einer BTM-Sache ab und kann sich an den besagten Februartag 2004 kaum noch erinnern. Auch er habe einfach nur versucht sich zu wehren.

'Ich bin doch kein Schwarzenegger!"
Alle drei Angeklagten bestreiten, den Kolumbianer angerührt haben. Das betont auch Andreas V., der, wie er sagt, einfach nur nach Hause und seine Ruhe haben wollte. Angeblich suchte er nur zu verhindern, dass sich noch mehr Menschen einmischen und die Sache eskaliert.
Vor Gericht erklärt Andreas V. seine Ausfälligkeiten gegenüber einer Mitreisenden so: "Sie hat sich einfach nicht einzumischen. Die Sache wäre sowieso in ein paar Minuten erledigt gewesen." Und das mit dem verbogenen Stützrohr sei Quatsch: "Ich bin doch kein Schwarzenegger."
Nach Ansicht von Bodo B. sitzen ohnehin die Falschen auf der Anklagebank: nämlich die eigentlichen Opfer. In wieweit sich diese Sicht der Ereignisse in den Augen der urteilenden Strafkammer bewähren kann, wird die weitere Beweisaufnahme bringen.
Wegen der Erkrankung eines Schöffen ist die Hauptverhandlung ohne Angabe weiterer Termine derzeit jedoch ausgesetzt.

Bericht von Uta Falck
Es war alles ganz anders

Am 18. Februar 2004 gab es Bacardi Cola im Angebot. Auf einer Baustelle in der Forster Straße, wo ein Trupp Bauarbeiter Wohnungen für das Türkische Kulturzentrum ausbaute, wurde deshalb seit Mittag getrunken. Jeder etwa eine Flasche hatten Sandro S., Andreas V. und Sven B. geleert, als sie gegen 16 Uhr den Heimweg antraten. Gestern begann der Prozess gegen die drei Männer wegen Volksverhetzung, Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung und Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole.
An jenem Nachmittag wollte der Geschädigte Kevin A.C. seine Tochter abholen. Der 41-jährige, zierliche Kolumbianer schildert den Tatvorgang so: Er ging gerade die wenig belebte Bahnhofstreppe vom S-Bahnhof Warschauer Straße hoch, als ihm drei Männer begegneten. Einer von ihnen, wahrscheinlich Andreas V., soll ihn absichtlich gerempelt haben. Daraufhin fragte der Kolumbianer: "Was soll das?" und zeigte den Bauarbeitern den Stinkefinger. Sandro S. und Sven B. verfolgten ihn, schubsten ihn zu Boden und traten ihn mit Fäusten und Füßen.
Kevin A.C. erlitt eine Handgelenkfraktur und Kopfprellungen. Der Geschädigte rief um Hilfe, die drei ließen von ihm ab und wollten nach Hause fahren. Zwei Türken, die das Geschehen beobachtet hätten, hinderten die drei Täter an der Flucht. Sandro S. und Sven B. prügelten sich nun mit den beiden Türken. Zum Schluss standen sie zu viert vor einer S-Bahn auf dem Gleisbett. Andreas V. soll währenddessen einen deutschen Mann gegen einen Kiosk geschubst haben und später noch den Hitlergruß gezeigt haben.
Die Täter, die alle drei mit runengeschmückter Kleidung oder entsprechenden Tätowierungen auftreten, schildern den Tathergang deutlich abweichend. Sie wollen weder Kevin A.C. verprügelt, noch rechtsradikale Symbole verwendet haben. Der 26-jährige Bauleiter Sven B.: Die Treppe sei um diese Zeit sehr voll gewesen. Einzeln seien sie zum Bahnsteig herunter gegangen. Einer von ihnen muss wohl versehentlich Kevin A.C. gerempelt haben. "Der A.C. ist total ausgeflippt. Er hat "Du Wichser" und "Blöde Sau" gerufen und mit der Tasche um sich geschlagen. Da ist das Ganze eskaliert."
Weil er seinem Kumpel Sandro S. beistehen wollte, habe er sich dann mit den beiden Türken geprügelt: "Ich habe auch zugelangt, aber warum soll ich mir an die Wäsche gehen lassen?" Er habe die Türken "Scheiß Kanaken" genannt. Es tue ihm leid, dass die Situation so eskalierte: "Aber Mitschuld haben die Türken auch." Andreas V., der Baustellenleiter mit der Glatze und dem Zickenbart, sagt vor Gericht, er wollte verhindern, dass sich immer mehr Leute einmischen. Nicht ohne Ironie fragt Richter Brüning: "Dann haben Sie sich quasi als Ordnungskraft gesehen?" Andreas V. antwortete: "Ich wollte Ruhe in die Aktion reinbringen."
Solche verquasten, bürokratischen Formulierungen gebraucht der 38-jährige oft. So etwa spricht er von "heraufströmenden Fahrgästen", durch die sie sich auf der Treppe schlängelten. Auf die Frage, ob er einen jungen Deutschen, der einen Rock trug, als "Schwuchtel" bezeichnet habe, reagiert Andreas V. mit einem soldatisch-zackigen "Jo!" Auch habe er den Rockträger in den Kiosk gedrückt. "Wenn jemand brüllt: "Du Nazischwein", dann gehe ich nicht von einer humanen Aktion aus." Er könne sich aber nicht vorstellen, dass durch sein Schubsen ein metallenes Stützrohr am Kiosk verbogen wurde. "Ich bin zwar ein bisschen dicker, aber nicht Schwarzenegger."
Einen Hitlergruß will er auch nicht entboten haben: "Nur weil ich ein Landser-Sweatshirt anhatte, muss ich nicht mit einem erhobenen Arm rumlaufen." Sandro S., der wegen Handel mit Betäubungsmitteln mittlerweile eine fünfeinhalbjährige Haftstrafe verbüßt, sagt "Ausfallend bin ich sicher geworden." Geschlagen habe er, aber nicht den Kevin A.C. Er will auch keine ausländerfeindlichen Sprüche geäußert haben. Spöttisch quittiert Richter Brüning die mageren Äußerungen des 25-jährigen: "Das ist ja nicht viel, was Sie wissen."

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11.05.2006 Jungle World
Die Tour vermasseln
Die Band »Impaled Nazarene« befindet sich auf Europatournee. Antifa- und Schwulengruppen haben schon einige Auftritte verhindert. von markus ströhlein

Trinken Black-Metal-Bands Sekt, um einen Erfolg zu feiern? Oder fließt standesgemäß Lämmerblut, wenn es etwas zu begießen gibt? »Impaled Nazarene« jedenfalls dürften Ende März mit Wodka der Marke »Finlandia« auf den Einstieg ihrer neuen Platte auf Platz 38 der finnischen Charts angestoßen haben. Schließlich ist der Titel »Pro Patria Finlandia« auch der Vorliebe für den starken Fusel geschuldet. Außerdem heiße das Hauptwerk des berühmtesten finnischen Komponisten Jean Sibelius ebenfalls »Finlandia«, sagt Sänger Mika Luttinen über das Album, das die Band auf ihrer Homepage mit dem Slogan bewirbt: »…?and the holocaust continues!«
Dass die Finnen mehr im Sinn haben, als Wodka zu saufen und klassische Musik zu hören, hat sich inzwischen herumgesprochen. Die Band existiert bereits seit dem Jahr 1990. Behandelte sie in ihren ersten Texten noch genreübliche Themen wie Kopulation mit Ziegenböcken und die Penislänge Satans, folgte 1994 das faschistische Outing mit dem Album »Suomi Finland Perkele«, was frei übersetzt heißt: »Finnland, Finnland, fuck off«.
Doch nicht der Titel der Platte sorgte für Proteste, sondern der darauf zu findende Song »Total War-Winter War«. Er beginnt mit den Worten: »Wollt ihr den totalen Krieg? Ja, wir wollen den totalen Krieg!« Was den Aussagen des Sängers Luttinen zufolge eine Beschreibung des Winterkriegs zwischen Finnland und der Sowjetunion im Jahr 1939 sein soll, liest sich jedoch eher wie eine antikommunistische Auslöschungsfantasie: »Russland ist geschlagen, über 200?000 Kommunisten sind tot. Wenn sie einen neuen Krieg wollen, werden wir sie dieses Mal alle töten.«
Eine kommunistische Jugendorganisation aus Frankreich wurde 1994 auf das Album aufmerksam und konnte bei der größten französischen Kaufhauskette für Tonträger erwirken, dass es aus dem Handel genommen wurde. Aufmerksame Hörer hätten aber schon vor dem Erscheinen des Songs »Total War-Winter War« bemerken können, dass »Impaled Nazarene«, was »Gepfählter Nazarener« bedeutet, sich nicht nur der im Black Metal üblichen Mischung aus satanistischen Versatzstücken, sozialdarwinistischen Anklängen und plumper Provokation bedienen. So heißt es im Song »Gott ist tot« aus dem Jahr 1993: »Gott ist tot, der Judengott ist tot!« Die Zeile wird so oft wiederholt, dass es offenbar selbst der Band zu monoton wurde. Zur Auflockerung wird deshalb eingestreut: »Heil! Heil! Heil! Heil!« Im Song »Soul Rape«, der sich auf der gleichen Platte befindet, hört man folgende Zeile: »Ich begebe mich in den Kreis der wartenden Herrenrasse, das satanische Vierte Reich.«
Zu einer Verherrlichung des Holocaust gerät der Song »Zum Kotzen« aus dem Jahr 1995. Verständnisprobleme sind zumindest für Hörer aus Deutschland ausgeschlossen. Die Finnen singen das Lied auf Deutsch: »Ich frage dich: Was ist Dreck? Was ist reine Scheiße? Ich sage dir: der Untermensch. Ein aussterbender Kreis.«
Ein weiteres antikommunistisches Manifest veröffentlichte die Band 1998 mit dem Song »Healers of the Red Plague«. Allesamt Krankheitsüberträger und Untermenschen, könne man mit den bösen Roten nur auf eine Art verfahren: »Damals in den Tagen von Vietnam war Napalm das Heilmittel.« Und obwohl sich »Impaled Nazarene« gern als Hüter der Amoral gerieren, scheint zumindest die gleichgeschlechtliche Liebe ihr Empfinden erheblich zu stören. In dem Song »Zero Tolerance« aus dem Jahr 2000 heißt es: »Hört zu, ihr verdammten Schwuch­teln, eure Zeit ist gekommen. Und wenn du eine Lesbe bist, hast du immer noch eine Fotze, die man vergewaltigen kann. Es ist unnatürlich!«
Die Gegner von »Impaled Nazarene« wollen möglichst viele Konzerte der Band, die sich auf einer großen Europatournee befindet, verhindern. Schon vor deren Beginn wurden drei Termine in Deutschland wieder abgesagt. In Gießen setzte die Antifagruppe Comité Liberté den Leiter des örtlichen Jugendzentrums über die Ideologie der Band in Kenntnis. Daraufhin strich er die Show aus dem Kalender. Auch in Flensburg und Sulzbach wurden die Betreiber der Clubs auf die Texte ihrer zukünftigen Gäste aufmerksam gemacht. Und die Band muss unfreiwillig weitere freie Tage einlegen. Die Veranstalter der »Walpurgis Metal Days« in der Nähe von Passau sagten ein Konzert von »Impaled Nazarene« aus Angst davor ab, ihren Ruf zu ruinieren. In Halle sorgte eine ausführliche Presseerklärung der Schwulengruppe Equal für den Ausfall des Konzerts.
Aber es gibt auch Clubs, die an den Auftritten festhalten. So sollen »Impaled Nazarene« am 10.Mai in der Augsburger Musikkantine, am 13.Mai im K17 in Berlin, am 18.Mai im Bonner Rockclub, am 1.Juni im Headbangers Ballroom in Hamburg und am 2.Juni in der Mensa in Greifswald spielen.
Die Ausfälle scheinen die Band zu schmerzen. Noch bevor sie die Tour antrat, ließ sie in einer weinerlichen Pressemitteilung wissen, sie sei entsetzt über die »Diffamierungen« der Antifa. »Impaled Nazarene« erkenne schließlich die Menschenrechte an. Anders als die Platten von Bands aus dem Untergrund des offen nationalsozialistischen Black Metal, erscheinen die Alben von »Impaled Nazarene« auf einem relativ professionellen Label. Ausfallende Konzerte schaden dem Kontostand. Auch nazistische Teufelsjünger müssen ihre Miete bezahlen.
Rock Hard, das größte Metalmagazin in Deutsch­land, interviewt die Band bereits seit mehreren Jahren nicht mehr. Ein österreichischer Fan von »Impaled Nazarene« hatte sich in einem Leserbrief Luft gemacht und sich in einem Forum auf der Internetseite der Gruppe über die faschistoiden Texte beschwert. Prompt erhielt er eine Antwort der Musiker: »Du Stück schwule Scheiße, wir hoffen du bekommst Aids und stirbst qualvoll, die Band.«
Im Forum des Black-Metal-Labels Christhunt Productions sorgen die Absagen der Konzerte für Gesprächsstoff. Hier beteiligen sich Leute mit Namen wie »Untersturmbannführer«, »Werwolf« oder »Germania« an der Diskussion. »Christen­asche« ist wenig erfreut: »Antifa ist Brennholz für den Ofen, Futter für die Schweine oder einfach nur Abschaum, der an die Wand gehört.« So ähnlich dürften es auch die Musiker von »Impaled Nazarene« sehen.

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22.04.2006 Tagesspiegel
Sperrstunde für fremdenfeindliche Wirte

Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg plant multikulturellen Kneipencheck: Lokal-Betreiber, die keine Ausländer bedienen, sollen Konzession verlieren

Rassisten hinterm Kneipentresen soll künftig die Gaststättenkonzession entzogen werden. Dies plant zumindest der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Um rassistische Kneipiers ausfindig zu machen, plant Wirtschaftsstadtrat Lorenz Postler (SPD) einen „multikulturellen Kneipencheck“. Mitarbeiter seines Amtes werden gemeinsam mit Mitgliedern einer interkulturellen Begegnungsstätte, dem Bayouma-Haus, inkognito diverse Kneipen testen, ob man dort ganz normal bedient werde. Erst am Donnerstag hatten der Afrika-Rat und die Liga für Menschenrechte angekündigt, eine Broschüre für so genannte „No-go-Areas“ herauszugeben. Das sind Stadtviertel, in die Schwarze nicht gehen sollten, um sich nicht zu gefährden (siehe Kasten).
Anlass für diesen Kneipencheck ist ein Vorfall, der sich in einem Lokal in der Kreuzberger Dieffenbachstraße zugetragen hat. Ende März war eine 23-jährige Kellnerin zu 300 Euro Geldstrafe verurteilt worden, weil sie sich geweigert hatte, einen 35-jährigen Studenten aus Kamerun zu bedienen.
Stadtrat Postler beunruhigte an dem Fall aus seinem Bezirk vor allem, dass es laut Gerichtsurteil Anhaltspunkte gebe, dass die Kellnerin auf Anweisung ihres Chefs gehandelt habe. „Dies werden wir prüfen“, sagte der Politiker.
Zudem seien ihm von verschiedenen Zeugen drei Gaststätten in Friedrichshain genannt worden, in denen Ausländer aufgrund ihrer Hautfarbe nicht bedient würden. Namen wollte er nicht nennen, um den Kneipencheck nicht zu gefährden und die Wirte nicht vorzuverurteilen.
Die Möglichkeit, die Konzession zu entziehen, hat der Wirtschaftsstadtrat allerdings nur, wenn sich durch Zeugenaussagen beweisen lässt, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelt. „Bevor wir einen Gastwirt anzeigen, wird es ein Gespräch geben“, sagte Postler. Rassistisches Verhalten sei mit Artikel 3 des Grundgesetzes (Diskriminierungsverbot) nicht vereinbar. „Es ist nicht nur menschlich verwerflich“, sagte Postler, es sei auch wirtschaftsschädigend für den Bezirk und die Metropole Berlin.
Auch in Hinblick auf die Fußball-WM müsse gezeigt werden, „dass Berlin eine weltoffene Stadt ist“. Ein Sprecher der Berlin Tourismus Marketing GmbH sagte, dass „alle Initiativen wichtig sind, die für Berlin eine positive Außenwirkung haben“.
Beim Hotel- und Gaststättenverband (Hoga) stieß Postlers Idee auf geteilte Meinungen: So sagt Hoga-Mitglied Gero Winiarsci, Mitbetreiber des „Weihenstephaner“ in Mitte, dass Rassismus in Kneipen eher die Ausnahme sei. Doch wo Ausländer nicht bedient würden, „ist ein Entzug der Konzession angebracht“. Herita Wolf, bei der Hoga zuständig für Charlottenburg-Wilmersdorf, sieht einen Kneipencheck für ihren Bezirk nicht als notwendig an. „Ich halte das für übertrieben.“ Ihr sei so etwas noch nicht zu Ohren gekommen. Der Betreiber des Restaurants „Papaya“ in Friedrichshain findet die Idee seines Stadtrates „unterstützenswert“. Es sei richtig gewesen, dass beim Vorfall in der Dieffenbachstraße der diskriminierte Gast aus Kamerun die Kellnerin angezeigt hat.

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25.03.2006 Tagesspiegel
Kein Bier für den Gast aus Afrika
Kreuzberger Kellnerin muss wegen Beleidigung 300 Euro Geldstrafe zahlen

Ein netter Fußballabend sollte es werden. Werder Bremen in der Champions League, der Verein spielt attraktiven Fußball, etwas für Feinschmecker, dazu vielleicht ein Bier. So hatte sich der aus Kamerun stammende Noka A. die nächsten Stunden vorgestellt. Es kam anders. Das Spiel hat er nicht gesehen, der Abend hat sein Bild von Berlin „verändert“, wie er sagt. Warum, damit hat sich gestern das Amtsgericht Tiergarten beschäftigt.
Es ging um Beleidigung aus „rassistischen Motiven“. Eine junge Kellnerin einer 24-Stunden-Kneipe in der Kreuzberger Dieffenbachstraße soll sich geweigert haben, den Schwarzafrikaner zu bedienen. Ihr Problem war offenbar seine Hautfarbe. „Geschlossene Gesellschaft“, soll sie ihm schließlich erklärt und Richtung Tür gewiesen haben. Der 35-jährige Noka A., Wirtschaftswissenschaftler und angehender Medienberater, blieb wie angewurzelt stehen. Eine solche Diskriminierung mitten in Kreuzberg? Als er nach mehrfacher Aufforderung immer noch fassungslos im Lokal stand, soll die Bedienung sogar die Polizei alarmiert haben.
Der 23-jährigen Kellnerin flatterte kurze Zeit später ein Strafbefehl ins Haus. Eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 20 Euro sollte sie zahlen. Wegen rassistischer Beleidigung. Empört legte die junge Frau Einspruch ein und erzwang damit einen Prozess. Aber eine Verhandlung fand dann doch nicht statt. Nach einem Vorgespräch mit Richterin und Staatsanwältin kam die Kellnerin mit Tränen in den Augen und wütendem Schritt aus dem Gerichtssaal. Sie habe ihren Einspruch zurückgezogen, hieß es. Damit ist die Geldstrafe von 300 Euro rechtskräftig. Einsichtig allerdings wirkte die verurteilte Kellnerin nicht, als sie erfolglos abzog. Im Verfahren hatte sie erklärt: „Ich habe doch nichts getan.“ Vielleicht fühlt sie sich ungerecht behandelt, weil sie nur tat, was von ihr verlangt wurde. Es gebe Anhaltspunkte, dass die Bedienung auf Anweisung ihres Chefs handelte, sagte die Richterin. Schlüssige Beweise aber fanden sich nicht. Ein Verfahren gegen den Kneipeninhaber ist inzwischen eingestellt worden.
Die Szene spielte in einer ganz gewöhnlichen Bierkneipe. „Ich würde dort keine Freunde suchen“, sagt Noka A., aber es gebe in dieser Gegend nicht viele Möglichkeiten, Fußballspiele im Bezahlfernsehen zu sehen. Als ihm die Kellnerin an jenem Abend im September letzten Jahres kein Bier ausschenkte und schließlich aus dem Lokal wies, sollen ihm andere Gäste mitgeteilt haben, dass dort „grundsätzlich keine Ausländer bedient werden“. Das hätten die Gäste nicht richtig gefunden, sagte A.’s Anwältin. Um zu zeigen, dass ein Mann wie A. sehr wohl willkommen sei, habe ihm einer der Gäste spontan ein Bier spendiert.
Das Verhalten der Bedienung habe den 35-Jährigen sehr beleidigt, sagte seine Rechtsanwältin. Sie erwägt weitere zivilrechtliche Schritte. „Da es das neue Anti-Diskriminierungsgesetz noch nicht gibt, ist das die einzige Möglichkeit, juristisch noch etwas zu erreichen.“ Erste Schritte sind bereits eingeleitet. So habe Noka A. das Gewerbeamt über den Vorfall schon informiert.

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20.03.2006 TAZ

Rechte scheitern im Demo-Marathon
Tausende Menschen demonstrieren in Friedrichshain, Lichtenberg und Charlottenburg gegen Rechtsextremisten.

Die Neonazis versuchen auch, auf die Straße zu gehen. Sie haben nur ein Problem: Es kommen einfach zu wenige
Wer am Wochenende in der Stadt unterwegs war, nahm fast zwangsläufig an irgendeiner Demo teil - denn die Protestveranstaltungen häuften sich. "Kein Kiez für Nazis" war das Motto, unter dem am Samstag nach Angaben der Veranstalter mehr als 3.000 Menschen in Friedrichshain gegen Rechtsextremisten demonstrierten. Die Polizei sprach von 1.000 Teilnehmern. Die Demo wandte sich gegen die Zunahme nächtlicher Überfälle auf Menschen, die vom Äußeren als links eingeordnet werden können (die taz berichtete).
Linke Gruppen gehen davon aus, dass es sich bei den Tätern um organisierte Neonazis handelt. "Die Protestveranstaltung war ein sehr eindeutiges Signal in Richtung Nazis", sagte ein Sprecher der Initiative für hedonistische Stadtentwicklung & kosmopolitische Kompetenz, die den Demonstrationszug angemeldet hatte. Ursprünglich habe man lediglich mit 500 Teilnehmern gerechnet.
Bereits am Freitagabend hatten rund 1.000 Antifas gegen rechtsextreme Strukturen in Friedrichshain und Lichtenberg demonstriert. Die Route führte direkt durch die Lichtenberger Weitlingstraße, in der es Anfang der 90er-Jahre ein von militanten Neonazis besetztes Haus gab. Auch heute noch trifft sich dort eine aktive rechte Szene. Im Kiez kam die Gegenwehr gut an: "Ich finde es richtig, dass sich die jungen Leute gegen die Nazis hier im Kiez engagieren", sagte ein Anwohner. In Redebeiträgen wurde darauf hingewiesen, dass in mehreren Kiezkneipen in Lichtenberg und Friedrichshain bekannte Rechtsradikale ein und aus gehen. Am Ende der Demonstration kam es am U-Bahnhof Samariterstraße zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, als diese mehrere Teilnehmer festnahm. Die Polizei spricht von neun Festnahmen. Die Behörde leitete mehrere Strafverfahren, unter anderem wegen Landfriedensbruch, ein.
Ebenfalls am Freitag beteiligten sich in Lichtenberg knapp 60 Rechtsradikale an einer Spontandemonstration "Schluss mit Antideutscher Hetze". Um ein Zusammentreffen mit der Antifa-Demonstration zu verhindern, leitete die Polizei den Marsch der Rechten um.
Auch am Samstag suchten Neonazis in Charlottenburg die Öffentlichkeit: Mit nur 90 Teilnehmern blieb ein NPD-Aufmarsch am Vormittag aber weit hinter den Erwartungen der Rechten zurück. Sie hatten die Veranstaltung unter dem Motto "Keine Pariser Zustände in Berlin. Berlin ist eine deutsche Stadt" für 150 Menschen angemeldet. An einer Gegenkundgebung von Linkspartei und Grünen nahmen rund 150 Anwohner teil.

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20.03.06 Neues Deutschland
Mit Soundsystems gegen Nazischläger
In Friedrichshain gingen am Wochenende Tausende gegen rechte Gewalt auf die Straße

Tausende Menschen schlossen sich am Wochenende den zwei Demonstrationszügen an, die sich gegen die brutalen Übergriffe der letzten Zeit in Friedrichshain wandten. Antifa-Gruppen mobilisierten am Freitagabend um die 1000 Menschen für einen Marsch vom Boxhagener Platz nach Lichtenberg.
Die »Initiative für hedonistische Stadtentwicklung & kosmopolitische Kompetenz« – ein Bündnis von Kulturschaffenden aus der Clubszene – brachte am Sonnabendnachmittag drei fahrende Soundsystems auf die Straße, die die 3000 Teilnehmer unter dem Motto »Kein Kiez für Nazis« mit elektronischer Musik beschallten. Damit reagieren die Bewohner des alternativ geprägten Bezirks auf die Angriffe durch Schlägerbanden in den vergangenen Monaten.
Während die Polizei bei der Benennung der Täter noch im Dunkeln tappt, vermuten antifaschistische Gruppen rechtsradikale Schläger hinter den Angriffen. Dafür spricht einiges: Viele Überfälle wurden von einer Gruppe von zirka 15 Männern verübt, die mit Teleskopschlagstöcken – so genannten »Totschlägern« – auf alternative Jugendliche, Linke und Ausländer losgingen. Meist waren die Opfer nachts allein oder in kleineren Gruppen unterwegs. Provoziert von vier Rechtsradikalen gerieten so Anfang März fünf Linke in eine Auseinandersetzung. Rasch gesellten sich weitere Rechte hinzu, insgesamt schließlich 15. Mit massiver Gegenwehr gelang es den Linken, die Angreifer in die Flucht zu schlagen, unter denen sie Mitglieder der verbotenen »Kameradschaft Thor« und der »Autonomen Nationalisten Berlin« erkannten. In derselben Nacht kam es zu mindestens vier weiteren Übergriffen vermutlich dieser Gruppe.
Auf eine Anzeige verzichten die Opfer zumeist. Zu groß ist das Misstrauen gegenüber der Polizei, die keinen politischen Hintergrund der Angriffe erkennen will und mit Hausdurchsuchungen gegen die antifaschistische Szene vorgeht. Dass sich die Warnungen der Antifa, die seit Jahren auf Rückzugsräume für Neo-Nazis in Friedrichshain und Lichtenberg und die daraus entstehenden Gefahren verweist, nun bewahrheiten, überrascht offensichtlich auch viele Bewohner der inzwischen befriedeten ehemaligen Hausbesetzerkieze nördlich und südlich der Frankfurter Allee. Insbesondere nachts an Wochenenden herrscht Angst vor weiteren Übergriffen, bewegen sich viele nur noch ungern in der eigenen Umgebung.
Nicht nur die Organisatoren der Demos sehen das »easy going«, die tolerante Atmosphäre in den alternativ geprägten Straßenzügen, gefährdet, wenn dieses auch für brutale Nazischläger gelte. Freiräume müssten verteidigt werden, erklärten die Initiatoren von »Kein Kiez für Nazis«: »Mit Flohmarkt und Latte Macchiato allein ist es da eben nicht getan«.

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17.03.2006 TAZ
Nackte Gewalt in Friedrichshain
Seit einigen Monaten kommt es in dem Bezirk gehäuft zu Übergriffen. Die Polizei spricht von Jugendbanden als Tätern, die Antifa von Neonazis. Ein Bürgerbündnis will dagegen vorgehen

Eine Gruppe von etwa 15 schwarz gekleideten Vermummten stürmt um eine Straßenecke und prügelt ohne ersichtlichen Grund mit Teleskopschlagstöcken und Flaschen auf zwei junge Männer ein. So schnell sie gekommen sind, so schnell sind die Schläger auch wieder weg. Die Opfer werden mit Schnittverletzungen und Prellungen ins Krankenhaus eingeliefert. Die Polizei fahndet - bleibt jedoch erfolglos.
Solche und ähnliche Szenen haben sich im linken Szene-Bezirk Friedrichshain in den vergangenen Monaten häufiger abgespielt. Mindestens zehn Übergriffe zählte die Antifa Friedrichshain seit Anfang des Jahres. Offizielle Zahlen gibt es nicht.
Die Polizei spricht lieber von "Gewalt unter Jugendbanden". Ihr lägen bisher keine Hinweise auf einen politischen Hintergrund der Straftaten vor, erklärt Polizeisprecher Uwe Kocellik. Antifa-Initiativen gehen jedoch davon aus, dass es sich bei den Tätern um Neonazis aus dem Umfeld der verbotenen Kameradschaft Tor handelt, die sich seit einiger Zeit selbst als "Autonome Nationalisten" bezeichnen. "Das Muster der Angriffe ist das gleiche wie bei Überfällen von Neonazis auf linke Veranstaltungen und Infostände im vergangenen Jahr in Lichtenberg", sagt ein Sprecher der linken Gruppe Kritik & Praxis (K & P). Das offensichtlich gut geplante Vorgehen der Schläger spreche gegen einen Fall von normaler Jugendgewalt. Zudem könne es kein Zufall sein, dass die Opfer der Übergriffe stets vom Aussehen her als links einzuordnende Menschen seien.
Mehrere linke Gruppen rufen an diesem Wochenende deswegen gleich zu zwei Veranstaltungen in Friedrichshain auf. Die erste, von der K & P angemeldete Demonstration beginnt heute Abend am Boxhagener Platz und führt bis in die Weitlingstraße im benachbarten Lichtenberg. Die Weitlingstraße galt bereits Anfang der 1990er-Jahre als Hochburg von Rechtsextremisten. Nachdem einige Jahre Ruhe eingekehrt war, gibt es dort nun wieder mindestens zwei Wohngemeinschaften mit stadtbekannten Neonazis. Im Aufruf der K & P ist von "Sammlungs- und Rückzugsort organisierter Faschisten" die Rede.
Von einer Zunahme rechter Gewalttäter in Friedrichshain spricht auch die Opferberatungsstelle ReachOut. Sie hat vor kurzem ihre Statistik rechter Übergriffe von 2005 veröffentlicht. Dort hält Friedrichshain mit 25 Fällen den ersten Platz. ReachOut-Mitarbeiterin Helga Seyb ist daher froh, dass sich nun ein breites Bündnis gegen die nächtliche Gewalt gefunden hat. "Die beiden Demonstrationen allein können jedoch nur begleitend zu weiteren Aktionen gegen rechte Gewalt im Bezirk sein", sagt sie. Um eine Kontinuität der Arbeit gegen die Überfälle aufzubauen, setzt sie sowohl auf die lokalen Antifa-Gruppen als auch auf ein Bürgerbündnis.
Das Bündnis gibt es seit zwei Monaten. Beteiligt ist eine bunte Mischung von lokalen Initiativen, Vereinen, Migrantengruppen und Einzelpersonen. Sogar Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (Linkspartei) war zum ersten Treffen erschienen. Mit dabei ist auch Claus Foerster, vom Projekt Community and Commitment der Arbeiterwohlfahrt: "Das größte Problem ist, dass die meisten Friedrichshainer ihren Kiez für weltoffen und tolerant halten. Wir müssen jetzt erst mal ein Problembewusstsein für die rechte Gewalt schaffen." Mit Flugblättern und Plakaten will das Bündnis in den kommenden Wochen die Bewohner des Bezirks für das Thema sensibilisieren. Es gehe vor allem darum, dass bei Übergriffen niemand wegschaut, sondern sofort die Polizei gerufen wird.

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06.03.2006 Berliner Zeitung

Jugendbande prügelt wahllos um sich
Brutale Schläger greifen in Friedrichshain Passanten an

In Friedrichshain terrorisiert eine Jugendbande den Kiez. Willkürlich suchten sich die Täter am Wochenende ihre Opfer aus und schlugen sie zusammen. So wurden Sonnabend früh ein 16- und ein 17-Jähriger am U-Bahnhof Frankfurter Allee von einer 15-köpfigen Gruppe attackiert. Laut Polizei prügelten die Jugendlichen kurz nach Mitternacht ohne ersichtlichen Grund mit Flaschen und Biergläsern auf die beiden ein. Die Opfer kamen mit Platzwunden und Prellungen ins Krankenhaus.
Zwei Stunden später verprügelte die selbe Bande am S-Bahnhof Frankfurter Allee eine 26-jährige Frau. Die Täter stießen sie zu Boden und schlugen der am Boden liegenden mit einem Fahrradschloss mehrmals ins Gesicht. Die Frau wurde mit mehreren Platzwunden in ein Krankenhaus gebracht.
Wenig später ereignete sich in der Nähe der nächste Vorfall: Gegen 2.25 Uhr wurden in der Schreinerstraße zwei Männer verprügelt. Wieder waren die Angreifer eine Gruppe aus 15 Personen. Der 26- und der 28-Jährige wurden ebenfalls ohne ersichtlichen Grund angegriffen. Zunächst wurden sie zu Boden geschlagen. Als die Opfer wieder aufstanden, schlugen die Täter mit einem Teleskopschlagstock und einer Flasche zu. Beide Opfer wurden mit Prellungen und Schnittwunden in ein Krankenhaus gebracht. Auch dieses Mal konnte die Bande unerkannt entkommen.
Die Polizei steht vor einem Rätsel. In allen drei Fällen sollen die Täter mit schwarzen Jacken und Jeans-Hosen bekleidet gewesen sein. Hinweise darauf, dass es sich um politische Auseinandersetzungen zwischen "linken" und "rechten" Jugendlichen gehandelt haben könnte - wie sie in der Gegend des Öfteren vorkommen - gibt es nicht. Stark alkoholisiert waren die Schläger offenbar auch nicht. Auch geraubt wurde den Opfern nichts. "Offenbar war das Motiv der pure Spaß an Gewalt", sagte Polizeisprecher Carsten Müller gestern.
Auch an anderen Orten in der Stadt gab es brutale Überfälle. Zwölf Jugendliche verprügelten am Samstagabend in Marzahn drei 17-Jährige. Auch hier war das Motiv offenbar nur Spaß an der Gewalt. Die Täter flüchteten ohne Beute. Bei ihnen soll es sich um Personen zwischen 15 und 18 Jahren gehandelt haben.
Am selben Abend beraubte und verprügelte am Adenauerplatz in Charlottenburg eine Gruppe von fünf bis acht Jugendlichen zwei Schüler im Alter von 14 und 15 Jahren. Das Alter der Täter wird auf 14 bis 17 Jahre geschätzt.
Gestern früh gegen 1.20 Uhr griffen sechs bis acht Jugendliche in einer Vorhalle des S-Bahnhofs Neukölln einen stark betrunkenen 52-Jährigen an. Der Mann wurde ins Gesicht geschlagen, ging zu Boden und wurde durchsucht. Die Täter raubten ihm Geld und Handy. Die Täter, zu denen auch zwei Frauen gehören sollen, werden auf 17 bis 25 Jahre geschätzt.
Heute wird Polizeipräsident Dieter Glietsch die Kriminalstatistik für 2005 bekannt geben. Demnach ist die Jugendgewalt zurückgegangen.

