25.-30. August: Aktionswoche in Hellersdorf
Ein Jahr nach dem brau­nen Diens­tag: An­ti­ras­sis­ti­sche Ak­ti­ons­wo­che in Hel­lers­dorf

Demo in Hellersdorf

Mit Ver­an­stal­tun­gen, Work­shops, Thea­ter, Fil­men und einer Demo wurde Ende Au­gust auf die ak­tu­el­len Zu­stän­de rund um die Flücht­lings­un­ter­kunft in Hel­lers­dorf auf­merk­sam ge­macht.
Mit Pla­ka­ten und Info­stän­den im Vor­feld rich­te­te sich die Ak­ti­ons­wo­che vor allem an Hel­lers­dor­fer*innen und bot mit theo­re­ti­schen, prak­ti­schen Abend­ver­an­stal­tun­gen, sowie In­ter­ven­tio­nen im öf­fent­li­chen Raum, ein ab­wechs­lungs­rei­ches Pro­gramm.

Den Ein­stieg lie­fer­te die Päd­ago­gin und His­to­ri­ke­rin Rosa Fava mit ihrem dich­ten Vor­trag „Was ist ei­gent­lich Ras­sis­mus“, indem sie die Un­ter­schie­de an­ti­ras­sis­ti­scher Theo­rie­bil­dung auf­zeig­te. Für das Pu­bli­kum ging es letzt­lich um die Frage warum es aus­ge­rech­net in Hel­lers­dorf zu einem sol­chen Auf­flam­men des Ras­sis­mus, zu sol­cher Feind­schaft ge­gen­über Flücht­lin­gen, im letz­ten Jahr kom­men konn­te und wie im lo­ka­len Rah­men gegen sol­che ge­sell­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se lang­fris­tig ge­ar­bei­tet wer­den kann. Denn seit dem Ein­zug von rund 400 Flücht­lin­gen in einer ehe­ma­li­gen Schu­le in der Ca­ro­la-​Ne­her-​Stra­ße, hat sich die Öf­fent­lich­keit nur noch sel­ten für die lang­fris­ti­ge Per­spek­ti­ve in­ter­es­siert und den Be­zirk wie­der sich selbst über­las­sen.