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22.02.2006 Jungle World
Erst jagen, dann schlagen
Im Berlin-Friedrichshain kommt es immer öfter zu gewalttätigen Übergriffen von Neonazis. Nun soll ein Bürgerbündnis gegen Rechts gegründet werden.

Der bisher letzte Übergriff, den die Antifa Friedrichshain dokumentiert, ereignete sich am 1.?Februar. Ein alternativer Jugendlicher wurde am frühen Abend in der U-Bahn in Richtung Friedrichshain von drei Neonazis angegriffen und verletzt. Am 21.?Januar attackierten Neonazis mehrere Linke. Am 14.?Januar wurden vier Spanier gejagt, am 13.?Januar waren es wieder vermeintliche Linke, die aus einer Kneipe heraus von Neonazis angegriffen und verfolgt worden.
Am 6.Januar kam es zum bislang schwersten An­griff in diesem Jahr. Unabhängig voneinander wurden fünf Jugendliche in der Rigaer Straße angepöbelt und gejagt. Einer der Angegriffenen trug eine gebrochene Hand und Schürfungen davon. Die Täter waren schwarz gekleidet, vermummt und mit Schlagstöcken und Reizgas bewaffnet. Es handelte sich offenbar um Neonazis, die im linken Szenekiez gezielt nach Personen Ausschau hielten, die alleine unterwegs waren. Am früheren Abend sei ein Mitglied der verbotenen Kameradschaft Tor und Anti-Antifaaktivist im Waf-Salon, einer linken Kneipe, gesehen worden, berichtet die Antifa Fried­richs­hain in diesem Zusammenhang.
Der Ostberliner Stadtteil Friedrichshain verzeich­net derzeit die meisten rechten Übergriffe in Berlin. In einer gemeinsam von der Opferberatungsstelle Reach Out und dem Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Apabiz vorgelegten Chronologie rechtsextremer, rassistischer, antisemitischer und homophober Übergriffe im Jahr 2005 sind 25 Angriffe dokumentiert, ge­gen­über sieben im Jahr 2004. Insgesamt sei die Zahl der Gewalttaten und verbalen Attacken in Berlin im Jahr 2005 beinahe doppelt so groß gewesen wie im Jahr 2004. Der Großteil der Übergriffe habe »im öffentlichen Raum an Bahnhöfen stattgefunden«.
»Sicherlich haben die ›Freien Kräfte‹ ein Auge auf den Kiez geworfen«, sagt Marie Roth von der Antifa Friedrichshain. »Es ist am vorletzten Wochenende auch ein Neonazi aus dem Umfeld der verbotenen Kameradschaft Tor gesehen worden, der in der Rigaer Straße die Lage prüfte, während sich andere in einem Park versteckten und warteten, ob sie wieder in den Nordkiez eindringen können.«
Als Antwort auf die Gewalt von Neonazis soll ein Bürgerbündnis gegen Rechts gegründet werden. Eine »Initiative Friedrichshain« lud Institutionen ein und verteilte auch Flugblätter im Kiez. Am Dienstag voriger Woche fand das erste Treffen statt. Neben Anwohnern waren ein Vertreter der Antifa, Helga Seyb von Reach Out, die VVN/BdA-Friedrichshain, Vertreterinnen von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus und die Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (Linkspartei) anwesend. Auf der Versammlung wurden Ideen für ein gemeinsames Vorgehen gesammelt. Es soll eine breite Öffentlichkeit im Bezirk darüber aufgeklärt werden, dass es diese rechtsextreme Gewalt gibt.
»Der Rassismus in Friedrichshain nimmt schleichend zu«, sagte Ulrich Spies (SPD) auf der Veranstaltung. Es müsse etwas getan werden, damit die Neonazis nicht glaub­ten, sie agierten in einem gesellschaftlichen Umfeld, das ihnen gewogen sei. Helga Seyb von Reach Out meint: »Wenn deutlich wird, dass die Jugendlichen nicht alleine sind, son­dern auch Unterstützung aus der Gesellschaft erfahren, sehen die Neonazis, dass es für sie politisch teurer wird, derartige Angriffe durch­zuführen.«
Einen Teil des Problems sieht Seyb auch bei der Polizei. Bisher sei es jedoch so, dass die Übergriffe oft als »Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen« wahrgenommen wür­den. Als Beispiel schildert sie einen Fall, bei dem ein Migrant von vier Neo­nazis aus einem fahrenden Auto heraus zunächst angepöbelt und dann auch tätlich angegangen worden sei. Als der Angegriffene sich zu Wehr gesetzt habe, hätten die Täter die Polizei gerufen und den Beamten erzählt, dass sie angegriffen worden seien. Letztlich sei das Opfer des Übergriffs festgenommen und der Fall in der Kartei »Verkehrsdelikte« abgeheftet worden.
Neonazis riefen im Falle einer Gegenwehr immer öfter selbst die Polizei, erläutert Seyb. Dies führe auch zu der mangelnden Bereitschaft auf Seiten der Opfer, den Vorfall anzuzeigen. Sie befürchteten oft selbst Repressalien, teilweise seien die Daten der Anzeigenden auch schon in die Hände von Neonazis gelangt. »Die Polizei müsste eine höhere Sensibilität dafür haben, Geschehnisse auch in eine andere Richtung zu interpretieren«, sagt sie.
Die Ideen, dem Problem beizukommen, reichen von Plakataktionen bis zum Einrichten einer Beratungsstelle, bei der sich sowohl Betroffene von rechter Gewalt als auch Bürger, die Übergriffe oder rechte Propaganda beobachten, melden können. Zudem müssten auch weiterhin rechte Aktivitäten genau dokumentiert werden.
Diese rechte Gewalt im Kiez um den U-Bahnhof Samariterstraße ist indes nicht neu. Im November 1992 wurde der Antifa und Hausbesetzer Silvio Meier dort von Neonazis erstochen. Bis ins Jahr 1991 hätten Neonazis immer wieder besetzte Häuser in dem Stadtteil angegriffen, erzählt Said, ein ehemaliger Hausbesetzer und langjähriger An­wohner in Friedrichshain. »In der Gegend vom Ringcenter an der Frankfurter Allee bis zum S-Banhof Ostkreuz waren und sind die Neonazis aktiv«, sagt er. »Wir sind damals oft mit Knüppeln die Runde gelaufen«, erzählt er weiter, »und ab 1993 war zumindest im Südkiez Ruhe. Damals war es auch noch so, dass du bei den Häusern geklingelt hast und immer zehn Leute mitgekommen sind.« Außerdem habe es immer wieder Aktionen an Treffpunkten von Neonazis gegeben.
Gigi Müller von der »Unabbhängigen BürgerInneninitiative Kommunikatives Leben in Zusammenarbeit«, die den Mieterladen in der Kreutziger Straße betreibt, wohnt schon lange im Kiez und hat sowohl die Auseinandersetzungen damals als auch die jüngsten Übergriffe erlebt. Sie meint: »Viele Häuser sind in den letzten Jahren geräumt oder privatisiert worden, und viele ehemals Linke haben sich zurückgezogen. Dadurch wurde öffent­licher Raum aufgegeben, den die Neonazis jetzt besetzen können.«

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01.02.2006 TAZ

Neonazis machen Friedrichshain unsicher
Die Zahl der gewalttätigen Übergriffe von Rechten auf Personen ist 2005 stark gestiegen. In Friedrichshain häufen sich die Attacken. Opfer sind vor allem Menschen aus der alternativen Szene. Jetzt wird über ein Bürgerbündnis nachgedacht

von JOHANNES RADKE

Die Anzahl der Übergriffe von Neonazis hat in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Die Opferberatungsstelle Reach Out zählte 2005 insgesamt 103 rechte Angriffe auf Personen in Berlin. Das sind 40 Vorfälle mehr als 2004. Die meisten Übergriffe gab es im Bezirk Friedrichshain (23), gefolgt von Lichtenberg (18). Der Polizei liegen bisher noch keine Zahlen über rechte Gewalttaten vor.
"Es gibt anscheinend rechte Gruppen, die am Wochenende losgehen und gezielt Menschen überfallen", erzählt Helga Seyb von Reach Out. Neben einer deutlichen Steigerung der Brutalität sei vor allem auffällig, dass es sich immer öfter um verabredete und geplante Aktionen der Rechten handele. "Da kommt eine Gruppe schwarz Vermummter, mit Schlagstöcken bewaffnet, schlägt zu und ist sofort wieder weg", so Seyb weiter. Opfer der Überfälle seien zumeist Menschen, die nach ihrem Äußerem der alternativen Szene zugerechnet werden könnten.
Die Antifa Friedrichshain (AFH) bestätigt diese Tendenz und spricht von einer ganzen "Welle von Angriffen". Allein seit Anfang Januar habe es in Friedrichshain acht Fälle rechter Gewalt gegeben. Erst am vergangenen Wochenende seien sechs Jugendliche am U-Bahnhof Frankfurter Allee von einer Gruppe rechter Hooligans mit den Worten "Zecken, wir kriegen euch!" attackiert worden. Dabei habe es vier Schwerverletzte gegeben. Ein Opfer sei zudem auf die Bahngleise geschubst und im Gleisbett liegend von fünf Angreifern weiter getreten und geschlagen worden.
Auf Anfrage der taz bestätigte Polizeisprecher Bernhard Schodrowski, dass es in der betreffenden Nacht einen Einsatz am U-Bahnhof Frankfurter Allee wegen einer Schlägerei gegeben habe. "Der Staatsschutz prüft derzeit, ob es einen rechten Tathintergrund gibt", sagt Schodrowski.
Das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum (apabiz) ist von den neuen Zahlen nicht überrascht. "Die Neonazis suchen in letzter Zeit verstärkt die Auseinandersetzung", sagt ein Mitarbeiter. "Dabei spielt die Fixierung auf vermeintliche Linke als Gegner eine wichtige Rolle für die eigene politische Identifikation." Darüber hinaus sei die Hemmschwelle, sich im als alternativ geltenden Stadtteil Friedrichshain zu bewegen, in den vergangenen Jahren immer weiter gesunken. Nicht zuletzt dadurch, dass die Rechten sich mittlerweile durch ihr Äußeres kaum noch zu erkennen gäben.
"Die Verbote der Kameradschaft Tor und anderer Gruppen haben mit Sicherheit auch zur Radikalisierung der rechten Szene beigetragen", sagt Catharina Schmalstieg von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. "Nach den massiven Übergriffen ist es Zeit, dass endlich etwas passiert", findet sie. "Unser Ziel ist es, in erster Linie ein öffentliches Bewusstsein dafür herzustellen, dass solche Übergriffe in Friedrichshain passieren", so Schmalstieg weiter. Es werde jetzt über die Gründung eines Bürgerbündnisses gegen rechts nachgedacht.

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Februar 2006: Fightback AntifaRechercheMagazin
(als PDF)
Ex-besetzte Häuser, rechte Kneipenkultur und Potentiale

Anders als in den Randbezirken Berlins hat Friedrichshain das Problem, dass Neonazis bzw. ihre Aktionen von den AnwohnerInnen nicht wahrgenommen werden, da sie nicht ins Bild des Bezirks passen und eher als Betriebsunfall in einem alternativen Stadtbezirk abgehandelt werden. Hier, wo ganze Straßenzüge in den frühen 90er Jahren besetzt waren und es eine hohe Dichte linker Kneipen, Theater und Läden gab, hat sich so einiges verändert – nicht nur aus stadtpolitischer Perspektive, sondern auch aus antifaschistischer Sicht.Denn auch in Friedrichshain finden Neonazis Orte, an denen sie sich ungestört aufhalten können, Räume in denen sie Veranstaltungen abhalten, Wohngegenden wo sie als Nachbarn toleriert werden und eine junge Kneipenszene in der sie sich wohlfühlen.

Kiez und Milieu

Am 5. November 1999 wurde die Leiche von Kurt S. (38) auf einem stillgelegten Urnenfriedhof in der Rudolf-Reusch-Straße an der Grenze zu Lichtenberg gefunden. Er wurde erschlagen. Vier Neonazis wurden daraufhin in einer Wohnung im Hoernerweg festgenommen. Ein politischer Hintergrund der Tat wurde ausgeschlossen und ein Raubmord im Trinkermilieu vermutet. Erst im April 2004 werden alle Tatbeteiligten zu lebenslanger Haft (Michael Voigt, Manuel Sandmann) bzw. zu 8 Jahren (Björn Oberjartel) und 8,5 Jahren (Carsten Ufer) Jugendstrafe verurteilt. Eigenen Angaben zufolge zählen sich alle vier zu der in Deutschland verbotenen militanten Neonaziorganisation Hammerskins (1). Was da im November 1999 passierte ist mehr als eine Kriminalgeschichte, es zeigt, dass es in Friedrichshain nicht nur eine Trinker- und Kneipenkultur gibt, sondern auch, dass sich in diesem Milieu organisierte Neonazis tummeln, die aufgrund ihres abwertenden Menschenbildes auch vor einem Mord wegen ein paar Mark nicht zurückschrecken.Verrohung im Kneipenmilieu ist gesamtgesellschaftlich zu beobachten, aber wann steht auch rechte Ideologie als Motiv im Vordergrund? Es gibt einige Kneipen in Friedrichshain, die zumindest unkritisch Neonazis und ihren Hooligananhang als Kundschaft akzeptieren und dadurch Räume zur Verfügung stellen, die für eine nicht organisierte rechte Klientel wichtig ist, um sich ungestört treffen und austauschen zu können. Nur wenigen KneipenbesitzerInnen lässt sich eine ebenso rechte Gesinnung unterstellen wie ihrer Kundschaft, dennoch tritt meistens eine Solidarisierung mit der Stammkundschaft ein, sofern diese bzw. ihr Gedankengut kritisiert werden.Für relativ viel Aufmerksamkeit sorgte die von Doris Engel betriebene Kneipe Baum in der Libauer Straße, die Anfang 1999 eröffnet wurde. Die rechte Klientel bestand auch dort aus organisierten Kameradschaftlern, was zu einiger Gegenwehr seitens der AnwohnerInnen und der Antifa führte. Der Wirt Manfred Reisinger aus Pankow und sein neonazistischer Kollege Thomas Barutta aus Friedrichshain schenkten das Bier aus. Barutta wurde zu der Zeit öfters auf Naziaufmärschen im „Kameradschaft Germania“ Block gesehen und war an einem Angriff am 21. Juli 2001 auf Linke an der Frankfurter Allee beteiligt. Die Wirtin distanzierte sich nie von ihrem Personal oder der Kundschaft und legte vielmehr ihre schützende Hand über sie. Nach zwei Jahren musste die Kneipe wegen antifaschistischer Aktionen und des schlechten Images schließen.Im Juli 2003 kam es aus der unscheinbaren Kneipe Frankie’s Relaxbar in der Pettenkoferstraße zu einem Angriff auf vier junge Vietnamesen. Ebenfalls vier Stammgäste der Kneipe verdächtigten sie des Betrugs und gingen mit den Billardqueues aus der Kneipe auf sie los und jagten sie in Richtung Bahnhof Frankfurter Allee. Eines der Opfer wurde schwer verletzt und die Täter trotz etlicher rechter Vorstrafen wie z.B. der Haupttäter Sven Scholz aus Marzahn wegen Totschlag, erst einmal wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Kneipe distanzierte sich ebenfalls nicht von dem Vorfall. Sie schloss Ende 2004 ebenfalls. Sven Scholz hatte beispielsweise 1998 bei einer Antifademo gegen das Café Germania in Lichtenberg den ersten Stein auf die DemonstrantInnen geworfen und wurde dafür auch verurteilt.
Er und sein Umfeld war nicht nur in „Frankie’s Relaxbar“ Stammkundschaft sondern auch im Jessner Eck in der Jessner Straße, wodurch sich auch zahlreiche Übergriffe auf Linke im Umfeld der Kneipe erklären lassen. So z.B. im September 2003 als ein Punk von mehreren Neonazis so schwer mit Baseballschlägern verprügelt wurde, dass er ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Das „Jessner Eck“ wechselte 2005 den Besitzer und auch teilweise das Publikum.Als am 6. November 2004 in der Eckkneipe Happy Station am Petersburger Platz das Jahrestreffen der „Hammerskins“ (1) stattfand und von 200 Polizisten aufgelöst wurde, zeigte sich der Wirt Frank Heindel unwissend und behauptete nichts von dem Treffen gewusst zu haben. Schon vorher wiesen AntifaschistInnen mit einer Aktion zum sog. „Herrentag“ auf die rechte Klientel in der Kneipe hin. Einmal im Monat traf sich dort auch der Trabi-Club-Berlin, dessen Vorsitzender Albrecht Reither der damalige Berliner Landesvorsitzende der NPD war. Anfang 2005 musste die Besitzerin Nicole Kryom die Kneipe aus wirtschaftlichen Gründen schließen.Einen Monat nach dem Hammerskin-Treffen fand am 10. Dezember 2004 schon wieder ein Treffen von Neonazis in einer Kneipe in Friedrichshain statt. Etwa 50 Hooligans und Neonazis sammelten sich zu einer Weihnachtsparty in der Cocktailbar Morrison in der Proskauerstraße, alles angebliche Angestellte der BFC-nahen Abrissfirma Benecke GmbH aus Friedrichshain. Einige linke AnwohnerInnen reagierten und warfen eine Scheibe der Bar ein. Daraufhin stürmten die rechten Partygäste in Prügellaune wie auf Befehl auf die Straße, um vermeintliche Linke zu jagen. Dabei beschädigten sie einige Autos und wurden z.T. von der alarmierten Polizei kontrolliert. Wie schon bei der Happy Station war auch hier der Wirt uneinsichtig und behauptete seine Gäste seien keine Neonazis. Eine Kneipe die sich offen rechts positioniert hat, war die Kietz-Kneipe 1 in der Neuen Bahnhofstraße. Der Wirt, Jeremy Manz (M+G Dienstleistungen) aus Marzahn, kündigte einen „Krieg gegen alles Linke“ im Friedrichshainer Süd-Kiez an, nachdem eine augenscheinlich linke Frau von Neonazis aus der Kneipe heraus angegriffen und mehrere Minuten in einem Hausflur festgehalten und bedroht wurde. Im April 2005 wurde ein Motorradfahrer ohne ersichtlichen Grund vor der „Kietz-Kneipe“ von rechter Klientel, die auf der Straße trank, geschlagen.Die Kneipe in der Neuen Bahnhofstraße gehört zu zwei weiteren „Kietz-Kneipen“ in Friedrichshain, die alle Petra Lüdtke gehören. Die Kneipen haben die gleichen billigen Preise, gleiche Innenausstattung und gleichen Öffnungszeiten und sprechen immer die gleiche Klientel an, die auch gern rechts sein darf. Der Wirt der Kietz-Kneipe 3 in der Voigtstraße, die im November 2005 eröffnete trug des öfteren ein bedrucktes T-Shirt was nur über rechte Versände bestellt werden kann. Bei der Eröffnung der Kneipe war auch der langjährige Neonazikader Oliver Schweigert anwesend. Dennoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei den „Kietz-Kneipen“ um Lokalitäten handelt die ausschließlich Neonazis bedienen. Die Klientel ist vielmehr wie in vielen anderen Friedrichshainer Kneipen heterogen, aber zumindest mit rechtem Grundkonsens.Die Liste mit Friedrichshainer Kneipen, welche rechtes Gedankengut tolerieren und die Ausgangspunkt für Pöbeleien oder Angriffe durch Rechte sind, ließe sich noch weiter führen, zumal sich die Grenze zwischen Männerritualen, Gewalttätigkeit im Trinkermilieu und rechter Motivlage für den Betrachter meist schwer ziehen lässt. Klassische Nazi-Kneipen von Neonazis für Neonazis wie z.B. das „Café Germania“ Ende der 90er Jahre in Lichtenberg, gibt es allerdings in Friedrichshain nicht und würden vermutlich am Quartiersmanagement des Bezirks scheitern. In einer kleinen Anfrage im Juni 2004 gibt uns der Berliner Innensenat mit dieser Einschätzung recht: „Rechtsextremisten agieren in Friedrichshain vielmehr subkulturell und jugendtypisch, d. h. sie besuchen Kneipen oder Clubs, die auch von anderen Jugendlichen frequentiert werden. Es liegen keine Hinweise dafür vor, dass in diesen allgemein zugänglichen Kneipen rechtsextremistische Aktivitäten entwickelt werden würden.“ Eine besondere Lokalität, die hier nicht unerwähnt bleiben sollte ist die K17. Das Publikum bei diesem Veranstaltungsraum in der Pettenkoferstraße (ehem. in der Kadiner Straße) ist meist auf die Dark-Wave und Gothic Szene beschränkt, die allerdings Anknüpfungspunkte für esoterisch angehauchte Rechte bieten. Als ehemals links-alternativer Veranstaltungsraum zeigen sich die K17 BetreiberInnen betont uneinsichtig was einige Teile ihrer Klientel betrifft. Je kommerzieller der Raum über die Jahre wurde, desto politisch ambivalenter wurde auch das Programm. Im Juli 2000 trat im K17 die rechte Dark-Wave Band Kirlian Camera auf, die auf der Bühne gern mit faschistischer Symbolik hantiert und in ihren Songtexten nationalsozialistischen Reden einfließen lässt (2). Im Dezember 2001 fand in der K17 das „Eastside Hardcore over X-Mas“ Konzert statt, das fast ausschließlich von Neonazis besucht wurde. An diesem Abend spielten „Infront“, „Acusado“, „Stomper“, „Bloodshed Rise“ und „Withheld“. Mitglied der Band „Withheld“ war der heute noch aktive Neonazis Michel Manko („United Skins“) aus Königs Wusterhausen. Vor allem Donnerstags Abends wenn „DJ Hexx“ alias Rene Kunkel auflegt, fühlen sich auch rechte unterschiedlichster Szenen gemüßigt zu tanzen. DJ Hexx ist auch im Team des Dark Friday auf der Insel der Jugend in Treptow, welcher dort wegen rechter Umtriebe 2003 vor die Tür gesetzt wurde. Die K17 hat sich nie kritisch der rechten Klientel gegenüber geäußert sondern immer totgeschwiegen wenn es zu Übergriffen durch Rechte in der Lokalität gekommen ist.

Sympathisanten: Rechte Jugendliche und solche die es werden wollen

Immer wieder kommt es in Friedrichshain zu Übergriffen die rechts motiviert sind und von den Opfern auch dementsprechend wahrgenommen werden. Unorganisierte rechte Jugendliche, Hooligans, aber auch organisierte Neonazis aus Friedrichshain sind meist die Täter. Vorbild für sie sind die Berliner Kameradschaften mit ihrem Straßenaktivismus. Meist herrscht kein geschlossenes rechtes Weltbild vor, sondern eher Versatzstücke dessen, gepaart mit bürgerlichen Moral- und Tabuvorstellungen. So versuchen diese Jugendlichen mit rebellisch daher kommender rechter Gesinnung aus ihrer gesellschaftskonformen Sozialisation auszubrechen und vermeintliche Tabus wie z.B. Gewaltanwendung oder übersteigerten Nationalismus bewusst zu brechen. Je nachvollziehbarer Motive für rechte Denk- und Verhaltensweisen erklärt werden, umso verschwommener werden die Grenzen zum organisierten unverbesserlichen Neonazi. Eins ist klar: Wo Menschen unterdrückt werden und aufgrund irgendwelcher rassistischen, sexistischen oder ordnungsfanatischen Zuschreibungen am ungestörten Leben gehindert werden, hört der Spaß auf. Egal ob es sich um die sich auslebende chauvinistische Jugend handelt oder den organisierten Neonazi.Am Boxhagener- und Wismarplatz sowie um den Helenhof sammeln sich seit 2003 Jugendliche, die vor allem durch rassistische Pöbeleien auffielen. Diese Jugendlichen sind seit Ende 2005 dazu übergegangen sich durch Hakenkreuzsprühereien und das Kürzel KSF (für Kameradschaft Friedrichshain) zu verewigen. Einige von ihnen wurden auch schon auf Naziaufmärschen gesehen und zeigen Tendenzen sich mit anderen Neonnazigrüppchen aus anderen Bezirken zu vernetzen. Eine tragende Rolle in diesem KSF-Zusammenhang trägt der Betreiber des Trödelmarkts auf dem Boxhagener Platz, Jürgen Gliesmann, der seinen Laden A&V Trödel in der Sonntagsstraße hat. Er beschäftigt als Aushilfen manche der Jugendlichen, die sich zu der KSF zählen. Einige aus diesem losen Zusammenhang gehen/gingen auf die Realschule Emanuel Lasker in der Modersohnstraße, z.B. Dominik von der Preuß. Er und Kevin Lewandowski haben Verbindungen zur verbotenen BASO und bemühen sich die KSF in Süd-Friedrichshain zu etablieren. Die beiden fuhren mit anderen Schülern der Emanuel Lasker Oberschule, darunter Rico Hüttich, Vincent Nau, sowie Paul Wiegand zum Naziaufmarsch am 13. Februar 2005 nach Dresden. Die Aktionen, welcher der KSF zugerechnet werden können, sind vor allem das Kleben von Kameradschafts- und NPD-Aufklebern, das Übermalen linker Parolen mit weißer Farbe und das Sprühen rechter Parolen. Aber auch zahlreiche Auseinandersetzungen mit vermeintlichen Linken in der nähe des Boxhagener Platzes und um den Bahnhof Ostkreuz herum gehen auf ihr Konto. Gerade die Bahnhöfe Ostkreuz, Frankfurter Allee und auch Warschauerstraße sind Spielwiesen und scheinbar Trainingsgebiet für Neonazis, da hier viel Verkehr ist und es die Umsteigebahnhöfe des Berliner Ostens sind.Die Entwicklung der KSF zeigt mustergültig, wie sich rechte Zusammenhänge über längere Zeit bilden, sich aktionsmäßig weiterentwickeln und damit zu einem ernsthaften Problem werden. Das rechte Potential bei diesen Jugendlichen wurde lange Zeit vom Umfeld unterschätzt und mit den üblichen Erklärungsmustern heruntergespielt. Das einzige Mittel gegen solche schleichenden Tendenzen ist eine konsequente linke Jugendkultur, die ihren Anspruch auch ernsthaft verfolgt und klar rechte Denk- und Verhaltensweisen stigmatisiert und ausgrenzt.

Kameradschaftsaktivitäten: Mythos und Aktionsraum

Berliner Kameradschaften haben Friedrichshain als eines ihrer Betätigungsfelder entdeckt und leben ihren Straßenaktivismus wie in den anderen Berliner Ostbezirken aus. In Friedrichshain sind vor allem Anti-Antifa Aktivitäten organisierter Neonazis zu erkennen.So wird regelmäßig das polnische Denkmal im Volkspark Friedrichshain, dass an den gemeinsamen Kampf polnischer Soldaten und deutscher Widerstandskämpfer erinnert mit Hakenkreuzen beschmiert, ebenso wie die Karl Marx Büste am Strausberger Platz.Neben Schmierereien und Aufklebern sind aber auch organisierte Angriffe auf vermeintliche Linke und MigrantInnen zu verzeichnen. Auf dem Nachhauseweg von einer bekannten linken Kneipe wurde eine Person am frühen Morgen im Dezember 2003 im Treppenhaus eines Wohnhauses von drei vermummten Neonazis beschimpft, mit Stiefeln getreten und geschlagen. Im September 2005 griffen Neonazis aus dem Umfeld der Kameradschaft Tor am Nachmittag zwei linke Plakatierer in der Nähe der Frankfurter Allee mit Eisenstangen an. Einen Monat später stürmten 20 Neonazis aus dem Spektrum Freier Kameradschaften die Bäckerei 2000 am Frankfurter Tor, zerstörten die Inneneinrichtung und griffen die migrantischen Angestellten an. Mindestens acht Übergriffe auf Menschen mit migrantischem Hintergrund gab es allein 2005 in Friedrichshain, die alle einen organisierten Eindruck machten - die Täter waren vermummt und entkamen immer unerkannt.Traditionell sind Aktionen der Kameradschaft Tor (benannt nach dem Frankfurter Tor) um den Todestag des SA-Führers Horst Wessel am 23. Februar wahrnehmbar. Dieser ist auf dem St. Nicolai Friedhof Prenzlauer Allee/Mollstraße begraben. Die Gebeine Wessels liegen seit 1945 nicht mehr dort und wurden eingeäschert. 2001 entfernten die „autonomen Totengräber“ wahrscheinlich auch die sterblichen Überreste seines Vaters, Ludwig Wessel, und „übergaben sie der Spree“.Horst Wessel war am Ende der Weimarer Republik eine der zentralen Figuren der Nationalsozialisten im Kampf um den „roten“ Friedrichshain und wurde am 14. Januar 1930 vom Rotfrontkämpfer Albecht Höhler mit den Worten „Du weißt ja wofür“ angeschossen. Ein paar Wochen später starb er dann im Krankenhaus Friedrichshain an einer Blutvergiftung und wird seitdem von Nazis als Märtyrer verehrt.Seit Anfang der neunziger Jahre versuchen Neonazis aus dem Spektrum der freien Kameradschaften immer wieder ihrem Helden öffentlich zu gedenken.
Bisher konnte das regelmäßig von Antifas verhindert werden. Die KS-Tor fühlt sich in dieser Tradition und macht alljährlich mit anderen Kameradschaften Wessel-Aktionswochen im ganzen Bundesgebiet, die sich auf Plakatekleben und Transpis an Autobahnbrücken erschöpfen. Nur in Friedrichshain selbst können sie aufgrund der Polizei- und Antifapräsenz um den Friedhof herum keine Aktionen starten. Stattdessen veranstalteten sie 2004 eine kleine Kundgebung am Krankenhaus Friedrichshain und 2005 nur noch gemeinsames Plakatieren um den U-Bahnhof Weberwiese.
Dafür werden andere Termine genutzt, um Wessel zu gedenken: Am 20. August, dem Todestag des Hitler Stellvertreters suchten etwa 20 Neonazis das Grab Wessels auf. An der Gedenkarbeit um die wenig heroische Figur Horst Wessel kann mensch gut beobachten wie die KS-Tor krampfhaft Anknüpfungspunkte an den Nationalsozialismus sucht, um sich als Neonazis in einer Traditionslinie zu Wehrmacht, SA und SS zu verorten. Gerade die Affinität der Kameradschaft Tor zu Wessel und die positive Bezugnahme auf den NS veranlasste den Berliner Innensenator Körting im März 2005 dazu die KS-Tor mitsamt der dazugehörigen Mädelgruppe mittels Vereinsrecht zu verbieten.Friedrichshain bietet aufgrund der Konzentration an links-alternativen Hausprojekten, offen auftretenden autonomen, antirassistischen, antifaschistischen und sozialen Gruppen für Kameradschaftler viele offensichtliche Gegner, an denen es sich abzuarbeiten politisch selten lohnt, aber für das Neonazi-Selbstverständnis im „Kampf um den Roten Friedrichshain“ (SA-Parole um 1930) wichtig ist. So versuchte die KS-Tor seit 2002 das Gedenken an den 1992 von Neonazis ermordeten Antifaschisten Silvio Meier durch Übersprühen linker Plakate und eigene Aufkleber („Einer muss der erste sein - Fuck Silvio“) zu stören. Einer offensiven Antifa-Kampagne gegen Nazistrukturen, die jedes Jahr anlässlich des Todestages stattfindet, setzen sie eine lediglich verbalradikale Anti-Antifa-Kampagne entgegen, anstatt als Neonaziszene in die Defensive zu gehen und die eigenen Strukturen gegen die Antifa zu verteidigen.Mit dem nahezu aussichtslosen Kampf gegen eine über lange Zeit gewachsene offen aber vor allem nicht öffentlich agierende linke Szene, wollen sie an die Angriffe von Neonazis Anfang der 90er Jahre gegen von Linken besetzte Häuser in Friedrichshain und Prenzlauerberg anknüpfen, ohne auf die real existierende politische Kultur im Bezirk zu achten. Diese besteht schon lange nicht mehr aus einer linken und linksradikalen Dominanz in Kultur und Kneipenlandschaft, sondern eher wie in allen anderen Bezirken nahe Stadtmitte aus einer kommerziellen, sich alternativ aber nicht per se links verstehenden, gesellschaftskonformen Alltagskultur, die jeglichen politischen Anspruch von sich weist.Friedrichshain als quasi Angstzone für Neonazis ist reines Konstrukt und findet keine Entsprechung in der Realität. Erst durch diese Konstruktion wird verständlicher, warum Neonazis in letzter Zeit immer wieder versuchen Aufmärsche durch Friedrichshain anzumelden, die aber regelmäßig von der Polizei verboten werden.Am 1. Mai 2004 sollte der gemeinsame Aufmarsch von Kameradschaften und NPD am Ostbahnhof beginnen und durch Friedrichshain nach Lichtenberg führen. Aufgrund der zu erwartenden Proteste startet er doch in Lichtenberg und wurde frühzeitig von den Veranstaltern auf Anraten der Polizei kurz vorm Betreten Friedrichshains wieder zum Auftaktort zurückgeführt, weil tausende Menschen die Frankfurter Allee blockierten.Die Kameradschaftsszene aus Berlin trat geschlossen als BlackBlock auf und griff gezielt aus der Demo heraus Leute an. Ziel war den von ihnen selbst produzierten Mythos eines „roten Friedrichshains“ durch einen Aufmarsch von mehr als 1000 Neonazis zu brechen.Am 30. August 2004 wollten etwa 50 Neonazis aus dem Spektrum der BASO, KS Tor und Märkischer Heimatschutz an der Montagsdemo in Berlin teilnehmen, was ihnen von der Polizei untersagt wurde. Stattdessen führten sie eine Spontandemo unter massiven Polizeischutz von der Jannowitzbrücke aus in Richtung Friedrichshain über den Strausberger Platz und zurück zum Startpunkt durch. Hier zeigte sich, dass selbst die Polizei die Angst der Neonazis vor dem linken Friedrichshain teilt und griff mit einem massivem Aufgebot härter gegen jede Art von Antinazi-Protest durch, als in anderen Bezirken.Am 25. September 2004 sollte im Wedding eine NPD-Demo unter dem Motto: „Berlin bleibt Deutsch!“ stattfinden, die allerdings verboten wurde. Neonazis aus dem Spektrum der Kameradschaft Tor wurden an ihrem Schleusungspunkt Bhf. Storkower Straße mit einem Polizei-Großaufgebot kontrolliert. Der Ort wurde in Vergangenheit öfters als Schleusungspunkt genutzt, da mensch einen guten Überblick hat. Interessanterweise bestanden an dieser Stelle also keine Berührungsängste mit dem alternativen Friedrichshain. Als zum Todestag des Hitlerstellvertreters Rudolf Hess, am 20. August 2005, die Freien Kameradschaften, aufgrund des Verbots am Grab im bayrischen Wunsiedel zu demonstrieren, die bundesweite Naziszene nach Berlin einlud gegen Polizeischikanen zu demonstrieren, war es Friedrichshain wo sie unbedingt durchlaufen wollten. 500 Neonazis marschierten vom Alexanderplatz über die Landsberger Allee nach Lichtenberg.Für den 3. September 2005 hatten Freie Kräfte zum Antikriegstag eine Demonstration vom Bhf. Landsberger Allee durch Friedrichshain nach Mitte angemeldet. Statt dieser Route wurde den gerade mal 80 Neonazis lediglich zugestanden die Landsberger Allee in Richtung Osten, also durch den Bezirk Lichtenberg bis nach Marzahn zu laufen.Nur eine Woche später wollten sie diese Schlappe mit einer Spontandemo am Nachmittag unter dem Motto „Auf zum Widerstand - Es gibt kein linkes Hinterland!“ vom Frankfurter Tor aus, über den Boxhagener Platz zum Ostkreuz, ausgleichen. Nach eigenen Angaben wurde die Anmeldung wegen Unstimmigkeiten mit der Polizei zurückgezogen.Die Aktionen der Berliner Kameradschaften in Friedrichshain sind geprägt durch übertriebene Paranoia vor dem imaginierten linken militanten Gegner und dem Wunsch dennoch permanent Präsens in diesem Stadtteil zu zeigen. Neonazis leben, arbeiten, feiern in Friedrichshain und sind politisch auch dort aktiv. Die Erfolge ihrer Arbeit halten sich aber bisher noch in Grenzen.