Was ist seit dem pas­siert: Of­fen­sicht­lich ist, dass in dem Ge­biet bei den zu­rück­lie­gen­den Wah­len bis zu zehn Pro­zent NPD ge­wählt haben und dass die Be­hör­den es wei­ter­hin nicht schaf­fen die Si­cher­heit der Flücht­lin­ge zu ge­währ­leis­ten. Von einem „Kli­ma­wech­sel“, der ein angst­frei­es Leben in Hel­lers­dorf auch für Ge­flüch­te­te, Mi­grant*innen und Peop­le of Co­lour er­mög­licht, der So­li­da­ri­tät mit Ge­flüch­te­ten als com­mon sense eta­bliert, kann keine Rede sein. Eine Chro­nik der Über­grif­fe und rech­ten Ak­ti­vi­tä­ten of­fen­bart die er­schre­cken­de Re­gel­mä­ßig­keit von tät­li­chen An­grif­fen auf das Ge­bäu­de, des­sen Be­woh­ner*innen und Un­ter­stüt­zer*innen. Auf diese immer noch la­ten­te und oft­mals auch ma­ni­fes­te ras­sis­ti­sche Be­dro­hung wurde mit einem län­ge­ren Re­cher­che-​Ar­ti­kel  re­agiert. Bei der Ak­ti­ons­wo­che gab es zudem einen Kiez­spa­zier­gang zu den Tat­or­ten von rund 20 Über­grif­fen. An allen Punk­ten wur­den Mar­kie­run­gen an­ge­bracht, um die Per­spek­ti­ve der Be­trof­fe­nen öf­fent­lich sicht­bar zu ma­chen. In ei­ni­gem Ab­stand ent­fern­te die Po­li­zei die pro­vi­so­ri­schen Ta­feln al­ler­dings wie­der.
Ab­ge­se­hen von der ras­sis­ti­schen Stra­ßen­ge­walt hat sich an der hu­ma­ni­tä­ren Lage der un­ter­ge­brach­ten Flücht­lin­ge, trotz Run­dem Tisch des Be­zirks­amts und zahl­rei­chen So­li­da­ri­täts­in­itia­ti­ven, wenig ge­än­dert. Die Be­schu­lung der Kin­der kam nur schlep­pend voran, Deutsch­kur­se an den Volks­hoch­schu­len wer­den erst jetzt in grö­ße­rem Maß­stab an­ge­bo­ten, und der theo­re­tisch nach drei Mo­na­ten mög­li­che Umzug in Woh­nun­gen fin­det fak­tisch nicht statt, ob­wohl der Be­zirk einer der we­ni­gen mit Leer­stand ist. Zudem reißt die Kri­tik am pri­va­ten Be­trei­ber Pe­Wo­Be und der Heim­lei­te­rin Mar­ti­na Wohl­ra­be nicht ab. Von hy­gie­ni­schen Män­geln, über die drang­sa­lie­ren­den Zu­gangs­kon­trol­len zu ka­me­ra­über­wach­ten Flu­ren – das Hel­lers­dor­fer Heim ist ein Ab­zieh­bild des klas­si­schen „La­gers“, so wie über­all in Deutsch­land exis­tiert. All die Be­schrän­kun­gen für Ge­flüch­te­te (Ar­beits­ver­bot, Re­si­denz­pflicht, Iso­la­ti­on und Per­spek­tiv­lo­sig­keit) wer­den durch die Zu­mu­tun­gen des La­ger­all­tags ver­stärkt. Das per­ma­nen­te Fil­tern der Au­ßen­welt, der Kon­tak­te, der In­for­ma­tio­nen, der Spen­den und mehr oder we­ni­ger ge­wünsch­ten So­li­da­ri­täts­in­itia­ti­ven durch die Heim­lei­tung, macht es un­mög­lich hier ein halb­wegs nor­ma­les Leben zu füh­ren. Der Ska­te­work­shop wäh­rend der Ak­ti­ons­wo­che, hat den Ju­gend­li­chen aus der Un­ter­kunft im­mer­hin einen Nach­mit­tag ohne diese Kon­trol­le be­schert. Si­cher­lich ein An­satz, der neben den Deutsch­kur­sen und der Ein­bin­dung von Sport­ver­ei­nen, wei­ter­zu­ver­fol­gen ist.
Die zu­stän­di­ge Stadt­rä­tin nennt die ak­tu­el­le Si­tua­ti­on „re­la­ti­ve Nor­ma­li­tät“. Was sie ver­schweigt wurde bei einer Po­di­ums­dis­kus­si­on zu den Mög­lich­kei­ten der Flücht­lings­un­ter­stüt­zung gleich zu Be­ginn der Ak­ti­ons­wo­che deut­lich. Die preis­ge­krön­te In­itia­ti­ve „Hel­lers­dorf Hilft“ darf mitt­ler­wei­le das Heim nicht mehr be­tre­ten. Auch die prall ge­füll­te Spen­den­kam­mer muss­te auf­ge­löst wer­den. Die bun­des­weit ge­fei­er­te Ko­ope­ra­ti­on mit der be­nach­bar­ten Ali­ce-​Sa­lo­mon-​Hoch­schu­le für So­zia­le Ar­beit hat sich kaum wei­ter­ent­wi­ckeln kön­nen, weil die Stu­die­ren­den durch den Trä­ger des Heims sys­te­ma­tisch von den Be­woh­ner*innen fern­ge­hal­ten wer­den. Dass in der Nach­bar­schaft nun extra ein La­den­lo­kal mit Spen­den­gel­dern an­ge­mie­tet wer­den muss­te, um un­ab­hän­gi­ge Räum­lich­kei­ten für So­li­da­ri­täts­ar­beit und ein paar In­ter­net­ar­beits­plät­ze für Ge­flüch­te­te an­bie­ten zu kön­nen, zeigt, dass in Hel­lers­dorf eben nicht alles gut ist und die Zu­sam­men­ar­beit mit Pe­Wo­Be in Hel­lers­dorf eben­so un­mög­lich ist, wie in Grünau oder mit dem Be­trei­ber Gier­so in Mo­abit.
Von einem Ak­tivs­ten, der seit 2012 die Flücht­ling­s­por­tes­te von Würz­burg bis in die Fried­richs­hai­ner Gür­tel­stra­ße be­glei­tet, wurde an­ge­mahnt, dass das Be­he­ben der of­fen­sicht­li­chen Män­gel in den Un­ter­künf­ten nicht dar­über hin­weg­täu­schen kann, dass es bei ernst ge­mein­ter „Will­kom­mens­kul­tur“ um mehr gehen muss. Ohne groß­zü­gi­ge Blei­be­rechts­re­ge­lun­gen, Woh­nungs­un­ter­brin­gung, Auf­he­bung des Ar­beits­ver­bots und Schaf­fung eines selbst­be­stimm­ten All­tags für Flücht­lin­ge in Deutsch­land, wird es keine nen­nens­wer­ten Ver­bes­se­run­gen geben. Ein ähn­li­cher Tenor wurde am Mitt­woch bei einer Ver­an­stal­tung zur Ab­schot­tungs­po­li­tik Eu­ro­pas an­ge­schla­gen. Ohne struk­tu­rel­le Ver­än­de­run­gen bei der eu­ro­päi­sier­ten Flücht­lings­ab­wehr z.B. im Mit­tel­meer­raum, wir­ken die we­ni­gen Licht­punk­te (z.B. die Lo­cke­run­gen der Re­si­denz­pflicht) wie Au­gen­wi­sche­rei.
Auch am Mitt­woch wur­den in den „Asyl-​Mo­no­lo­gen“ von Flucht­ge­schich­ten und den All­tags­er­fah­run­gen von Ge­flüch­te­ten in Deutsch­land be­rich­tet. Das AJZ Kita/ La Casa war bei die­sem Thea­ter­stück gut ge­füllt, was auch an­zeigt, dass die kul­tu­rel­le In­ter­pre­ta­ti­on kom­ple­xer The­men meist zu­gäng­li­cher für ein brei­te­res Pu­bli­kum ist. Ähn­li­che Er­fah­run­gen wur­den auch beim Ab­schluss der Woche, dem sog. Bal­kon­ki­no am U-Bhf. Hel­lers­dorf ge­macht. Zwar blie­ben nicht alle der Pas­sant*innen den gan­zen Abend dort, aber viele ver­weil­ten und schau­ten sich in­ter­es­siert Vi­de­os und Filme an.
Ins­ge­samt den Er­war­tun­gen ent­spre­chend war auch die kurze Ab­schluss-​De­mo am 30. Au­gust, die vom U-Bhf. Cott­bus­ser Platz, über die Helle Mitte bis zum La Casa führ­te. Die ge­ra­de mal 150 An­ti­ras­sist*innen waren laut und konn­ten sich gegen rech­te Pö­bel­lei­en vom Rand gut weh­ren. Mit Re­de­bei­trä­gen, die sich auch auf die par­al­lel lau­fen­den Kämp­fe in der Gür­tel­stra­ße be­zo­gen wurde eine Brü­cke zwi­schen den lo­ka­len Un­wäg­bar­kei­ten der So­li­da­ri­täts­ar­beit, dem in­sti­tu­tio­nel­len und ge­sell­schaft­li­chen Be­din­gun­gen von Ras­sis­mus ge­zo­gen.
Die Woche en­de­te dann mit dem Rand­ge­stal­ten-​Fes­ti­val auf dem Ge­län­de des La Casa. Hier tra­ten bis in die Nacht Bands auf und auch Flücht­lin­ge aus der Un­ter­kunft be­tei­lig­ten sich an dem Fes­ti­val. Diese waren am Mor­gen noch von der Heim­lei­tung ge­warnt wor­den, sie soll­ten die Un­ter­kunft nicht ver­las­sen, weil an­geb­lich Nazis ir­gend­was pla­nen wür­den. Ein gutes Bei­spiel für die po­li­tisch mo­ti­vier­te Fil­te­rung der Au­ßen­welt durch die Heim­lei­tung. Im letz­ten Jahr war sie wie­der­holt in die Kri­tik ge­ra­ten, weil sie ge­ra­de nicht vor NPD-​Auf­mär­schen in der Ge­gend ge­warnt hatte.