Einmal im Jahr Biermeile

Ganz legal können sich Neonazis einmal im Jahr auf dem „Internationalen Bierfestival“ Anfang August entlang der Karl-Marx-Allee aufhalten. Schon seit neun Jahren findet dieses Massensaufgelage unter der Leitung der Präsenta GmbH (Inhaber: Lothar Grasnick) statt. Die Biermeile ist zugeschnitten auf ein bestimmtes Publikum das meist männlich, deutsch und gern betrunken ist. Hier können ungestraft Männlichkeitsrituale zelebriert werden. Diese Feierlaune schwenkt durch die Testosteron geladene Stimmung schnell in Aggressivität gegenüber vermeintlich Schwächeren um. Äußerungen, die sonst sozial geahndet werden, stellen keine Tabus mehr dar. Ob nun rassistische Sprüche, aggressive sexistische Anmachen – auf der Biermeile darf gesagt werden was sonst aus Schicklichkeitsgründen vermieden wird. Durch diese vermeintlich tolerante Stimmung fühlen sich natürlich auch Neonazis und Hooligans angezogen, die auf der Biermeile dann offen ihre menschenfeindliche Ideologie äußern können. Alles unter dem Deckmantel des ausgelassenen Feierns und Spaßhabens. Diese Stimmung macht es Menschen, die alltäglich von Rassismus und Sexismus betroffen sind schon seit Jahren nahezu unmöglich die Biermeile zu betreten. Bis 2003 sammelten sich organisiert Neonazis und ihr Anhang jahrelang bei Odins Trunk, dem Stand der neubrandenburgischen Imkerei Schwaßmann, die neben Met, T-Shirts auch Devotionalien für den germanischen Nordmann, Wikinger, Kelten oder Heiden, wie sich manche Neonazis bezeichnen, verkaufte.2001 riefen 50 Neonazis „Lasst uns den Rassenkrieg beginnen“ und jagten nach Beendigung des Festes vermeintliche Linke die Karl-Marx-Allee entlang. Ein Jahr später lieferten sich hundert Neonazis eine Massenschlägerei mit einer Hundertschaft der Polizei. Daraufhin versprach die Präsenta AG den Odins Trunk nicht mehr einzuladen. Auch 2003 ist der „Odins Trunk“ wieder auf der Biermeile und es zeigt sich ein ähnliches Bild wie in den letzten Jahren. Wierderum ein Jahr später veranstalten linke Gruppen einen Kundgebung gegen den Stand und die dort ansässige Klientel. Die Festivalbesucher provozierten, pöbelten, schrieen vor Wut. Der Odins Trunk packte nach dem ersten Tag ein und fuhr lieber nach Hause. Am Rande der Biermeile verteilten Neonazis Flugblätter der Kampagne „Freßt keine Döner (FKD)“, die ihren Sitz in der Lichtenberger Kneipe „Kiste“ hat. 2005 dann fühlten sich knapp einhundert BFC Fans gemüßigt rassistische Parolen grölend über die Biermeile zu ziehen und einen Spätkauf auszurauben. Zusätzlich wurde der Stand „Roter Oktober“ von Neonazis angegriffen und die BetreiberInnen mit Steinen und geworfenen Bierbänken verletzt. Dabei wurden die Neonazis Tino Karsch aus Pirna und Christian Bentz festgenommen. Die Berliner Zeitung titelte am nächsten Tag folgerichtig „Rassistische Randale auf der Biermeile“. Neben Berliner Neonazikadern wie René Bethage (BASO) und Björn Wild (KS-Tor) wurde auch der alternde Neonazis Arnulf Priem aus Prenzlauer Berg auf der Biermeile mit zwei Leibwächtern gesehen.Wer sich die Entwicklung der Biermeile anschaut wird zu der Einsicht kommen, dass die Präsens von rechter Gesinnung auf der Biermeile nicht zugenommen hat. Vielmehr hat die Thematisierung dessen durch antifaschistische Gruppen dazu geführt, dass das Geschehen dort in die Öffentlichkeit gezerrt wird und die Präsenta AG sich mit dem Problem beschäftigen muss. Der Odins-Trunk der Imkerei Schwaßmann wird übrigens auch in der 2004 eröffneten Wikinger Bar in der Voigtstraße Ecke Dolzigerstraße, vertrieben.

Friedrichshainer Parteienlandschaft

1992 schafften es die REPs mit drei Abgeordneten (Vorsitzender: Mahn) des gemeinsamen Kreisverbandes Friedrichshain-Kreuzberg in die Friedrichshainer BVV einzuziehen. Auch 1995 nahmen sie noch knapp die 3% Hürde. Erst 1999 scheiterten sie mit genau einer Stimme und klagten erfolglos gegen die Auszählung. Während ihrer Zeit in der BVV forderten sie u.a. die Schwulen- und Lesbenberatung einzuschränken. Seit der Bezirksfusion 2001 mit Kreuzberg wurde es für die REPs noch schwerer die 3%-Hürde zu nehmen.Der Landesverband der REPs versuchte 1999 mit einem Frank-Rennicke- Liederabend in der Kneipe Zur Laterne in der Pufendorfstraße rechte Jugendliche zu binden. Doch die Lokalität, welche vorher schon mehrfach als Veranstaltungsort für Neonazitreffen diente, verwehrte ihnen diesmal zusammen mit Antifas den Einlass. Interessant ist die Zusammenstellung des Publikums, was danach in der Kneipe Zum Valentin auf der Frankfurter Allee einkehrte und von der Polizei kontrolliert wurde. Björn Wild und Daniel Meinel, die späteren Führungspersonen von Kameradschaft Tor und ANB waren ebenso anwesend wie der spätere Anti-Antifa Dirk Müller. Aber auch REP Prominenz wie Tibor Haraszti, damaliger Vizevorsitzender der Weddinger REPs und jetziger stellvertretender Landesvorsitzende für Berlin und Kreisvorsitzender für Reinickendorf war zusammen mit Uwe Barteis, stellvertretender REP Kreisvorsitzender von Reinickendorf, gekommen. Initiiert hatten das Treffen zum einen Thomas Kay, damaliger Landesvorsitzender der REP-Jugend, REP-Landesvize in Berlin und Abgeordneter der REPs in der Hohenschönhausener BVV, der im Frühjahr 2002 zur CDU wechselte. Zum anderen der damalige Bundessprecher der Republikanischen Jugend Stephan Schneider, der zwei Wochen nach dem verhinderten Konzert den „Deutschlandtag“ der REP-Jugend in Leipzig mitorganisierte. Weiterhin anwesend waren die aktiven REP-Mitglieder Alexander Rutz aus Pankow, Michael Breuer aus Neukölln und Karsten Lars Zemke.Eine Gruppe um Rainer Nowotnik, traf sich 2000 als REP-Kreisverband Kreuzberg ein halbes Jahr im Tabor-Eck in der Wrangelstraße bis die Scheiben der Kneipe einmal zu Bruch gingen. Von 45 Mitgliedern und Interessenten waren zwölf zu dem verhinderten Treffen gekommen. Neben dem bereits beim Rennicke-Konzert oben erwähnten Michael Breuer, war der Schriftführer des Kreisverbandes Rolf Hanno, der langjährige stellvertretende Kreisvorsitzende Jürgen Blome und das Rentnerpaar Werner und Helga Uschner anwesend.Im September 2002 wagten die REPs noch einen Vorstoß in Friedrichshain und meldeten sich für ein Wählerforum im Andreas-Gymnasium in Friedrichshain an. Zahlreicher antifaschistischer Protest hinderte sie allerdings am Betreten der Schule.Seit dem wurde es ruhig um die REPs in Friedrichshain, die jetzt von Karsten Kosgalwies geleitet werden und öffentliche Aktionen waren nur noch von den West-Berliner Kreisverbänden zu verzeichnen.Bei der NPD-Friedrichshain ist es nicht viel interessanter. Der Wahlkandidat zur Bundestagswahl war der unscheinbare Diplom-Physiker Stefan Liesegang (46), der immerhin 2.500 Stimmen in seinem Wahlkreis erzielte. Liesegang arbeitete eng mit dem Landesvorsitzenden der NPD bis November 2005 Claus Schade aus Lichtenberg bzw. seinem Kreisverband zusammen und sorgte mit ihm für den erstmaligen Aufbau eines NPD Kreisverbandes in Friedrichshain-Kreuzberg. Liesegang hat am 14. August 2005 den NPD-Wahlkampfstand auf dem Alexanderplatz geleitet, der von 40 Neonazis aus Freien Kameradschaften beschützt wurde. Berührungsängste zu militant agierenden Kameradschaften hat er also nicht im geringsten. Die Aktivitäten der NPD-Friedrichshain wie z.B. Plakate aufhängen sind ohne Hilfe aus anderen Bezirken nicht möglich.Bei Wahlen sind REPs wie auch NPD im Großbezirk Friedrichshain-Kreuzberg nicht von Interesse und auch aktionsmäßig liegen sie im Vergleich zu den anderen Kreisverbänden ihrer Parteien auf den hinteren Plätzen. Wir hoffen dass das so bleibt.

Eine Chronik der bekannt gewordenen rechten Aktivitäten im Bezirk Friedrichshain findet sich unter www.antifa-fh.de.vu.

(1) Die Hammerskins sind eine kleine, neonazistische Vereinigung, die 1986 von Wollin Lange und Scan Tarret in Dallas, Texas, gegründet wurde und sich zunächst auf dem nordamerikanischen Kontinent ausbreitete. Sie besitzt einen hohen Organisationsgrad und versteht sich als Elite der Naziskins und ist in vielen Ländern mit „Divisionen“ vertreten. Die Division Deutschland besteht aus etwa 100-300 Mitgliedern, die sich auf die Durchführung von Rechtsrock-Konzerten spezialisiert haben.
(2) genaues dazu in der Broschüre „Die Geister, die ich rief ... 2“ der Grufties
gegen Rechts und im Buch „Ästhetische Mobilmachung; Dark Wave, Neofolk und Industrial im Spannungsfeld rechter Ideologien“ von Andreas Speit (Hg.), Unrast-Verlag 2002.

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22.12.2005 Tagesspiegel

Rechtsextremisten verprügeln Polizisten
Angriff von Skins und Hooligans in Friedrichshain

Die angetrunkenen Skinheads und Hooligans pöbelten die Polizisten an, dann gab es Schläge und Tritte. In der Nacht zu Sonnabend hat ein rechtsextremer Mob in Friedrichshain zwei Beamte attackiert, die wegen ruhestörenden Lärms zu einem Jugend-Treffpunkt in der Höchste Straße gefahren waren. Ein Polizist ging zu Boden und erhielt Tritte gegen den Kopf. Die Beamten wehrten sich mit Reizgas und wollten zwei Schläger festnehmen, was die Meute verhinderte. Doch die Polizisten konnten über Funk Verstärkung anfordern. Die herbeieilenden Kräfte ergriffen die zwei 18-Jährigen und nahmen von weiteren Rechten Personalien auf .
Bei einem der Festgenommenen wurde eine CD mit dem Titel „Tribute to Skrewdriver“ gefunden. Skrewdriver war eine britische Skinheadband, die in der Szene als Kultgruppe gilt. Auch wenn die verprügelten Beamten mit leichten Verletzungen davonkamen, ist die Polizei beunruhigt. „Das ist erheblich, was sich da abgespielt hat“, sagte ein Experte dem Tagesspiegel. Ermittelt wird nun wegen einer Vielzahl von Delikten: besonders schwerer Landfriedensbruch, Verstoß gegen das Waffengesetz, Gefangenenbefreiung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Volksverhetzung, Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Beleidigung. Dass die festgenommenen Schläger wieder frei sind, stößt in Polizeikreisen auf Unmut.
Mit Sorge beobachten die Sicherheitsbehörden, dass Neonazis in Berlin und Brandenburg der Polizei immer aggressiver entgegentreten. Im Oktober brannte in Königs Wusterhausen der Wagen eines Kriminalkommissars. Die Situation war so bedrohlich, dass der Beamte mit seiner Familie die Stadt verließ. Im vergangenen Jahr hatten Neonazis den Leiter der Berliner Polizeidirektion 6, Michael Knape, massiv bedroht. Frank Jansen

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06.12.2005 Tagesspiegel
Anschlag auf „rechtes“ Lokal

Die gewalttätigen Attacken der linken Szene auf Personen und Lokale der rechten Szene gehen weiter. In der Nacht zu Montag warfen drei Frauen die Schaufensterscheibe eines Lokals in der Voigtstraße in Friedrichshain ein. Gegen 0.40 Uhr war ein Passant durch den Lärm auf die Frauen aufmerksam geworden und hatte die Polizei gerufen. Bei ihrer Festnahme nannten die 23 und 26 Jahre alten Täterinnen als Motiv, dass das kürzlich eröffnete Lokal „Kiezkneipe 3“ der rechten Szene zuzuordnen sei. Der für politische Delikte zuständige Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen. Am Freitagabend hatten, wie berichtet, mehrere Vermummte versucht, die Wohnungstür eines bekannten Rechtsradikalen in Prenzlauer Berg einzutreten – offensichtlich eine „Warnung“ der linken Szene: Sebastian S. hatte am Sonnabend die Neonazidemo in Schöneweide angemeldet. Am 20. Dezember will die Neuköllner Antifa-Szene in Rudow gegen einen angeblichen „Naziladen“ demonstrieren. Ha

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21.11.2005 Junge Welt

Gedenken an Silvio Meier
Berlin: Neonazis störten Demonstration von Antifaschisten

Berlin. Rund 1500 Menschen gedachten am Sonnabend in Berlin des vor 13 Jahren von Neonazis im Stadtteil Friedrichshain erstochenen Antifaschisten und Hausbesetzers Silvio Meier. Die Teilnehmer zogen vom damaligen Tatort, dem U-Bahnhof Samariterstraße, zum Bahnhof Lichtenberg und thematisierten vor allem die starke Präsenz von militanten Neonazis in der Gegend.
In Berlin-Lichtenberg sind Anhänger der verbotenen Gruppen »Kameradschaft Tor« und »Berliner Alternative Südost«, die sich inzwischen als »Freie Kräfte Berlin« bezeichnen, weiterhin aktiv. Auch am Samstag versuchten Rechte, die antifaschistischen Demonstranten zu provozieren. Etwa 30 Neonazis hatten sich vor der Kneipe »Kiste« in der Weitlingstraße versammelt und die Silvio-Meier-Demo blockiert. Die Polizei, die mit einem Großaufgebot im Einsatz war, ließ die Rechten gewähren und änderte kurzerhand die Route der antifaschistischen Demo und führte sie durch eine Seitenstraße.
Polizeibeamte versuchten außerdem mehrfach, Teilnehmer aus dem Demozug zu greifen, weil die sich bei Eiseskälte angeblich vermummt hatten. Ein Demonstrant wurde von Polizisten so schwer geschlagen, daß er bewußtlos wurde. Nach Augenzeugenberichten erlitten mehrere Demonstranten Knochenbrüche. Ein Polizeisprecher sprach gegenüber jW von 52 Festnahmen.
Am heutigen Montag findet ab 17 Uhr im U-Bahnhof Samariterstraße die traditionelle Mahnwache für Silvio Meier statt. Bereits am frühen Morgen soll eine neue Gedenktafel für ihn eingeweiht werden.

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14.11.2005 Berliner Zeitung

Gedenktafel für Silvio Meier verschwunden
Mann gab sich als Restaurator aus

FRIEDRICHSHAIN. Im Bezirk wird über das Verschwinden der Gedenktafel gerätselt, mit der bislang an die Ermordung des Punks Silvio Meier erinnert wurde. Die Tafel hing im U-Bahnhof Samariterstraße. Als dessen Sanierung vor wenigen Wochen abgeschlossen wurde und die Tafel wieder angebracht werden sollte, war sie weg. "Uns wurde mitgeteilt, dass Bauarbeiter sie einem Mann ausgehändigt haben, der vorgab, sie restaurieren zu wollen", sagt Wirtschaftsstadtrat Lorenz Postler (SPD). Doch die Adresse, die der Restaurator angegeben hatte, erwies sich als falsch, ebenso sein Name.Der Fall ist brisant: Der 27-jährige Hausbesetzer Silvio Meier war vor 13 Jahren im U-Bahnhof Samariterstraße von einem Rechtsextremisten erstochen worden. Im Herbst 1993 wurden die Tatbeteiligten verurteilt: Zwei erhielten Haftstrafen von drei- und viereinhalb Jahren, einer eine Bewährungsstrafe von acht Monaten. Freunde Silvio Meiers, unter ihnen Stadtrat Postler, hatten damals dafür gesorgt, dass am Tatort eine Gedenktafel angebracht wird. Nach deren Verschwinden wird jetzt im Bezirk heftig spekuliert, ob jemand aus der rechten Szene die Unachtsamkeit der Bauleute ausgenutzt hat, um eine unliebsame Erinnerung zu beseitigen.

Baufirma muss Tafel ersetzen
Es ist nicht das erste Mal, dass die Gedenktafel verschwunden ist. Sie wurde schon einmal in den 90er-Jahren gestohlen. Die neue Tafel montierten dann Mitarbeiter der BVG wieder ab. Man habe sie "vor einer Schlägerei sichergestellt", hieß es. Die BVG machte nie einen Hehl daraus, dass sie die Gedenktafel im Bahnhof nicht wollte. Man sorge sich um "das subjektive Sicherheitsempfinden" seiner Fahrgäste, wurde erklärt. Im U-Bahnhof Samariterstraße treffen sich regelmäßig Freunde von Silvio Meier zum Gedenken. Erst nach Intervention aus der Landespolitik war die BVG bereit, die Tafel zu tolerieren.
"Dorthin, wo die Tat geschah, muss wieder eine Tafel, eindringlicher kann man nicht an einen politisch motivierten Mord erinnern", sagt Postler. Für die BVG ist die Sache diesmal klar: "Die Baufirma ist verantwortlich, sie muss eine neue Tafel finanzieren", so Sprecherin Petra Reetz. Angebracht werden soll sie wieder im U-Bahnhof. Auch die Inschrift soll dieselbe sein: "Kein Vergeben, kein Vergessen. Hier wurde Silvio Meier am 21. November 1992 von Faschisten ermordet."

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05.09.2005 TAZ
Schon wieder Nazi-Nasen
Zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage fand ein Nazi-Aufmarsch statt. Wieder kamen 130 Rechte. Auf der Gegenseite waren es mehrere tausend. Kritik an Polizeieinsätzen

Eins muss man den Neonazis lassen: Hartnäckig sind sie ja. Am Samstag gelang es ihnen, zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage aufzumarschieren. Zwar beteiligten sich wie schon beim NPD-Aufmarsch beim SPD-Bundesparteitag am vergangenen Mittwoch in Neukölln gerade einmal 130 Personen. Erwartet hatten sie das Dreifache. Doch die 130 Nasen genügten, immerhin 1.500 Einsatzkräfte für Stunden auf Trab zu halten. Weitgehend friedlich zogen sie vom S-Bahnhof Landsberger Allee nach Marzahn. Zwei Neonazis nahm die Polizei wegen des Tragens von verfassungsfeindlichen Symbolen und des Mitführens verbotener Gegenstände fest.
Auch die Gegenseite war aktiv. Bereits am frühen Samstagvormittag hatten sich in der Storkower Straße Ecke Landsberger Allee einige hundert Gegendemonstranten zu einer Kundgebung getroffen. Dazu stießen rund 500 Personen aus der Antifa-Szene, die sich am U-Bahnhof Frankfurter Tor getroffen hatten. Zeitgleich beteiligten sich rund 1.000 Menschen an einem "Fest für Demokratie und Toleranz" rund um den S-Bahnhof Schöneweide in Treptow-Köpenick. Der Bahnhof war in den vergangenen Jahren immer wieder Schauplatz rechtsextremer Übergriffe. Ziel des Festes war es, mit Lesungen, Diskussionen, Musik und Theater ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit zu setzen. Das wollte wiederum die NPD nicht einfach hinnehmen, die in Treptow-Köpenick ihre Bundesparteizentrale hat. Sie hielt ihrerseits eine Kundgebung mit 20 SympathisantInnen ab.
Kritik gab es am Einsatz der Polizei. So berichtet Axel Nawrazala von der linken Wahlalternative (WASG), dass er auf dem Rückweg von der Gegendemonstration von der Polizei behindert wurde. Nachdem er daraufhin den Beamten bat, ihm seine Dienstnummer mitzuteilen, habe der Polizist ihn brutal in den Rücken gestoßen. "Man wird behandelt wie ein Stück Vieh", sagte Nawrazala.
Schwere Vorwürfe werden auch am Polizeieinsatz bei den Protesten gegen den Nazi-Aufmarsch während des SPD-Parteitags laut. Entgegen ersten Behauptungen der Polizei ist es in Neukölln zu mindestens 22 Verhaftungen gekommen. Die Betroffenen waren auf dem Weg zur Antinazikundgebung vor dem Hotel Estrel, als sie von Einsatzkräften angehalten wurden mit der Begründung, es handele sich um eine allgemeine Personenkontrolle. Wenig später wurde ihnen "schwere Störung des Straßenverkehrs" vorgeworfen. Transporter brachten sie in die Gefangenensammelstelle nach Tempelhof. Zwei der Betroffenen wurden nach eigener Aussage von mehreren Beamten misshandelt, als sie eine Begründung verlangten, warum sie einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen werden. Die Misshandelten haben Strafanzeige erstattet.

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23.08.2005 TAZ
Okkupation eines Vereins

Neonazis, Hooligans, Hells Angels oder rechte Rocker: Der BFC Dynamo ist in den Händen einer berüchtigten Clique. Die Klubführung hütet sich davor, rechte Tendenzen und Gewalt anzuprangern

Mario Weinkauf ist sauer. Eigentlich will der Präsident des Berliner FC Dynamo gar nichts mehr sagen. "Wir lassen uns nicht länger zum Spielball der Politik und der Medien machen", belfert er ins Telefon und verweigert zunächst jede Aussage. "Wir konzentrieren uns nur noch auf das Sportgeschehen und unser sozialpädagogisches Engagement", kündigt der Chef des Clubs an, der wieder einmal für Schlagzeilen gesorgt hat. Und wieder einmal geht es um die Fans des Vereins, der in der DDR als Stasiclub verschrien war. Die BFC-Fans gelten als gewaltbereit und sind in den meisten Stadien nicht gerne gesehen.
Besonders unbeliebt sind sie bei den Anhängern des 1. FC Union Berlin, bei dem der BFC Dynamo am Sonntag ein Spiel in der Oberliga Nordost ausgetragen und mit 0:8 verloren hat. Die Polizei teilte vor der Begegnung mit, dass sie mit Aktionen der brutalsten Art unter den Anhängern des BFC rechne. 200 Schläger aus dem Umfeld des BFC werden von der Polizei zur so genannten Kategorie C gerechnet. Darunter werden die härtesten Gewalttäter gefasst. Weitere 400 zählen zur Kategorie B und sind ebenfalls Fans mit erheblichem Gewaltpotenzial. Nachdem die Polizei im Vorfeld der Begegnung verdächtige Aktivitäten in der Szene beobachtet hatte, kündigte sie an, mehr als 1.000 Sicherheitskräfte zum Spielort abzustellen. Am Tag vor der Begegnung gab es einen Sonderkommando-Einsatz gegen feiernde BFC-Anhänger in der Berliner Diskothek "Jeton", bei dem mehr als 150 Personen festgenommen worden sind. Am Spieltag selbst konnte kein Anhänger von Dynamo unbeobachtet auch nur einen Schritt tun. Die 4.000 Gästefans standen unter schärfster Beobachtung. Beinahe alle Zufahrtsstraßen zur Alten Försterei, dem Stadion des FC Union, wurden abgeriegelt und erst wieder freigegeben, nachdem der letzte BFC-Fan aus dem Sicherheitsring, den die Polizei um die Arena gezogen hatte, geleitet worden war.
Mario Weinkauf schwärmt indes von den BFC-Fans, für problematisch hält er die wenigsten: "Es gibt Straftäter und Gewalttäter - und die benutzen den Sport als Bühne", sagt er. Und dann redet er doch über die Nacht in der Diskothek, in der die Polizei, wie sie mitteilt, auch deshalb so hart vorgegangen ist, weil sie auf massive Gegenwehr gestoßen sei. "Wenn die Gegenwehr so groß gewesen ist, wie die Polizei sagt, warum hat es dann keine verletzten Polizisten gegeben", schimpft er. Dann verweist er auf den Fanbeauftragten Rainer Lüdtke, der sich eifrig um die Festgenommenen bemühe. Der hat mit Hilfe eines Fanclubs namens "79er" bereits einen "Problemfanfonds" für alle "Betroffenen" eingerichtet und sie in seinem Internetforum aufgefordert, Anzeige gegen die Polizei wegen Freiheitsberaubung und gegebenenfalls Körperverletzung zu stellen.
Lüdtke hat Erfahrung im Organisieren von Rechtsschutz. Als Brandenburger Sicherheitskräfte Dynamo-Anhängern in Cottbus Kleidungsstücke mit dem verbotenen Runenlogo des Labels "Thor Steinar" abgenommen haben, wurde er sofort aktiv. Es ging um seine BFC-Familie - und der muss natürlich geholfen werden. Auch damals wurde der Hilfsfonds durch die 79er betreut. Die treffen sich regelmäßig im Berliner Fußballcafé (kurz BFC), einer Kneipe, die schon zwei Mal Ort von Polizeieinsätzen geworden ist. Einmal wurde eine Party am 3. Oktober gesprengt, an dem der "Tag der Germanen" gefeiert worden ist. Ein anderes Mal wurden Hakenkreuzvorlagen eines Tattoo-Studios sichergestellt. Für Lüdtke ist das alles halb so schlimm. "Muss man sich schämen, Germane und stolz auf sein Land zu sein?", meinte er zur Mottoparty im Fußballcafé. Auch an der schmückenden Reichskriegsfahne hatte er nichts auszusetzen. Die sei schließlich von den Nazis missbraucht worden.
Inhaber des Cafés war zu jener Zeit Andre Sommer, der mit seiner Hells-Angels-Bande Security-Aufgaben bei den Heimspielen des BFC im Sportforum Hohenschönhausen übernommen hat. Sommer, der auch bei den Szeneläden "Kategorie C" und "Germanenhof" mitgemischt hat, wurde sogar einmal zusammen mit seinem Hell-Angels-Kollegen Rayk Bernt zum Vorstand des Vereins gewählt. Etliche Anhänger des BFC sind als Mitglieder im Verein organisiert. Sie haben den Verein praktisch in der Hand. Als der Verein vor drei Jahren ums Überleben kämpfte, waren es die Fans, die mit ihren Spenden dafür gesorgt haben, dass ein Insolvenzverfahren erfolgreich zum Abschluss gekommen ist. Wer den Verein führt, bestimmen seither die dominierenden Fangruppen. Kein Wunder, dass sich die Clubführung schwer tut, sich von problematischen Anhängern zu distanzieren. Wer bei Auswärtsfahrten negativ auffällt, für den steht ein Anwalt bereit, der sich um die Aufhebung von Stadionverboten kümmert und via Stadionheft juristische Ratschläge erteilt.
Auch daran, dass viele Anhänger schon durch ihre Kleidung einen nicht gerade friedliebenden Eindruck machen, arbeitet der Club selbst mit. Einer der Sponsoren ist das Berliner Kleiderlabel "Hoolywood". Shirts und Polos mit der Aufschrift "Kategorie C" werden bei Heimspielen auf dem Stadiongelände verkauft. Auch die Diskothek "Jeton" gehört zu den Sponsoren des BFC. Schon einmal ist sie zusammen mit dem Namen des Vereins in die Schlagzeilen gekommen. Einer der größten Rauschgiftdealerringe, die in Berlin je ausgehoben wurden, war ein Gewächs der Fanszene und von Security-Mitarbeitern des BFC Dynamo. Einer der bevorzugten Treffs war das "Jeton".
Die BFC-Riege der Nazis, Rocker und Hooligans scheint auf viele Jugendliche anziehend zu wirken. Der BFC ist bundesweit bekannt - auch in der Zentralen Erfassungsstelle Sporteinsätze (ZIS), die beim Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen angesiedelt ist. Ohne jedoch über Daten zu verfügen. "Wir hätten gerne, dass Dynamo in einer höheren Liga spielt", meint Olaf Brandenburg von der ZIS, die nur Daten von Vereinen der ersten drei Ligen verwaltet. Das ergibt eine paradoxe Situation, denn Gewalt im Fußball richtet sich nicht nach Spielklassen.

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22.08.2005 Tagesspiegel
Der harte Kern saß schon vor dem Spiel im Knast
Bei der Partie 1. FC Union gegen BFC Dynamo blieb es ruhig, doch bereits in der Nacht hatte die Polizei 200 Hooligans festgesetzt

Es galt als absolutes Risikospiel, doch den harten Kern der Hooligans hatte die Polizei schon zuvor einkassiert. Wohl deshalb endete das Oberligaspiel zwischen dem 1. FC Union und dem BFC Dynamo, das im Stadion „Alte Försterei“ in der Köpenicker Wuhlheide stattfand, gestern Nachmittag ohne größere Zwischenfälle. Schwere Ausschreitungen hatte es dafür in der Nacht zuvor bei einer Razzia in einem von BFC-Fans besuchten Lokal gegeben, bei der 200 gewaltbereite BFC-Anhänger festgenommen worden waren.
Zwischen den Fans der beiden Berliner Vereine besteht seit langem Feindschaft. Die Polizei war unter anderem mit Wasserwerfern angerückt, auch kreiste ein Hubschrauber über dem Stadion. Gegen 14 Uhr sollte der Anpfiff sein, der sich aber um eine halbe Stunde verzögerte. Hundertschaften der Polizei hatten die Anhänger der Vereine in ihre jeweiligen Fankurven begleitet und sie dort nach dem Spiel auch wieder abgeholt. Insgesamt blieb die Lage ruhig, obwohl der 1. FC Union mit 8:0 überlegen siegte. Das Gebiet um das Stadion war weiträumig abgesperrt worden, was sich bis in die Köpenicker Altstadt auswirkte.
Möglicherweise ist der glimpfliche Verlauf dem Polizeieinsatz in der Nacht zuvor zu verdanken. Zahlreiche Beamte, unter anderem des Spezialeinsatzkommandos (SEK), waren in die Diskothek „Jeton“ in der Frankfurter Allee eingedrungen, in der sich rund 400 BFC-Anhänger befanden. Wie Einsatzleiter Michael Knape berichtete, hatte es Hinweise gegeben, dass sich im zweiten und dritten Stock der Disco rund 180 Hooligans des harten Kerns aufhielten, um Krawalle abzusprechen. So sei geplant worden, bereits am frühen Morgen in die Altstadt zu ziehen und dort, so Knappe, „Angst, Furcht und Schrecken“ zu verbreiten.
Die Polizei hatte einen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Tiergarten erwirkt, um Rädelsführer festzustellen und gefährliche Gegenstände sicherzustellen. Die Anwesenden – vielfach der Türsteherszene zugehörig, dazu Mitglieder der Rockergruppe „Hell’s Angels“ – setzten sich sofort massiv zur Wehr: Stühle, Flaschen und Gläser flogen, mit entsprechender Reaktion der SEK-Beamten. Bald lagen viele Hooligans am Boden, die Hände mit Plastikschnüren gefesselt. Einige mussten ins Krankenhaus, bevor sie im Polizeigewahrsam Tempelhof verschwanden. Die Festgenommenen wurden eingestuft in der Kategorie B (gewaltbereit unter Alkohol) und C (immer gewaltbereit). Sie wurden gestern einem Richter vorgeführt; 120 mussten bleiben. Die Polizei schaffte es so, Teile des harten Kerns von Köpenick fernzuhalten. Bis Redaktionsschluss waren der Polizei keine größeren Zwischenfälle bekannt.
Kritik für den nächtlichen Polizeieinsatz gab es aber vom BFC-Fanbeauftragten Rainer Lüdtke, der ebenfalls im „Jeton“ festgenommen worden war und das Vorgehen der Polizei als voreilig und überzogen rügte. Vor dem Spiel gab es einen heftigen Wortwechsel mit Polizei-Einsatzleiter Knape. Dieser verwies gestern auf die neue Qualität der Gewalt, die bei Hooligans festzustellen sei. Gezielt würden kleine Polizeigruppen und besonders Beamtinnen attackiert, zumal wenn die Fans durch Alkohol und Drogen wie Ecstasy enthemmt seien.

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22.08.2005 TAZ
Nazis spazieren durch Mitte
Über 500 Neonazis marschierten am Samstag mitten durch die Stadt - vom Alexanderplatz nach Lichtenberg. Protest gab es nur von linksradikaler Seite

Die Nachricht kam am Freitag per SMS: "Wacht auf, ihr Schlafmützen. Nazis mobilisieren zu einer ,Ersatzveranstaltung' für Wunsiedel zum Alex." Innerhalb weniger Minuten war die gesamte Berliner Antifa-Szene informiert. Dennoch kam der Aufruf zu spät. Unter dem Motto "Meinungsfreiheit für alle - Paragraf 130 abschaffen", konnten am Samstagvormittag etwa 700 Neonazis weitgehend ungestört vom Alexanderplatz über die Frankfurter Allee bis zum Bahnhof Lichtenberg marschieren. Die GegendemonstrantInnen brachten es nicht einmal auf halb so viele TeilnehmerInnen.
Der Aufmarsch stand im Zusammenhang mit dem Rudolf-Heß-Gedenkmarsch im bayerischen Wunsiedel. Alljährlich gedenken tausende Rechtsextremisten des Hitler-Stellvertreters, der sich am 17. August 1987 im Spandauer Gefängnis das Leben nahm und seitdem in Wunsiedel unter der Erde liegt. Doch in diesem Jahr hatte das Bundesverfassungsgericht den Aufmarsch wegen seines volksverhetzenden Charakters verboten. Daraufhin mobilisierten die Neonazis nach Nürnberg und Magdeburg. Aber auch dort untersagten die Behörden den Aufmarsch. In Berlin hingegen gab die Versammlungsbehörde den Neonazis grünes Licht.
Obwohl die Veranstaltung offen als zentrale Ersatzveranstaltung für Wunsiedel beworben wurde, habe die Innenverwaltung keinen Bedarf für ein Verbot gesehen, beschwerte sich ein Sprecher der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB). Die neue Strategie, rechte Aufmärsche zu dulden und vor der Bevölkerung zu verschweigen, sei ein "Schlag ins Gesicht". "War noch am 8. Mai die Rede davon, alle seien aufgefordert, gegen Nazis die Stimmen zu erheben, sind diese Bekenntnisse in eine Verharmlosungs- und Desinformationspolitik gemündet", so der Antifaschist weiter.
Die ALB hatte den Aufruf der Neonazis am Freitag im Internet entdeckt und es geschafft, innerhalb weniger Stunden den Gegenprotest zu organisieren. Trotz der geringen Zahl der GegendemonstrantInnen gelang es einzelnen Gruppen, den rechten Aufmarsch mit Pfiffen und Israel-Fahnen zu begleiten und lautstark "Nieder mit der Nazipest" zu skandieren. Weil es jedoch auf linker Seite keinen gemeinsamen Treffpunkt gab und kaum koordinierte Absprachen, kam es auch zu keinen größeren Blockaden - dafür aber zu zahlreichen Festnahmen.
Nach Angaben der Polizei wurden elf Gegendemonstranten festgenommen, unter anderem wegen Verstoßes gegen das Vermummungsverbot und Beamtenbeleidigung. Es habe "Schubsereien" gegeben, so ein Polizeisprecher. Die Initiatoren der linken Aktionen sprachen hingegen von "Schlagstockeinsatz" und "massiver Gewalt". Mehrere Protestierer und unbeteiligte PassantInnen seien verletzt worden.
Erst am Abend hellte sich die Stimmung bei den Antifas wieder auf. 300 von ihnen versammelten sich zu einer Spontandemo in Friedrichshain und liefen zum Bahnhof Lichtenberg. Die Nazis waren weg.

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18.08.2005 Yahoo-Nachrichten

70 Rechtsradikale ziehen unter neuem Motto durch Berlin

Berlin (ddp-bln). Rund 70 Rechtsradikale sind am Mittwoch durch Berlin gezogen. Während eine geplante Rudolf-Heß-Demonstration verboten blieb und nicht stattfand, hatte ein neuer Initiator am selben Tag einen anderen Aufzug unter dem Motto «Meinungsfreiheit für alle - Abschaffung des Paragrafen 130» angemeldet, wie eine Polizeisprecherin mitteilte. Die Demonstranten zogen - begleitet von einem großen Aufgebot an Sicherheitskräften - vom Alexanderplatz über die Karl-Marx-Allee und die Holzmarktstraße. Die Demonstration endete gegen 19.30 Uhr am S-Bahnhof Jannowitzbrücke. Die Teilnehmer skandierten unter anderem «Paragraf 130 winke-winke» und protestierten damit gegen den Straftatbestand Volksverhetzung, wie die Sprecherin sagte. Nach Angaben der Polizeisprecherin war bei dem Zug auch der Anmelder der Rudolf-Heß-Demonstration dabei.
Nachdem der Aufzug offiziell beendet war, kam es auf dem Ostbahnhof Augenzeugenberichten zufolge zu einem Aufeinandertreffen von rund 30 Rechten mit etwa ebensoviel Linken, die «Nazis raus!» riefen. Die Gruppe der Rechten stieg danach eskortiert von Sicherheitskräften in eine S-Bahn. Die Beamten wollte die Gruppe bis zu ihrer Auflösung begleiten, wie ein Polizist sagte.
Einen Antrag gegen das vom Polizeipräsidenten ausgesprochene Verbot für den Heß-Aufzug hatte das Verwaltungsgericht zurückgewiesen, wie die Justizbehörde am Abend mitteilte. Die Anmelder hatten rund 70 Teilnehmer mit Fahnen und Transparenten auf der Straße Unter den Linden angekündigt.
Die Polizei hatte den Heß-Marsch verboten, da aus ihrer Sicht mit Äußerungen und Handlungen zu rechnen war, die den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllen. Das Verwaltungsgericht stimmte dem zu. Laut Gericht waren die Glorifizierung des Hitler-Stellvertreters Heß und eine Billigung des «Dritten Reiches» wahrscheinlich. Das Gedenken sei nur ein Vorwand, in Wirklichkeit solle das Gedankengut des Nationalsozialismus verbreitet werden. Das Gericht fügte hinzu, durch die zu erwartende Verherrlichung des Nationalsozialismus werde auch die Würde der Opfer verletzt. (Beschluss der 1. Kammer vom 17. August 2005 - VG 1 A 151.05)

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17.08.2005 TAZ
Offener Kanal zeigt "Nazi-TV"

Der NPD-Landesvorsitzende Claus Schade gibt auf dem Offenen Kanal ein 45-minütiges Interview. Rechtsextreme Wahlpropaganda, beschweren sich einige Zuschauer. Doch die Sendeleitung und die Medienanstalt wiegeln ab

Wenn auf dem Offenen Kanal Berlin (OKB) Sendungen wie "Jesus ist der Weg - gelebte Jüngerschaft", ein Bericht über die "Friedensformel" oder eine Reportage über die "CSU-Astronautin Monika" über die Fernsehbildschirme flackern, warum dann nicht auch mal ein Interview mit dem Berliner NPD-Landesvorsitzenden Claus Schade?
Meinungsfreiheit oder rechte Wahlkampfpropaganda - seitdem der freie OKB-Journalist Bernd Zikeli 45 Minuten lang den NPD-Funktionär vor laufender Kamera reden ließ, muss sich der Bürgersender vorwerfen lassen, von der NPD unterwandert zu werden. Denn in dem Interview wurde Schade nicht unterbrochen, kritische Fragen blieben auch aus. "Rechtsextreme Wahlpropaganda" beschweren sich einige, die das Gespräch am Samstagabend zur besten Sendezeit auf dem OKB gesehen hatten. Sie halten es für einen Skandal, Rechtsextremen im Fernsehen so viel Raum zu geben. Doch OKB-Leiter Jürgen Linke wiegelt ab: "Wir leben in einer Demokratie, und die Menschen haben einen Rechtsanspruch zu senden."
Das Interview mit dem NPD-Chef wurde am 17. Juni schon einmal gesendet. Linke hatte daraufhin das Band der Medienanstalt Berlin-Brandenburg vorgelegt, die dafür zuständig ist, den Sendeinhalt des Offenen Kanals zu überwachen. Aber auch sie befand, dass das Gespräch "nicht zu beanstanden" sei - "leider", sagte Medienanstalt-Mitarbeiterin Susanne Grams
"Solange nicht gegen geltendes Recht verstoßen wird, darf es keine Zensur geben", so Grams weiter. Ein Gespräch mit dem Vorsitzenden einer zugelassenen Partei falle unter Meinungsfreiheit. Und dazu gehöre natürlich auch, die NPD zu hören. Die MedienwächterInnen hätten höchstens prüfen können, ob es sich bei dem Interview um eine einseitige Wahlsendung handelt. Doch da stehe im Auszug des NPD-Wahlprogramms mehr drin, als was Schade vor laufender Kamera zu sagen hatte.
Die Auflagen beim Offenen Kanal sind gering. So darf im Prinzip jeder Bürger den Sendeplatz für die selbst produzierten Sendungen unentgeltlich nutzen. Die MitarbeiterInnen vom OKB bieten technische Unterstützung und sind verpflichtet, bei der Produktion der Beiträge zu helfen. Inhaltlich dürfen sie den AutorInnen jedoch nicht hineinreden. Im Gegenzug müssen die Nutzer bei Rechtsverstößen auch selbst die Folgen tragen. Nur Werbung ist verboten, heißt es im Redaktionsstatut.
Doch wo hört Meinungsfreiheit auf und fängt rechtsextreme Wahlpropaganda an? Diese Frage kann Susanne Grams auch nicht eindeutig beantworten. Es zähle der Gesamteindruck.
OKB-Autor und Interviewer Bernd Zikeli ist zumindest kein Unbekannter. Er ist bereits seit einigen Jahren ein aktiver Nutzer und ist vor allem wegen seiner sehr israelfeindlichen Beiträge aufgefallen. Seine Sendungen sind schon mehrmals beanstandet worden, weil sie wegen Rechtslastigkeit aufgefallen sind. Und auch auf Antifa-Seiten wird vor ihm gewarnt. Ob Zikeli selbst der rechtsextremen Szene angehört, wollte OKB-Chef Linke nicht bestätigen. Der Straftatbestand der Volksverhetzung konnte ihm zumindest bisher nicht nachgewiesen werden. FELIX LEE

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08.08.2005 Berliner Zeitung
Rassistische Randale auf der Biermeile
Neun Festnahmen

Als sie genügend intus hatten, ging es los: Auf dem 9. Internationalen Bierfestival, das am Wochenende entlang der Karl-Marx-Allee stattfand, pöbelten und randalierten am späten Freitagabend Neonazis und Hooligans. Für einen Teil des Krawalls macht die Polizei BFC-Fans verantwortlich, die zuvor schon bei einem Fußballspiel in Prenzlauer Berg randaliert haben sollen. "Zehn Angehörige der Gruppe waren gegen 22.35 in einen Getränkehandel an der Karl-Marx-Allee gegangen", sagte ein Polizeisprecher. Sie hätten Bier eingesteckt, ohne zu bezahlen. Nachdem sie von Verkäufern angesprochen worden seien, habe sich "eine körperliche Auseinandersetzung" entwickelt." Einer der Angreifer wurde festgenommen.

Zeugen berichten zudem, dass Hooligans und Neonazis auf dem Bierfest auch Parolen grölten wie "Deutschland den Deutschen" und "Ausländer raus!" Die Polizei nahm in der Nacht zum Sonnabend deshalb neun Personen fest. Der Veranstalter des Festes, die Präsenta GmbH, spricht hingegen von "ein paar Rangeleien." "Die Störer sind hier durchgezogen, und das war's", sagte gestern Präsenta-Geschäftsführer Lothar Grasnick. Nach seinen Angaben haben rund 500 000 Menschen das 9. Internationale Bierfestival besucht. Zwischen Strausberger Platz und Frankfurter Tor hatten mehr als 240 Brauereien aus 80 Ländern insgesamt 1 750 Bierspezialitäten präsentiert. (kop.)

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08.08.2005 Berliner Zeitung
Randale im Stadion und auf der Biermeile
Der BFC spielte wieder

Erneut hat es nach einem Fußballspiel des BFC-Dynamo Krawalle gegeben. Nach Ende des Oberligaspiels gegen SV Yesilyurt am Freitagabend im Jahn Sportpark in Prenzlauer Berg bewarfen rund 150 Fans die Polizei mit Flaschen und Steinen. Laut Polizei wurden zehn Beamte verletzt. "Nur mit Mühe gelang es den Einsatzkräften, die höchst aggressiven Störer aus dem Stadion zu drängen", sagte ein Polizeisprecher am Wochenende. Auf der Straße hätten die Randalierer dann parkende Autos beschädigt und Fensterscheiben eingeworfen. Etwa 240 Beamte konnten nach einer Stunde die Lage beruhigen. Sechs Personen wurden wegen schweren Landfriedensbruches, Widerstand und Beleidigung festgenommen.
Krawall gab es auch auf der "Biermeile" auf der Karl-Marx-Allee, für den die Polizei ebenfalls BFC-Fans verantwortlich macht. Demnach plünderten zehn Hooligans gegen 22.35 Uhr einen wegen der Biermeile noch geöffneten Getränkehandel. Es kam zur Prügelei mit den Verkäufern. Polizisten nahmen einen der Angreifer wegen gefährlicher Körperverletzung fest. Zeugen berichten, dass BFC-Hooligans und Neonazis auf dem Bierfest Parolen grölten wie "Deutschland den Deutschen" und "Ausländer raus". Angestellte des Bierstandes "Roter Oktober" seien mit Knüppeln und Steinen verletzt worden. Die Polizei nahm auf dem Fest neun Personen fest.

Verein kritisiert Polizei
Der BFC-Vorstand distanzierte sich am Wochenende von den Krawallmachern unter seinen Fans. Dies gehöre nicht zu dem Verhalten, "das einen wirklichen Fan des BFC Dynamo" ausmache, erklärte er. Der Vorstand bedauerte, "dass unbeteiligte Menschen zu Schaden gekommen und auch Sachschäden entstanden" seien.
Gleichzeitig kritisierten die BFC-Verantwortlichen die ihrer Meinung nach unkontrollierten und unverhältnismäßigen "Übergriffe" der Polizei gegenüber unbeteiligten Personen. Wie schon beim Spiel gegen Tennis Borussia im Februar im Mommsenstadion seien offizielle Vereinsmitglieder bei dem Versuch zu schlichten ohne jeden Grund angegriffen und teilweise erheblich verletzt worden. Jedes Mal hätten sie sich laut und deutlich zu erkennen gegeben. (kop.)

Randalierende Dynamo-Fans verletzen Polizisten
Randalierende Fußballfans haben am Freitag abend zehn Polizisten verletzt. Sechs Chaoten wurden festgenommen. Nach Abpfiff des Oberliga-Spiels SV Yesilyurt gegen Dynamo Berlin hatten rund 150 gewaltbereite Dynamo-Anhänger die Polizisten attackiert. An Scheiben und Fahrzeugen rund um den Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in Prenzlauer Berg entstand erheblicher Sachschaden. Ein Teil der Krawallmacher setzte sich zum 9. Internationalen Bierfest in Friedrichshain ab und randalierte in einem Lebensmittelmarkt an der Karl-Marx-Allee.
tal

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12.07.2005 Tagesspiegel

Punk verprügelt - Gewalt zwischen Links und Rechts nimmt zu

Die brutalen Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Jugendlichen gehen weiter. Am Sonntag früh verprügelten fünf junge Männer der rechten Szene einen Berliner Punk am Bahnhof Ostkreuz – die Rechten müssen das Opfer, der in einem am Bahnsteig stehenden Zug saß, gekannt haben. „Paul, komm raus“, forderten sie Paul L. auf. Zunächst wurde der 24-Jährige beschimpft und dann mit Faustschlägen angegriffen. Zwei Begleiterinnen des Punks alarmierten die Bahnhofsaufsicht, diese den Bundesgrenzschutz. Am Ausgang zur Sonntagstraße konnte einer der Rechten, der 19-jährige Christopher T., festgenommen werden.
Wie berichtet, registriert die Berliner Polizei derzeit eine massive Häufung von Schlägereien zwischen Linken und Rechten. Beim Landeskriminalamt wurde deshalb Mitte Juni eine Sonderkommission „Links-Rechts“ gebildet. Die Polizei in Potsdam gründete ebenfalls eine Ermittlungsgruppe, da es auch dort eine Häufung von teilweise brutalen Straftaten gab. Auffällig sei, dass Anhänger der in Berlin in diesem Jahr verbotenen Neonazi-Kameradschaften jetzt in Potsdam zuschlagen – vermutlich, weil ihnen die Berliner Ermittler zu dicht auf den Fersen sind.
Die Potsdamer Staatsanwaltschaft teilte gestern mit, dass bereits am Freitag ein weiterer Täter einen Haftbefehl erhielt. Der junge Mann soll bei dem Überfall einer Gruppe von 15 Rechten auf zwei Linke Anfang Juli beteiligt gewesen sein. Damit ist in der aktuellen Serie bereits der 16. Haftbefehl erlassen worden: fünf gegen linke und 11 gegen rechte Täter. Sechs von ihnen sitzen in U-Haft, der Rest kam gegen Auflagen frei. Ha/ddp

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01.07.2005 TAZ
"Hitler hat's richtig gemacht"
Studierende der Alice-Salomon-Fachhochschule haben anhand von Interviews in Freizeitclubs den Antisemitismus unter Jugendlichen in Friedrichshain-Kreuzberg erforscht. Heute sind sie zu hören
VON PHILIPP GESSLER

Man ahnte Schlimmes, als man begann - und am Ende war es noch schlimmer. Studentinnen und Studenten der Alice-Salomon-Fachhochschule wagten sich im vergangenen Winter- und im folgenden Sommersemester im Rahmen einer Lehr-Werkstatt an ein heißes Thema: den Antisemitismus unter jungen Menschen in Friedrichshain-Kreuzberg. Nun sind die Ergebnisse da.
Ausgestattet mit Videokamera, Mikrofon und Fotoapparat befragten die Studierenden Jugendliche und junge Erwachsene in Freizeitclubs des Bezirks zu ihren Einstellungen gegenüber Juden und Israelis. "Als wir mit der Arbeit an der Werkstatt begannen, befürchteten wir die Existenz von antisemitischen Ressentiments bei Jugendlichen aus islamischen Herkunftsländern", schreiben die Dozenten Levi Salomon und Katrin Becker in einem Band, der die Interviews zusammenfasst, "Nach der Durchführung der Interviews waren wir erschrocken darüber, wie stark diese Ressentiments bei der Mehrheit der Befragten ausgeprägt sind." Der Judenhass sei selbst dort stark gewesen, wo eine "ausgezeichnete präventive Arbeit bezüglich der Bekämpfung des Antisemitismus geleistet" werde. "Für die Mehrheit der von den Studierenden befragten Jugendlichen stellt ,Jude' ein Schimpfwort dar."
Man kann die Ergebnisse der Befragung, die heute auf einer Veranstaltung der Fachhochschule öffentlich gemacht werden, relativieren. Es ist einzuwenden, dass die befragten jungen Menschen manchmal nur dumme Sprüche machen: "1, 2, 3, Scharon ist ein dickes Schwein!", ruft da jemand, und fünf andere Jungen im Alter von 9 bis 14 Jahren "mit migrantischem Hintergrund" lachen los. Man muss zudem berücksichtigen, dass einige der Interviewten zumindest indirekt über ihre Familiengeschichte selbst vom Nahostkonflikt betroffen sind, was ihre Abneigung zumindest gegen Israelis leichter nachvollziehen lässt. "Mein Cousin ist gestorben, meine Tante ist gestorben, mein Onkel ist gestorben, meine Oma und mein Opa sind gestorben", erzählt etwa ein Jugendlicher. Sie seien durch Israelis getötet worden: "entführt, erschossen". Und natürlich findet man viel Unwissen und einiges an Dummheit: "Hitler war ein armer Bettler, der von Juden geschlagen und geärgert wurde", erzählt etwa ein Junge, "und als ihn ein Deutscher berühmt gemacht hat, hat er sich an den Juden gerächt."
All diese Einwände aber können kaum erklären, wie es sein kann, dass trotz einer mindestens neunjährigen Schulerziehung so viel dumpfer Judenhass mitten in Berlin grassieren kann. Immer wieder betonen die interviewten jungen Leute, dass "sehr viele" schlecht über Juden redeten: "Ich kenne viele Moslems, die sagen, Scheißjude und so." Einige Interviewte sagen, dass Judenhass in Moscheen gepredigt werde. Eine 17-jährige Person mit türkischen Eltern erklärt: "Aber bei vielen wurde das in die Köpfe schon so rein gehauen: Jude = Scheiße, Jude = schlecht."
Verbreitet sind antisemitische Verschwörungstheorien: "Das, was mit dem World Trade Centern passiert ist, wo die Amerikaner gleich dachten, das sind bestimmt die Araber. Im Flugzeug hat man jedoch israelische Stimmen gehört. Und die Amerikaner dachten, es wären arabische Stimmen und deshalb haben die die ganzen Anschläge gemacht." Und immer wieder sagen Interviewte, Juden töteten Babys - "Juden" wohlgemerkt, nicht "Israelis", diese Differenzierung scheint niemand hinzukriegen oder hinkriegen zu wollen. Regelrechte Hitler-Fans gibt es unter den Jugendlichen. Da sagt jemand: "Genau, also Hitler hat eigentlich schon Scheiße gemacht, aber auf ner anderen Seite ist das sehr gut, weil hätte er alle vergast, hätten wir das Problem nicht." Oder noch deutlicher: "Hitler gefällt mir. Tja, der hat's damals mal richtig gemacht."
Es gibt auch einige versöhnliche, tolerante Stimmen unter den Interviewten - aber im Allgemeinen schockiert die Unversöhnlichkeit, die aus vielen Interviewausschnitten spricht. So sagt einer beispielsweise: "Also ich, ich kann überhaupt keine Juden leiden; egal auch ob die nett oder nich nett sind die sind einfach dreckig irgendwie." Und dass solche Aussagen beizeiten auch mehr als Sprüche sind, macht diese Aussage deutlich: "Einmal in unserer Schule kam ein Jude. Die ganzen Araber haben auf ihn gespuckt, geschlagen und gespuckt. Dann ist er auch von der Schule raus gegangen." Oder, noch deutlicher: "Jeder Jude, der hier geblickt wird, wird gefickt. Das ist ein Sprichwort."
Etwa seit der Jahrtausendwende schwappt eine Welle des muslimischen oder islamistischen Antisemitismus durch die Einwanderungsgesellschaften Europas - am deutlichsten war diese Entwicklung in den vergangenen Jahren in Frankreich zu beobachten. Auch in Deutschland ist die Zahl der antisemitisch motivierten Gewalttaten seitdem kontinuierlich gestiegen - und Fachleute gehen davon aus, dass dieser Zuwachs bei den Gewaltverbrechen in erster Linie auf judenfeindlich gesonnene Migranten zurückzuführen ist. Untersuchungen dazu gibt es aber noch nicht. Das gilt auch für Berlin. Nur spärliche Informationen liegen hier vor, etwa durch eine Studie des "Zentrums für demokratische Kultur" und Aussagen aus dem "Standpunkte"-Projekt hiesiger Lehrerinnen und Lehrer, die gegen Rassismus und Antisemitismus in der Schule aktiv sind. Zwar gehen diese Erkenntnisse in die gleiche Richtung wie der Grundtenor aus den Interviews der Fachhochschul-Studenten. Seriöse Zahlen jedoch über die Verbreitung antisemitischer Einstellungen vor allem unter jugendlichen Migranten in der Hauptstadt gibt es nicht.
Deshalb ist kaum zu sagen, ob der Antisemitismus in dieser Gruppe der Gesellschaft nun zugenommen hat oder nicht. "Um genauer den Umfang antisemitischer Ressentiments und eine Gewaltbereitschaft gegen jüdische Bürger in einigen Berliner Stadtteilen zu erfassen, um tatsächlichen Ursachen auf den Grund zu gehen und um politische wie pädagogische Handlungsalternativen entwickeln zu können, sind neue Studien unumgänglich, für die unsere Interviews Ausgangspunkt sein könnten", schreiben Becker und Salomon.
Gleichwohl ist offensichtlich, dass das Thema Antisemitismus unter Berliner Jugendlichen nicht nur migrantischer Herkunft ein brennendes Problem darstellt, das nicht allein mit der Unterprivilegierung gewisser Schichten in ärmeren Stadtteilen erklärbar ist. Die Alice-Salomon-Fachhochschule macht sich heute daran, Ausmaß und Ursachen dieses Phänomens auf einer Podiumsdiskussion etwas näher ergründen zu wollen - wobei die Organisatoren unsicher sind, ob sie nicht mit Störern rechnen müssen. In vier Kurzfilmen werden wesentliche Aussagen der Interviews zusammengefasst und vorgestellt. Titel der Veranstaltung: "Hitler gefällt mir."
Näheres zum Thema Antisemitismus von Philipp Gessler in seinem Buch: "Der neue Antisemitismus", Herder, Freiburg 2004

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10.03.2005 TAZ

Kameradschaft ist abgeschafft
In einem Doppelschlag hat das Land Berlin erstmals zwei Neonazi-Organisationen verboten. Die rechtsextremistische "Kameradschaft Tor" samt ihrer "Mädelgruppe" und die "Berliner Alternative Süd-Ost" gibt es ab sofort nicht mehr

Monatelang haben Neonazis ihn mit Telefonanrufen schikaniert, er wurde auf offener Straße bedroht, und sogar Steckbriefe von ihm hingen in seiner Wohngegend. Michael Knape, Polizeidirektor für den Berliner Südosten, muss triumphiert haben, als er erfuhr, dass für seine Peiniger erst einmal Schluss mit lustig ist. Denn seit gestern Morgen ist es offiziell: Auf einer Pressekonferenz verkündete Innensenator Ehrhart Körting (SPD), dass er die "Kameradschaft Tor" samt "Mädelgruppe" und die "Berliner Alternative Südost" (Baso) am frühen Morgen mit sofortiger Wirkung verboten hat.
Knape selbst ließ auch nicht lange auf sich warten. Punkt sechs Uhr standen seine behelmten Mannschaften vor den Wohnungen von neun Kameradschaftsmitgliedern. Den völlig überraschten Neonazis blieb keine Zeit mehr, verdächtiges Beweismaterial zu beseitigen. Die Polizisten beschlagnahmten über 500 Flugblätter, zudem Aufkleber, T-Shirts und Aktenordner. Gegen sechs Neonazis wurden Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet.
Es handelt sich um die ersten Verbotsverfügungen von rechtsextremen Kameradschaften in Berlin. Für Körting erfüllt sich damit ein lang gehegter Wunsch. Vor einem halben Jahr wies er seine Mitarbeiter in der Innenverwaltung, beim Verfassungsschutz und in den Polizeibehörden an, alle Aktivitäten der KS Tor, die in Lichtenberg aktiv war, und der Baso, die in Treptow-Köpenick ihr Unwesen trieb, bis ins kleinste Detail aufzulisten.
An Stoff mangelte es den Staatsbediensteten nicht. Es gab keinen rechten Aufmarsch in und um Berlin im vergangenen Jahr, an dem die beiden Kameradschaften - mit je 10 bis 15 meist jungen Neonazis - nicht mit antisemitischen und rassistischen Äußerungen auffielen. In Lichtenberg klebten Mitglieder der KS Tor Plakate, auf denen sie SA-Führer und Adolf Hitler verherrlichten. Am 1. Mai machte die Kameradschaft von sich reden, als sie beim Aufmarsch in Lichtenberg erstmals als schwarzer Block auftrat und sich Schlägereien mit der Polizei lieferte.
Ähnlich das Register der Baso: Im Sommer entdeckten die Ermittler einen Keller auf einer Industriebrache in Schöneweide, in dem sich die Kameraden der Baso nach Hitlers Vorbild eine "Wolfsschanze" eingerichtet hatten. Tresen und Wände hatten sie mit Hakenkreuzen und SS-Runen bemalt. Der lebensgefährliche Übergriff auf einen vietnamesischen Imbissbetreiber im April 2004 geht ebenfalls auf Mitglieder der Baso zurück. Und im Dezember kam die Ankündigung, vor Knapes Haus aufzumarschieren, um ihn und seine Familie einzuschüchtern.
Schwerpunkt beider Kameradschaften war die Bekämpfung des politischen Gegners durch so genannte Anti-Antifa-Aktionen. Auch Polizisten und Journalisten wurden bedroht.
Auf die Frage der Journalisten, warum bisher nicht noch mehr rechte Kameradschaften verboten wurden und ob seine Verwaltung künftig weiter in dieser Richtung aktiv sein wird, antwortete Körting kurz und knapp: "Wir nehmen, wen wir kriegen."

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23.02.2005 TAZ
Neonazis feiern heimlich ihren Helden
Zum 75. Todestag des SA-Führers Horst Wessel wollen Rechtsextreme heute unangemeldet zum Grab marschieren

Sympathisanten der rechtsextremen Kameradschaft Tor wollen heute am Friedhof Prenzlauer Allee Ecke Mollstraße des SA-Führers Horst Wessel gedenken, der dort begraben liegt. In Massen werden sie wohl aber nicht kommen. Denn weder findet sich im Internet ein Aufruf, noch hat es sonst flächendeckend Ankündigungsplakate gegeben. Die Polizei hat von dem Aufmarsch nur über einen kleinen Flyer erfahren, der an einer Bushaltestelle in Köpenick klebte. Eine polizeiliche Anmeldung für den rechten Aufmarsch liegt nicht vor. Die Polizei rechnet höchstens mit "einigen Dutzend Teilnehmern".
Die Antifa Friedrichshain befürchtet mehr. Seit Wochen hätten Berliner Neonazis aus dem Spektrum der Freien Kameradschaften in den Bezirken Treptow-Köpenick, Lichtenberg und Pankow zusammen mit Hakenkreuzen Parolen an Wände gesprüht, die auf den Gedenkmarsch hinweisen, sagte ein Antifa-Sprecher.
Wessel, der heute vor 75 Jahren an den Folgen einer Schießerei mit Rotfrontkämpfern verstarb, war in den turbulenten Jahren der Weimarer Republik SA-Führer und machte vor allem mit Übergriffen im damaligen "roten" Friedrichshain von sich reden. In der NS-Zeit stilisierte ihn Reichspropagandaminister Goebbels zum Märtyer. Das "Horst-Wessel-Lied" wurde zur Hymne der SA. Seit den 1990er-Jahren versuchen Neonazis das Gedenken an den SA-Schergen wieder aufzugreifen.
Gegeninitiativen wie die Antifa Friedrichshain konnten größere Aufmärsche aber stets verhindern. Auch für heute Nachmittag hat die Antifa eine Gegenkundgebung angemeldet, um eine Huldigung des NS-Repräsentanten zu verhindern. Treffen ist um 16 Uhr vor dem Friedhof.