Fest­zu­hal­ten ist: Die Ak­ti­ons­wo­che vom 25. bis 30. Au­gust war er­folg­reich. Dass sich die ras­sis­ti­sche Bür­ger­be­we­gung Mar­zahn-​Hel­lers­dorf (ehe­mals Bür­ger­initia­ti­ve) die ganze Woche nicht aus Face­book-​De­ckung wagte und keine der an­ge­kün­dig­ten Stör­ak­tio­nen durch­führ­te zeigt an, dass in Hel­lers­dorf sich sehr wohl was än­dern kann. Wir müs­sen nur dran blei­ben. Die nächs­te Ak­ti­ons­wo­che ist schon in Pla­nung.

Aufruf: Aktiv gegen Rassismus und Ausgrenzung mit Aktionen, Veranstaltungen, Theater usw.


Hörst du öfter ras­sis­ti­sche Sprü­che und weißt du nicht wie du re­agie­ren sollst? Möch­test du mehr über Flucht und Mi­gra­ti­on wis­sen und dar­über wie du Flücht­lin­ge un­ter­stüt­zen kannst? Stört dich Ras­sis­mus im All­tag, möch­test du diese Zu­stän­de nicht ehr hin­neh­men und Gleich­ge­sinn­te tref­fen?
Vom 25. bis 30. Au­gust fin­det an ver­schie­de­nen Orten in Ber­lin Hel­lers­dorf eine Ak­ti­ons-​ und In­for­ma­ti­ons­wo­che statt, in der diese The­men und noch viele mehr zur Spra­che kom­men.