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19.01.2005 Tagesspiegel

Durchsuchungen bei Neonazi-Gruppe Ermittlungen wegen Volksverhetzung

Zeitgleich wurden gestern früh die Wohnungen von acht Aktivisten der rechtsextremistischen "Kameradschaft Tor"durchsucht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit Monaten gegen die vier Frauen und vier Männer wegen Volksverhetzung. Sie waren am 25. September letzten Jahres festgenommen worden, als sie zur NPD-Demonstration in Wedding anreisen wollten. Die Demonstration war in letzter Minute vom Bundesverfassungsgericht verboten worden.
Die Neonazis hatten vier Transparente dabei, die die Beamten alarmierten - schließlich sollte die geplante Demonstration durch einen Bezirk führen, der vor allem von Moslems bewohnt wird. Unter der Parole "Fremdkulturen entgegentreten" war eine Figur aufgezeichnet, die gegen einen Davidstern, einen Halbmond und ein US-Dollarzeichen tritt. Auf einem weiteren Transparent stand "Die letzte Schlacht gewinnen wir" - eine Assoziation zu einem Führerbefehl. Ein anderes Plakat verkündete "Reichshauptstadt Berlin bleibt deutsch". Die Transparente waren im September beschlagnahmt worden, jetzt kam es zur Durchsuchung, "um einmal richtig in die Struktur der Szene hineinzugucken", wie es bei der Polizei hieß. "Das ist gelungen", sagte ein Staatsanwalt. Erst durch die Polizeiaktion wurden bei zwei der Beschuldigten die aktuellen Adressen ermittelt, deshalb konnten insgesamt zehn Wohnungen in Lichtenberg, Mitte und Hellersdorf sowie im brandenburgischen Schwedt durchsucht werden. Darunter die der bekannten Rechtsextremisten Björn W. und Jörg H.
Beschlagnahmt wurden Farben und Zeichenvorlagen, mit denen die Transparente gefertigt wurden. "Wir haben gefunden, wonach wir gesucht haben", sagte ein Staatsanwalt. Zudem wurden Computer sichergestellt. Zügig solle jetzt der Prozess gegen die acht jungen Rechtsextremisten wegen Volksverhetzung beginnen. Die Kameradschaft Tor ist in Berlin neben der "Baso" (Berliner Alternative Südost) eine der aktivsten Neonazigruppen. Die Lichtenberger Gruppe hatte sich im Sommer 2000 nach dem Frankfurter Tor benannt. Als ein Schwerpunkt der Organisation gilt der "Nationale Widerstand". Hierbei stehen im "Kampf auf der Straße" die Teilnahme an Demonstrationen und das Ausspionieren der Gegenseite im Vordergrund. Seit Sommer 2004 ist eine "Mädelgruppe Tor" als zweiter Organisationszweig aktenkundig. Ha

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18.12.2004 TAZ
Drei Jahre Haft für Antifaschisten

NPD-Aufmarsch am 1. Mai in Lichtenberg: Ein Gegendemonstrant versucht am Rande, ein Auto anzuzünden. Jetzt soll er für drei Jahre hinter Gitter. Seine Anwälte wollen gegen das Urteil vorgehen

Mit leicht gesenktem Kopf, aber ruhig und gefasst hört Christian S. auf der Anklagebank des Amtsgerichts Tiergarten sein Urteil: Drei Jahre Haft ohne Bewährung wegen versuchter Brandstiftung, schweren Landfriedensbruchs, Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz sowie Widerstands gegen die Staatsgewalt, lautet der Spruch. Lang und breit hat ihm Richter Brandt zuvor sein gesamtes Verhalten am 1. Mai 2004 in Friedrichshain vorgehalten - und so zeigt sich auch der Staatsanwalt mit der sehr hohen Strafe zufrieden.
Doch nicht nur für die zahlreichen Prozessbeobachter auf den Zuschauerbänken ist die Justiz damit zu weit gegangen: Noch auf den Treppen des Amtsgerichts kündigen die Anwälte des vorbestraften 35-jährigen Christian S. an, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. Denn in ihren Augen hat das Gericht nicht nur das Strafrecht sehr streng ausgelegt, sondern auch die gesamte Situation am 1. Mai 2004 nicht ausreichend berücksichtigt. Dazu kommt, dass Christian S. seit seiner Festnahme am 1. Mai bis zum ersten Prozesstag Ende Oktober in Untersuchungshaft saß. "Wir fordern daher, dass jetzt zumindest der Haftbefehl bis zur Rechtskraft des Urteils aufgehoben wird", sagt Anwältin Silke Studzinsky.
Was war passiert? Genau an diesem Tag darf die rechtsextreme NPD gemeinsam mit "freien Kameradschaften" auf der Frankfurter Allee aufmarschieren: Mit rund 3.000 Braunen ist das nicht nur der größte Auftritt der Rechten seit Ende des Zweiten Weltkrieges in Berlin. Erstmals bilden die Nationalisten auch einen eigenen, aggressiven "schwarzen Block", der sich mehrere Rangeleien mit der Polizei und Gegendemonstranten liefert. Neben Fahnen führen sie auch NPD-Plakate mit sich, auf denen "Gute Heimreise" steht und eine ausländische Familie mit gepackten Koffern von hinten zu sehen ist. In Bremen läuft genau wegen dieses Plakats zurzeit ein Verfahren wegen Volksverhetzung.
Doch der Aufmarsch der NPD ist angemeldet und genehmigt. Als sich der Zug in Bewegung setzt, versuchen Gegendemonstranten, mit Sitzblockaden die Rechtsextremen zu stoppen - und wollen so Zivilcourage zeigen. Die Polizei räumt mit Wasserwerfern und hunderten von Beamten den Weg frei. Erst als auf Höhe des Ring-Centers in Friedrichshain Barrikaden brennen, beschließt die Einsatzleitung den Abbruch der NPD-Demo.
Zu diesem Zeitpunkt ist Christian S. bereits im Visier der Fahnder der Polizei. Sie beobachten ihn dabei, wie er Mülltonnen auf die Frankfurter Allee schiebt und Papier in einem umgestürzten Mercedes der A-Klasse mit zerstörter Heckscheibe anzündet. In einer zehnseitigen Prozesserklärung bekennt er sich später sogar dazu und begründet sein Tun mit politischen Motiven.
Doch vor Gericht zählt das alles nicht - auch nicht strafmildernd. Die strafrechtlichen Argumente seines Verteidigerduos dringen nicht durch. "Zwar hat Christian S. versucht, Feuer zu legen, doch Zeugenaussagen und Videos beweisen, dass ein Wasserwerfer das Fahrzeug kurz darauf schon wieder löschte. Danach brannte der Wagen sogar noch ein zweites Mal, und ein Räumpanzer rammte das Wrack von der Straße", sagt Anwältin Silke Studzinsky. "Daher ist er nicht für die gesamten Schäden an dem Auto verantwortlich. Hier müsste gelten: Im Zweifel für den Angeklagten."
Auch der Vorwurf des "schweren Landfriedensbruchs" sei so nicht haltbar, argumentiert die Anwältin. Laut Studzinsky sollen am 1. Mai "zahlreiche Polizeibeamte in Zivilkleidung" im Einsatz gewesen sein: Mehrere Beamte "des SEK vom LKA 6302, der Direktion IV ,Fahndung-Aufklärung-Observation' und Zivilbeamte der Operativen Gruppe Jugendgewalt" sowie des Staats- und Verfassungsschutzes seien dort gewesen, so die Anwältin, die gerne Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und Polizeipräsident Dieter Glietsch als Zeugen dazu gehört hätte. Von einer "Menschenmenge", die den "öffentlichen Frieden" gefährdet habe, könne keine Rede sein.
Für den Anwalt Lüko Becker stellt sich darüber hinaus die Frage, inwieweit hier nicht sogar das im Grundgesetz verbriefte Recht auf Widerstand greifen könnte: "Das wäre zwar ein Offenbarungseid des Staates, wenn er zugeben würde, dass hier andere Abhilfe zum Schutz der Verfassung nicht möglich gewesen sein könnte. Aber denkbar wäre das."

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13.12.2004 TAZ
Rechte saufen ohne Lizenz ab
Bei der Überprüfung der Schanklizenz einer Köpenicker Kneipe stößt die Polizei auf eine Feier von Neonazis. "Bauarbeiter" und Antifa liefern sich am Vortag eine Straßenschlacht in Friedrichshain

Mit 130 Mann überprüfte die Polizei in der Nacht zum Sonntag die Schankgenehmigung einer Kneipe in der Schnellerstraße in Köpenick. Und freute sich anschließend über einen großen Fang: "Wir sind schon zufrieden", sagte ein Polizeisprecher gegenüber der taz. Denn in dem Lokal wurden nicht nur ohne Lizenz Getränke ausgeschenkt: 64 Mitglieder verschiedener Berliner Neonazi-Organisationen feierten in der Kneipe eine heimliche Party. Darunter Björn Wild und Daniel Meinel von der Kameradschaft Tor und Sebastian Dahl, der der Berliner Alternative Südost, kurz Baso, zugeordnet wird. Außerdem feierten Mitglieder der Mädelgruppe Tor und des Märkischen Heimatschutzbundes in dem Lokal.
Insgesamt leitete die Polizei 13 Strafverfahren ein. Auch wegen der fehlenden Schanklizenz, aber überwiegend wegen Tragens von Kleidungsstücken des verbotenen Lables "Thor Steinar" und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. In einer Schreibmappe fand die Polizei außerdem Blätter mit Nazi-Liedern und Hakenkreuzen. Gegen den Besitzer wurde Anzeige wegen der Verbreitung von Propagandamitteln erstattet. Die Mappe und eine CD mit rechtsextremistischer Musik wurden beschlagnahmt, und das Lokal wurde wegen Fehlens der Schankgenehmigung geschlossen.
"Die Aktion zeigt, dass wir uns von solchen Sachen nicht beeindrucken lassen", sagte der Polizeisprecher. Mit "solchen Sachen" sind besonders die Drohungen aus der rechten Szene gegen den Leiter der Polizeidirektion 6, Michael Knape, gemeint (taz berichtete). Vor allem die Baso wird verdächtigt, in letzter Zeit Knape mit Telefonanrufen terrorisiert und Steckbriefe in seinem Wohngebiet aufgehängt zu haben. Auch der Neonazi-Aufmarsch am Samstag vor einer Woche wurde von der Baso organisiert.

Eine weitere Party am vergangen Wochenende sorgte unterdessen für Verwirrung. Laut Polizei haben am Freitagabend mehrere vermummte Personen die Fensterscheibe der Cocktailbar Morrison in Friedrichshain eingeworfen, weil sie die Weihnachtsfeier einer Friedrichshainer Baufirma für eine Nazi-Party hielten. Rund 30 Bauarbeiter hätten in der Kneipe friedlich gefeiert, sagte eine Morrison-Angestellte der taz. "Das war eine ganz harmlose Weihnachtsfeier. Die Jungs haben getrunken und Spaß gehabt." Um Nazis habe es sich ganz sicher nicht gehandelt.
Aus Antifa-Kreisen war jedoch zu hören, dass es sich bei der Weihnachtsfeier ganz eindeutig um ein Nazi-Treffen gehandelt habe. So sollen Gäste der Feier auf der Straße laut "Sieg Heil!" und "Holt euch die linken Schweine!" gerufen haben. Ein Polizeisprecher betonte hingegen, dass es keinerlei Anzeichen für eine Neonazi-Veranstaltung gegeben habe.
Konfliktscheu scheinen die Bauarbeiter auf jeden Fall nicht gewesen zu sein. Nachdem die Scheibe eingeworfen wurde, sollen sich laut Polizei gleich "mehrere Dutzend" der Partygäste eine Straßenschlacht mir rund 50 Vermummten geliefert haben. Auf den Internetseiten des alternativen Netzwerks Indymedia heißt es, unter den Bauarbeitern sei unter anderem ein Mitglied der rechtsextremen Kameradschaft Tor gewesen. "Angenommen, es war tatsächlich die Feier einer Baufirma, dann scheint das eine Firma zu sein, die nur Nazis beschäftigt", heißt es bei Indymedia

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12.12.2004 Tagesspiegel
Linke stören Weihnachtsfeier mit Steinwürfen

Die Weihnachtsfeier einer Abrissfirma in einer Friedrichshainer Bar ist am Freitagabend von einer Gruppe Linksextremer gestört worden. Fünf Vermummte schmissen gegen 21 Uhr Steine gegen die Fensterscheibe des Lokals "Morrison" in der Frankfurter Allee. Rund 30 Partygäste stürmten daraufhin aus dem Lokal und verfolgten die Angreifer. An der Rigaer Straße/Ecke Proskauer Straße stießen rund 50 weitere Linke hinzu und bewarfen die Weihnachtsfeiergäste mit Flaschen und Steinen. Als die Polizei kam, flüchteten die Angreifer. Offenbar hatten die Linken gedacht, dass die Feiernden zur rechten Szene gehören. Auf einer einschlägigen Internetseite heißt es: "Es wird vermutet, dass sich im Hinterzimmer der Bar auch einige hohe Kader der Naziszene aufgehalten haben."

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04.12.2004 Neues Deutschland
Brennendes Auto als Antinazi-Protest?
Prozess gegen Sozialarbeiter Christian R., der NPD-Aufmarsch mit Flammen aufhalten wollte

Politisch hat die Aktion nichts gebracht, der antifaschistische Protest wurde diskreditiert - Erkenntnisse des 35-jährigen Sozialarbeiters Christian R., der des schweren Landfriedensbruchs angeklagt ist und bei einer Verurteilung mit einer empfindlichen Strafe rechnen muss.
Am 1. Mai war Christian auf der Straße, um sich dem Nazi-Aufmarsch von Lichtenberg in die Innenstadt entgegenzustellen.
Der braune Trupp hatte das Demonstrationsrecht auf seiner Seite. Die Provokation war genehmigt, und jeder, der sich den Neonazis in den Weg stellte, handelte gesetzeswidrig, weil er eine legale Aktion behinderte. Die Polizei schob die antifaschistischen Demonstranten vor sich her. Mal stürmte die bewaffnete Staatsmacht im Laufschritt gegen die Demonstranten vor, dann drückte die grüne Kette langsam den Widerstand zusammen oder überschüttete ihn mit einer Kanonade aus Wasserwerfern. Hinter dem Bahnhof Frankfurter Allee eskalierte die Lage. Pflastersteine wurden herausgebrochen, Müllcontainer auf die Straße geschoben und angezündet, schließlich ein Mercedes am Straßenrand umgekippt und in Brand gesetzt.
Mit dabei auch Christian. Er war einem verdeckten Ermittler ins Visier geraten. Und der ließ ihn keine Sekunde mehr aus den Augen, beorderte ein Festnahmekommando herbei, dass dann Kilometer weiter entfernt unverhofft zugriff. Zahlreiche Videoteams der Polizei filmten das Geschehen auf der Frankfurter Allee. Kameras aus dem Hubschrauber, Kameras aus dem Wasserwerferturm, Kameras hinter Autoschreiben - ein nahezu lückenloses filmisches Dokumentarwerk von der Lichtenberger Brücke bis zum Frankfurter Tor wurde so erstellt und Christian als zündelnder Täter in mehreren Videos festgehalten.
Gestern wurden die Bilder vom 1. Mai im Gerichtssaal gezeigt. Trotz brennender Container und dem umgestürzten Auto - die Szenen wirkten nicht übermäßig gewalttätig. Keine Schlachten, keine Verletzten und keine Lage, die außer Kontrolle zu geraten schien. Nach den Aufzeichnungen ein eher harmloses Geschehen, die Stadt hat schon weit dramatischere Momente erlebt. Viele standen rum, schauten neugierig zu oder bedienten sich am Inhalt des Fahrzeugs. Zur Verantwortung gezogen wird nun Christian.
Was ihn bewogen haben könnte, Gewalt gegen ein Auto zu praktizieren - ein fast alltäglicher Vorgang in Berlin - schilderte er gestern in einer Erklärung. Danach hat er seit mehr als zwei Jahrzehnten denkbar schlechte Erfahrungen mit Nazihorden gemacht. Ob nun in Fußballstadien oder auf der Straße - prügelnde Rechtsradikale haben oft sein Leben gekreuzt. Deshalb wollte er den Weitermarsch der Glatzköpfe durch den Bau der Barrikaden verhindern, hoffte, dass die Polizei den braunen Zug stoppen wird, wenn sie Flammen sehe.
Heute tut es ihm leid, dass er das Eigentum von Unbeteiligten beschädigt hat. Es sei Betroffenen und Anwohnern kaum vermittelbar, dass man die von Nazis ausgehende Gefahr abwenden wolle, in dem man ihr Eigentum mit Feuer bedroht, sagt Christian. Ob das Gericht die Erkenntnis und das Eingeständnis als mildernde Umstände anerkennen wird, bleibt bis zur Urteilsverkündung abzuwarten.

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22.11.2004 Berliner Zeitung

Ausnahmezustand im Lichtenberger Kiez. Demonstrationen legten Verkehr stundenlang lahm

Etwa 180 Neonazis standen am Sonnabend im Mittelpunkt. Wegen ihnen gab es in Friedrichshain und Lichtenberg Verkehrschaos und einen riesigen Polizeieinsatz. Die Rechtsextremisten veranstalteten nämlich von 16 bis 19.30 Uhr einen Aufmarsch durch den Kiez südlich des Bahnhofs Lichtenberg. Kurz zuvor demonstrierten linke Gruppen in Friedrichshain zum alljährlichen Gedenken an den vor zwölf Jahren von Neonazis erstochenen Punker Silvio Meier. Durch den rechten Aufmarsch motiviert, waren dieses Mal nicht wie früher einige hundert Linke gekommen, sondern rund1 000 Demonstranten.
Voneinander getrennt wurden die Linken und die Rechten durch 1 400 Polizisten. "Durch den konsequenten Einsatz blieben größere Störungen aus", sagte Polizeisprecher Uwe Kozelnik gestern. Damit die Linken nicht zum Bahnhof Lichtenberg gelangen konnten, machte die Polizei die Frankfurter Allee komplett dicht und sorgte damit für lange Staus. Die Angst der Polizei, dass Linksautonome die Neonazi-Demo stören könnten, war so groß, dass die S-Bahn auf Geheiß der Sicherheitsbehörde ihre Züge auf den Bahnhöfen Lichtenberg und Nöldnerplatz durchfahren ließ. Auch die BVG schloss ihre U-Bahnhöfe Lichtenberg, Friedrichsfelde und Tierpark. Somit traten verärgerte Fahrgäste, die eigentlich in Lichtenberg aussteigen wollten, eine unfreiwillige Weiterreise bis nach Biesdorf-Süd an. Entsprechende Lautsprecherhinweise des U-Bahn-Personals gab es erst später.

Ordner schickt Polizei los
Den Linken "die Symbole nehmen", das war auch dieses Mal wieder die Absicht der rechten Demonstranten. Sie trugen Transparente im Antifa-Layout mit Aufschriften wie "Fight the System". Aus ihren Lautsprechern schallten deutschsprachige Bands wie "Die Ärzte" und "Mia", die bislang von den Linken vereinnahmt waren.
Auch das Aufmarschgebiet der Rechten wurde von der Polizei hermetisch abgeriegelt. Beamte forderten - oft in barschem Ton - jeden jugendlich aussehenden Fußgänger auf, umzukehren. Und so scheiterten auch jene Passanten, die vorgaben, einfach nur zu einer Party zu wollen, an patzigen Wachtmeistern. 355 Platzverweise meldete die Polizei gestern in ihrer Abschlussbilanz. Die Neonazis blieben weitgehend ungestört. "Zivilgesellschaftlichen Protest", etwa durch Anwohner, gab es fast nicht. Kurz besorgt waren einige Neonazis lediglich über einen Pressefotografen, der Demonstranten abgelichtet hatte. Ein Ordner der Rechten forderte deshalb einen Polizisten auf, den Presseausweis des Fotografen zu kontrollieren, was der Beamte dann auch befolgte. Erstmals hatten sich Veranstalter und Polizei im Vorfeld des Aufmarsches darauf geeinigt, dass Polizeibeamte Fotografen kontrollieren würden. Damit sollte verhindert werden, dass linke Antifa-Aktivisten Porträtfotos von Neonazis anfertigen, um diese ins Internet zu stellen. Die Rechten wiederum sicherten zu, dass ihre Ordner Fotografen in Ruhe lassen würden.

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19.11.2004 Berliner Zeitung
"Silvio Meier war erst der Anfang"
Provokationen im Vorfeld einer linken Demonstration

Schon Tage vor der traditionellen Silvio-Meier-Demo haben die Auseinandersetzungen zwischen Neonazis und Linken zugenommen. Am Samstagnachmittag planen linke Gruppen ihre Gedenkdemonstration für den 1992 von Neonazis getöteten Punk Silvio Meier. In den vergangenen Jahren hatten die Demonstranten die Straßen in Friedrichshain und Lichtenberg weitgehend für sich allein, es war größtenteils friedlich geblieben.
Doch dieses Mal eskaliert die Situation schon im Vorfeld: Die Demo sollte vom U-Bahnhof Samariterstraße durch den Kiez südlich des Bahnhofs Lichtenberg führen, weil dort bekannte Neonazis wohnen, wie es hieß. Diese Pläne hat die rechte Kameradschaft "Berliner Alternative Südost" durchkreuzt, indem sie selbst vom Bahnhof Lichtenberg aus eine Demo anmeldete. Zwar hatten die Linken bereits angekündigt, durch den vermeintlichen "Nazikiez" zu ziehen, dies aber erst einige Stunden später als die Rechten der Polizei offiziell kundgetan. Laut Versammlungsrecht darf demonstrieren, wer zuerst anmeldet. Also können die Rechten nun unter dem Motto "Dem Antifa-Terror offensiv entgegentreten" ab 16 Uhr im Zickzackkurs den Kiez östlich der Weitlingstraße in Beschlag nehmen - dort, wo die Linken laufen wollten. Die sollen nach dem Willen der Polizei vor dem Bahnhof Lichtenberg stoppen. "Wir lassen uns nicht diktieren, wo wir unseren Protest auf die Straße tragen", erklärte die "Antifaschistische Linke". Neonazis haben derweil Laternenmasten der Umgebung mit Aufklebern versehen. Drauf stehen Parolen wie "Silvio Meier war erst der Anfang", "Antifademos kreativ begleiten" und auch Hetze gegen Juden. Aus Furcht, in der S-Bahn von linksautonomen Straßenkämpfern angegriffen zu werden, rufen die Rechten dazu auf, "in größeren Gruppen" anzureisen.

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8.11.2004 Morgenpost
Razzia bei Neonazis zieht mehrere Verfahren nach sich

Während einer groß angelegten Razzia gegen die rechte Szene in Friedrichshain sind am Sonnabend mehrere Anzeigen geschrieben und ein Haftbefehl vollstreckt worden. Wie berichtet, hatten 270 Beamte, darunter das Spezialeinsatzkommando (SEK), ein Lokal an der Petersburger Straße gestürmt. Als das Großaufgebot gegen 19 Uhr am Einsatzort eintraf, befanden sich 72 Männer und 25 Frauen in den Räumen. Bei ihnen handelte es sich überwiegend um Angehörige der "Hammerskins" und der "Vandalen", die den 10. Gründungstag der erstgenannten Gruppierung feiern wollten. Laut Polizei verhielten sich die Rechtsextremen den Beamten gegenüber zunächst aggressiv und gereizt, nach der Überprüfung aller Personen wurde die Aktion gegen 21.35 Uhr beendet. Insgesamt wurden drei Ermittlungsverfahren wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen eingeleitet. Gegen einen 28jährigen lag ein Haftbefehl in anderer Sache vor.

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07.11.2004 Tagesspiegel
Zum Jahrestreffen der Skinheads rückte die Polizei an.
250 Beamte bei einer Razzia am Sonnabend in Friedrichshain im Einsatz

Die Feier der Neonazis hatte kaum angefangen, da war sie schon wieder zu Ende. Um 19.30 Uhr stürmten rund 250 Polizisten, darunter ein Spezialeinsatzkommando und Beamte des Landeskriminalamts, die Kneipe "Happy Station" an der Petersburger Straße in Friedrichshain. Dort hatten sich 97 Rechtsextremisten, darunter 25 Frauen versammelt - zum Jahrestreffen der "Hammerskins". Die Beamten überprüften die Personalien. Ein Haftbefehl wegen einer offenen Geldstrafe wurde vollstreckt.
Der Wirt der Kneipe erklärte, die Skinheads wären wie normale Gäste nach und nach in der Kneipe aufgetaucht. Die Polizei glaubt der Darstellung indes nicht. Die Spezialeinheit PMS (Politisch motivierte Straßengewalt) hatte beobachtet, wie sich das konspirative Treffen anbahnte. Die Polizei stellte CDs mit rechtsextremen Liedern sicher, darunter von Gruppen wie "Endlöser". Unter den Gästen, die die Polizei überprüfte, waren viele einschlägig bekannte Mitglieder der rechten Szene. Zum Beispiel Michael Regener, der im vergangenen Jahr vom Kammergericht zu drei Jahren und vier Monaten wegen Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung verurteilt worden ist. Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Regener, Ex-Sänger der braunen Band "Landser" und Anführer der Neonazi-Gruppe "Vandalen", ist erst kürzlich dem Berliner Landesverband der NPD beigetreten. Alle Neonazis erhielten von der Polizei Platzverweise. Ein Skinhead bekam eine Anzeige wegen des Zeigens verfassungsfeindlicher Symbole. Ein Polizeisprecher bewertete den Einsatz an Ort und Stelle als vollen Erfolg. Geleitet wurde der Einsatz vom Chef der Direktion 6, Michael Knape.
Die "Hammerskins" gründeten sich 1986 in den USA. Ihr Symbol sind zwei gekreuzte Zimmermanns-Hämmer. Ziel der Skin-Bewegung ist es, alle weißen, nationalen Kräfte zu vereinen. Sie sind vor allem in der rechten Musikszene vertreten. In Berlin und Brandenburg entstanden 1991 die ersten Hammerskin-Sektionen in Deutschland. Fan

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31.10.2004 Morgenpost
Zivilcourage führt zu zwei Festnahmen

Mit vereinten Kräften haben drei Männer einen 22jährigen überwältigt, der am Donnerstag in einer Straßenbahn der Linie 20 zunächst durch rechtsradikale Parolen und dann durch Handgreiflichkeiten aufgefallen war. Das teilte die Polizei gestern mit. Der Mann aus Friedrichshain hatte gegen 18.10 Uhr in der Straßenbahn mehrmals "Sieg heil" gerufen. Kurz darauf beschimpfte er einen Fahrgast aus Mosambik mit rassistischen Sprüchen und versuchte, ihn zu schlagen. Als ihn ein 26jähriger aus Friedrichshain bat, zur Seite zu treten und den Ausgang freizumachen, wurde auch er von dem 22jährigen attackiert. Sowohl der Mosambikaner (34) als auch der 26jährige konnten den Schlägen ausweichen. An der Haltestelle Warschauer Straße in Friedrichshain verließen sowohl die beiden Angegriffenen als auch der Täter die Straßenbahn. Gemeinsam mit einem 36 Jahre alten Zeugen konnten sie den Täter überwältigen und bis zum Eintreffen der Polizei festhalten. Nach unbestätigten Informationen soll es sich bei dem 22jährigen um einen Angehörigen der Bundeswehr handeln, der allerdings nicht in Uniform unterwegs war. Der Polizeiliche Staatsschutz hat zu der fremdenfeindlichen Tat die Ermittlungen übernommen. Ein weiterer Fall von Zivilcourage hat gestern Mittag in Spandau zur Festnahme eines Straftäters geführt. Ein Radfahrer beobachtete, wie ein Räuber gegen 12.40 Uhr einer 89jährigen in der Betckestraße die Handtasche entriß. Der 27 Jahre alte Zeuge nahm die Verfolgung des Täters auf. Der flüchtende Räuber zog zwischenzeitlich die Jacke aus, um nicht mit der Personenbeschreibung vom Tatort übereinzustimmen und so seine Identifizierung zu erschweren. Die erbeutete Handtasche warf er in ein Gebüsch. In der Klosterstraße holte der Radfahrer den 24jährigen ein. Er konnte ihn bis zum Eintreffen der Polizei festhalten. Der Räuber soll heute einem Haftrichter vorgeführt werden. Die Rentnerin erlitt bei einen Schock, blieb ansonsten aber unverletzt.

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29.10.2004 Neues Deutschland
Schuldspruch vor Prozessbeginn?
Verfahren gegen Demonstranten, der sich am 1. Mai Neonazis in den Weg stellte, wurde vertagt

Die Berliner Gerichte und die Polizei haben gegen jene, die sie als Krawallmacher vom 1. Mai einordnen, eine schärfere Gangart eingelegt. Dabei unterscheiden sie nicht nach Aktionen gegen Neonazis oder Tätern, die sich im Alkoholrausch austoben wollen.
Der 35jährige Sozialarbeiter Johann Christian S. gehörte zu jenen, die sich am 1. Mai den Neonazis am Bahnhof Lichtenberg in den Weg stellten. Die Nazis zogen in Richtung Innenstadt, die Polizei hatte den Auftrag, den ungehinderten Vorbeimarsch der braunen Streitmacht zu sichern.
Gegen 16 Uhr eskalierte die Situation, die Polizei war nicht zimperlich, kesselte Demonstranten ein, drängte sie ab, stürmte auf sie zu und versuchte, die Gegendemonstranten auseinander zu treiben. In dieser aufgeheizten Situation wurden Barrikaden errichtet, Container auf die Straße geschoben und angezündet, ein Mercedes umgekippt und in Brand gesetzt.
Johann Christian wurde noch am Abend verhaftet und saß bis gestern in Untersuchungshaft. Er soll laut Anklage derjenige gewesen sein, der - vermummt - aus einer Gruppe heraus an der Feuerteufelei beteiligt war. Ob es so war, darüber konnte am gestrigen ersten Verhandlungstag vor dem Amtsgericht Tiergarten nicht entschieden werden - im Gerichtssaal ein sichtlich aggressiver Amtsrichter und eine Verteidigung, die mit Anträgen für die Unterbrechung des Verfahrens sorgt, nachdem ein Befangenheitsantrag gegen den Richter durch ihn selbst abgelehnt worden war.
In jedem Gerichtsverfahren gilt zunächst für die Angeklagten die Unschuldsvermutung. Doch für den Amtsrichter scheint es schon eine ziemlich klare Sache zu sein. Zwar sprach er nur von einem dringendem Tatverdacht, doch schrieb er in einem Papier von "abgeurteilten Taten" statt von "abzuurteilenden Taten".
Mit anderen Worten: Für ihn ist die Schuldfrage schon geklärt, obwohl überhaupt noch keine Beweisaufnahme stattgefunden hat. Wie im Gerichtssaal verlautete, strebt die Staatsanwaltschaft eine radikale Strafe von bis zu vier Jahren Haft an. Das wäre schon ein einmaliger Fall - vorausgesetzt, die Vorwürfe erweisen sich im Verfahren als richtig -, dass eine Straftat gegen Sachen und nicht gegen Personen mit solcher Härte verfolgt wird. Manch ein Totschläger findet in Berlin bei den Richtern ein milderes Urteil.
Das Gericht vertagte sich, Johann Christian wurde aus der U-Haft mit strengen Auflagen wie für einen Schwerverbrecher entlassen.
Abgesehen vom Sinn oder Unsinn brennender Müllcontainer, abgesehen davon, dass solche Aktionen möglicherweise den Neonazis mehr dienen als schaden, so bleibt doch die Frage, die das Gericht nicht beantworten kann: Der Kanzler hat die Bürger zum mutigen Widerstand gegen neonazistische Umtriebe aufgerufen. Wie aber soll ein Aufstand der Anständigen aussehen? Wie soll man einen Aufstand gesetzeskonform durchführen, pflegeleicht für alle Nazis? Die Politik ist darauf eine Antwort schuldig geblieben.

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11.08.2004 Jungle World
Multikulti auf Deutsch

Wenn über eine halbe Million Menschen kommt, dann muss es sich um ein ganz besonderes Volksfest handeln. Oder eben eines, das besonders viele Leute anspricht. Es sollte in Deutschland also unbedingt deutsche Leitkultur anbieten. So dachten sich vermutlich vor acht Jahren die Erfinder der Berliner Biermeile und fügten zusammen, was des Deutschen Herz begehrt: Bier, Bier, Bier und ein paar Bratwürste. Das allein wäre noch nicht schlimm. Doch leider sind jene Menschen, die mit dieser Ausstattung ein "prima Wochenende" zu verleben wissen, ein ganz eigener Schlag. Sie heißen Horst. Und es kommen wahrlich alle Horsts der Region zur Biermeile in Friedrichshain zusammen. Eine Mischung aus Nazis, Ballermann und Hertha-Fankurve. Hmmm, lecker. Wer noch kein Antideutscher war, hier kann er's lernen.

Und wer sich schon immer gefragt hat, was gruseliger ist, besoffene Hooligans oder besoffene Brandenburger Landjugend, stiernackige Fleischklöpse oder bierbäuchige Spießer, der wird unter Umständen feststellen, dass man auch alles in einem sein kann, zumindest als ideeller Gesamtbiermeilenbesucher. Diese charmante Gesellschaft also drängelte sich am vergangenen Wochenende zunehmend alkoholisiert und bei steigendem Adrenalinspiegel durch die unzähligen Schaustellerstände, um sich - was dringend notwendig erscheint - fortzubilden. Ihr Wissensdurst galt jedoch ausschließlich jener Droge, an der jedes Jahr in Deutschland 40 000 Menschen sterben. Ein Volksauflauf von Süchtigen auf der Suche nach dem neuen Kick. Bier aus aller Herren Länder. Afrikanisches, tschechisches, chinesisches und finnisches Bier, mit Kirsch-, Bananen- oder Zitrus-Geschmack. Über 1 700 Biersorten aus 80 Staaten. Das ist Multikulti auf Deutsch! Und nirgends ein Zelt der Drogenberatung oder ein Infostand der Anonymen Alkoholiker.

Diesmal gab es erstmals eine Kundgebung gegen diesen lebendig gewordenen Alptraum. Antifas aus dem Bezirk hatten ihn organisiert, weil sich in den letzten Jahren auch zahlreiche organisierte Faschos auf der Biermeile versammelt hatten. Und so standen rund 200 Linke in respektvollem Abstand zu dem Besäufnis auf der anderen Seite einer großen Kreuzung an der Karl-Marx-Allee (sic!) und ließen verlauten: "Unser Spaß sieht anders aus." Auf keinen Fall habe man antihedonistisch wirken wollen, versicherten die Veranstalter. Doch die eingeladene Live-Band Egotronic sagte ab, weil ihnen der Szeneknatsch auf die Nerven ging, den es um ihre Einladung gegeben hatte, weil sie als Antideutsche gelten. So viel zum Thema Spaß in der deutschen Linken … Da erfreut es einen dann umso mehr, wenn es Leute schaffen, die in jeder Hinsicht ganze Wahrheit des Tages in nur vier Worten auf ein Transparent zu bannen: "Gegen das deutsche Reinheitsgebot!" (Kompliment!)

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09.08.2004 TAZ
Wo Rechte Bier und Met saufen sollen

Beim "Internationalen Bierfestival" an der Karl-Marx-Allee, sagen Antifas, gab es einen Stand für Neonazis. Nur wo?

Die "Antifa Friedrichshain" brachte es an den Tag: Auf dem "8. Internationalen Berliner Bierfestival" an der Karl-Marx-Allee, wo rund 600.000 Normalos biertrinkender Weise gezählt worden seien, gebe es auch in diesem Jahr wieder einen "Anlaufpunkt für organisierte Berliner Neonazis". Hieß der Stand der Faschos auf dem laut Eigenwerbung "längsten Biergarten der Welt" in den vergangenen Jahren passend "Odinstrunk", sei er in diesem Jahr unter dem Namen "Imkerei Schwaßmann" anzutreffen, und zwar nahe dem Stand "Preußenpils". Imkerei wegen Met und Germanen - alles klar?
Die Präsenta GmbH, die das Festival mit mehr als 240 Brauern aus 80 Ländern organisiert, betont dagegen, dass die Imkerei Schwaßmann dieses Jahr "aus den besagten Gründen" nicht dabei ist, wie ihr Geschäftsführer Lothar Grasnick sagt. Die Imkerei und der "Odinstrunk" seien in den vergangenen Jahren "immer wieder Stein des Anstoßes" gewesen. Mit Biertrinkern, die offenkundig solche politische Einstellung gehabt hätten, habe es in den vergangenen Jahren an den genannten Ständen immer wieder mal Rangeleien gegeben, so Grasnick. Deshalb habe man die Geschäftsbeziehung mit der Imkerei beendet.
Die "Antifa Friedrichshain" aber wollte dem nicht glauben. "Diese Jungnazis lassen kein Besäufnis aus, wenn es darum geht, sich ihre Mädelgruppe schönzutrinken", lästerte man in "indymedia". Zum "Biermeile smashen!" wurde aufgerufen. Am Samstag gab es eine kleine Demonstration gegen die Biermeile unter dem Motto: "Alltagsrassismus, Saufgelage und Chauvinismus. Unser Spaß sieht anders aus!" Am Freitag, so die Information aus Antifa-Kreisen, habe es den "Honigbier-Stand" noch gegeben. Dann aber habe man zuerst den Namen "Schwaßmann", dann den ganzen Stand hinter Planen verschwinden lassen.

Also was jetzt: Gibt es den Nazi-Stand oder nicht?
Die Recherche vor Ort ist trotz vieler bierselig-roter Gesichter ernüchternd. Bier aus Saigon, Met an der "Luther-Schänke" mit einer Kellnerin in knappem Nonnendress. Doch da: drei Jungmänner mit zumindest sehr kurzen Haaren. Ein "Fighting-Back"-T-Shirt schmückt den breitesten der drei, auf dem Hemd eines anderen mit Glatze ist die Karikatur eines Skinheads mit überdimensionalem Oberkörper zu sehen. Darunter der Spruch: "Wir machen auch Hausbesuche". Wo gehen sie hin? Führen sie den Weg zur "Imkerei"/zu Odin?
Die drei Kameraden laufen entspannt über die Biermeile. Keine Schlägerei an den Vietnamesen-Ständen. Kein Anhalten am Stand der Brauerei "Ritter Kahlbutz", der "erotisches Bier" anpreist. Nur eine kurze Augenflirterei mit kurz berockten Mädels vom "Dingslebener" Stand.
Da, kurz vor dem Ende der Meile, halten sie dann doch, lassen sich drei Bier am Ausschank vom "Neuzeller Klosterbräu" ausschenken. Sie trinken Bier. Sie trinken immer noch. Nichts passiert. Ein paar Minuten später nähert sich ein Glatzkopf von "Ultima Thule", offenbar ein Fußball-Fanclub, dem gleichen Stand. Er lässt sich von einer Hübschen die Glatze kraulen. Dann holt auch er sich ein Bier. Und trinkt. Und nimmt wieder einen Schluck. Tja. Sind die Mönche jetzt Nazis?
Die Kellner von der Klosterbrauerei haben keine Mönchskutten an - ist das verdächtig? Ein Mitarbeiter der Brauerei trägt ein schwarzes T-Shirt: "Give beer a chance", steht darauf. Ist das nun ein brauner Code? So was wie "Lonsdale" oder "18"? Die Rechten trinken weiter. Ihr Bier. Die Klosterbrauerei gibt es seit 1589. Auch ein Code?
Ach, was solls?! Abbruch der Recherche. Bier trinkende Rechte zu beobachten ist wenig informativ. Lass sie saufen, die Nazis!

PHILIPP GESSLER

Leserbrief zu: Wo Rechte Bier und Met saufen sollen

Lieber PHILIPP GESSLER,
In ihrem pointierten Artikel behaupten Sie indirekt, dass die Antifa Friedrichshain die Bedrohung durch rechtsextreme Übergriffe auf dem "Berliner Bierfestival" nur herbeirede und dass sich ein Treffpunkt von Neonazis von Ihnen nicht ausmachen ließ. Auch wenn sich ein Treffpunkt nicht so wie in den letzten Jahren genau lokalisieren ließ, waren dennoch viele Neonazis und biertrinkende Normalbürger mit rassistischen Ressentiment auf der "Biermeile", was wir nicht zuletzt bei unserer Kundgebung am Samstag mit dem Motto"Alltagsrassismus, Saufgelage und Chauvinismus.. Unser Spaß sieht anders aus!" durch ständige Pöbeleien der Festivalbesucher unmissverständlich mitbekamen. In Ihrem Artikel fordern Sie "Lass sie saufen, die Nazis!". In Anbetracht der Auswirkungen von rechten und rechtsextremen Denk- und Verhaltensweisen, die sich bundesweit immer wieder in grausamen Gewalttaten zeitigen, ist die Aussage Ihres Artikel wohl dem geschuldet, dass Sie nicht zur potentiellen Opfergruppe von Nazis gehören und Ihnen egal ist was der alkoholisierte Nazi neben Ihnen nach dem Fest so alles anstellt. Da wir nun aber diese Entwickling nicht nur am Samstag sondern seit fünf Jahren beobachten lautet unsere Forderung: Null Toleranz für Nazis. Nirgendwo!

"Ultima Thule", ist übrigens kein Fußball-Fanclub, wie von Ihnen vermutet, sondern ein schwedisches Rechtsrock-Label, dass die gleichnamige Rechtsrockband verlegt und von der Klamottenmarke "Thor Steinar", die fast ausschließlich von Neonazis getragen wird, als Label verwendet wird (mehr dazu unter: www.stop-thorsteinar.de.vu).
Auf unserer Internetseite www.antifa-fh.de.vu ist eine Chronik von rechtsextremen Übergriffen auf der Biermeile in den letzten Jahren.

Markus Roth, Antifa Friedrichshain

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09.08.2004 Berliner Zeitung
Nicht nur kühles Blondes

Einen Besucherrekord gab es beim 8. Berliner Bierfestival: Mehr als 6 000 Gäste besuchten von Freitag bis Sonntag die Meile auf der Karl-Marx-Allee. Dort gab es nicht nur kühles Blondes, sondern auch Schwarzbier und verschiedene Mischungen. 1 700 Sorten aus 80 Ländern wurden angeboten, 240 Brauereien waren vertreten. Das Fest verlief störungsfrei. Zuvor hatte die Antifa Friedrichshain eine Gefährdung ausländischer Besucher durch Neonazis befürchtet. Die Polizei hatte deshalb zwei Hundertschaften im Einsatz.

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07.08.2004 Berliner Zeitung
Stammtisch unter Polizeischutz
Zwei Hundertschaften sollen Randale beim Bierfest verhindern

Auf den ersten Blick ist alles wie immer: Auf zwei Kilometern entlang der Karl-Marx-Allee haben Brauer aus vielen Ländern Stände aufgebaut und bieten ihre Produkte an. Für ein Wochenende gilt die Meile als längster Biergarten der Welt, 500.000 Besucher werden erwartet, Touristen reisen extra aus dem Bundesgebiet an. Doch etwas ist besonders bei diesjährigen, 8. Internationalen Berliner Bierfestival: die hohe Polizeipräsenz. Schon zur Eröffnung am Freitagnachmittag patroulierten mehr Beamte als sonst übers Festgelände.
"Wir haben zwei Hundertschafften im Einsatz, das sind doppelt so viele Polizisten wie in den Vorjahren", sagt Thomas Stapel, Polizeihauptkommissar vom Abschnitt 58. Auch Zivilbeamte und Mitarbeiter der Abteilung Politisch motivierte Kriminalität sowie ein Mobiles Einsatzkommando sind im Einsatz. Der Grund: In den vergangenen Jahren waren vermehrt Rechtsradikale aufgetaucht. Immer wieder kam es zu Pöbeleien und Schlägereien von Hooligans, Flaschen wurden auf Polizisten geworfen, die dagegen einschritten. Mehrere Menschen wurden festgenommen. Es habe so viele Verstöße wegen Landfriedensbruch gegeben, dass die Beamten mit der Arbeit nicht nachgekommen seien, sagte ein Polizist am Freitag. Und: "Unsere Kräfte reichten nicht aus, deshalb haben wir in diesem Jahr mehr Personal im Einsatz."
Treffpunkt der Rechten war der Bierstand "Germanenzug" an dem es die Sorte "Odin-Trunk" zu kaufen gab. "Es wurde auch der Hitlergruß gezeigt und laut "Heil Hitler" gerufen", sagte Polizeihauptkommissar Stapel. Der Geschäftsführer des Biermeilen-Veranstalters Präsenta, Lothar Grasnick, hart reagiert: "Den Germanenzug mit dem Odin-Trunk gibt es in diesem Jahr nicht", sagt er.
Vor allem gegen Ausländer und Linke würden sich Aggressionen rechtsgerichteter Festbesucher richten, befürchtet die Antifa Friedrichshain. "Mit der Biermeile wird der als alternativ geltende Stadtbezirk zu einer Gefahrenzone", fürchtet der Antifa-Sprecher Markus Roth. Denn: "Otto Normalverbraucher betrinkt sich ohne Scheu gemeinsam mit braunen Kameraden."
Darum rufen die Antifa und die linke Gruppe Schönerfriedrichshain zu einer Gegenveranstaltung auf. Unter dem Motto "Unser Spaß sieht anders aus", wollen sich die Organisatoren am Sonnabend von 16 bis 21 Uhr am Frankfurter Tor zu einer Kundgebung versammeln und gegen Alltagsrassismus, Saufgelage und Chauvinismus" demonstrieren. Sie wollen auch Flugblätter entlang der Biermeile verteilen und die Besucher über rechte Gruppierungen und Kameradschaften informieren. "Wir haben nichts gegen Bier, aber dagegen, dass Linke und Ausländer auf der Meile angepöbelt und geschlagen werden", sagt Markus Roth.

Gegen Durst auch Wasser trinken
Die Polizei befürchtet nicht, dass es während der Kundgebung zu Ausschreitungen kommt. Ob das Bierfestival generell friedlich bleibt, sei aber auch stark vom Wetter abhängig, sagt Polizeikommissar Stapel. "Ist es brütend heiß, reagieren manche Besucher aggressiver als sonst und gehen schnell aufeinander los." Für das Wochenende sind Temperaturen um 30 Grad Celsius angekündigt. "Da sollten die Festivalgäste weniger Bier trinken als gewöhnlich und zwischendurch auch mal Mineralwasser zu sich nehmen", rät der Arzt Klaus Albrecht von der Rettungsstelle im Klinikum im Friedrichahin.

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01.08.2004 Neues Deutschland
Angstfreier Raum ohne Reinheitsgebot
Stefanie Tupotzkick vom antifaschistischen Bündnis "Schöner Friedrichshain zur "Biermeile"

Zum achten Mal findet vom 6. bis 8. August das "Internationale Bierfestival" auf der Karl-Marx-Allee in Friedrichshain statt. Wieder werden hunderttausende Besucher erwartet. Nach Angaben lokaler antifaschistischer Gruppen kam es in Vergangenheit immer wieder zu gewlttätigen Übergriffen. In diesem Jahr wollen die Initiativen ein Alternativprogramm anbieten. ND sprach mit Stefanie Tupotzik vom antifaschistischen Bündnis "Schönerfriedrichshain".

Was ist der Hintergrund für ihr Alternativprogramm?
In den vergangen Jahren hat es unter der Bierfahne immer wieder Übergriffe auf alternative Jugendliche, Migranten oder solche Menschen gegeben, die dafür gehalten werden. Auf der und um die Biermeile herum sorgen Neonazis und betrunkene deutsche Familienväter immer wieder dafür, dass ein Angstraum entsteht. Diesen wollen wir aufbrechen, wir werden nicht zulassen, dass Rasissten und Antisemiten eine No-Go-Area für alle die errichten, die nicht in ihre beschränkte Zigarrenkistenwelt passen.

Wieseo bieten Sie auch eine Art Volksfest an? Wären nicht andere Aktionsformen erfolgversprechender?
Wieso kein Volksfest? Es gibt sogar Live-Musik. Es spielen Kissing Link und Egotronic. Was wir anbieten wollen, ist ein angstfreier Raum ohne Reinheitsgebot. Im Ernst. Es geht uns darum, deutlich zu machen, dass auf dem Bierfestival Neonazis in der letzten Jahren sowohl vom Betreiber als auch von den sich dort Betrinkenden geduldet wurden. Wir wollen allerdings ein schönes Friedrichshain, frei von hässlichen Neonazis. Deshalb werden wir nicht zusehen, wie sie eute anpöbeln oder körperlich angreifen.

Wie steht es um den weltoffenen Charakter der Biermeile? Ist der Realität?
Die Weltoffenheit der Biermeile besteht doch lediglich in der internationalen Auswahl der feilgebotenen Biersorten. Sie können dort ja mal als Lesbe, als Farbiger oder mit bunten Haaren langgehen - die einen werden Sie nur komisch ansehen, die dummen Neonazis werden machen, was ihnen gut steht: Affengeräusche.

Und warum kritisieren Sie den multikulturellen Konsens in ihrem Aufruf?
Nun, eine beliebte Gegenstrategie gegen Deutschtum ist, die "Buntheit" der "Ausländer" zu betonen. Das romantisiert aber andere Kulturen, wie auf dem Karneval der Kulturen. Dort tanzt man im Rhythmus afrikanischer Musik, aber ansonsten hat man kein Problem mit der folgenlosigkeit rassistischer Übergriffe für die Täter oder mit Massenabschiebungen. Diesen gutgemeinten, aber letztlich repressiven multikulturellen Konsens wollen wir auch kritisieren.

Wie sieht Ihr Spaß aus?
Wir laden abends nach Kundgebung und Konzert zu unserer Aftershowparty ein. Dort wird unser Spaß praktisch werden: vielfältig, kreativ, ausgelassen. Einfach nur am Biertresen stehen und seine Männlichkeit dadurch zu beweisen , viel Gerstensaft in kurzer Zeit schlucken zu können, ist unsere Sache nicht.

Alternative Kundgebung "Unser Spaß sieht anders aus!" am Sonnabend, 7.8., ab 16 Uhr, am Frankfurter Tor

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Berliner Zeitung 07.06.2004
Polizei beendet Nazi-Konzert in Lichtenberg
Verurteilter Landser-Sänger wieder auf der Bühne
Andreas Kopietz

Etwa 160 Polizisten haben am Sonnabend in Lichtenberg ein Konzert von Neonazi-Bands beendet. Auf dem Gelände einer Autowerkstatt, die dem früheren NPD-Kreisvorsitzenden Albrecht Reither gehört, waren die Band "Spreegeschwader" und der ehemalige Sänger der "Landser", Michael Regener, aufgetreten. Die Polizisten, die von einem Spezialeinsatzkommando (SEK) unterstützt worden seien, hätten ewa 60 Personen überprüft, teilte eine Polizeisprecherin mit.
Der 38-jährige Michael Regener, alias "Lunikoff", ist für die Polizei kein Unbekannter. Den Frontmann der Band "Landser" verurteilte das Kammergericht im Dezember zu drei Jahren und vier Monaten Haft. Seine Band wurde als kriminelle Vereinigung eingestuft. Seitdem wird Regener in der rechten Szene als Held gefeiert, die Schwarzmarktpreise für Landser-CDs schossen in die Höhe. Seine Haft musste Regener noch nicht antreten, weil er gegen das Urteil Revision einlegte.
Somit hat er Zeit, in der Szene für seine CD "Die Lunikoff-Verschwörung" zu werben. Er produzierte sie während der Zeit des Prozesses im vergangenen Herbst. Die Texte ließ er von Anwälten auf Strafbarkeit prüfen. Und so hetzte "Lunikoff", begleitet von "Spreegeschwader", am Sonnabend nicht wie sonst gegen "Nigger" und "Türkenschweine" sondern bot Texte dar wie: "Deutscher Soldat, treuer Kamerad..." oder "Wir saufen uns heute tot". SEK und Schutzpolizisten konnten deshalb nicht viel ausrichten: Sie schrieben zwei Anzeigen wegen Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen, eine wegen Beleidigung eines Beamten und eine gegen den Werkstatt-Besitzer. Dieser hatte unerlaubt ein Fass Altöl herumstehen lassen.

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19.05.2004 TAZ
Wehret den Bollerwagen
Vatertag in Friedrichshain

Ein linkes Bündnis protestiert gegen die Vereinnahmung des Vatertags durch Neonazis. Denn in den vergangenen Jahren kam es wiederholt zur Allianz betrunkener Familienväter und grölender Rechter

Morgen ist Christi Himmelfahrt, Feier- und Vatertag. Landauf- und abwärts ziehen fröhliche Herren und ausgelassene Familienväter durch Wälder, über Wiesen und am Ende des Tages auch durch die Kneipen. Was für so manch einen Bierpächter zum umsatzstärksten Abend wird, endet für viele Väter nach stundenlangen Bierorgien mit Hitzeschlag und Brummschädel.
Das ist die harmlose Variante. Nicht so harmlos ist es, wenn es zur Allianz besoffener Familienväter und grölender Neonazis kommt. So geschehen an manchem Vatertag der vergangenen Jahre insbesondere im Ostteil der Stadt. So kam es auch in den Bezirken Friedrichshain und Lichtenberg wiederholt zu Vorfällen mit glatzköpfigen Skins, die Behinderte anpöbelten, Frauen bedrohten und Migranten schikanierten - und das zum Teil unter dem tosenden Beifall besoffener Familienväter.
Damit der Feiertag nicht wirklich zum Himmelfahrtstag wird, ruft eine linke Initiative zu einer Kundgebung mit anschließendem Picknick auf. "Angsträume beseitigen! Chauvinismus entgegentreten! Den Nazis ins Bier spucken!", so das Motto. Am auch Herrentag genannten Vatertag könnten sich die "rassistischen und sexistischen Tendenzen entladen, denn da ist Vater richtig frei", schreiben die Herrentags-Gegner in ihrem Aufruf, der unter www.schoenerfriedrichshain.de im Internet zu lesen ist. Weiter heißt es: "Auch in Friedrichshain werden sie [die Neonazis] herumwanken und allen Nichtdeutschen, Nichtweißen und Nichtmännern das Leben zur Hölle machen."
In der Tat häufen sich in den linksalternativen Kiezen von Friedrichshain auch an anderen Tagen im Jahr die rechtsextrem motivierten Übergriffe. So zum Beispiel im Februar, als vier Neonazis zwei junge Männer am U-Bahnhof Frankfurter Tor krankenhausreif schlugen. Herumgesprochen hat sich im Kiez auch, dass sich auf der so genannten Biermeile auf der Karl-Marx-Allee immer wieder stadtbekannte Nazikader sammeln und anschließend pöbelnd durch die Straßen ziehen. Und am U-Bahnhof Frankfurter Tor kommt es in letzter Zeit immer wieder zu Nazi-Schmierereien.
Die Kundgebung "gegen Chauvinismus" und für "angstfreie Räume" soll morgen um 14 Uhr am Petersburger Platz beginnen. Nur den Aufruf "den Nazis ins Bier zu spucken" sollte man nicht zu wörtlich nehmen. Das hat nämlich wirklich nichts mit Mutproben zu tun, sondern ist schlicht und einfach ekelig.

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02.05.2004 Morgenpost
Randale bei NPD-Demo
Ausschreitungen überschatten Protestzug in Lichtenberg - 55 Festnahmen

Harte Auseinandersetzungen haben gestern Nachmittag die Demonstration der NPD in Lichtenberg überschattet. Etwa 2300 Anhänger der rechtsextremistischen Partei hatten sich vom Bahnhof Lichtenberg in Richtung Innenstadt bewegt. Die Veranstalter hatten mit weit mehr als 2500 Teilnehmern gerechnet. Nachdem der NPD-Zug gegen 16 Uhr aufgebrochen war und auf die Frankfurter Allee marschierte, kam es auf Höhe der Petersburger Straße zu schweren Unruhen: 150 bis 700 Autonome und zum Teil vermummte Störer zerrten Müllcontainer auf die Fahrbahn, errichteten Barrikaden und steckten sie in Brand. Zuvor war gegen 12 Uhr die offizielle Gegendemonstration mit 2500 Teilnehmern am Boxhagener Platz von den Veranstaltern wegen Ausschreitungen abgebrochen worden.
Nun wurden einschreitende Polizeikräfte erneut mit Steinen beworfen. Wasserwerfer wurden eingesetzt, um die Flammen zu löschen und die Randalierer auseinander zu treiben. Gegen 17.30 Uhr eskalierte die Situation: Autonome erklommen ein Häuserdach an der Frankfurter Allee und legten dort Depots von Pflastersteinen an. Der Einsatzleiter der Polizei konstatierte Gefahr für Leib und Leben von Demonstranten und unbeteiligten Passanten und beorderte umgehend das Spezialeinsatzkommando (SEK) in das Einsatzgebiet, um das Dach räumen zu lassen. Ein junger Mann erlitt schwere Verletzungen, als er offenbar von einem Einsatzwagen der Polizei angefahren wurde. Auch zwei Polizisten wurden verletzt. Autonome errichteten immer wieder in kleinen Gruppen an verschiedenen Orten Barrikaden. Bis zum frühen Abend wurden 55 Personen festgenommen, darunter neun, weil sie verfassungswidrige Kennzeichen verwendet hatten. 17 erhielten Platzverweise, die bis heute morgen galten. Der Abmarsch des NPD-Aufzuges hatte sich am Mittag um fünf Stunden verzögert, weil es bereits zu Auseinandersetzungen zwischen linken Gegendemonstranten und der Polizei kam. Die Beamten mussten den Weg für die angemeldete und genehmigte Demonstrations-Route frei räumen. Autonome, aber auch Bürger mit Kinderwagen stellten sich den Rechten mehrfach in den Weg. Schließlich konnte die NPD nicht auf der angemeldeten Route weiterlaufen, sondern musste gegen 18.30 Uhr an der Möllendorffstraße umdrehen und zum Bahnhof Lichtenberg zurück ziehen, wie Polizeisprecherin Peggy Rienow sagte. Die Neonazis hatten zunächst triumphiert, weil das Oberverwaltungsgericht am Freitagabend Auflagen zur Demonstration gelockert hatte.

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20.04.2004 Tagesspiegel
Terrorzelle oder Spinnertruppe?
Rätselraten nach dem Polizeieinsatz gegen die Möchtegern-Wehrsportgruppe "Kameradschaft Nordland"

Sie kostümierten sich als Wehrsportgruppe und gaben sich einen martialischen Namen: Die "Kameradschaft Nordland" hat vom Vierten Reich geträumt, mit einer Neuauflage der Waffen-SS und weiterem Nazi-Brimborium. Am vergangenen Wochenende machten Berliner Polizisten dem Mummenschanz in einem Brandenburger Waldstück erst einmal ein Ende. Doch es ist unklar, wie gefährlich der Neonazitrupp war - oder noch werden könnte. Bis auf einen Rechtsextremisten, der einen Mann zusammengeschlagen haben soll, wurde keiner der vorläufig Festgenommenen dem Haftrichter vorgeführt.
Das Landeskriminalamt hatte bei seinen mehrmonatigen, aufwändigen Ermittlungen Hinweise erhalten, die Kameradschaft verfüge über Waffen. Außerdem gelten die Mitglieder als fanatisch und gewaltbereit. Zu den sieben Festgenommenen zählt beispielsweise der ehemalige Kroatien-Söldner Eckart B. Anfang der neunziger Jahre waren vermutlich rund 100 deutsche Neonazis auf den Balkan gereist, um im jugoslawischen Bürgerkrieg mitzumischen. Sicherheitsexperten bezweifeln jedoch, dass B. Kampferfahrung gesammelt hat. Die meisten Neonazis seien den Grausamkeiten des Krieges nervlich nicht gewachsen gewesen, heißt es. Dass B. und die Kameradschaft Nordland nun aufrüsten, wird bezweifelt. "Eine Terrorzelle ist das nicht", sagt ein Experte. Fraglich bleibt aber, wo die vermuteten Waffen sind. Oder ob sie überhaupt existieren. Fan

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19.04.2004 Tagesspiegel
Nächtlicher SEK-Einsatz gegen Zeltlager von Rechtsextremen.
Polizei ermittelte seit Monaten gegen die „Kameradschaft Nordland“

Das Lager der Rechtsextremen war gut getarnt: vier Zelte in einem Waldstück bei Finowfurt im Landkreis Barnim, Abdeckplanen mit Tarnmuster, auch die Bewohner teilweise in Tarnkleidung, der Proviant in Munitionskisten verstaut. Seit Freitagabend hatte sich die Gruppe dort aufgehalten, dabei manche Flasche geleert, ein Lagerfeuer entzündet – bis in der Nacht zu Sonntag die Polizei zuschlug. Gegen drei Uhr, als das Feuer fast herunter gebrannt war, wurden zwei Leuchtraketen gezündet, dann stürmten die Beamten das Camp. Fast ausschließlich Berliner Kräfte waren daran beteiligt, darunter ein Spezialeinsatzkommando (SEK), ein Mobiles Einsatzkommando, die Spezialeinheit PMS (Politisch Motivierte Straßengewalt) und der Staatsschutz im Landeskriminalamt.
Die fünf anwesenden Rechtsextremen wurden vorläufig festgenommen, bei anschließenden Durchsuchungen in 15 Wohnungen, Geschäften und einem Lokal – überwiegend in Berlin – wurden zwei weitere Personen in Gewahrsam genommen. Die Männer sind zwischen 26 und 48 Jahre alt. Die Rechtsextremisten seien „einschlägig polizeibekannt“, unter anderem wegen Bandendiebstahls, Körperverletzung sowie Verstößen gegen das Betäubungsmittel- und Waffengesetz.
Das Lager glich einer Müllhalde, hieß es bei den Einsatzkräften. Die Beamten fanden Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Hieb-, Stich- und Gaswaffen. Bei den Wohnungsdurchsuchungen wurde auch ein Sprengkörper, möglicherweise eine Übungsgranate der Bundeswehr, sichergestellt.
Die Neonazis werden der „Kameradschaft Nordland“ zugerechnet. „Nordland“ hieß eine Division der Waffen-SS, nach Tagesspiegel-Informationen aus Sicherheitskreisen wird vermutet, dass sich die Kameradschaft daran orientiert. Seit mehreren Monaten werden gegen die Gruppe aufwändige Ermittlungen unter der Leitung der Berliner Staatsanwaltschaft geführt. Der Verdacht richtet sich auf die Bildung einer kriminellen Vereinigung. Zu den Festgenommen gehören der ehemalige Kroatien-Söldner B., der sich ein Jahr lang im jugoslawischen Bürgerkrieg verdingt hatte, sowie ein Mitglied der Rechtsextremen-Band „Spreegeschwader“. Zudem waren Personen darunter, die beim Prozeß gegen die Neonazi-Band „Landser“ im Publikum gesessen haben sollen. fan/tabu

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19.02.2004 PRESSE
Fremdenfeindliche Attacke auf Bahnhof Warschauer Straße: Festnahmen

Berlin (dpa/bb) - Auf dem Berliner S-Bahnhof Warschauer Straße ist es zu einem fremdenfeindlichen Angriff auf einen Kolumbianer gekommen. Wie der Bundesgrenzschutz am Donnerstag mitteilte, wurde der 39-Jährige am Vortag von drei Deutschen zunächst beleidigt und dann angegriffen. Vier andere Jugendliche beobachteten den Überfall und eilten dem Opfer zur Hilfe. Es kam zu einer Schlägerei, die erst durch BGS- und Polizeibeamte beendet werden konnte. Die Täter wurden den Angaben zufolge gestellt und vorläufig festgenommen.

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04.02.2004 Verfassungsschutz Berlin
Gefahr zunehmender Auseinandersetzungen zwischen Rechts- und Linksextremisten in Berlin

Anlässlich einer Plakat-Aktion aus dem linksextremistischen Spektrum, die sich gegen Berliner Rechtsextremisten richtet, befürchtet der Verfassungsschutz Berlin eine Zunahme von Auseinandersetzungen zwischen Rechts- und Linksextremisten in Berlin.
Eine bislang noch nicht in Erscheinung getretene Initiative "BürgerInnen beobachten Neonazis" verbreitet dieser Tage ein Plakat mit Fotos und Namen von 12 Männern, die als bekannte Neonazikader bezeichnet werden. Die Urheber dieser Aktion teilten per Pressemitteilung am 2. Februar 2004 mehreren Zeitungen mit, dass bis zu 12000 Plakate geklebt werden sollen, insbesondere nahe der Wohnorte der abgebildeten Personen. Aufgrund der im Text der Pressemitteilung und auf dem Plakat enthaltenen szenetypischen Floskeln ist davon auszugehen, dass die Urheber der Plakat-Aktion aus dem linksextremistischen Antifa-Spektrum stammen. Die Plakat-Aktion steht im Zusammenhang einer fortwährenden Auseinandersetzung zwischen Rechts- und Linksextremisten.
Eine zentrale Rolle spielen dabei auf der linksextremistischen Seite die sogenannte Antifa und auf der rechtsextremistischen Seite die "Anti-Antifa". Ziel beider Kampagnen ist die Sammlung und Veröffentlichung von Informationen und persönlichen Daten über Personen, die jeweils als der politische Gegner identifiziert werden. Der "antifaschistische Kampf" gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten bildet einen Aktionsschwerpunkt der linksextremistischen autonomen Szene. In Berlin sind neben kleinen Stadtteil-orientierten Antifa-Gruppen vor allem die "Antifaschistische Linke Berlin" (ALB) aktiv. In unregelmäßigen Abständen werden von einer sogenannten Antifa-Recherche Publikationen über Rechtsextremisten und deren Aktivitäten veröffentlicht. Diese Publikationen enthalten neben Fotos oft auch Anschriften und Telefonnummern tatsächlicher oder vermeintlicher Rechtsextremisten. Diese Veröffentlichungen sind unverhohlene Aufforderungen, gegen die genannten Personen, Firmen oder Einrichtungen "aktiv" zu werden. In der linksextremistischen Publikation "Interim" hieß es im Jahr 2001 "Nazis anzugreifen und evtl. ins Krankenhaus zu schicken ist richtig".
Im Zuge dieser Antifa-Kampagne kam es in der Vergangenheit in Berlin zu schweren Straftaten, u. a. Brandstiftungen und schwere Körperverletzungen.
Im rechtsextremistischen Spektrum wurde erstmals Mitte der 80er Jahre Versuche unternommen, eine "Anti-Antifa-Arbeit" zu organisieren. Die Aktivisten der Anti-Antifa rekrutieren sich aus dem gewaltbereiten, ideologisch gefestigten Personenkreis des aktionsorientierten Rechtsextremismus. Die Anti-Antifa selber beschreibt sich dabei zunächst nur als Informationssammelstelle zur "Feindaufklärung". Von einem Aufruf zur Gewaltanwendung sehen die Autoren dieser "schwarzen Listen" meist ab, die wahre Intention der Verbreitung von Schrecken und die Vorbereitung von Gewalttaten ist jedoch unzweifelhaft erkennbar. In Berlin trat die Anti-Antifa erstmals in der ersten Hälfte der 90er Jahre aktiv in Erscheinung, zunächst gefördert durch neonazistische unabhängige Kameradschaften und die rechtsextremistische Organisation "Die Nationalen e. V." (1996 aufgelöst). Nach Verfahren gegen mehrere Aktivisten und den Rückzug führender Köpfe kam die Anti-Antifa-Kampagne nach 1997 in Berlin zum Erliegen. Seit Anfang 2002 zeigen sich neue Aktivitäten im Anti-Antifa-Bereich. Die erstmals Mitte 2002 in Erscheinung getretenen "Autonomen Nationalisten Berlin" (ANB) beziehen sich ausdrücklich auf die Anti-Antifa-Programmatik. Das sich aus dem Kameradschaftsumfeld speisende ANB-Projekt ist bislang vor allem durch Teilnahmen an Demonstrationen sowie die Verbreitung von Aufklebern in Treptow-Köpenick in Erscheinung getreten. Auf Demonstrationen führte die ANB Transparente mit der Aufschrift "Organisiert den nationalen schwarzen Blick - Unterstützt örtliche Anti-Antifa-Gruppen. Wehrt Euch und schlagt zurück. Autonome Nationalisten Berlin" mit sich. Im November 2003 wurde der Polizei eine versuchte schwere Körperverletzung gegen einen vermeintlichen "Linken" durch mutmaßliche ANB-Anhänger bekannt.
Die aktuelle Plakat-Aktion muss in diesem Kontext eines neuerlichen Konfliktes zwischen Antifa- und Anti-Antifa-Gruppen - hauptsächlich im Ostteil der Stadt - gesehen werden. Diese Entwicklung birgt das Risiko eines Eskalationsprozesses. In der Vergangenheit kam es immer wieder zu Gewalttaten gegen Personen, die aufgrund ihres Äußeren fälschlicherweise für Mitglieder der links- oder rechtsextremistischen Szene gehalten wurden. Der Verfassungsschutz Berlin legt augrund der genannten Risiken einen besonderen Schwerpunkt auf die Aufklärung von Auseinandersetzungen zwischen Rechts- und Linksextremisten.