Highlights aus dem Programm

Montag, 25.8., 20 Uhr, Alice-Salomon Hochschule
Podiumsdiskussion: Solidarität mit Flüchtlingen - aber wie? Alltagstaugliche Empfehlungen und Erfahrungen
Seit zwei Jahren gründen sich rund um Flüchtlingsheime Unterstützungs-Initiativen, die sich mit den untergebrachten Flüchtlingen solidarisieren, praktische Hilfe organisieren und politisch gegen rassistische Meinungen in der Nachbarschaft auftreten. Wie genau funktionieren solche „Willkommens-Initiativen“, welche Themen bearbeiten sie und welche Möglichkeiten der Beteiligung gibt es für interessierte NachbarInnen? Neben diesen Fragen, wollen wir auch generell über antirassistische Solidaritätsarbeit sprechen. Denn nicht erst seit zwei Jahren, sondern vielmehr seitdem Deutschland asylpolitisch „dichtmacht“ regt sich Widerstand gegen die Behandlung von Flüchtlingen als Menschen zweiter Klasse.

Mittwoch, 27.08., 20 Uhr, La Casa (Wur­ze­ner Str. 6)
Thea­ter: Asyl­mo­no­lo­ge
Die Asyl-​Mo­no­lo­ge er­zäh­len von Men­schen, die Gren­zen über­wun­den, Ver­bün­de­te ge­fun­den und nie ein „Nein“ als Ant­wort ak­zep­tiert haben. Sie er­zäh­len Le­bens­läu­fe von Men­schen, die aus ver­schie­dens­ten Grün­den, auf ver­schie­dens­ten Wegen ihre Hei­mat ver­las­sen muss­ten. Sie er­zäh­len aus höchst sub­jek­ti­ven Blick­win­keln Et­li­ches über die je­wei­li­gen Her­kunfts­ge­sell­schaf­ten, aber mehr noch über unser Land.

Freitag, 29.08., 18 Uhr, U-​Cott­bus­ser-​Platz
Kiez­Spa­zier­gang: Hel­lers­dor­fer Tat­or­te
Den Kiez aus der Perspektive von Betroffenen rassistischer Gewalt kennenlernen.
Nach­dem in Hel­lers­dorf eine Un­ter­kunft für Flücht­lin­ge er­öff­net hat, sind auch die Ak­ti­vi­tä­ten von Neo­na­zis und Ras­sist*innen wie­der mehr ge­wor­den. Ziele von ras­sis­ti­schen An­fein­dun­gen und von Ge­walt sind vor allem Men­schen, die als nicht-​deutsch ein­ge­stuft wer­den. Von wel­cher Seite zeigt sich Hel­lers­dorf für Flücht­lin­ge, die sich hier erst ein­mal zu­recht­fin­den müs­sen? Was für die meis­ten ganz nor­ma­le Orte sind – sind für an­de­re Orte, die be­wusst ge­mie­den wer­den. Der Stadt­spa­zier­gang führt an die­sen Orten vor­bei und macht die All­täg­lich­keit von Ras­sis­mus auch für all jene sicht­bar, die nicht davon be­trof­fen sind.

Samstag, 30.08., 12 Uhr, U-​Cott­bus­ser Platz
Antira-De­mons­tra­ti­on durch Hellersdorf
Im letz­ten Jahr es­ka­lier­te in Hel­lers­dorf die Ge­walt von ras­sis­ti­schen Het­zer*innen im bür­ger­li­chen Ge­wand, or­ga­ni­sier­ten Nazis und Stamm­tisch-​Chau­vi­nist*innen an­läss­lich der Er­öff­nung der Ge­flüch­te­ten-​Un­ter­kunft in der Ma­xi-​Wan­der Stra­ße. Neben Na­zi-​De­mons­tra­tio­nen, an­geb­li­chen „Bür­ger­pro­tes­ten“ gegen Asyl­be­wer­ber*innen kommt es seit­dem immer wie­der zu Über­grif­fen auf Men­schen und Be­dro­hun­gen. Gleich­zei­tig zeig­ten aber auch viele Men­schen So­li­da­ri­tät mit den Ge­flüch­te­ten, die sich in zahl­rei­chen De­mons­tra­tio­nen, Ak­tio­nen und kon­kre­ter Un­ter­stüt­zung zeig­te. Um auch wei­ter­hin brau­chen wir Un­ter­stüt­zung in die­sem Kampf. Des­halb wol­len wir am 30. Au­gust 2014, mehr als ein Jahr nach dem so­ge­nann­ten „brau­nen Diens­tag“, er­neut auf die Stra­ße gehen, um ein deut­li­ches Zei­chen gegen Ras­sis­mus, Aus­gren­zung und für So­li­da­ri­tät mit den Ge­flüch­te­ten zu set­zen. Re­fu­gees are wel­co­me here! Für eine so­li­da­ri­sche Ge­sell­schaft!


>>>
  randgestalten.blogsport.de

<<< Aktionen