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03.02.2004 Berliner Morgenpost
Linksautonome "fahnden" mit Plakaten nach Neonazis

Die Initiative "BürgerInnen beobachten Neonazis" will auf führende Köpfe der Neonazi-Szene in Berlin-Brandenburg aufmerksam machen. Einem gestern an die Berliner Morgenpost gesandten "Brief legte die Gruppe ein Plakat bei. Das zeigt - gestaltet in Anlehnung an polizeiliche Fahndungsplakate - zwölf Männer, die zur Führungsriege gehören sollen. "In der Tat handelt es sich bei ihnen um den harten Kern", bestätigte ein Szenekenner.
Die Auflage des Plakats beträgt 12 000. Nach Angaben der Initiative sollen sie in der Nähe von Wohnorten und Treffpunkten von Neonazis aufgehängt werden. Das Vorhaben beschäftigt auch den Berliner Verfassungsschutz. Sprecher Claus Guggenberger bestätigte auf Anfrage, dass zumindest die Organisationen, denen die zwölf Männer zugeordnet werden, seit längerem im Visier der Verfassungsschützer stehen. "Unabhängig davon, ob uns die einzelnen Personen im Zusammenhang mit Rechtsextremismus bekannt sind, betrachten wir die Aktion mit großer Sorge", sagte Guggenberger. Sie trage sicher zu einer weiteren Zuspitzung der Konfrontation zwischen links- und rechtsextremen Gruppen bei. Nach ersten Erkenntnissen seien die Urheber des Plakats im links-autonomen Lager zu suchen. Die Initiative sei namentlich aber noch nicht in Erscheinung getreten.
Der Polizei sind bislang die Hände gebunden, wie ein Sprecher sagte. Wenn die Plakate ausgehängt würden, müsse die Staatsanwaltschaft prüfen, ob eine Straftat vorliege und die Aushänge zu beschlagnahmen seien.

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22.01.2004 Berliner Zeitung
NPD ist ihren Anhängern zu multikulturell
Parteiaustritte, weil ein Bosnier nominiert wurde

Die rechtsextreme NPD steckt in Berlin und Brandenburg in einer tiefen Krise. In der vergangenen Woche verlor sie den kompletten Kreisverband Prignitz-Ruppin. Auf einer Mitgliederversammlung in Wittstock erklärten alle Anwesenden ihren Parteiaustritt. Unter ihnen auch der Kreisvorsitzende Mario Schulz, der zugleich Landesvorsitzender für Brandenburg war, sowie weitere Mitglieder des Landesvorstands. Wittstock gilt als Hochburg der rechten Szene, der örtliche NPD-Kreisverband Prignitz-Ruppin als einer der aktivsten.
Den Massenaustritt begründet Schulz mit der Nominierung eines gebürtigen Bosniers Safet Babic als Kandidat für die Europa-Wahl. Der 22-Jährige mit deutschem Pass, der im vergangenen Oktober vom Bundesparteitag aufgestellt wurde, ist Student an der Uni Trier. Weltanschaulich versteht er sich als "Befreiungsnationalist". Mit der Nominierung verabschiede sich die NPD von dem Grundsatz "Deutscher ist, wer deutschen Blutes ist", so Schulz. Die NPD reihe sich ein "bei den Feinden unseres Volkes", teilte Schmidt mit. Dass die nationalistische Partei sich rechtsextremen Kräften nichtdeutscher Herkunft öffnet, bezeichnet Schmidts Nachfolger und Bundesvorstandssprecher Klaus Beier als eine "gegenwartsbezogene Entscheidung". Doch so viel Multikulti ist manchem zu viel. In einem rechten Internetforum bringt ein Autor, der sich "Volksgenosse" nennt, auf den Punkt, was viele Rechte denken: "Tatsache ist doch das sich die NPD so sehr an dieses fremde BRD-System angepasst hat, das sie sich von den restlichen BRD-Parteien nicht mehr unterscheidet."
Mario Schulz und andere kündigten derweil an, in Brandenburg eine "Bewegung neue Ordnung (BNO) zu gründen. Diese Organisation könnte der NPD "als Spaltpilz gefährlich werden", glauben Verfasssungsschützer. Die NPD sei die einzige ernst zu nehmende Kraft in der rechtsextremistischen Parteienlandschaft Brandenburgs, heißt es in einer Analyse des brandenburgischen Verfassungsschutzes. "Kaum dass sie sich von dem gescheiterten Verbotsverfahren erholen konnte, droht ihr nun die Spaltung."
Seit dem Ende des Verbotsverfahrens im März vergangenen Jahres haben immer mehr Mitglieder der Partei den Rücken gekehrt. Den Anfang machte der Rechtsanwalt Horst Mahler, der in der NPD plötzlich eine "Systempartei" sah. Seitdem sank bundesweit die Zahl der Mitglieder von 6 500 auf 5 000 und in Berlin von 260 auf 200. In Brandenburg sind nicht einmal mehr 200 Parteigänger registriert.


Schulungszentrum und Maidemo

Besonders stark sind die Verluste für die NPD in Berlin. Arbeitsfähig ist noch der Kreisverband Nord, der aus zehn bis 20 Aktiven besteht. Faktisch nicht mehr existent ist der Kreisverband Südwest (Spandau, Zehlendorf). Eine Hand voll Aktivisten gibt es noch in Treptow-Köpenick, und vor kurzem verabschiedete sich auch der Anführer des Kreisverbandes Lichtenberg-Hohenschönhausen: Albrecht Reither, bislang außerdem Landesvorsitzender von Berlin, gab angeblich "aus persönlichen Gründen" auf. Sein Nachfolger Georg Magnus gibt sich dennoch siegesgewiss: "Wir haben keine Probleme", sagte er. Über Mitgliederzahlen gebe er prinzipiell keine Auskunft.
Tatsächlich bleibt abzuwarten, wie viel Einfluss die NPD in der rechten Szene verloren hat. Für 180 000 Euro baut sie neben ihrer Bundeszentrale in Köpenick ein Schulungszentrum für Funktionäre aus ganz Deutschland.
Laut Parteisprecher Beier soll es im April oder Mai eröffnen. Für den diesjährigen 1. Mai hat die NPD eine Großdemonstration in Berlin angemeldet, zu der sie bis zu 3 000 Teilnehmer erwartet. Gerade dort wollen die Rechten Einheit demonstrieren. Deshalb wird der Aufruf von vielen "freien Kräften" unterstützt: von der "HateCrew 88" über die Pommersche Aktionsfront bis hin zum "Wattenscheider Widerstand".

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26.11.2003 TAZ
Rache für Waldsterben in Brandenburg
Vor Gericht rechtfertigt sich der Rechtsextremist, der im Wahlkampf den Grünen-Abgeordneten Ströbele angriff...

Das Geständnis, den Grünen-Parlamentarier Hans-Christian Ströbele zwei Tage vor der Bundestagswahl im September 2002 hinterrücks angegriffen zu haben, kommt dem Angeklagten vor dem Berliner Schöffengericht nur schwer über die Lippen. Der vorbestrafte Rechtsextremist Bendix W., in der Neonaziszene als Waffenexperte berüchtigt, faltet erst die Hände über der blau-grünen Lodenjacke.
Er habe an jenem Morgen, als der Direktkandidat Flugblätter auf einer Fußgängerbrücke in seinem Wahlkreis Kreuzberg-Friedrichshain verteilte, seinen "Abneigungen gegen die Grünen" Ausdruck verliehen. Die Partei sei für "die ganze Umweltzerstörung" an seinem Wohnort Wandlitz und für das Waldsterben in einem brandenburgischen Naturschutzgebiet verantwortlich. Zudem, so der 36-Jährige, sei er persönlich in einer "desolaten Lage" gewesen und habe sich auf dem Heimweg von einem Saufgelage befunden.
Den 64-jährigen Ströbele will er "spontan" und "mit der flachen Hand" auf den Hinterkopf geschlagen, dann als "Hurensau" oder "Hurenschwein" beschimpft haben. Einen Schlagstock aus Metall, den Polizisten später in W.s Tasche fanden, will er dabei nicht eingesetzt haben. "Wenn ich den Totschläger verwendet hätte, wäre Ströbele jetzt nicht mehr am Leben."
Der Abgeordnete erlitt eine Gehirnerschütterung und musste alle Termine bis zum Wahltag absagen. "Warum haben Sie mich eigentlich angegriffen?", wollte Ströbele gestern von dem massigen Zweimetermann wissen. Der Politiker hatte W. so lange verfolgt, bis er auf eine Polizeistreife stieß. "Ich war unheimlich empört und wütend, weil die Tat so feige war."
Einen gezielten Angriff auf Ströbele leugnete Bednix W. jedoch beharrlich. Er habe den Abgeordneten nicht erkannt, sondern seiner Wut gegen die Grünen ganz allgemein freien Lauf gelassen. Sein Opfer, das von einem "knallharten Schlag" sprach, hält diese Aussage für wenig glaubwürdig. Zeugen bestätigten, dass der Angeklagte den Infotisch des Parlamentariers eine Viertelstunde beobachtet hatte, bevor er zuschlug. Zudem hätten an dem Wahlstand Plakate mit seinem Namen und Foto gehangen, so Ströbele.
Bendix W. war 1990 erstmals in Berlin als Neonazi-Aktivist in Erscheinung getreten. Er zählt noch immer zum engen Kreis der rechtsextremen Rockergruppe "Vandalen" und ist vorbestraft, unter anderem wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Ein Trio polizeibekannter Rechtsextremisten verfolgte den gestrigen Prozesstag als Zuschauer.
Mit dem Angriff auf Ströbele verstieß W., in dessen Laube Ermittler eine Duellpistole und ein Porträt von SS-Führer Heinrich Himmler fanden, gegen seine Bewährungsauflagen. Trotzdem war er unmittelbar nach der Tat wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Ströbele kritisierte zudem, dass es länger als ein Jahr bis zum Prozessbeginn dauerte. Am 9. Dezember soll nun ein Gutachter feststellen, ob Bendix W. bei dem Angriff seinen Schlagstock einsetzte. Dann entscheidet sich, ob der Mann mit dem Himmler-Bart wegen gefährlicher oder lediglich wegen einfacher Körperverletzung verurteilt wird."

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15.11.2003 Tagesspiegel

Die kleine Kneipe am Rande der Strasse
Im Berliner Fußball-Café in Lichtenberg treffen sich Rocker, Neonazis und gewaltbereite Hooligans. Sie sind Fans des BFC Dynamo - und stehen unter Beobachtung der Polizei

An der Kreuzung steht ein schwarzer BMW aus der 7er-Reihe, auf der Heckscheibe klebt fett ein Schriftzug der Klamottenmarke "Hooligan-Streetwear". Das Auto parkt vor dem "Berliner Fußball-Café". Willkommen in Berlin-Lichtenberg.
Die Berliner Polizei hat die Kneipe kürzlich gleich zwei Mal durchsucht. Das erste Mal, als dort der "Tag der Germanen" stattfand. Das zweite Mal, weil ein Hakenkreuz im Schaufenster zu sehen war. "Wir haben eine interessante Gruppierung angetroffen", sagt der leitende Polizei-Oberrat Michael Hauer. In der Kneipe saßen Mitglieder der "Hell's Angels", Rechte, Rocker und Hooligans. Dass diese Problem-Gruppen so "plakativ" zusammen auftreten, sei früher schon mal vorgekommen, jetzt aber neu, sagt Hauer. Bei der ersten Durchsuchung des "Berliner Fußball-Cafés" stürmte die Polizei den Laden mit 130 Beamten, 36 Personen wurden überprüft, mindestens drei Männer sind Mitglieder der Neonazi-Truppe "Vandalen". Wahrscheinlich sogar fünf. Was ist das für eine Kneipe?
Alfred-Jung-, Ecke Scheffelstraße, 22 Uhr. Es nieselt. "Berliner Fußball-Café" steht in altdeutschen Buchstaben über der Tür. "No Nazis!" wurde in roter Farbe an die Hauswand gesprüht, am 15. September war das, als Vermummte die Eingangstür mit Pflastersteinen einwarfen. Die Tür ist wieder in Ordnung.
"N'abend". Kein Zucken der Männer, sie reden weiter. Unter der Decke hängt ein Fernseher, auf "TVB" läuft eine Immobiliensendung. Lieder aus den Achtzigerjahren dudeln im Hintergrund. Rick Astley. "Ein Bier?", fragt die Bedienung. Die junge Frau trägt Jeans, Basecap, einen "Lonsdale"-Pullover. Die Marke ist in der Szene der Rechten beliebt. Wenn man eine Jacke darüber trägt, diese offen lässt, sind vom Schriftzug meist nur die Buchstaben "NSDA" zu sehen. Den letzten Buchstaben darf sich jeder denken.
Ein Bier also. Der halbe Liter Berliner Pilsner kostet zwei Euro. Die Frau ist freundlich, sie lächelt. An den Wänden hängen Wimpel des BFC Dynamo, Fahnen, Schals, Aufnäher, neben dem Tresen stehen Pokale. Der BFC Dynamo war vor der Wende der Stasi-Klub, danach der Verein für Nazis und Hooligans. Europaweit gilt die Szene nach wie vor zu den härtesten und vor allem: als gut organisiert. In Berlin sind exakt 265 Fußballfans in der "Kategorie C" eingestuft. In dieser internen Liste der Berliner Polizei werden Fans registriert, die nicht nur unter Alkoholeinfluss, sondern gezielt bei Fußballspielen gewaltbereit sind. Der Trend ist rückläufig. Aber von diesen exakt 265 Leuten werden intern 150 dem BFC zugeordnet. Namentlich.
Die Polizei ist noch immer etwas überrascht über die letzten Tage. Die BFC-Fans sind in den vergangenen Monaten gar nicht mehr aufgefallen, in der vergangenen Saison gab es 28 Strafverfahren. Keines wegen des Paragraphen 86a, also nichts, das mit dem Tragen von Nazi-Symbolen zu tun hat. "Das ist kein Nazitreffpunkt", betont Polizei-Oberrat Hauer. Sehr wohl aber kämen die Gäste aus dem "Gewalttäter-Milieu". Ob sie "aktiv" sind, sei eine andere Frage. Die Leute sind bekannt, auch die Eigentümer André S. und Rayk B. Sie sollen ranghohe Mitglieder der Rockergruppe "Hell's Angels" sein. Die Polizei bestätigt das offiziell nicht, intern ist das bekannt. André S. war zudem früher Rädelsführer beim BFC Dynamo. Nazis seien sie nicht, sagt die Polizei. "Sehr konservativ" schon, und vor allem treten sie "provozierend" auf.
Beim BFC Dynamo hätten die beiden nicht mehr viel zu sagen, deren Zeit ist vorbei, sagen Szenekenner. Die jetzige Szene treffe sich woanders. Vielen gehe es mehr um Fußball, als um die "dritte Halbzeit". Und die, die es nicht sein lassen wollen, verabreden sich mit anderen Schlägern lieber in Ruhe vor der Stadt. "Die Wiesenjungs" werden sie genannt. Selbst wenn es so ist, eines bleibt: "BFC", die Abkürzung des Berliner Fußball-Cafés. Sehr zum Ärger der Dynamo-Fans, weil sich die Stadionklientel nicht immer mit der aus der Kneipe deckt. Neulich erst habe man den stadtbekannten Neonazi Oliver S. aus dem Stadion "gebeten", der ist Mitglied der "Nationalen Alternative" (NA).
Am Tresen der Kneipe jedenfalls hängen Zeitungsartikel. Wie Auszeichnungen. "Razzia im Nazi-Treffpunkt!" steht da. Der Gang zu den Toiletten befindet sich neben dem Tresen, er ist schwach beleuchtet, die Wände schwarz, am Ende liegt etwas unscheinbar ein Tattoo-Studio. "Ost-Sektor". Der Laden wurde durchsucht, weil im Schaufenster an der Straße auf einem Foto ein "Hakenkreuz" zu sehen war. Und drinnen haben die Beamten auch noch gleich Stuhlbeine gefunden, die zu einem Hakenkreuz geformt waren. Den Laden gibt es seit Februar. "Ich will das nicht kommentieren", wird der Inhaber des Cafés, André S., am nächsten Tag sagen. "Ich habe einen Anwalt eingeschaltet." Als wir den Laden verlassen, beachtet uns keiner der Gäste. Zwei Männer stehen am Flipperautomaten. Version: Terminator.
Einen Tag später. Das Telefon klingelt, Michael T. ist dran, der Besitzer des Tattoo-Studios. Seine Stimme ist freundlich, aber unsicher. "Sie schreiben was über die Vorfälle?" Er ist nett, wirkt aber unsicher. Was er sagt, will die Polizei später nicht kommentieren. Die Ermittlungen laufen, heißt es. Bei dem im Schaufenster gefunden Hakenkreuz handele es sich um einen "Vorher-nachher-Vergleich", erzählt Michael T. Er habe die "Jugendsünde" eines Mannes "übertätowiert", damit das Hakenkreuz nicht mehr zu sehen sei. Das habe er im Schaufenster gezeigt. "Das sollte Werbung sein, damit man mit so was nicht ein Leben lang rumlaufen muss", sagt der 32-Jährige. "Vielleicht war das naiv." Und das zu einem Hakenkreuz geformte Stuhlbein? "Ein stinknormaler Kleiderständer", sagt er. Empört ist er über die Anschuldigungen nicht, er will nur "zu Wort kommen", denn: "Werbung ist das alles nicht, oder?"
Die Polizei wird den Laden weiter beobachten. Und wenn die Klientel ausweicht, ist es doch leicht zu finden. Am "Lindencenter" in Köpenick hat André S. eine neue Kneipe aufgemacht, sie heißt "Germanenhof". Das klingt merkwürdig, soll aber nichts mit Fußball, Rockern und Rechten zu tun haben, heißt es bei der Polizei. Verstecken kann sich die Szene nicht, daran ist sie selbst Schuld. Der dicke BMW, der da neben all den schweren, langen Autos vor dem "Berliner Fußball-Café" steht, hat noch einen Aufkleber auf der Heckscheibe. Unter "Hooligan-Streetwear" steht: "Kategorie C". Schönen Abend noch.

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20.10.2003 Berliner Zeitung
Schlägerei in der Straßenbahn - Kripo sucht Zeugen wegen widersprüchlicher Aussagen>

Vier jugendliche im Alter von 14 bis 16 Jahren sollen am frühen Sonnabendmorgen in einer Straßenbahn in Friedrichshain zwei dunkelhäutige Männer angegriffen und geschlagen haben. Wegen widersprüchlicher Aussagen hofft die Polizei darauf, dass sich Zeugen der vermutlich ausländerfeindlichen Schlägerei melden werden. "Weil die Opfer spurlos verschwunden sind, wissen wir nicht, was sich in der bahn tatsächlich abgespielt hat", sagte ein Beamter am Sonntag der Berliner Zeitung.
Die Ermittler gehen bisher davon aus, dass die vier mutmaßlichen Täter, die angetrunken gewesen sein sollen, die dunkelhäutigen Männer gegen 4.45 Uhr in einer Bahn der Linie 20 in der Warschauer Straße angepöbelt haben. Nach Aussagen von Zeugen sollen zuerst die Opfer ausländerfeindlich beschimpft worden sein. Andere wollen gesehen und gehört haben, dass die jugendlichen von den dunkelhäutigen Männern beschimpft und beleidigt wurden. Der Fahrer der Bahn alarmierte über seine Leitstelle die Polizei. Fest steht, dass der Streit zur Schlägerei eskalierte. Zwei Mitarbeiter eines Wachschutzunternehmens, die an einer Haltestelle warteten und die Schlägerei bemerkten, schritten ein und beendeten die Auseinandersetzung. Bei der Schlägerei erlitt ein 16-jähriger Schüler aus Pankow Verletzungen am Kopf. Seine Begleiter aus Prenzlauer Berg klagten über Schwellungen im Gesicht. Die Jugendlichen sind der Polizei bereits wegen mehrerer Delikte bekannt.

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06.10.2003 Berliner Zeitung
Razzia in Lichtenberg
Polizei kontrolliert Fußballfans und Rechte

Ein "Tag der Germanen" hat am Freitag in einem Lichtenberger Lokal mit einer Polizei-Razzia geendet. Seit einigen Jahren gibt es diese Veranstaltung im "Berliner Fußball-Café" an der Scheffelstraße- immer am Tag der Deutschen Einheit. Zu der Party mit Honigbier und Hirschbraten kommen zahlreiche Fans des Berliner Fußballclubs Dynamo. Dieses Mal kam auch ein Mitarbeiter des Lichtenberger Wirtschaftsamtes. Vor dem Lokal hätten Tische und ein Grill ohne Genehmigung gestanden, so die Begründung. Der Mitarbeiter brachte auch 130 Polizisten mit. Sie kontrollierten bei dieser Gelegenheit von 14 bis etwa 16.30 Uhr die Gäste. Die Polizisten nahmen einen 37- Jährigen aus Friedrichshain fest, weil er gegen das Verbot des Tragens verfassungswidriger Kennzeichen verstoßen hatte. Er trug eine Mütze mit dem Aufdruck einer SS-Einheit aus dem Dritten Reich. Als Polizisten seine Wohnung durchsuchten, beschlagnahmten sie weitere Gegenstände mit Bezügen zum Dritten Reich. Die Polizei beantragte deshalb Haftbefehl gegen ihn. Ein Richter ließ ihn wieder laufen.

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24.07.2003 Berliner Zeitung
Schläger war auf Bewährung frei -
Vorbestrafter Hooligan hatte Vietnamesen schwer verletzt

Zwei Wochen nach einem Überfall auf vier vietnamesische Jugendliche hat nun doch eine Richterin Haftbefehle gegen zwei 20 und 31 Jahre alte Verdächtige erlassen. Der 20-Jährige war bereits 1999 wegen eines Tötungsdelikts verurteilt und erst in diesem Frühjahr auf Bewährung aus der Haft entlassen worden, teilte die Polizei gestern mit. Er soll als Jugendlicher seinen Vater getötet haben. Die Justiz bestätigte dies gestern nicht. Auch Einzelheiten zu der Verurteilung waren nicht zu erfahren. Beide Verhafteten sind aber als Rechtsextremisten und Hooligans der Polizei bekannt. Beiden wird gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Die Männer waren zuvor bereits zwei Mal festgenommen, aber wieder freigelassen worden. Wie berichtet, sollen die Verdächtigen zusammen mit zwei weiteren Männern am Abend des 8. Juli auf der Pettenkofer Straße in Friedrichshain über die vier Vietnamesen hergefallen sein. Ein 16-Jähriger erlitt dabei durch Schläge mit Billardqueues schwere Gesichtsverletzungen. Nach dem Überfall wurden die Hooligans festgenommen, kamen aber noch in der gleichen Nacht wieder frei. Am 11. Juli wurden sie erneut festgenommen. Dieses Mal weigerte sich offenbar ein Bereitschaftsstaatsanwalt, die Männer einem Haftrichter vorzuführen. Obwohl zu diesem Zeitpunkt die Vorstrafen der Verdächtigen bekannt waren. Dass der 20-Jährige zur Bewährung in Freiheit war, müssen Ermittler und der Staatsanwalt ebenfalls gewusst haben. Nach Auskunft von Justizsprecher Björn Retzlaff muss eine Bewährungsfrist nicht automatisch aufgehoben werden, wenn der Betroffene eine weitere Straftat begeht. Jedoch sah der Staatsanwalt auch Wiederholungsgefahr nicht als ausreichenden Grund für einen Haftbefehl an - obwohl gegen die Schläger bereits wegen anderer Gewalttaten ermittelt worden war. weso

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14.07.2003 Berliner Zeitung
Staatsanwalt lässt Neonazis laufen -
Rechte sollen Vietnamesen verprügelt haben


Nach dem Überfall auf mehrere Vietnamesen in Friedrichshain sind die drei Tatverdächtigen wieder auf freiem Fuß. Der Staatsanwalt habe keine Haftgründe erkennen können, sagte eine Polizeisprecherin am Sonntag. Deshalb habe die Staatsanwaltschaft die drei Männer gar nicht erst einem Haftrichter zum Erlass eines Haftbefehls vorgeführt. Ursprünglich hatte die Polizei angestrebt, dass gegen die vorbestraften Männer im Alter von 20, 23 und 31 Jahren Haftbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung erlassen wird. Polizisten nahmen die Freilassung mit Unverständnis auf. Die der rechten Szene angehörenden Männer aus Malchow, Johannisthal und Pankow sollen am Dienstagabend gegen 23.25 Uhr in der Pettenkofer Straße einen 16-jährigen Vietnamesen und mehrere seiner Landsleute mit Knüppeln und Billardstöcken verprügelt haben. Der Jugendliche erlitt eine Schädelprellung und eine Platzwunde am Mund. Nach der Tat hatte die Polizei zunächst zwei Verdächtige festgenommen. Bei der Durchsuchung ihrer Wohnungen am Freitag fanden Ermittler Hiebwaffen und eine Gaspistole. Am Sonnabendmorgen wurde schließlich der 31-Jährige in seiner Wohnung festgenommen. Trotz der Freilasssung der Verdächtigen nimmt der Kriminalpolizeiliche Staatsschutz Hinweise entgegen und bittet Tatzeugen, sich mit der Polizei in Verbindung zu setzen - vor allem den unbekannten Zeugen, der die Polizei alarmiert hatte. Hinweise an 4664-37 518 oder -37 519. Einen weiteren fremdenfeindlichen Vorfall registrierte die Polizei am Sonnabend in der Nähe, in einem türkischen Imbiss an der Frankfurter Allee. Nach Angaben der Polizei pöbelte ein 34-jähriger Mann ausländerfeindliche Parolen. Er habe einen Betonstein in Richtung eines 38-jährigen Gastes geworfen, sagte ein Sprecher. Mit einem Stuhl habe der Gast den Stein abgewehrt. Der Mann wurde später festgenommen. (kop.) Andreas Kopietz

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22.05.2003 TAZ
Studie: Demokratieschwund im Kiez
Rechtes Friedrichshain, multikulturelles Kreuzberg? Eine Kommunalstudie attestiert dem Fusionsbezirk rassistische Alltagskultur und zunehmenden Antisemitismus. Eine Bestandsaufnahme...

Nie hatte sich Gökhan K. vorgestellt, dass eine Diskussion so folgenreich sein könnte. Der studierte Theologe und Geschäftsführer eines türkischen Gemüseladens am Kottbusser Tor hatte in den beiden Moscheen des Kiezes heftig mit seinen Nachbarn um religiöse Fragen gestritten. Seitdem wartet Gökhan K. auf die ehemalige Kundschaft. Sein Disput für liberalere Ansichten im Islam ließ die ehemaligen Kunden, mehrheitlich orthodoxe Muslime, auf Geheiß des Imams zum Konkurrenzladen abwandern. Alltag im Kreuzberger Multikulti-Kiez. Die deutschen Nachbarn bekommen von diesen Repressionen innerhalb der türkischen Gemeinde kaum etwas mit. "Antidemokratische Tendenzen und Diskriminierung nehmen im Alltag des Fusionsbezirkes zu", attestierte denn auch gestern eine druckfrische Kommunalstudie dem Fusionsbezirk. "Demokratiegefährdende Phänomene und Möglichkeiten der Intervention" betitelte das elfköpfige Autorenteam des Zentrums demokratischer Kultur (ZDK) und anderer Institutionen seine 203 Seiten starke Studie im Auftrag des Bezirksamtes. Fazit: Rassistische und rechtsextreme Tendenzen nehmen zu. Besonders überrascht waren die leitenden Autoren Claudia Danschke und Dierk Bostel über die alltägliche Diskriminierung Dunkelhäutiger und einen zunehmenden Antisemitismus. Untersucht wurden antidemokratische Gruppierungen und Tendenzen jenseits der Klischees vom Rechtsextremismus in Friedrichshain und der Toleranz in Kreuzberg. "Wir haben festgestellt, dass quer durch alle sozialen und kulturellen Schichten und unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit eine Art antisemitisches Milieu herrscht, aus dem heraus ein Aktionismus möglich ist", sagte Danschke bei der gestrigen Präsentation der Studie. Die Vorfälle der letzten Wochen gegen erkennbar jüdisch aussehende Menschen habe diese Erkenntnis bereits bestätigt. Der Studie zufolge gehört auch Rassismus insbesondere gegenüber dunkelhäutigen Menschen im gesamten Bezirk zum Alltag. "Das äußert sich in Pöbeleien oder darin, dass sie in Restaurants nicht bedient werden", sagte Bostel, der ein Jahr lang überwiegend Jugendliche in Friedrichshain interviewte und beobachtete. Von den rund 98.000 Friedrichshainern sind nur und 700 dunkelhäutig, in Kreuzberg sind es von 147.000 Einwohnern knapp 2.300. Es sei keine Ausbreitung der rechtsextremen Szene in Friedrichshain zu beobachten gewesen, sagte Bostel. Zwar organisiere sich dort eine bundesweite Gruppe "Kameradschaft Tor", lokal trete sie allerdings kaum in Erscheinung. Gegenwärtig gebe es etwa fünf bis sechs Jugendcliquen mit rechtsextremer Gesinnung. Gewalttätigkeit sei in beiden Bezirksteilen kein vordergründiges Problem. Vor allem Jugendliche seien stark emotionalisiert und ideologisiert, resümierte Danschke. Diese Entwicklung werde von der Gesellschaft aber nicht problematisiert. Dabei handele es sich nicht um eine neue Entwicklung. Vielmehr sei der latente Antisemitismus durch die aktuelle Entwicklung im Nahen Osten befördert worden. Adrienne Woltersdorf

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14.8.2002 Jungle World
Alle auf einem Haufen

Auf der Biermeile in Berlin-Friedrichshain trifft man jedes Jahr die Leute, die man nicht leiden kann. Nur sind sie diesmal besonders aggressiv.
Wenn Sie wissen wollen, wie es auf der Biermeile in Friedrichshain war, dann lesen Sie diese Reportage nicht. Ich habe mich bemüht, wirklich. Aber mir fehlen die Worte, um das auszudrücken, was ich dort erleben musste. Auch die Fotos sagen gar nichts aus. Die schlimmsten Szenen spielten sich in der Nacht ab, als die Fototechnik versagte. Und die menschliche Sprache reicht nicht aus, um das zu beschreiben, was ich dort sah. Versuchen wir es. Stellen Sie sich die Love Parade vor, aber ohne Musik und Wagen, und alle sind total blau und aggressiv. Nein, nein, stellen Sie sich ein Fußballstadion vor, aber es spielt niemand Fußball, überall stehen komplett besoffene Männer herum und pissen auf den Rasen. Nein, das ist es auch nicht. Stellen Sie sich das Oktoberfest vor, aber ohne Fest. Oder das Pogrom von Rostock, aber ohne Pogrom. Chaostage, aber mit Spießbürgern. Karneval, aber ohne Kostüme und Witzchen. Ach, es geht nicht. Sie müssen mir einfach glauben: Es war die Hölle. Es war der Angriff der Ballermänner. Eine sich geschwürartig ausbreitende IQ-freie Zone. Es war: die Biermeile in Berlin-Friedrichshain. Zum sechsten Mal schon fielen hundertausende Alkoholiker über den unschuldigen kleinen Arbeiterbezirk im Herzen Berlins her und feierten ausgerechnet hier den Abgesang auf die Aufklärung, das Ende der Zivilisation, den Untergang des Abendlandes. Wänste, wie sie normalerweise von Sumo-Ringern zur Nahkampfwaffe herangezüchtet werden, wurden wie auf einem Laufsteg zur Schau getragen. Der Grünstreifen auf der Karl-Marx-Allee verwandelte sich in eine einzige Pissrinne. Wer - speziell am Abend - aus Versehen einen der x-tausend komplett mit Bier abgefüllten kampfhundähnlichen Männer anrempelte, musste mit dem Schlimmsten rechnen. Das Mindeste war: "Willssu Ärger oder wat!" Die Biermeile haben sich vor Jahren ein paar ganz schlaue Bezirksheinis ausgedacht, um dem beständig dahinsiechenden Geschäftsleben an der ehemaligen Stalinallee ein wenig Leben einzuhauchen und um etwas Betriebsamkeit in die sonst nur von Autos befahrene Straße zu bringen. Doch was hier etabliert wurde, lässt die berüchtigte Allee wie schon 1957 zum Ausgangspunkt für Kummer und Verdruss, für dauerhafte Depressionen werden. Auf fast zwei Kilometer reiht sich Bierstand an Bierstand und Dixi-Klo an Dixi-Klo. Über 180 Brauereien aus über 75 Ländern präsentieren rund 1 600 verschiedene Biere, die alle getrunken werden wollen, damit man sich ein Bild machen kann. Dazwischen finden sich ein paar Imbissstände und 16 Bühnen, mit einem typischen MDR-Nachmittags-Nachwuchsmusiker-Programm. Und ein Stand zum Armbrustschießen. Werbespruch an der Bude: "Vom Kindergeburtstag bis zur Großveranstaltung!" Warum nicht auch auf dem Bierfest? Trinken, schießen, Freunde treffen. Deutsche Leitkultur, fünf Schuss für zwei Euro. Als ich am ersten Abend, dem Freitag, gegen zehn Uhr abends auf der Höhe des Kosmos-Kinos ins Getümmel eindringe, werde ich bereits Zeuge einer Prügelei unter Besoffenen. Die angerückte Polizei beschränkt sich darauf, die kurz vor der emotionalen Explosion stehenden Schläger an ihre primitive Angst vor der Obrigkeit zu erinnern. Dann zieht sie sich wieder zurück. Als ich eine gute Stunde später, völlig fertig mit den Nerven, wieder gehe, schlagen beim Hasseröder-Stand ein paar muskelbepackte Männertiere aufeinander ein. Nach ein paar Minuten zeigt sich die Polizei kurz. Das reicht offenbar, um die Situation erst einmal zu beruhigen. Wie die Beamten trotz dieser für Berliner Verhältnisse ungewöhnlich defensiven Taktik auf insgesamt 22 Festnahmen an diesem Wochenende kommen, ist mir schleierhaft. Die meisten Festnahmen ereignen sich am Samstag, als ein paar Nazis sich untereinander auf die Glatzen schlagen. Gerade komme ich an dem Stand mit dem "Odin-Trunk" vorbei und denke noch, Odin-Trunk, na so was, als es auch schon losgeht. Hinter dem Stand einer Imkerei aus Neubrandenburg, die sich "Germanenzug Schwaßmann" nennt, begeben sich über hundert hartgesottene Nazis, darunter auch stadtbekannte Berliner Kader, in eine bierselige Massenschlägerei. Die Anbieter des Germanentrunks lassen seelenruhig die Läden herunter und schließen ihren Stand. Nebenan geht ein Biertisch nach dem anderen zu Bruch. Und was tut die Polizei? Zunächst einmal nichts. Schließlich rückt sie doch an und räumt ein paar Quadratmeter Bürgersteig. Ein vergleichsweise kleiner Nazi, die meisten sind echte Brocken, wird im Zangengriff an mir vorbei zur Wanne geführt. Die ganze Aktion dauert höchstens zehn Minuten, dann hat sich die Lage wieder beruhigt. Ich rede mit einem jungen Bäcker an einem Mittelalter-Backwaren-Stand nebenan. Er hat eine Bäckermütze auf dem Kopf und weiße Klamotten an. Er flüstert mir zu: "Hoffentlich nehmen die Bullen alle mit! Die Glatzen haben schon gestern Abend hier Stress gemacht!" Hinten am Backofen steht eine junge Kollegin von ihm und weint vor Angst, weil gerade wieder Flaschen durch die Luft fliegen. Der Stand mit dem Germanenbier öffnet am nächsten Tag wieder, als ob nichts gewesen sei. Und auch die Nazis prosten sich dort am Sonntag wieder zu. Nach Auffassung der Veranstalter des Bierfestivals, der Firma Präsenta, ist eigentlich gar nichts passiert. Das werde alles mächtig übertrieben, erklärt mir am Tag danach eine Frau am Telefon. Es hätten sich halt "ein paar Glatzköpfe untereinander geschlagen, ganz normal, wie jeden Tag im Simon-Dach-Kiez". Ach so. Nur dass dort normalerweise Studenten und Start-Up-Yuppies ihre Weizenbiere schlürfen. Jedenfalls hat die Schlägerei nichts mit der Biermeile zu tun, bekräftigt die Dame. Alles in allem wertet Präsenta das Fest als riesigen Erfolg. Die Besucherzahl habe bei 500 000 gelegen. Das ist durchaus vorstellbar. Nachdem das Interesse an der Love Parade abnimmt und Punk schon lange tot ist, kommt offenbar nun die Ära der Besuffkis, Heehoohee-Vizeweltweister und aggressiven Fleischmöpse. Wunderbar! Als nächstes Beerparade, Germanenzug, dann noch Stoiber als Kanzler und ich bin weg, Leute! Südsee! Apropos Love Parade. Während auf jedem größeren Rave eine Drogenberatung präsent ist, mit Sanitätszelt und Vitaminpräparaten, hält man es beim Bierfest gerade mal für nötig, zwei Johanniter-Unfallwagen an den Straßenrand zu stellen. Und das bei der wohl größten offiziellen Werbeveranstaltung für Drogen in Europa. Wenigstens ein paar "Keine Macht den Drogen"-Plakate hätte man doch aufhängen können. Oder einen Alkoholtestautomaten aufstellen, wie es in jeder Dorfdisko üblich ist. Nichts. Noch nicht einmal Alkoholkontrollen hat die Polizei an diesem Wochenende rund um die Biermeile durchgeführt, wie mir eine Sprecherin der Polizei versichert. Statt dessen wird der Alkoholmissbrauch in der ehemaligen sozialistischen Vorzeigeallee ohne jede Scham gefeiert. "Bier formte diesen wunderschönen Körper", steht auf manchem T-Shirts, die sich über gewaltige Bäuche spannen. "Hopfen und Malz, Gott erhalt's" und so weiter. Es gibt viel zu sehen und zu probieren: Kirschbier, Bananenbier, Stark- und Schwachbier, Pils, Alt, Schwarz- und Weißbier, deutsches, tschechisches, irisches, vietnamesisches und afrikanisches Bier. Eines heißt "Mastur Bier" und wirbt mit der Parole: "Mastur Bier - besorgt's dir!" Ich will es mal testen, traue mich dann aber doch nicht. Wer weiß, was die da in ihre Flaschen füllen? Ich kaufe lieber für 2,50 Euro ein kleines Fläschchen mit dem viel versprechenden Namen "Snow Koks". Es enthält 87 Prozent Starkbier und ansonsten kräftig mit Koffein versetzte Zitronenlimonade. Es schmeckt ganz okay, so eine Mischung aus Lemon-Cocktail und Mate-Tee. Mit Bier hat es allerdings geschmacklich gar nichts zu tun. Das gilt auch für das Kirschbier, von dem mich jemand kosten lässt. "Hauptsache, es wirkt", ruft mir ein lachender Amateurmusiker mit grobporiger Haut aus einem kleinen weißen Plastikzelt zu, das eine Bühne darstellen soll. Ja, auch die Musiker und Bands saufen und singen und tragen so komische Namen wie "Bluejeans & Lollipop" und "Ageless". Ein Duo, das Countrysongs und Oldies zu spielen versucht, nennt sich "Anne & Frank". Nun ist aber Schluss mit lustig. Als ich schließlich noch einen blinden Sänger hinter einem Keyboard sitzen sehe, der schräg wie Pisas Turm und ohne jedes Publikum weit und breit "Das ist Wahnsinn" von Wolfgang Petry singt, sind meine Nerven am Ende. Ich fange an zu zittern, ich will nach Hause. Hölle, Hölle, Hölle, dröhnt es mir in den Ohren, den ganzen Abend noch. Doch wie kommt man hier raus? Es ist so voll, man kann kaum einen Fuß vor den anderen setzen. Überall breitschultrige Hools und grölende Meuten, rotnasige Hausfrauen, bäuchige Proleten, Olééé, olé, olé, oléé! Das ganze Pack aus den Nachmittagstalkshows ist versammelt. "Hilfe, meine Mutter ist eine Schlampe." Ich verliere fast das Gleichgewicht, weil die ganze träge Masse von Menschen kollektiv torkelt und taumelt und ich mir vorkomme wie auf einem Meer mit hohem Wellengang. Einem Meer aus Bier und Pisse, einem Meer der Barbarei, und ich auf einem kleinen Floß der Verzweiflung. Irgendwann kotzt mich dieser Moloch an einem U-Bahnhof aus. Yeah! I survived the Biermeile! Am Sonntag muss ich noch einmal tagsüber hin, um Fotos zu machen. Da ist etwas weniger los, die Leute sind noch nicht so besoffen. Die Idioten von gestern liegen vermutlich mit fettem Brummschädel vor der Glotze: "Hilfe, diese Schlampe ist meine Mutter!" Der Uringestank aus den Büschen wird jetzt vom Bratwurstgeruch überlagert. Ich sehe zwei Polizisten, wie sie an einem Stand ein paar Flaschen Roter-Oktober-Bier kaufen. Später sehe ich sie noch einmal an einem anderen Stand, ebenfalls beim Bierkauf. Ist ja nicht verboten. Warum eigentlich nicht? Übrigens: Im letzten Jahr starben 42 000 Menschen an den Folgen von Alkohol, 899 von ihnen kamen im Straßenverkehr ums Leben. 34 392 weitere Menschen wurden bei diesen Unfällen teils schwer verletzt. Bei einem Viertel aller Gewalttaten in dieser Gesellschaft ist Alkohol im Spiel, bei Totschlagdelikten lag die Zahl im Jahr 2001 sogar bei 41,3 Prozent. An Cannabis ist noch nie ein Mensch gestorben. Am 31. August findet in Berlin wieder die Hanfparade statt, bei der es noch nie zu irgendeinem Gewaltdelikt gekommen ist. Sie muss wie in jedem Jahr mit starker staatlicher Repression rechnen. Polizisten werden wie immer einige Kiffer und Händler festnehmen.Entschuldigen Sie diesen arg moralischen Schluss meines Berichts. Aber wenn Sie gesehen hätten, was ich sah, dann würden Sie mich verstehen. von ivo bozic

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07.04.2001 TAZ
Nazi-Pilgerstätten
Die Linke rüttelt am rechten Mythos, zeigt sich aber unschlüssig im Umgang mit dem Horst-Wessel-Grab

Der Nikolaifriedhof an der Prenzlauer Allee hat sich zur braunen Pilgerstätte entwickelt. Sogar im Internet wird Werbung für die Grabstätte des SA-Führers Horst Wessel betrieben, berichtet Julia Eckey, Grünen-Politikerin im Kreisverband Pankow. Und das, obwohl Wessels Grab sich nicht mehr lokalisieren lässt, einzig das Grab seines Vaters ist noch in Fragmenten erhalten.
Die Bündnisgrünen nahmen Wessels 71. Todestag am 23. Februar zum Anlass, durch eine Demonstration auf die braune Wallfahrerei aufmerksam zu machen. Am Donnerstagabend hielt man in einer öffentlichen Diskussion im Haus der Demokratie Nachlese.
Zur Diskussion geladen hatte Julia Eckey Vertreter vom "Förderverein Karl-Marx-Allee", vom Zentrum Demokratische Kultur, dem zuständigen Polizeiabschnitt sowie die Jugendstadträtin in Pankow, Christine Keil (PDS). Unerwartet schnell waren alle sich einig, dass eine Einebnung des Grabs am Kern des Problems vorbeigehe. Die Jugendstadträtin gab zudem zu bedenken, dass der Einfluss der Politik auf die Gräberdebatte nur gering sei: Einebnungen von Nazigräbern seien Angelegenheit der Friedhofsverwaltung. Sie fügte hinzu, den Neonazis liege weniger an der Grabstätte selbst als an dem von ihr ausgehenden Provokationspotenzial.
Die Frage der Mythenbildung wurde unter den 50 Besuchern am heftigsten debattiert. Hat die Linke diese sogar selbst forciert? Eine Aktion von Autonomen zu Wessels Todestag im vergangenen Jahr hat die Mythensammlung erweitert: Nach nächtlichen Grabungen hatten sie verbreitet, Horst Wessels Schädel in der Spree versenkt zu haben. Und wie ist es zu bewerten, wenn die Linken zu jedem Nazi-Gedenktag zu einer Gegendemo aufrufen? Feiern sie dadurch indirekt mit? Viele Fragen wurden aufgeworfen, doch letztlich nicht beantwortet. "LOTHAR GLAUCH

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09.01.2001 Jungle World
Berlin-Friedrichshain: Bezirksrat für Stadtentwicklung und Bau reagiert nach Verhüllungsaktion durch Förderverein

Eine umstrittende Informationstafel zu SA-Sturmführer Horst Wessel an der Karl-Marx-Allee im Bezirk Berlin- Friedrichshain wird umgehend entfernt. Das ordnete der Stadtrat für Stadtentwicklung und Bau, Franz Schulz, an, nachdem der Förderverein "Karl-Marx-Allee" am vergangenen Freitag die Tafel medienwirksam verhüllt hatte. Zudem lud Schulz, der bei der Tafelverhüllung zugegen war, den Vereinsvorstand zu einer Beratung des Baustadtrates ein, um weitere Verfahrensweisen zu diskutieren. Das Streitobjekt wurde im Dezember vom Bezirksamt vor dem Wohnblock E-Süd an der Karl-Marx-Allee aufgestellt, in dessen Nähe Horst Wessel seinerzeit zur Untermiete wohnte. Aus Protest gegen den Inhalt, der nach Meinung des Vizevereinsvorsitzenden Erich Kundel "historisch falsch und grafisch unbedacht" sei, verhüllte der Förderverein Karl- Marx-Allee die Tafel. Unter dem Titel "Friedrichshain zur Zeit des Nationalsozialismus" wurde auf der Tafel ein Sturm- Liederbuch der SA mit dem Porträt Horst Wessels gezeigt. In einem dazugehörigen Text hieß es, daß Wessel "im Rotlichtmilieu von einem Rivalen" ermordet wurde. Historisch läßt sich jedoch mit großer Sicherheit sagen, daß Wessel 1930 von Mitgliedern des Rotfrontkämpferbundes angeschossen wurde und einige Zeit später seinen Verletzungen erlag. Wessel wurde nach seinem Tod von den Nazis zum Märtyrer erhoben. Der SA-Sturmführer hatte seinerzeit das "Horst- Wessel-Lied" verfaßt, welches nach 1933 als zweite National- und inoffizielle Parteihymne der NSDAP galt. "Bei der Wessel-Tafel besteht, neben den grafischen Mängeln, die Gefahr, daß der unvoreingenommene Betrachter den Eindruck bekommt, es werde dem Nazi-Märtyrer gedacht, wenn er dessen geschöntes Porträt mitten im Text prangen sieht", so Kundel gegenüber jW. Außerdem habe die Tafel einen falschen Schwerpunkt und liefere zu wenig Informationen über den Bezirk während der Nazi-Zeit. "Der Informationstext enthält zwar, daß Friedrichshain ein roter Bezirk war. Bei den letzten freien Wahlen 1933 wählten 60 Prozent der Friedrichshainer SPD und KPD. Doch was wurde aus diesen Wählern von 1933-45? Was gab es für Umbrüche zu dieser Zeit im Friedrichshain? Auf der Tafel erfährt man von der Zeit des Nationalsozialismus lediglich, daß Friedrichshain zum >Bezirk Horst Wessel< umbenannt wurde." Um Besuchern die Geschichte der Karl-Marx-Allee näherzubringen, hatte das Bezirksamt Friedrichshain- Kreuzberg insgesamt 39 Informationstafeln rund um die Straße aufgestellt. Neben Informationen zum Schriftsteller Alfred Döblin, der an der Allee einst als Arzt praktizierte, und anderen Persönlichkeiten, findet man Tafeln zur Konzeption der Straße und deren Architekten. Die Informationstafel zu Wessel sollte dem Bezirksamt zufolge an die Umbenennung des Bezirks in "Verwaltungsbezirk Horst Wessel" erinnern. Die Verhüllungsaktion des Fördervereins stieß auf eine breite Resonanz in der Friedrichshainer Bevölkerung. Viele bedankten sich persönlich für das Engagement des Vereins und hoffen nun auf baldige Entfernung der Tafel, bevor Neonazis sie für eigene Zwecke instrumentalisieren.

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13.12.2000 Jungle World
Razzia statt Kontaktanzeige
Berliner Landeskriminalamt auf der Suche nach "gleichgeschlechtlichen" Antifas

Das Berliner Landeskriminalamt sucht Kontakte, und zwar zu und von Antifas. Per Großrazzia wollten Dutzende von Beamten am vergangenen Mittwoch ihren Einblick in die linke Szene vertiefen: Insgesamt sieben Wohnungen in Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Neukölln bekamen am frühen Morgen unerwünschten Besuch. Die Behörden werfen den Betroffenen "öffentliche Aufforderung zu Straftaten" sowie "gemeinschaftlich begangene Sachbeschädigung" vor. Sie sollen "täuschend ähnliche Aufkleber mit falschem Namen" - dem Aufdruck "Dimitroffstraße" - sowie DIN-A-7-Spuckies mit der Aufschrift "NPD-Kongreß in Passau angreifen" hergestellt bzw. verbreitet haben. Die zu DDR-Zeiten nach dem bulgarischen Kommunisten benannte Straße am Prenzlauer Berg war vor über einem Jahr in Danziger Straße umbenannt worden. Im Verlauf der Durchsuchungen warfen einzelne Beamte Bücher aus den Regalen, prüften selbst T-Shirts und Matratzen. Das Bett eines 14jährigen Mädchens wurde, noch während es darin schlief, durchwühlt. In einer Wohngemeinschaft in Friedrichshain stürmte ein Einsatzkommando mit gezogener Waffe durch die Tür, verwüstete ein Zimmer und schlug die Spüle kaputt. Alle Beschuldigten wurden erkennungsdienstlich behandelt. Einem Gast drohten die Beamten: "Wenn du wegläufst, machen wir von der Schußwaffe Gebrauch!" Verhältnismäßig viel Aufsehen also für Aufkleber, die man in jeder Kreuzberger "Volxküche" finden kann. Eher dürfte das Interesse dem Ausforschen von linken Strukturen in Berlin gelten. "Es geht um personelle Zusammenhänge", so ein Beamter während der Polizeiaktion. Und auch der richterliche Durchsuchungsbeschluß fordert das "Auffinden von Beweismitteln, insbesondere persönlicher Unterlagen und Gegenstände, insbesondere Korrespondenz und Lichtbildern, die Aufschluß über den weiteren Bekanntenkreis der Beschuldigten und", natürlich, "somit über weitere Tatbeteiligte geben". Das Klassenziel kann als erreicht angesehen werden. Beschlagnahmt wurden Hunderte von Adressen, darunter auch Telefonnummern von Abgeordneten von PDS und Bündnis 90/Die Grünen sowie von Journalisten, nicht zuletzt der Jungle World. Computer-Experten spiegelten die Festplatten von mehreren Rechnern, selbst Arbeits- und Beziehungsverhältnisse ("Also, die sind ja wohl gleichgeschlechtlich!") leuchteten die Ermittler sorgfältig aus. In dieser Logik erklärt sich, weshalb der Staatsschutz am Mittwoch auch die Wohnungen von mehreren Personen aufsuchte, die nicht einmal als Beschuldigte angegeben wurden. Ihr einziges Vergehen war es, bei einer früheren Durchsuchung als Gast anwesend gewesen zu sein. Besuch bekamen daher auch zwei sogenannte "Zeugen" in Kyritz (Brandenburg) und Göttingen. Bei einem weiteren "Zeugen" brachen die Beamten in ihrem Befragungseifer gleich die Tür auf. Durchsucht wurde nicht zuletzt bei einem Untermieter. Als Begründung mußte herhalten, daß er den Beamten den Zutritt zu seinem Zimmer mit Verweis auf seinen Untermietvertrag verwehrt und diese dabei als "Fittiche" bezeichnet hatte. Ermittlungsinteresse scheint auch ohne richterliche Anordnung bereits zuvor bestanden zu haben: Der Einsatzleiter wußte auf Anfrage eines Kollegen sogar den zweiten (!) Vornamen der Mutter des Bewohners. Eine Betroffene gegenüber Jungle World: "Diese Durchsuchung war die Folge einer Razzia vor vier Wochen, bei der die Polizei eine Handvoll Aufkleber in einem unverschlossenen Kellerraum gefunden hat. Alle damals Anwesenden sind inzwischen selbst Opfer von Haussuchungen geworden. Bei dem Adreßvorrat, den die Polizei dieses Mal beschlagnahmt hat, dürfen wir gespannt sein, was uns in einem Monat erwartet." Es gehe offenbar darum, Aktivisten auszuforschen und einzuschüchtern. Mittlerweile würden am Prenzlauer Berg selbst Jugendliche mit defektem Fahrradlicht von der Polizei nach dem Treffpunkt ihrer Clique befragt und ähnliches. Ein vergleichbares Vorgehen hatten die Staatsschutzbehörden bereits 1991 in Göttingen an den Tag gelegt. Damals waren mehrere Ermittlungsverfahren gegen mutmaßliche Aktive der Autonomen Antifa (M) eingeleitet worden. Zunächst war ihnen die Beteiligung an 52 Anschlägen im Zeitraum zwischen 1981 bis 1991 zur Last gelegt worden. Mit dem Material, das die Beamten im Verlauf der mehrjährigen Ermittlungen wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung nach Paragraph 129a angesammelt hatten, konstruierten sie eine Anklage, in der allerdings von den ursprünglich erhobenen Vorwürfen keine Rede mehr war. Das Verfahren wurde 1996 eingestellt, die politische Arbeit der Gruppe aber war über mehrere Jahre blockiert gewesen.

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01.03.2000 Jungle World
Alternative Lebensformen: Knochenzähler

Er fiel ins Wasser. Und zwar in das der Spree. So wird es zumindest von den "Autonomen Totengräbern" behauptet. Die wollen vergangene Woche "den hohlen Schädel von Horst Wessel aus braunem Schlamm ausgegraben und wenig feierlich der Spree übergeben" haben. Der SA-Sturmführer ist damit nicht nur tot, sondern jetzt sogar kopflos tot. Zugegeben, so groß ist der Unterschied nicht. Aber der Akt der nekrophilen Wessel-Hasser hat ja auch mehr symbolischen Wert: Ein Märtyrer ohne Kopf nützt den Nazis nichts, dachten sich die selbst ernannten Totengräber wohl. Der Märtyrer ohne Schädel war vorher aber noch viel mehr Märtyrer: einer ohne Gebeine - ja, er hatte noch nicht einmal ein eigenes Grab. Nur das seines Vaters - Ludwig Wessel.
Den Nazis reichte das als Pilgerstätte. Musste wohl auch, denn das Grab des SA-Sturmführers, der 1930 nach einer Schießerei unter Zuhältern daran verstarb, dass seine Kameraden einen jüdischen Arzt daran hinderten, ihn zu behandeln, gibt es nicht mehr. Einst lag der Wessel direkt neben seinem Vater auf dem Berliner Nikolai-Friedhof, Jahr für Jahr von den Nazis verehrt. Bis die deutsche Welt ins Wanken und die Alliierten nach Berlin kamen.
Dann nämlich wurden die Gebeine des Märtyrers fachgerecht entsorgt: Die Alliierten planierten die letzte Ruhestätte des Friedrichhainer SA-Mannes. Den Nazis war's entweder egal oder sie wussten es nicht besser: Sie pilgerten trotzdem zum Nikolai-Friedhof, vermehrt seit der deutschen Vereinigung. Am Grab des Märtyrervaters legten sie "stoßtruppweise und unter strenger Polizeiobservierung Blumen und Gebinde mit schwarz-weiß-roten Schleifchen" (Berliner Morgenpost) nieder. Und - das hatte das Springer-Regionalblättle offenbar übersehen - vor allem unter strenger Journalistenobservierung.
Denn mit der Anmeldung einer "Horst-Wessel-Gedenkdemonstration" hatte ein Berliner SA-Fan es geschafft, die Öffentlichkeit auf sein einplaniertes Vorbild hinzuweisen. Erst recht mit der Ankündigung, künftig jedes Jahr zu Ehren des toten Zuhälters aufzumarschieren. Die Demonstration aber fiel ebenfalls ins Wasser. Der Berliner Staatsschutz bot eine achtseitige Verbotsbegründung auf und setzte sich damit vorm Oberverwaltungsgericht durch.
Auf die emsigen Polizisten wartet nun bereits der nächste Auftrag: herauszufinden, was die "Autonomen Totengräber" auf dem Nikolai-Friedhof angestellt haben. Gegraben worden ist auf dem Totenacker tatsächlich. Aber wer weiß schon, ob die Nummer mit dem erbeuteten und entsorgten Wessel-Schädel stimmt? Die Spree abzusuchen, ist eine Höllenarbeit, denn die ist ziemlich lang. Also, liebe Staatsschützer, da bleibt nur eins: selber ausbuddeln und die verbliebenen Knochen zählen!

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13.10.1999 Jungle World
Ein Baum im Hain
Über die zunehmenden Proteste gegen die Friedrichshainer Nazi-Kneipe "Der Baum" ärgern sich die Berliner Quartiersmanager.

In der Libauer Straße in Berlin-Friedrichshain gibt es einen Baum. Nein, nicht irgendeinen Baum - einen recht ungewöhnlichen. Der Baum hat sogar eine Tür. Und hinter den beiden Fenstern hängen altmodische Rüschengardinen. Meist aber sieht man sie nicht, weil die Rolläden geschlossen sind. Denn der "Baum" in der Libauer Straße ist weder Laub- noch Nadelgewächs, sondern eine Kneipe. Nein, nicht irgendeine Kneipe - sondern eine, die sehr umstritten ist. Das ist eigentlich nichts Außergewöhnliches. Laute Musik und grölende Gäste bis spät in die Nacht kommen bei Nachbarn eben nicht gut an. Die Bewohner der Libauer Straße stören sich hauptsächlich an den Gästen im "Baum". Nein, nicht irgendwelche Gäste - solche mit kurzen Haaren, Springerstiefeln und Bomberjacken: rechtsextreme Jugendliche, Hooligans und organisierte Nazis. Seit einigen Monaten gilt der "Baum" als Nazitreffpunkt. Und das, obwohl Friedrichshain doch als Szene-Bezirk bekannt ist - oder es zumindest lange Zeit war. Ehemals besetzte Häuser und linke Polit-WG, Infoläden und selbst organisierte Cafés prägen neben den üblichen Ostberliner Prolls das Erscheinungsbild des Bezirks. Nun aber kommen in der so piefig erscheinenden Kneipe die jungen kurzhaarigen Männer zusammen, um gemeinsam zu saufen, abzuhängen oder auch mal loszuziehen, um Ausländer oder Linke "aufzumischen". Ständig hängen sie vor dem "Baum" herum, gebärden sich so männlich wie nur irgend möglich, nennen Vorbeigehende auch schon mal "Judennase" oder greifen sie körperlich an. Die Wirtin Doris Engel stört das alles nicht. Anfang des Jahres hat ihr Mann die Kneipe übernommen. Mittlerweile führt sie den Laden, weil ihr Gatte im Knast sitzt - wegen eines "Bagatelldeliktes", wie es beim Bezirksamt heißt. Engel scheint mit den rechtsextremen Gästen bestens auszukommen. Liebevoll redet sie von "meinen Jungs". Am Outfit, den rechten Sprüchen und der Musik ihrer Besucher kann sie erstmal nichts Schlimmes finden. Im Grunde ist das ja auch in anderen Proll-Kneipen ganz ähnlich - Hauptsache, der Umsatz stimmt. Und das zur Genugtuung beider Seiten. Denn die rechte Klientel, so verrät ein Behördenvertreter, fühle sich im "Baum" auch deswegen so wohl, "weil das Saufen dort einfach etwas billiger ist als woanders". Neben Hooligans, die sich zwar als "rechts, aber unorganisiert" bezeichnen und trotzdem gerne Jagd auf Ausländer machen, treffen sich im "Baum" in erster Linie Nazis aus dem so genannten Kameradschaftsspektrum. Formale Mitgliedschaften gibt es bei den Kameradschaften zwar nicht, durch Koordination untereinander können sie dennoch auf eine gewisse Infrastruktur zurückgreifen und sind vor allem wesentlich aktionistischer als die Wahlpartei NPD. Wo sich ein so großes faschistisches Potenzial wie im "Baum" zusammenfindet, darf aber die NPD auf keinen Fall fehlen. Aktivisten der Nazipartei besuchen die Friedrichshainer Kneipe schon mal in der Hoffnung, hier neue Mitglieder rekrutieren zu können. Der Verfassungsschutz hat nach eigenen Angaben bisher kein Auge auf die Kneipe in der Libauer Straße geworfen. Aufgabe des Amtes sei allein die Beobachtung organisierter Extremisten. Das lose Zusammentreffen in der Kneipe gehöre nicht dazu - obwohl der jährliche Verfassungsschutzbericht auch die Unabhängigen Kameradschaften aufführt. Aber im Gegensatz zum Lichtenberger "Café Germania", das bis Ende vergangenen Jahres Treffpunkt der Berliner Neonazi-Szene war, wird der "Baum" nicht von den Rechtsextremen selbst betrieben, sondern lediglich von ihnen frequentiert. Bei der Polizei dagegen ist der "Baum" durchaus bekannt. Die Schutzpolizei zeigt in der Libauer Straße regelmäßig Präsenz. Bisher, so antwortete der Innensenat auf eine Kleine Anfrage des PDS-Abgeordneten Freke Over, gebe es bereits neun Strafanzeigen, "die in direktem örtlichem Zusammenhang mit der betreffenden Gaststätte stehen". Anfang Juli sei es vor dem "Baum" gar "zu einer wechselseitigen gefährlichen Körperverletzung zwischen einem Ausländer und einem deutschen Staatsangehörigen" gekommen. Das Gefährlichste an der Kneipe, so die Meinung von Innenverwaltung und Polizei, sei jedoch die Gegenmobilisierung der Antifa. Bei sechs der neun Strafanzeigen geht es um Aktionen gegen die Gaststätte - darunter auch "gemeinschaftlich begangene Delikte in Verbindung mit Landfriedensbruch". Und so erklärt sich auf Anfrage ein Kriminalbeamter des Referates Rechtsextremismus beim Berliner Staatsschutz auch für "nicht zuständig" und verweist an einen Kollegen vom Referat Linksextremismus: "Der kann Ihnen mehr dazu sagen." Darf er aber nicht. Sonst wäre eventuell der Erfolg polizeilicher Maßnahmen gefährdet. Angesichts der Behörden-Befürchtung, das Schreckgespenst Antifa-Bewegung werde nicht ruhen, bis der "Baum" dichtmacht oder zumindest die rechten Gäste ausbleiben, setzt das Bezirksamt Friedrichshain auf Mediation: Wenn sich alle an einen Tisch setzen und über ihre Probleme miteinander plaudern, dann wird's schon irgendwie werden. Alle Seiten, so ist der Wunsch der Bezirksverwaltung, sollen am Ende zufrieden sein. Das alles unter dem Vorzeichen des so genannten Quartiersmanagements. Der Bezirk soll attraktiver werden - und da passt das Bild von prügelnden Nazis, aufgebrachten Nachbarn und demonstrierenden Antifas eben nicht so richtig hinein. Die bisherige Berichterstattung der Berliner Lokalpresse über den "Baum" und dessen rechtsextreme Gäste sieht man daher nicht gerade gern: Für die vom Bezirksamt initiierten Gespräche zur "Beilegung des Konfliktes" seien der Medienrummel, die von den Anwohnern organisierten Unterschriftenlisten gegen den "Baum" und die Aktionen von Antifa-Initiativen nicht gerade förderlich, finden die Quartiersmanager. Von Matthias Lembke

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13.10.1999 Jungle World

Lichtenberger Nächte

Nach dem Mord erstmal ein Bier: Gerade hatten die mutmaßlichen Mörder des 38jährigen Kurt S. am Mittwoch vergangener Woche ihr Opfer im Berliner Bezirk Lichtenberg niedergestochen, da ging's auch schon weiter zur Party. Ein Anwohner zeigte die Rechtsradikalen wegen Ruhestörung an, nachdem sie ihre Tat offenbar zu laut in einer nahegelegenen Wohnung gefeiert hatten. Die vier Männer im Alter von 17 bis 23 Jahren hatten ihr Opfer wenige Stunden vorher erst beim Biertrinken an einer Tankstelle kennen gelernt. Während eines Streites schlugen sie dann auf den Mann ein und stachen ihm in den Hals. Kurt S. starb am Tatort, die Rechtsradikalen raubten noch eben sein Geld und gingen dann weiter. Die Polizei schließt freilich einen politischen Hintergrund aus.

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04.03.1997 PDS Prenzlberger
Wissen Sie, wer Horst Wessel war?
Wissen Sie, wo sein Grab liegt? Es liegt im Prenzlauer Berg, auf dem Friedhof der St.-Nikolai-Gemeinde, am Prenzlauer Tor.


Warum ich das erwähne? Am – nach 1945 eingeebneten – Grab von Horst Wessel haben Neonazis vor kurzem ihres Nazi-Idols gedacht. Zu Zwischenfällen sei es aber nicht gekommen, konnte Bürgermeister Kraetzer (SPD) jüngst in der Bezirksverordnetenversammlung berichten. Neonazis im Schicki-Micki-Bezirk Prenzlauer Berg? Schließlich war nicht das Krankenhaus Prenzlauer Berg, sondern das Krankenhaus im Friedrichshain zu braunen Zeiten nach Herrn Wessel benannt, wie übrigens der ganze Bezirk Friedrichshain. Und einen Horst-Wessel-Platz und eine Straße mit seinem Namen gab es in Mitte. Doch Vorsicht, nachwendig verschwundene Namen von Antifaschisten auf Straßenschildern, nachwendig verschwundene Gedenktafeln von Antifaschisten mahnen, mit Geschichte nicht wie mit Müll umzugehen.
Vielleicht sollte den Menschen, die meinten, an Horst Wessels Grab kommen zu müssen, ein Buch empfohlen werden, sofern sie denn lesen können und wollen. Aber auch das kann gelernt werden. Im Aufbau Verlag ist 1996 die Taschenbuchausgabe eines drei Jahre vorher im Christoph Links Verlag erschienenen Buches von Heinz Knobloch herausgekommen: "Der arme Epstein. Wie der Tod zu Horst Wessel kam". Knobloch, wie gewohnt akribisch recherchierend, hat sich mit Leben und Tod des frühen Nationalsozialisten Horst Wessel auseinandergesetzt. Knobloch legt dar, wie sich die Dinge in Berlin 1930 zugetragen haben, wie Sally Epstein in die Angelegenheit verstrickt wurde, wie die Story von den Nazis vermarktet und warum sie in der DDR verschwiegen wurde. Knobloch nennt auch die wirklichen Helden der Tragödie: so Epsteins Zieh-Mutter Rosa Lutter, die nach seiner Hinrichtung um die Herausgabe seiner Leiche kämpfte, der im Vorstand der Berliner Jüdischen Gemeinde für das Friedhofs- und Finanzdezernat zuständige Dr. Carl Fuchs, der einer ihm unbekannten Frau nichtjüdischen Glaubens genehmigte, ihren zwar jüdischen, aber sozusagen ungläubigen und überhaupt nicht leiblichen Sohn auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee beisetzen zu lassen. Fuchs starb 1943 in Theresienstadt, wohin er deportiert worden war.
Knobloch erfüllte übrigens mit seinem Epstein-Buch eine Schuld: In mehren Büchern über Jüdische Friedhöfe in Berlin hatte er als Mitautor oder Autor Epsteins Grab nicht erwähnt. Wie sagt das Sprichwort: Ein Blick ins Buch, und zwei ins Leben. Aber eben auch ein Blick ins Buch, bitte.